Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.06.2016


BPatG 22.06.2016 - 24 W (pat) 47/13

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – Beschwerde gegen Kostenentscheidung – zur Kostenauferlegung im registerrechtlichen Markenverfahren - keine Kostenauferlegung zu Lasten der Antragstellerin


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
22.06.2016
Aktenzeichen:
24 W (pat) 47/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 300 20 438 – S 88/10 Lösch

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie des Richters  Schmid und der Richterin am Landgericht Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Kostentragung in einem Löschungsverfahren.

2

Am 3. August 2000 wurde die am 16. März 2000 von der H… … GmbH & Co. KG angemeldete Wortmarke

3

Macon Relax Vital

4

für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 3 unter der Nr. 300 20 438 in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen:

5

Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel.

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Die Marke wurde zum 14. Februar 2003 von der ursprünglichen Anmelderin bzw. Markeninhaberin auf den nunmehrigen Markeninhaber umgeschrieben.

7

Am 3. Juni 2002 haben die ursprüngliche Markeninhaberin und die Antragstellerin eine Vereinbarung zur vergleichsweisen Beilegung verschiedener beim DPMA anhängiger Verfahren geschlossen. In Ziff. 1. dieser Vereinbarung hat sich die Antragstellerin verpflichtet, den Löschungsantrag gegen die deutsche Marke 300 20 439.6/03 (Löschungsverfahren S 33/01 Lösch betreffend die Wortmarke „Macon Dermanorm“) zurückzunehmen. In Ziff. 6 der Vereinbarung haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, die Markenbestandteile „DERMANORM“, „HYDRO ALGA“, „COUPEROSE“ und „DERM BALANCE“ nur in Verbindung mit der jeweiligen Hauptmarke „MACON“ (ursprüngliche Markeninhaberin) bzw. „DALTON“ (Antragstellerin) zu benutzen, und aus den genannten Marken keine Rechte gegeneinander herzuleiten. Die Vereinbarung enthält in Ziff. 7 eine Rechtsnachfolgeklausel.

8

Die Antragstellerin hat am 15. März 2010 die Löschung der Marke 300 20 438 „Macon Relax Vital“ gem. § 50 Abs. 1 MarkenG beantragt. Sie hat diesen Antrag mit einem Freihaltebedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet und hierzu ausgeführt, dass es sich bei „Mâcon“ um einen Ort im französischen Burgund handele, der insbesondere durch Weinbau auch bei deutschen Verkehrskreisen bekannt sei, und in dem eine Reihe von Kosmetikstudios sowie die französische Kosmetikfirma …C ansässig seien. Zur Frage des Freihaltebedürfnisses an einer geografischen Herkunftsangabe hat die Antragstellerin auf eine Vielzahl von Entscheidungen des DPMA und des Bundespatentgerichts verwiesen. In Bezug auf den weiteren Markenbestandteil „Relax Vital“ hat die Antragstellerin ausgeführt, dass dieser warenbeschreibend sei, da er auf mögliche Wirkungen der so bezeichneten Produkte hinweise.

9

Der Markeninhaber hat dem am 1. April 2010 zugestellten Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 11. Mai 2010, beim DPMA eingegangen am 12. Mai 2010, widersprochen. Er hat zudem vor dem Landgericht München I unter Berufung auf die Vereinbarung vom 3. Juni 2002 gegen die Antragstellerin Klage auf Rücknahme dieses Löschungsantrags sowie weiterer Löschungsanträge hinsichtlich Marken mit dem Wortbestandteil „Macon“ erhoben (Az. 33 O 9088/11).

10

Das Landgericht München I hat die Antragstellerin zur Rücknahme sämtlicher streitgegenständlicher Löschungsanträge verurteilt. Das Oberlandesgericht München (Az. 29 U 98/12) hat mit Urteil vom 13. September 2012 das erstinstanzliche Urteil teilweise aufgehoben und die Antragstellerin zur Rücknahme ihrer Anträge lediglich in den weiteren Löschungsverfahren hinsichtlich der Wortmarken „MACON“, „Macon Hydro Alga“, „Macon Dermanorm“ und „Macon Derm Balance“ verurteilt. In Bezug auf den hier streitgegenständlichen, gegen die Marke 300 20 438 „Macon Relax Vital“ gerichteten Löschungsantrag hat es unter entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage jedoch abgewiesen, da diese Marke nicht Gegenstand der Vereinbarung vom 3. Juni 2002 gewesen sei.

11

Mit Beschluss vom 21. August 2013 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA sowohl den Löschungsantrag hinsichtlich der Marke 300 20 438 „Macon Relax Vital“, als auch den Antrag des Markeninhabers, der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen.

