Entscheidungsdatum: 04.12.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 054 392
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie des Richters Schmid und der Richterin am Landgericht Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom 18. Juni 2012 und 3. März 2014 werden aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke EM 008 774 531 in Bezug auf die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
Klasse 3: Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;
Klasse 35: Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren; Dienstleistungen des Großhandels über das Internet in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren; Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren; Großhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich: Drogeriewaren, Kosmetikwaren.
In Bezug auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen wird die Löschung der angegriffenen Marke 30 2010 054 392 angeordnet.
I.
Die am 17. September 2010 angemeldete nachfolgend abgebildete Wort-/Bild-marke 30 2010 054 392
ist am 24. November 2010 mit der Beschreibung „Die Buchstaben NYX in grafisch verfremdeter Form“ eingetragen worden für die folgenden Waren und Dienstleistungen:
Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel;
Klasse 35: Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren; Dienstleistungen des Großhandels über das Internet in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren; Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren; Großhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich: Drogeriewaren, Kosmetikwaren und Haushaltswaren.
Ursprüngliche Inhaberin der angegriffenen Marke war die Items Warenhandelsges. mbH, deren Insolvenzverwalter die Marke während des patentamtlichen Verfahrens auf die jetzige Inhaberin und Beschwerdegegnerin übertragen hat. Diese ist in das Verfahren eingetreten.
Gegen die angegriffene Marke ist Widerspruch erhoben worden aus der am 22. Dezember 2009 angemeldeten und am 15. Juni 2010 eingetragenen Gemeinschaftsmarke EM 8 774 531
NUXE.
Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 3 und Dienstleistungen der Klasse 44:
Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Lederkonservierungsmittel (Wichse); Lederkrem; Zahnputzmittel; Kosmetika; Parfüms; Eau de Toilette; Kölnischwasser; Körperdeodorants; ätherische Öle; Pflanzenextrakte für kosmetische Zwecke; Seifen, Körperreinigungsmilch; Cremes, Gele, Milch, Lotionen, Masken, Pomaden, Puder und kosmetische Hautpflegemittel; kosmetische Antifaltenpräparate; kosmetische Lippenpflegemittel; kosmetische Sonnenschutzmittel, kosmetische Präparate zur Hautbräunung, kosmetische After-Sun-Produkte; kosmetische Schlankheitspräparate; Mittel zur Beseitigung von Pickeln; Haarpflegemittel (Präparate zur Pflege von Haar und Kopfhaut); Badezusätze, kosmetische; Schmink- und Abschminkmittel; Rasiermittel und After-Shave-Mittel; mit kosmetischen Lotionen getränkte Tücher und Wischtücher; Baumwolle für kosmetische Zwecke; Wattestäbchen für kosmetische Zwecke; Abschminkpads; Weihrauch; Duftwässer; Raumparfums; Duftstoffe für die Wäsche;
Klasse 44: Medizinische Dienste; Krankenhausdienstleistungen; veterinärmedizinische Dienste; Dienstleistungen von Genesungs- oder Erholungsheimen, medizinisch betreute Einrichtungen; Dienstleistungen eines Optikers; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen oder Tiere, Massagen, Schönheitssalons, Pflegedienstleistungen (Saunas), Wellnesseinrichtungen (Körper- und Schönheitspflege), Leistungen der Balneotherapie, Physiotherapie und Aromatherapie; Dienstleistungen im Bereich der Land-, Garten- und Forstwirtschaft; Tierzucht; Gartenarbeiten, Leistungen eines Garten- und Landschaftspflegers und eines Baumschulgärtners.
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Erstbeschluss vom 18. Juni 2012 zurückgewiesen, weil es an einer Verwechslungsgefahr fehle. Ausgehend von teilweise identischen Waren und Dienstleistungen sowie durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke einen ausreichenden Zeichenabstand ein. Eine relevante Ähnlichkeit der Vergleichszeichen sei auch in klanglicher Hinsicht zu verneinen, da die angegriffene Marke entweder als Buchstabenkombination oder als einsilbige Einwortmarke, die Widerspruchsmarke demgegenüber zweisilbig „Nu-xe“, mit der Vokalfolge u – e, ausgesprochen werde.
