Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.06.2016


BPatG 28.06.2016 - 23 W (pat) 11/15

Patentbeschwerdeverfahren – "Strombegrenzungsschaltung" – zur Anhörung im Patentprüfungsverfahren – weitere Anhörungen auf Antrag des Patentanmelders – keine Frage der Sachdienlichkeit


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
23. Senat
Entscheidungsdatum:
28.06.2016
Aktenzeichen:
23 W (pat) 11/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Strombegrenzungsschaltung

Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG in seiner durch Art. 1 Nr. 17 des „Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes“ (PatNovG) vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I Nr. 63 vom 24. Oktober 2013, S. 3830) geänderten Fassung sind die Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamtes verpflichtet, in Patentprüfungsverfahren nach einer ersten Anhörung weitere Anhörungen durchzuführen, wenn der Patentanmelder dies beantragt. Im Gegensatz zur bisherigen Gesetzeslage ist hierfür lediglich ein entsprechender Antrag des Anmelders, nicht aber die Frage der Sachdienlichkeit entscheidend.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 060 031.5

hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner und der Richter Dr. Friedrich, Dr. Zebisch und Dr. Himmelmann

beschlossen:

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. April 2015 wird aufgehoben.

2. Es wird ein Patent erteilt mit der Bezeichnung „Halbleitervorrichtung“, dem Anmeldetag 13 Dezember 2007 unter Inanspruchnahme der Priorität JP 2007-137127 vom 23. Mai 2007 auf der Grundlage folgender Unterlagen:

- Patentansprüche 1 bis 7;

- Beschreibungsseiten 1 bis 19, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016;

- 12 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 25, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmeldetag.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2007 060 031.5 und der Bezeichnung „Halbleitervorrichtung“ wurde am 13. Dezember 2007 unter Inanspruchnahme der japanischen Priorität 2007-137127 vom 23. Mai 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht.

2

Die Prüfungsstelle hat im Prüfungsverfahren den Stand der Technik gemäß den Druckschriften

3

D1 US 2007 / 0 052 481 A1

4

D2 DE 1 764 713 A

5

D3 US 2006 / 0 108 660 A1 und

6

D4 US 6 137 366 A

7

zitiert und im Prüfungsbescheid vom 15. Juni 2009 sowie im Ladungszusatz vom 16. Dezember 2013 ihre Bedenken bezüglich der Einheitlichkeit der Anmeldung sowie hinsichtlich der Zulässigkeit der jeweiligen Ansprüche und der Patentfähigkeit der darin beanspruchten Halbleiterbauelemente geäußert. In der daraufhin am 27. Februar 2014 durchgeführten Anhörung hat die Prüfungsstelle den Gegenstand des von der Anmelderin vorgelegten Hauptantrags als unzulässig beurteilt und zum Gegenstand des 1. Hilfsantrags wegen aus der Beschreibung neu aufgenommener Merkmale eine Nachrecherche angekündigt. Der Gegenstand des zweiten Hilfsantrags wurde demgegenüber als voraussichtlich patentfähig angesehen. Als Ergebnis der Nachrecherche hat die Prüfungsstelle mit Bescheid vom 22. April 2014 die Druckschrift D4 in das Verfahren eingeführt und aufgrund dieses neu zu berücksichtigenden Stands der Technik auch die Patentfähigkeit der Gegenstände der beiden Hilfsanträge verneint. Dem hat die Anmelderin mit Eingabe vom 25. August 2014 unter Stellung eines Antrags auf Durchführung einer weiteren Anhörung widersprochen und darin die Patenterteilung in der Fassung des zweiten Hilfsantrags aus der Anhörung weiterverfolgt, da dessen Merkmale nach ihrer Auffassung aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt seien. Jedoch konnte sich die Prüfungsstelle dieser Argumentation nicht anschließen, so dass sie die Anmeldung durch Beschluss vom 20. April 2015 mit der Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit bezüglich der Druckschrift D4 zurückgewiesen hat. Die Durchführung einer weiteren Anhörung hat sie in diesem Zusammenhang als nicht sachdienlich erachtet.