12

Die Markenstelle hat die Zurückweisung des Löschungsantrags damit begründet, dass die angegriffene Bezeichnung „Macon Relax Vital“ nicht geeignet sei, die geografische Herkunft der beanspruchten Waren zu bezeichnen. Eine wirtschaftliche Bedeutung der Stadt „Mâcon“ in Frankreich im Bereich der Kosmetikindustrie sei nicht dargetan und nicht ersichtlich. Der Markenbestandteil „Macon“ deute auch von seiner Wortstruktur her nicht unbedingt auf einen Ortsnamen hin, sondern wirke wie ein Fantasiebegriff, zumal der accent circonflexe fehle. Zudem würden die angesprochenen Verkehrskreise durch die weiteren - wenn auch beschreibenden - Zusätze „Relax“ und „Vital“ von einem reinen Ortsnamen weggeführt.

13

Für eine Kostenauferlegung nach Billigkeitsgründen gem. § 63 Abs. 1 MarkenG habe kein Anlass bestanden. Besondere Umstände lägen nicht vor, insbesondere sei die Marke „Macon Relax Vital“ nicht Gegenstand des Abgrenzungsabkommens zwischen den Beteiligten, so dass der Löschungsantrag nicht bereits aus diesem Grunde unzulässig gewesen sei.

14

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Markeninhaber gegen die Zurückweisung seines Antrags, der Antragstellerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

15

Bei ihrer Kostenentscheidung sei die Markenabteilung zu Recht davon ausgegangen, dass eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen im Falle eines Verstoßes gegen eine Rücknahmeverpflichtung aus der Abgrenzungsvereinbarung vorzunehmen sei. Tatsächlich habe sich die Rücknahmeverpflichtung aus der Abgrenzungsvereinbarung vom 3. Juni 2002 auch auf das Löschungsverfahren in Bezug auf die Marke 300 20 438 „Macon Relax Vital“ erstreckt. Das Urteil des Oberlandesgerichts München sei insoweit nicht zutreffend und entfalte keine Bindungswirkung. Kern der Abgrenzungsvereinbarung sei es gewesen, dem Markeninhaber die Hauptmarke „MACON“ und der Antragstellerin die Hauptmarke „DALTON“ zuzuweisen. Der ausdrücklichen Einbeziehung der Marken „Macon Hydro Alga“, „Macon Dermanorm“ und „Macon derm Balance“ in die Abgrenzungsvereinbarung liege der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass eine Duldungspflicht auch bei Hinzufügung beschreibender Angaben oder diesen angelehnter Bestandteile bestehen solle. Bei den Zusätzen „Relax“ und „Vital“ handele es sich ebenfalls um solche beschreibenden und damit nicht schutzfähigen Angaben.

16

Schließlich sei eine Kostenregelung zu Lasten der Antragstellerin nach der Rechtsprechung des 27. Senats des Bundespatentgerichts bereits deswegen vorzunehmen, weil es sich bei dem Löschungsverfahren um ein dem kontradiktorischen Verfahren angenähertes Verfahren handele, so dass der Rechtsgedanke der §§ 91 ff. ZPO zu berücksichtigen sei.

17

Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 21. August 2013 insoweit aufzuheben, als der Kostenantrag des Markeninhabers zurückgewiesen worden ist, und anzuordnen, dass die Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens trägt.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Beschwerde des Markeninhabers kostenpflichtig zurückzuweisen.

21

Sie ist der Ansicht, dass besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen würden, nicht vorlägen.

22

Es sei bereits zweifelhaft, ob die vom Markeninhaber behauptete vertragliche Verpflichtung zur Rücknahme des Löschungsantrags überhaupt eine Kostenauferlegung nach sich ziehe. Auch insoweit sei eine Einzelfallentscheidung erforderlich.

23

Zudem habe eine solche vertragliche Rücknahmeverpflichtung gar nicht bestanden, wie das Oberlandesgericht München zutreffend festgestellt habe. In der Abgrenzungsvereinbarung sei vielmehr ganz bewusst keine Regelung hinsichtlich der Marke „Macon Relax Vital“ getroffen worden.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

25

Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

26

1. Die gegen die Zurückweisung des Kostenantrags des Markeninhabers durch den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 21. August 2013 gerichtete Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft gem. § 66 Abs. 1 S. 1 MarkenG. Der isolierten Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses steht insbesondere nicht die Regelung des § 99 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 MarkenG entgegen, da vorliegend das Bundespatentgericht als erste gerichtliche Instanz anzusehen ist, und es sich bei dem markenrechtlichen Beschwerdeverfahren daher nicht um ein Rechtsmittel im Sinne von § 99 ZPO handelt (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 82 Rn. 41; vgl. auch die Senatsentscheidung vom 17. März 2016, 24 W (pat) 22/15 - PCG-KUNSTSTOFF-PFLEGE, verfügbar unter PAVIS PROMA).