Die gegen diesen Erstbeschluss gerichtete Erinnerung der Widersprechenden ist mit Beschluss vom 3. März 2014 zurückgewiesen worden. Die Erinnerungsprüferin ist ebenfalls von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und nicht von einer durch Bekanntheit gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Beim Waren- und Dienstleistungsvergleich hat sie Identität in Bezug auf die für die angegriffene Marke eingetragenen Waren der Klasse 3 angenommen, hinsichtlich der für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen der Klasse 35 hat sie teilweise eine entfernte Ähnlichkeit zu bestimmten Dienstleistungen der Klasse 44 bejaht und im Übrigen jegliche Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit verneint.
Da die Art der Wortbildung der Widerspruchsmarke eine französische Aussprache nicht nahelege und der Verkehr deren französische Herkunft nicht erkennen könne, sei, so die Erinnerungsprüferin, von einer „deutschen“ Aussprache des Widerspruchszeichens („NUXE“, also: „NU-KSE“) auszugehen; eine klangliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen könne vor diesem Hintergrund nicht festgestellt werden. Selbst in Bezug auf identische Waren läge daher keine Verwechslungsgefahr vor.
Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.
Sie ist der Auffassung, dass die Vergleichszeichen klanglich fast identisch seien, denn ein erheblicher Teil des Verkehrs werde die Widerspruchsmarke, die ihm in der konkreten Aufmachung und auf den konkreten Verpackungen mit einer Vielzahl französischsprachiger Angaben begegne, „Nüx“ und damit genau so wie die angegriffene Marke aussprechen. Ferner liege in bildlicher Hinsicht eine Ähnlichkeit der Vergleichszeichen vor.
Beim Waren- und Dienstleistungsvergleich sei zu berücksichtigen, dass auch zwischen den Waren der Klasse 3 der Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke eine enge Ähnlichkeit bestehe. Die Widerspruchsmarke verfüge des Weiteren über eine kraft intensiver Benutzung - insbesondere in Frankreich, aber auch in Deutschland - erhöhte Kennzeichnungskraft.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschlüsse der der Markenstelle für Klasse 3 des DPMA vom 18. Juni 2012 und 3. März 2014 aufzuheben und wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke EM 8 774 531 die Löschung der angegriffenen Marke 30 2010 054 392 anzuordnen.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung hat sie den Widerspruch mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 und vom 3. November 2015 zurückgenommen, soweit er sich gegen die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke gerichtet hat:
Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier, Fettentfernungs- und Schleifmittel
Klasse 35: Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet in den Bereichen: Haushaltswaren; Dienstleistungen des Großhandels über das Internet in den Bereichen: Haushaltswaren; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Haushaltswaren; Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen in den Bereichen: Haushaltswaren; Großhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Haushaltswaren; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen im Bereich: Haushaltswaren.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Verwechslungsgefahr hier nicht vorliege. Die Markeninhaberin verweist auf entsprechende Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien (Beschluss vom 16. März 2015, Az. 34 R 10/15p) und der 5. Beschwerdekammer des HABM (Entscheidung vom 8. April 2014, Az. R 1575/2013-5).
Die Widerspruchsmarke sei ein Phantasiewort, bei dem für das deutsche Publikum nicht erkennbar sei, ob es sich um ein französisches Wort handele. Denn die Widerspruchsmarke weise keine spezifischen Merkmale auf, die eine französische Aussprache nahelegen könnten, oder Buchstabenfolgen, die der deutsche Verkehr typischerweise mit einer französischen Aussprache in Verbindung bringe, oder die in sonstiger Form an französische Fremdwörter erinnern würden. Insbesondere liege auch keine Assoziation mit der Wortfolge „de luxe“ nahe. Zweifel an der Aussprache gingen zu Lasten der insoweit aus Sicht der Markeninhaberin beweisbelasteten Widersprechenden. Vorsorglich bietet die Markeninhaberin für den Umstand, dass der inländische Verkehr bzw. ein relevanter Teil des inländischen Verkehrs die Widerspruchsmarke nicht in französischer Form als „nücks“, sondern in deutscher Form als „nuk-se“ ausspreche, eine Beweiserhebung mittels einer Verkehrsbefragung an.
In diesem Zusammenhang regt die Markeninhaberin gegebenenfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage an, unter welchen Umständen im Widerspruchsverfahren eine Verkehrsbefragung im Rahmen der Untersuchungsmaxime einzuholen sei.