8

Gegen diesen Beschluss, dem Vertreter der Anmelderin am 23. April 2015 zugestellt, richtet sich die am 22. Mai 2015 beim DPMA eingegangene Beschwerde mit der nachgereichten Beschwerdegründung vom 8. Februar 2016 und der weiteren Eingabe vom 15. Juni 2016.

9

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin einen neuen Anspruchssatz vorgelegt. Sie beantragt:

10

1. Den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. April 2015 aufzuheben.

11

2. Ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung „Halbleitervorrichtung“, dem Anmeldetag 13. Dezember 2007 unter Inanspruchnahme der Priorität JP 2007-137127 vom 23. Mai 2007 auf der Grundlage folgender Unterlagen:

12

- Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016;

13

- Beschreibungsseiten 1 bis 19, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016;

14

- 12 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 25, eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmeldetag.

15

Die Anmelderin regt an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

16

Der in der Verhandlung überreichte Anspruchssatz umfasst die vier selbständigen Patentansprüche 1, 4, 5 und 6 sowie die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 7. Diese haben folgenden Wortlaut:

17

„1. Halbleitervorrichtung, die umfasst:

18

einen Verstärkungstransistor (11) zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals und

19

eine Strombegrenzungsschaltung (12), die mit dem Eingangsanschluss des Verstärkungstransistors (11) verbunden ist,

20

wobei die Strombegrenzungsschaltung (12) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor (11) zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden,

21

und die Strombegrenzungsschaltung (12) Folgendes aufweist:

22

einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode (21), einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode (23),

23

einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelektrode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, und

24

einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelektrode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, wobei

25

die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind,

26

die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit dem Eingangsanschluss (19) des Verstärkungstransistors (11) verbunden ist, und

27

das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) zugeführt wird.

28

2. Halbleitervorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Strombegrenzungsschaltung (12) ein Begrenzerverstärker zum Begrenzen der Ausgangsleistung ist.

29

3. Halbleitervorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Strombegrenzungsschaltung (12) den Strom auf höchstens 1/5 des maximalen Stroms des Verstärkungstransistors (11) begrenzt.

30

4. Halbleitervorrichtung, die umfasst:

31

einen Verstärkungstransistor (11) zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals und

32

eine Strombegrenzungsschaltung (12), die mit dem Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors (11) verbunden ist,

33

wobei die Strombegrenzungsschaltung (12) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung, als die maximale für den Verstärkungstransistor (11) zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung von der Ausgangsseite zurückkommen,

34

und die Strombegrenzungsschaltung (12) Folgendes aufweist:

35

einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode (21), einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode (23),

36

einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelektrode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) verbindet, und

37

einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelektrode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) verbindet,

38

wobei

39

die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind,

40

die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit dem Ausgangsanschluss (18) des Verstärkungstransistors (11) verbunden ist, und

41

das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsignal der Strombegrenzungsschaltung (12) zugeführt wird.

42

5. Halbleitervorrichtung, die umfasst:

43

mehrere Verstärkungstransistoren (11a-11c) zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals, die parallelgeschaltet sind, und

44

mehrere Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c), die jeweils mit dem Eingangsanschluss jedes Verstärkungstransistors (11) verbunden sind;

45

wobei jede der Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den entsprechenden Verstärkungstransistor (11) zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden,

46

und jede der Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) Folgendes aufweist:

47

einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode (21), einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode (23),

48

einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelektrode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, und

49

einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelektrode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, wobei

50

die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind,

51

die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit dem Eingangsanschluss (19) des Verstärkungstransistors (11) verbunden ist, und

52

das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) zugeführt wird.