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2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

28

a) Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die Ermessensentscheidung der Markenabteilung gem. § 63 Abs. 1 S. 1 MarkenG, die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgründen einem der Beteiligten aufzuerlegen, nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts vom Senat nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann, oder ob im Hinblick auf das justizförmige Verfahren vor dem Amt eine vollständige Überprüfung durch das Bundespatentgericht zu erfolgen hat (zum Meinungsstand s. Büscher / Dittmer / Schiwy: Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage 2014, § 63 Rn. 5).Denn im vorliegenden Fall sind keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich, die eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgesichtspunkten zu Lasten der Antragstellerin gerechtfertigt erscheinen lassen, so dass die Beschwerde in jeden Fall zurückzuweisen ist.

29

b) Die Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen abweichend vom Grundsatz des § 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG ist dann gerechtfertigt, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen prozessuale Sorgfaltspflichten verstößt, indem er beispielsweise in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 63 Rn. 1, § 71 Rn. 12; Büscher / Dittmer / Schiwy: Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Auflage 2014, § 63 Rn. 5).Da für die Kostentragung im registerrechtlichen Markenverfahren die besonderen Vorschriften der §§ 63, 71 MarkenG maßgebend sind und diese die allgemeinen zivilprozessualen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO verdrängen, führt alleine das Unterliegen eines Beteiligten nicht ohne weiteres dazu, dass er die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Der Verfahrensausgang begründet auch keine Vermutung für die Billigkeit einer Kostenauferlegung zu Lasten des jeweils unterlegenen Beteiligten (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 71 Rn. 11). Soweit sich der Markeninhaber auf eine Entscheidung des 27. Senats (GRUR 2013, 311) beruft und ausführt, dass bei Kostenentscheidungen im Löschungsverfahren als einem dem kontradiktorischen Verfahren angenäherten Verfahren die Rechtsgedanken der §§ 91 ff. ZPO grundsätzlich zu berücksichtigen seien, so ist dem daher nicht zu folgen. Die Entscheidung des 27. Senats betraf im Übrigen eine vom vorliegenden Fall abweichende Fallgestaltung, nämlich ein Löschungsverfahren wegen Bösgläubigkeit.

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c) Vorliegend kann der Antragstellerin nicht vorgeworfen werden, sorgfaltswidrig einen nach anerkannten Beurteilungskriterien aussichtslosen Löschungsantrag gestellt zu haben.

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aa) Der Vorwurf der Sorgfaltswidrigkeit kann nicht darauf gestützt werden, dass das Löschungsbegehren in der Sache von vorneherein offensichtlich aussichtslos gewesen sei, weil ein Löschungsgrund keinesfalls im Raume gestanden habe.

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Die Antragstellerin hat ihr Löschungsbegehren unter Hinweis auf eine Reihe von Entscheidungen des DPMA und des Bundespatentgerichts im Einzelnen rechtlich begründet und mit tatsächlichen Angaben und Belegen zur wirtschaftlichen Bedeutung des französischen Ortes Mâcon untermauert. Auch wenn ihr Löschungsantrag im Ergebnis nicht erfolgreich war, so war er dennoch nicht in einem Maße erkennbar aussichtslos, dass der Antragstellerin sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden könnte. Die Markenabteilung hat sich dementsprechend auch in der Sache mit der Argumentation der Antragstellerin im Einzelnen auseinandergesetzt.

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bb) Weiter kann ein sorgfaltswidriges Verhalten der Antragstellerin, das eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen würde, nicht deswegen angenommen werden, weil ein Löschungsantrag im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten geltende Abgrenzungsvereinbarung aus dem Jahre 2002 nicht hätte gestellt werden dürfen.

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Dabei kann dahinstehen, ob ein aufgrund Verstoßes gegen eine Abgrenzungsvereinbarung unzulässiger Löschungsantrag stets eine Kostenauferlegung zu Lasten des Antragstellers rechtfertigt. Weiter bedarf die Frage, ob die Abgrenzungsvereinbarung vom Juni 2002 auch die Marke „Macon Relax Vital“ erfasst bzw. inwieweit die Entscheidung des Oberlandesgerichts vorliegend Bindungswirkung entfaltet, nicht der Prüfung durch den Senat. Vielmehr steht bereits die Tatsache, dass sowohl die Markenabteilung als auch ein mit dieser Frage befasstes Gericht, nämlich das Oberlandesgericht München, eine Rücknahmeverpflichtung des Löschungsantrags aufgrund der Abgrenzungsvereinbarung verneint haben, der Annahme eines sorgfaltswidrigen Verhaltens der Antragstellerin entgegen.

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3. Im Beschwerdeverfahren bestand zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Absatz 1 S. 1 MarkenG ebenfalls keine Veranlassung.

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4. Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden. Da der Markeninhaber die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt hat und die Antragstellerin, die einen entsprechenden Antrag lediglich hilfsweise gestellt hat, mit ihrem Rechtsschutzersuchen durchdringt, war eine mündliche Verhandlung nicht gem. § 69 Nr. 1 MarkenG erforderlich. Der Senat hat eine mündlichen Verhandlung auch nicht gem. § 69 Nr. 3 MarkenG aus Gründen der Sachdienlichkeit für geboten erachtet.