Die Markeninhaberin ist weiter der Ansicht, dass die konkreten Aufmachungen der mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Produkte – wie von der Widersprechenden eingereicht - im Widerspruchsverfahren zur Beurteilung der (abstrakten) Kollisionslage unerheblich seien. Selbst bei einer unterstellten französischsprachigen Aussprache der Widerspruchsmarke würden klangliche Ähnlichkeiten durch die schriftbildlichen Unterschiede neutralisiert. In schriftbildlicher Hinsicht sei die konkret eingetragene, grafisch gestaltete Form der angegriffenen Marke maßgebend, die sich deutlich von der Widerspruchsmarke unterscheide. Beim Zeichenvergleich sei ferner zu berücksichtigen, dass der Verkehr die angegriffene Marke als Kombination dreier Großbuchstaben erkennen und entsprechend aussprechen werde. Die konkrete schriftbildliche Form der Widerspruchsmarke lasse es demgegenüber als fernliegend erscheinen, dass der Verkehr die angegriffene Marke als Ein-Wort-Bezeichnung ausspreche.
Im Rahmen des Waren- und Dienstleistungsvergleichs sei die Auffassung der Erinnerungsprüferin zu teilen, dass in Bezug auf die in der Klasse 35 streitigen Dienstleistungen keine Ähnlichkeit vorliege.
Schließlich ist die Markeninhaberin der Ansicht, die Widersprechende könne sich nicht auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke berufen. Eine Bekanntheit außerhalb des inländischen Kollisionsgebietes sei nicht zu berücksichtigen; bei einer gegenteiligen Ansicht des Senats regt die Markeninhaberin ein Vorabentscheidungsersuchen zum EuGH an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Soweit der Widerspruch nicht zurückgenommen wurde und über diesen daher noch zu entscheiden war, besteht zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 125 b Nr. 1 MarkenG, so dass in Bezug auf die noch streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war, §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Nach der ständigen Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR Int. 2010, 857, Tz. 32 – BARBARA BECKER; BGH GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure). Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH GRUR 2013, 833, Tz. 12 - Pantohexal; BGH GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; BGH GRUR 2010, 235 Tz. 15 – AIDA/AIDU; BGH GRUR 2008, 258, Tz. 20 - INTERCONNECT/T-InterConnect).
1. In Bezug auf die Waren und Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke geschützt ist, und die noch streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, ist teilweise von Identität, teilweise von Ähnlichkeit auszugehen.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und/oder Dienstleistungen kommt es darauf an, ob diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen und anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 582, Tz. 85 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2009, 484, Tz. 25 – Metrobus; BGH GRUR 2015, 16, Tz. 16 – ZOOM; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9, Rn. 59 m. w. N.).
a) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Waren der Klasse 3 der angegriffenen Marke liegt Warenidentität vor. Die angegriffene Marke ist in der Klasse 3 – soweit hier noch beschwerdegegenständlich - für die Waren „Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“ eingetragen, während die Widerspruchsmarke eingetragen ist für identische Waren, nämlich „… Zahnputzmittel; Kosmetika; Parfüms; Eau de Toilette; Kölnischwasser; Körperdeodorants; ätherische Öle; … Seifen, Körperreinigungsmilch; Cremes, Gele, Milch, Lotionen, Masken, Pomaden, Puder und kosmetische Hautpflegemittel; kosmetische Antifaltenpräparate; kosmetische Lippenpflegemittel; kosmetische Sonnenschutzmittel, kosmetische Präparate zur Hautbräunung, kosmetische After-Sun-Produkte; … Mittel zur Beseitigung von Pickeln; Haarpflegemittel (Präparate zur Pflege von Haar und Kopfhaut); …“. Insbesondere fallen die „Parfüms, Eau de Toilette“ unter den Oberbegriff „Parfümeriewaren“ der angegriffenen Marke und beispielsweise die genannten Cremes, Lotionen, Masken, Haarpflegemittel etc. unter den weiten Oberbegriff der „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde.
b) Zwischen den noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35, für die die prioritätsjüngere Marke eingetragen ist, und den Waren der Klasse 3, für die die Widerspruchsmarke Schutz genießt, besteht eine jedenfalls geringe Ähnlichkeit.