53

6. Halbleitervorrichtung, die umfasst:

54

einen Verstärkungstransistor (11) zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals, und

55

mehrere Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c), die jeweils mit dem Eingangsanschluss des Verstärkungstransistors (11) in Reihe geschaltet sind;

56

wobei die mehreren Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzen, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor (11) zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden,

57

und jede der Strombegrenzungsschaltungen (12a-12c) Folgendes aufweist:

58

einen Schutztransistor (13) mit einer Sourcelektrode (21), einer Drainelektrode (22) und einer Gateelektrode (23),

59

einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Sourceelektrode (21) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, und

60

einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drainelektrode (22) und die Gateelektrode (23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, wobei

61

die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind,

62

die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) mit dem Eingangsanschluss (19) des Verstärkungstransistors (11) verbunden ist, und

63

das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) der ersten Strombegrenzungsschaltung zugeführt wird.

64

7. Halbleitervorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Halbleiterschicht eine GaN-Schicht ist.“

65

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

66

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2016 eingereichten Anspruchssatzes auch begründet, denn die Ansprüche 1 bis 7 sind zulässig und geben eine einheitliche und gewerblich anwendbare Lehre. Die Gegenstände gemäß den selbständigen Ansprüchen 1 und 4 bis 6 sind zudem patentfähig und durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§§ 1 - 5 PatG), so dass der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent in dem beantragten Umfang zu erteilen war (§ 79 Abs. 1 PatG i. V. m. § 49 Abs. 1 PatG).

67

1. Die Anmeldung betrifft eine Halbleitervorrichtung umfassend einen Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals und eine Strombegrenzungsschaltung, die einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals begrenzt.

68

Bei Verstärkern, die Hochfrequenzsignale an Antennen ausgeben, besteht die Gefahr, dass die Verstärkungstransistoren zerstört werden, wenn sich die Antennen in der Nähe einer Metalloberfläche befinden und das ausgegebene Hochfrequenzsignal in die Antennen und den Verstärker rückgekoppelt wird. Zur Vermeidung derartiger Schäden ist in der Druckschrift JP 4-31782 A eine Verstärkerschaltung beschrieben, bei der ein sog. Zirkulator, der vormagnetisiertes Ferritmaterial enthält und den Fluss des Hochfrequenzsignals nur in eine Richtung erlaubt, mit der Ausgangsseite des Verstärkungstransistors verbunden. Ein solcher Zirkulator ist aber insofern nachteilig, als er relativ groß und schwer und wegen des verwendeten magnetischen Materials auch teuer ist, was sich insbesondere dann negativ bemerkbar macht, wenn höhere elektrische Leistungen abgesichert werden müssen, da sich dies unmittelbar auf die Zirkulatorgröße auswirkt, vgl. geltende Beschreibungsseiten 1 bis 3, erster Absatz.

69

Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine kleine und leichte Halbleitervorrichtung zu schaffen, die mit niedrigen Kosten hergestellt werden kann und die selbst dann hochbeständig gegen Zerstörung ist, wenn übermäßig hohe elektrische Leistung zugeführt wird, vgl. geltende Beschreibungsseite 4, zweiter Absatz.

70

Gelöst wird diese Aufgabe durch die Halbleitervorrichtungen der selbständigen Ansprüche 1, 4, 5 und 6.

