Entscheidungsdatum: 15.07.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die international registrierte Marke IR 1 095 688
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Hoppe und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
I.
Das nachfolgend abgebildete Zeichen
ist am 21. Juni 2011 als Bildmarke für die Waren der Klasse 3
"cosmetics"
unter der Nummer IR 1 095 688 international registriert worden. Die Markeninhaberin beansprucht u. a. Schutz für die Bundesrepublik Deutschland.
Mit Beschluss vom 16. November 2012 hat die Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, dieser Internationalen Registrierung nach Beanstandung den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies B PVÜ seien solche Marken von der Schutzgewährung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehle bzw. die in der Bundesrepublik Deutschland im Interesse von Wettbewerbern freihaltebedürftig seien. Die in kyrillischen Buchstaben international registrierte Marke werde mit "das Geheimnis der Schönheit" übersetzt. Der Verkehr werde der Wortfolge lediglich einen werblich-anpreisenden, beschreibenden Hinweis auf die Qualität, Eigenschaft und den Zweck der Waren entnehmen, nämlich dass diese Kosmetika den Schlüssel zur Schönheit enthielten und der Verbraucher durch den Gebrauch dieser Waren schön(er) werde. Wie Rechercheergebnisse des Patentamts zeigten, gebe es in Deutschland (Online-) Geschäfte für russische Kosmetik. Unter Berücksichtigung der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation im Zuge der Öffnung der Grenzen erheblich intensivierten Wirtschaftsbeziehungen sowie unter Berücksichtigung des Zuzugs einer nicht unbeachtlichen Zahl von Spätaussiedlern bzw. Einwanderern aus Staaten, in denen Russisch in der Schule als erste Fremdsprache gelehrt werde, sei davon auszugehen, dass ein relevanter Teil der inländischen Verkehrskreise und die am Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreise den Sinngehalt der international registrierten Marke verstünden und den darin liegenden beschreibenden Bezug zu den Waren erkennen würden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass ihr Zeichen die beanspruchten Kosmetika nicht beschreibe. Der angesprochene Verkehr vermöge seine Bedeutung nicht zu erfassen; auch in der Transliteration und Übersetzung "Geheimnis der Schönheit" verfüge das schutzsuchende Zeichen über das zu einer Registrierung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Die von der Markenstelle als Belege angeführten Internetseiten von Online-Shops für russische Kosmetikprodukte seien zweisprachig aufgebaut und wendeten sich nicht ausschließlich an ein russischsprachiges Publikum.
Die Markeninhaberin beantragt zuletzt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. November 2012 aufzuheben.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Markeninhaberin und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. In seinem Ladungszusatz vom 10. Juni 2014 hat der Senat auf erhebliche Bedenken in Bezug auf eine Schutzgewährung hingewiesen und Belege zur Verwendung der russischen Sprache zur Kennzeichnung von Kosmetikprodukten im Inland sowie zu Handelsbeziehungen in der Kosmetikbranche zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation übersandt. Wie mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 angekündigt, ist die Markeninhaberin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2014 nicht erschienen.
II.
Die gemäß §§ 64 Abs. 1, Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle der schutzsuchenden Marke gemäß §§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 – FUSSBALL WM 2006). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Tz. 60] - Libertel). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. Alber, GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des EuGH mit weiteren Nachweisen). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).
Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann. Zu den hier angesprochenen inländischen Verkehrskreisen gehören der Fachhandel für Kosmetika "und/oder" die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Rn. 24) - Matratzen Concord/Hukla; BPatG GRUR 2007, 527 - Rapido; BPatG 24 W (pat) 110/05, B. v. 09. März 2007 - bagno; BPatG 28 W (pat) 28/10, B. v. 16. Juni 2010 - Porco; BPatG 30 W (pat) 108/02, B. v. 11. August 2003 – Porco; vgl. BPatG 28 W (pat) 99/06, B. v. 17.08.2007 – Capolavoro; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435 "Keine Ruhe auf fremden Matratzen – Zur markenrechtlichen Schutzfähigkeit fremdsprachiger beschreibender Angaben").
Hierbei kommt es zum einen auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30). Für das Verständnis dieser Marke kann zum anderen aber auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen allein von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rdn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435).
Wie die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, kombiniert die Schutz suchende IR-Marke "" zwei Begriffe des Grundwortschatzes der russischen Sprache, in deutscher Übersetzung "Schönheit" und "Geheimnis", wobei dieser Wortkombination als Ganzem die Bedeutung "Geheimnis der Schönheit" zukommt. Dies stellt auch die Markeninhaberin nicht in Abrede.
Hiervon ausgehend wird der Verkehr diese Wortkombination jedoch lediglich als eine rein werbliche Anpreisung dahingehend auffassen, dass die so gekennzeichneten Kosmetika das Geheimnis bergen können, den Kunden durch die Anwendung der Kosmetika zu Schönheit zu verhelfen (vgl. 24 W (pat) 89/10, B. v. 23. Oktober 2012 – Girls secret/Women’Secret; vgl. auch BPatG 30 W (pat) 252/93, B. v. 23. Januar 1995 - LE MYSTERE DES VOIX BUL-GARES). Einen betrieblichen Herkunftshinweis wird der Verkehr in dem schutzsuchenden Zeichen hingegen nicht erkennen.