Für die Bejahung einer Ähnlichkeit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren reicht es aus, dass sich die Dienstleistungen auf die entsprechenden Waren beziehen und die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund dieses Verhältnisses annehmen, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen (BGH GRUR 2014, 378, Tz. 39 – OTTO CAP m. w. N.). Die Tatsache, dass Handelsmarken, also Warenmarken in der Hand von Handelsunternehmen, seit Jahren „auf dem Vormarsch“ sind, führt zu einer Gewöhnung des Verkehrs an ein Nebeneinander von Hersteller-, Handels- und Handelsdienstleistungsmarken und zu der Annahme, dass das Handelsunternehmen häufig nicht nur die Verantwortung für die Einzelhandelsdienstleistungen, sondern auch eine Produktverantwortung übernimmt; vor diesem Hintergrund kann zwischen den Waren und den Einzelhandelsdienstleistungen, die identische Waren zum Gegenstand haben, je nach Handelssektor und Zuschnitt eine geringe bis mittlere Ähnlichkeit angenommen werden (Büscher / Dittmer / Schiwy: Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage 2014, § 14 MarkenG, Rn. 234). Dementsprechend ist für den Bereich der Bekleidung für das Verhältnis zwischen Waren und den hierauf bezogenen Einzelhandelsdienstleistungen Ähnlichkeit bejaht worden, da große Handelshäuser in diesem Warensektor häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken anbieten (BGH GRUR 2014, 378, Tz. 39 - OTTO CAP).
Entsprechendes gilt für die vorliegende Konstellation. Die Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 beziehen sich auf Drogeriewaren und Kosmetikwaren, für die auch die Widerspruchsmarke Schutz genießt. Es ist allgemein üblich und bekannt, dass große Handelsketten im einschlägigen Warenbereich der Drogerie- und Kosmetikwaren neben fremden Waren auch eigene „Hausmarken“ im Angebot haben (vgl. die in der mündlichen Verhandlung den Vertretern der Beteiligten übergebenen Anlagen: Anlage 1 zum Protokoll vom 27. Oktober 2015 bzgl. „… Pflanzenkosmetik“, Anlage 2 zum Protokoll hinsichtlich der „… Lebens-Qualitätsmarken“ mit dem …-Logo, sowie Anlage 3 mit Abbildungen der mit dem „… Logo“ gekennzeichneten Waren). Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass die angesprochenen Verkehrskreise zu dem Schluss kommen, dass Waren wie Parfüms, Haarpflegemittel etc. und beispielsweise Dienstleistungen des Einzelhandels über das Internet in den Bereichen Drogeriewaren und Kosmetikwaren aus dem gleichen Unternehmen stammen bzw. von organisatorisch oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen erbracht werden. Dann aber ist jedenfalls von einer zumindest geringen Ähnlichkeit der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 der angegriffenen Marke zu den Waren der Klasse 3 der Widerspruchsmarke auszugehen, nicht aber von weit unterdurchschnittlicher Ähnlichkeit oder gar von Unähnlichkeit. Ob andererseits hinsichtlich der vorgenannten Dienstleistungen nicht nur von einer unterdurchschnittlichen, sondern von einer normalen Ähnlichkeit auszugehen ist, kann dahingestellt bleiben, da bei jedenfalls schon unterdurchschnittlicher Ähnlichkeit das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (s. u. Ziff. 3.).
2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Es kann offen bleiben, ob von einer kraft Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft oder von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist, da die Gesamtabwägung auch bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke zur Annahme einer Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG führt (s. u. Ziff. 3.c)).
Folglich besteht kein Anlass für das von der Markeninhaberin angeregte Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu der Frage, ob eine Bekanntheit außerhalb des inländischen Kollisionsgebietes berücksichtigt werden darf.
3. Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung hält die angegriffene Marke mit Blick auf die vorgenannten Umstände den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke hinsichtlich der im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen nicht ein.
Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9, Rn. 254 m. w. N.). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9, Rn. 237 m. w. N.).
a) Vorliegend sind die Zeichen als klanglich identisch zu erachten.