71

Die Halbleitervorrichtungen der selbständigen Ansprüche zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Strombegrenzungsschaltung aufweisen, die mit dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals geeigneten Verstärkungstransistors verbunden ist und die einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden bzw. von der Ausgangsseite zurückkommen. Dabei ist wesentlich, dass die Strombegrenzungsschaltung einen Aufbau entsprechend Fig. 1 bzw. 2 der Anmeldung hat, d. h. sie weist einen Schutztransistor (13), einen ersten Schutzwiderstand (14), der die Source- und Gateelektrode (21, 23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, und einen zweiten Schutzwiderstand (15), der die Drain- und Gateelektrode (22, 23) des Schutztransistors (13) direkt verbindet, auf, wobei die Widerstandswerte des ersten und zweiten Schutzwiderstands (14, 15) gleich sind. Die Drainelektrode (22) des Schutztransistors (13) ist zudem mit dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss (18, 19) des Verstärkungstransistors (11) verbunden, und das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) bzw. das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsignal wird der Strombegrenzungsschaltung (12) zugeführt. Dabei bezieht sich Anspruch 1 auf die Ausbildung gemäß Fig. 1, wonach die Strombegrenzungsschaltung (12) zwischen Eingangsseite und Verstärkungstransistor (11) vorgesehen ist, während Anspruch 4 die in Fig. 16 gezeigte Anordnung mit der Strombegrenzungsschaltung (12) zwischen Ausgangsseite und Verstärkungstransistor (11) betrifft. Die Ausgestaltungen nach den Ansprüchen 5 und 6 haben die parallele bzw. serielle Anordnung der Strombegrenzungsschaltungen (12) gemäß den Figuren 20 und 21 zum Gegenstand.

72

2. Mit dem die selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 umfassenden Anspruchssatz, der einen Schutztransistor mit Gateelektrode voraussetzt, verfolgt die Anmelderin nicht mehr den Lösungsansatz nach den Figuren 10 bis 15, der auf einer Halbleiterstruktur ohne Gate aufbaut, sondern lediglich den Lösungsansatz mit einer speziellen Strombegrenzungsschaltung entsprechend Fig. 1 und 2, die durch einen Schutztransistor mit Source-, Drain- und Gateelektrode sowie zwei Schutzwiderständen gebildet ist. Mehrere Strombegrenzungsschaltungen können parallel oder in Reihe geschaltet sein und sie schützt bzw. beschützen die Halbleitervorrichtung vor Hochfrequenzsignalen, die über den Ein- bzw. Ausgang eingehen können. Somit enthält die Anmeldung eine Gruppe von Erfindungen, die untereinander in der Weise verbunden sind, dass sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen, nämlich die Einbindung der in Fig. 1 gezeigten Strombegrenzungsschaltung in den Signalweg des Hochfrequenz-Verstärkungstransistors, so dass die Anmeldung eine einheitliche Lehre vermittelt.

73

3. Die Ansprüche 1 bis 7 sind zulässig.

74

Die selbständigen Ansprüche 1, 4, 5 und 6 des Hauptantrags umfassen jeweils die Merkmale der korrespondierenden ursprünglichen Ansprüche 1, 4, 8 und 9 und sind zusätzlich durch Aufnahme der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 10 sowie dadurch präzisiert, dass

75

i. der Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals geeignet ist,

76

ii. der von der Strombegrenzungsschaltung zu begrenzende Strom ein Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals ist,

77

iii. die Strombegrenzungsschaltung selbst dann nur die zulässige elektrische Leistung durchlässt, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden bzw. von der Ausgangsseite zurückkommen,

78

iv. die beiden Schutzwiderstände gleiche Widerstandswerte haben,

79

v. die Drainelektrode des Schutztransistors mit dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors verbunden ist, und

80

vi. das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode des Schutztransistors der ersten Strombegrenzungsschaltung zugeführt wird (Ansprüche 1, 5 und 6), bzw. das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsignal der Strombegrenzungsschaltung (12) zugeführt wird (Anspruch 4).

81

Diese Zusatzmerkmale finden ihre Offenbarung in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 7, drittletzter Absatz, Seite 9, zweiter Absatz und Seite 14, vorletzter und letzter Absatz (Merkmale i. und iii.) sowie auf Seite 11, zweiter Absatz (Merkmal ii.), wobei die Verbindung zwischen der Strombegrenzungsschaltung und dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors sowohl direkt, wie in den Fig. 1, 20 und 21 gezeigt, als auch indirekt bspw. über eine Anpassungsschaltung 27, wie in Fig. 16 gezeigt, erfolgen kann. Die Offenbarung der weiteren Zusatzmerkmale iv. bis vi. ist durch die urspr. Beschreibungsseite 11, erster Absatz und die Fig. 1, 16, 20 und 21 mit zugehöriger Beschreibung gegeben.