Dem steht die Tatsache, dass die schutzsuchende IR-Marke in russischer Sprache und dementsprechend in kyrillischer Schrift gehalten ist, nicht entgegen. Denn mit der Markenstelle geht der Senat davon aus, dass entscheidungserhebliche Teile der allgemeinen inländischen Bevölkerung das in kyrillischen Buchstaben und in russischer Sprache gehaltene Zeichen seinem Sinngehalt nach ohne Mühe erfassen (vgl. Ströbele, Ströbele/Hacker, MarkenG., 10. Aufl. 2011, Rn. 402, Fn. 1092 m. w. N..; vgl. BPatG 26 W (pat) 210/01, B. v. 28. Februar 2007 – Shi-guljowskoje (kyrillisch geschriebenes Wort für Biersorte beschreibend); BPatG 28 W (pat) 96/08, B. v. 1. Dezember 2009 – Rossiskaja (kyrillische Bezeichnung "aus Russland" für verschiedene Lebensmittel beschreibend); BPatG 25 W (pat) 103/12, B. v. 7. November 2013 - Taiga (kyrillisch geschriebenes Wort "Taiga" als geographische Herkunftsbezeichnung für Schnittholz beschreibend)) und daher nicht als Herkunftshinweis verstehen werden. Sowohl die Belege der Markenstelle, als auch die durch den Senat ergänzend recherchierten Nachweise (vgl. Onlineangebot von mindestens vier Herstellern im Inland, Anlagen 5 – 8 zum Ladungszusatz vom 10. Juni 2014) belegen, dass kyrillisch beschriftete Kosmetika Verbrauchern im Inland bereits begegnen.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung erörterten, auf Statistiken des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2010-2012 beruhenden Nachweise zeigen außerdem, dass im Inland in den Jahren 2010-2012 an allgemeinbildenden Schulen über 100.000 Schülerinnen und Schüler sowie an beruflichen Schulen über 5.000 Schülerinnen und Schüler die russische Sprache als Fremdsprache erlernten (vgl. Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2014). Die russische Sprache zählt nicht zu den "exotischen" Sprachen, sondern gehört zu den Sprachen einer nicht nur unerheblichen Minderheit innerhalb der Europäischen Union. Die muttersprachlich russische Bevölkerungsgruppe in Deutschland umfasste im Jahre 2010 rund 3,4 Millionen Menschen (vgl. Anlage 2 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2014). Zusammen mit denjenigen inländischen Verkehrskreisen, die Russisch während ihrer Schulzeit in der Deutschen Demokratischen Republik als erste Fremdsprache gelernt haben, stellt diese Personengruppe zur Überzeugung des Senats einen markenrechtlich erheblichen, seiner Größenordnung nach nicht zu vernachlässigenden Teil der angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise dar, die die Bedeutung "Geheimnis der Schönheit" des schutzsuchenden Zeichens ohne Mühe erfassen und es daher in Verbindung mit Kosmetika nicht als Herkunftshinweis auffassen werden.
Wie bereits im Ladungszusatz vom 10. Juni 2014 erläutert, kommt hinzu, dass zwischen den Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation Handelsbeziehungen in erheblichem Umfang bestehen, und zwar auch in der hier einschlägigen Kosmetikbranche. Hiervon zeugt die Tatsache, dass zu dem in der Russischen Föderation größten einheimischen Hersteller von Kosmetika, dem Konzern "Kalina" mit einem Umsatz von …. Euro im Jahre 2010, auch der deutsche Hersteller D… GmbH gehört (vgl. Anlage 1 zur Ladungsverfügung vom 10. Juni 2014). Dieser Konzern hat u. a. das schwäbische Unternehmen S… übernommen (vgl. Anlage 3 zur Ladungsverfügung vom 10. Juni 2014). Die Tatsache, dass im Inland, wie ausgeführt, kosmetische Produkte mit kyrillischer Aufschrift vertrieben und auf in Deutschland gehosteten Internetseiten ganz oder teilweise in russischer Sprache beworben werden, zeigt auch, dass diejenigen inländischen Fachverkehrskreise für Kosmetika, die unter Verwendung der russischen Sprache Handel treiben, ganz überwiegend über fachspezifische Grundkenntnisse dieser Sprache verfügen und ihre Handelsbeziehungen nicht etwa ausschließlich in englischer Sprache abwickeln. Die Verwendung der russischen Sprache zur Beschriftung von Kosmetikprodukten im Inland verbunden mit dem festgestellten Umfang von Handelsbeziehungen in der Kosmetikbranche beider Länder belegen zur Überzeugung des Senats, dass auch ein erheblicher Teil der inländischen Fachverkehrskreise für Kosmetika die Bedeutung des schutzsuchenden Zeichens i. S. v. "Geheimnis der Schönheit" ohne weiteres Nachdenken als rein werbliche Anpreisung in diesem Sinne, jedoch nicht als Herkunftshinweis versteht.
Aus diesen Gründen war der international registrierten Marke "" gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern; und die Beschwerde der Markeninhaberin war zurückzuweisen.