Bei der Ähnlichkeitsprüfung von Marken in klanglicher Hinsicht sind die dem Sprachgefühl entsprechenden und im Bereich des Wahrscheinlichen liegenden Möglichkeiten der Aussprache und Betonung zu beachten, wobei zu berücksichtigen ist, inwieweit auf dem jeweiligen Gebiet der Waren und Dienstleistungen fremdsprachige Betonungen oder eine fremdsprachige Aussprache naheliegen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 274, 275).
aa) Dabei ist in Bezug auf die angegriffene Marke davon auszugehen, dass der angesprochene Verkehr das angegriffene Zeichen eher als ein Wort ausspricht, und zwar in der Artikulation „Nücks“. Demgegenüber erscheint eine Artikulation mit Einzelbuchstaben, d. h. mit englischer oder deutscher Aussprache der Einzelbuchstaben N, Y, X, wenig wahrscheinlich, da es keine Hinweise auf eine solche „Einzelaussprache“ gibt (wie beispielsweise Punkte zwischen den Buchstaben) und sich „Nyx“ als Wort gut aussprechen lässt.
Des Weiteren ist von einer Aussprache des Buchstabens „y“ als „ü“ als einer jedenfalls ohne weiteres im Bereich des Wahrscheinlichen liegenden Möglichkeit auszugehen. Anders als von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, liegt insoweit kein „Fehlen eines Vokals“ vor, das zu einer Aussprache der Einzelbuchstaben veranlassen könnte. Der Buchstabe „y“ wird im Deutschen oftmals als „ü“ ausgesprochen (z. B. in den Wörtern „Typ“, „Asyl“, „Xylophon“, teilweise auch in Bezeichnungen wie „Sylt“).
Demzufolge ist die Aussprache „Nücks“ in Bezug auf die angegriffene Marke eine ohne Weiteres wahrscheinliche, ja naheliegende Variante.
bb) Weiter ist davon auszugehen, dass auch eine Aussprache der Widerspruchsmarke als „Nücks“ im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegt. Dies ist die im Französischen zutreffende Aussprache. Bei der Beurteilung der Aussprache der Widerspruchsmarke durch den angesprochenen (inländischen) Verkehr ist in diesem Zusammenhang zwar die konkrete Benutzungsform der Widerspruchsmarke – bei der neben dem Zeichen „NUXE“ regelmäßig französische bzw. auf Frankreich hindeutende Zusätze wie beispielsweise die Angabe „Paris“ erfolgen – außer Betracht zu lassen. Vielmehr ist auf die registrierte Form der zu vergleichenden Marken abzustellen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 216).
Aber auch bei Zugrundelegung der registrierten Form ist die Aussprache „Nücks“ eine wahrscheinliche und damit für den Ähnlichkeitsvergleich relevante Aussprachemöglichkeit.
Gerade im Bereich der Kosmetika, der Mittel zur Körper- und Schönheitspflege und der Parfümeriewaren - also der hier relevanten Waren der Klasse 3, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist und in Bezug auf die oben eine Identität bzw. eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen bejaht wurde, - sind französische Produkte und Firmen auch auf dem inländischen Markt allgemein sehr präsent (z. B. L’Oréal, Lancôme etc.). Zudem legt die Wortbildung der Widerspruchsmarke eine französische Aussprache nahe – auch wenn keine typische französische Schreibweise beispielsweise mit Akzent vorliegt –, da der Phantasiebegriff „NUXE“ eine Anlehnung an den Begriff „luxe“ erkennen lässt, zumal gerade in diesem Warenbereich häufig Produkte „de luxe“ (ausgesprochen „de lücks“) angeboten werden (verbreitet ist beispielsweise die Bezeichnung höherwertiger Seifen mit „Savon de luxe“).
cc) Somit stellt die Aussprache „Nücks“ sowohl bei der angegriffenen Marke als auch bei der Widerspruchsmarke jedenfalls eine der im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegenden Aussprachevarianten dar.
Dies kann der Senat, dessen Mitglieder selber zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Sachkunde beurteilen. Daher bedarf es auch keines demoskopischen Gutachtens bzw. einer Verkehrsbefragung, um das Verständnis des Verkehrs zu ermitteln; ein solches wäre nur dann erforderlich, wenn das Gericht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu einem Ergebnis zu gelangen vermag (vgl. zum UWG BGH GRUR 2004, 244 – Marktführerschaft m. w. N.; BGH GRUR 2004, 239 – DONLINE; siehe i. Ü. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 241). Dies ist jedoch, wie ausgeführt, vorliegend nicht der Fall.
Da keine Zweifel hinsichtlich der Aussprache der Widerspruchsmarke verbleiben, kommt es auf die von der Markeninhaberin aufgeworfene Frage der Feststellungslast nicht weiter an.
dd) In klanglicher Hinsicht sind die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke nach alledem als identisch zu erachten.
Diese klangliche Übereinstimmung ist des Weiteren im vorliegenden Warenzusammenhang relevant. Auch wenn beispielsweise Kosmetika und Parfümeriewaren zumeist „auf Sicht“ gekauft werden, so ist daneben jedenfalls auch von mündlichen Nachfragen, Empfehlungen oder Bestellungen auszugehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 255). Entsprechendes gilt auch für die hier gegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35.
b) Auf die in Bezug auf Gemeinschaftsmarken ergangene Rechtsprechung, nach der sich die klanglichen, (schrift-) bildlichen und begrifflichen Aspekte der Ähnlichkeit gegenseitig neutralisieren können (EuG GRUR Int. 2007, 593, Tz. 53 – Respicur; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 255), kommt es hier nicht weiter an.
Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine solche „Neutralisierung“ nur für den - eher seltenen - Ausnahmefall in Betracht, dass eine klangliche Verwechselbarkeit durch einen eindeutigen und sofort erfassbaren Sinngehalt ausgeräumt werden kann (BGH GRUR 1992, 130 - Bally/BALL; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 256). Dies ist hier aber nicht der Fall. Sowohl bei dem angegriffenen Zeichen als auch bei der Widerspruchsmarke handelt es sich um Phantasieworte, die keinen eindeutigen und sofort erfassbaren, unterschiedlichen Sinngehalt aufweisen.
c) Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ist unter Berücksichtigung der klanglichen Identität und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in Bezug auf die streitgegenständlichen Waren der Klasse 3, hinsichtlich derer Warenidentität vorliegt, von einer Verwechslungsgefahr auszugehen. Aber auch in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35, bei denen eine zwar lediglich geringe, aber im Rahmen der Abwägung doch als relevant zu erachtende Ähnlichkeit zu den Waren der Klasse 3, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, besteht, ist im Hinblick auf die übrigen maßgeblichen Kriterien, insbesondere die klangliche Identität der Vergleichszeichen, im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung eine Verwechslungsgefahr anzunehmen. Anders läge es nur dann, wenn die streitgegenständlichen Dienstleistungen als unähnlich anzusehen wären, da bei einem derart deutlichen Waren- bzw. Dienstleistungsabstand das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr selbst bei identischen Zeichen verneint werden kann (BGH GRUR 2009, 484, Tz. 25 – Metrobus; BGH GRUR 2014, 378, Tz. 38 - OTTO CAP). Dies ist hier aber nicht der Fall. Auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 1.b) wird verwiesen.
d) Auch soweit die Markeninhaberin auf Entscheidungen der 5. Beschwerdekammer des HABM (Entscheidung vom 8. April 2014, Az. R 1575/2013-5) und des Oberlandesgerichts Wien (Beschluss vom 16. März 2015, Az. 34 R 10/15p) verweist, ändert die dortige Verneinung der Verwechslungsgefahr nichts an der dargelegten Beurteilung durch den Senat. Nur der Vollständigkeit halber sei in Bezug auf die Entscheidung der 5. Beschwerdekammer des HABM angemerkt, dass die Beschwerdekammer darauf abstellt, dass die angegriffene Marke NYX nach französischen Ausspracheregeln als „nicks“ auszusprechen sei, so dass im französischsprachigen Raum zur Widerspruchsmarke zwar eine klangliche Ähnlichkeit, aber keine klangliche Identität anzunehmen sei (Tz. 44 der Entscheidung des HABM). Demgegenüber stellt im Deutschen – wie dargelegt – „Nücks“ eine wahrscheinliche Aussprachemöglichkeit dar.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert, § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Insbesondere ist anerkannt, dass eine Verkehrsbefragung zum Verständnis des Verkehrs nur erforderlich ist, wenn die entscheidenden Richter dieses nicht aus eigener Sachkunde bzw. aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung beurteilen können.
5. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen auf einen der Beteiligten ist nicht veranlasst, § 71 Abs. 1 MarkenG.