82

Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 7 sind die angepassten ursprünglichen Ansprüche 2, 3 und 14, wobei sich im zweiten Absatz der ursprünglichen Beschreibungsseite 10 ein allgemeiner Verweis auf GaN als bevorzugtes Halbleitermaterial findet.

83

4. Die gewerblich nutzbaren (§ 5 PatG) Halbleitervorrichtungen der selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 sind hinsichtlich des vorgenannten Stands der Technik neu (§ 3 PatG) und beruhen diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns (§ 4 PatG). Dieser ist hier als berufserfahrener und mit der Herstellung und Entwicklung von Halbleitervorrichtungen für Hochfrequenzanwendungen und deren Schutzschaltungen befasster Physiker oder Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulabschluss zu definieren, der über spezielle Kenntnisse in der Hochfrequenztechnik verfügt.

84

5. Gemäß der Lehre der selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 umfasst die Halbleitervorrichtung einen Verstärkungstransistor zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals und eine Strombegrenzungsschaltung mit einem Schutztransistor und zwei Schutzwiderständen entsprechend Fig. 1, die so in dem Signalweg der Halbleitervorrichtung angeordnet ist, dass einerseits die Strombegrenzungsschaltung mit dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors verbunden ist und dass andererseits die Drainelektrode des Schutztransistors mit dem Eingangs- bzw. Ausgangsanschluss des Verstärkungstransistors verbunden ist, wobei das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode des Schutztransistors zugeführt wird bzw. das von der Ausgangsseite zurückkommende Hochfrequenzsignal der Strombegrenzungsschaltung zugeführt wird.

85

Für eine derartige Halbleitervorrichtung gibt es in dem entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung.

86

In der den nächstkommenden St. d. T. bildenden Druckschrift D4, vgl. deren Sp. 3, Z. 66 bis Sp. 5, Z. 4 mit Fig. 3, ist eine Halbleitervorrichtung offenbart, die mit den Worten des Anspruchs 1 umfasst:

87

einen Verstärkungstransistor (power npn transistor Q1 mit collector 22, base 24, emitter 26) zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals (RFIN, RFOUT) und eine Strombegrenzungsschaltung (control circuitry 102), die mit dem Eingangsanschluss des Verstärkungstransistors (Basis 24 des Transistors Q1) verbunden ist, wobei die Strombegrenzungsschaltung (102) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals (RFIN, RFOUT) in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor (Q1) zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden (vgl. Sp. 4, Zn. 44 bis 53: „When the base-emitter voltage V bQ1 reaches a certain voltage V bmax , defined by R 1 and R 2 , the transistor Q2 is turned on. When transistor Q2 turns on, a portion of the current I b is absorbed at the collector 32 of the transistor Q2. This limits the collector current I cQ1 from increasing beyond a certain maximum at V bmax . This prevents destructive secondary breakdown. Note also that reverse base current I b can cause the base-emitter voltage V bQ1 to increase. However, by absorbing base current, Q2 tends to limit V bQ1 to V bmax .“).

88

Im Unterschied zur Lehre der selbständigen Ansprüche 1 und 4 bis 6 weist die Strombegrenzungsschaltung der D4 als Schutztransistor keinen Feldeffekttransistor sondern einen npn-Bipolar-Transistor (Q2) auf. Doch selbst für den Fall, dass der Fachmann diesen npn-Transistor durch einen Feldeffekttransistor ersetzt und dann die Basis als Gate, der Kollektor als Drain und der Emitter als Source zu betrachten ist, ergibt sich daraus für den Fachmann keine Anregung bezüglich einer Vorrichtung gemäß den selbständigen Ansprüchen.

89

Denn bei einem Austausch des npn-Bipolartransistors durch einen Feldeffekttransistor weist die Strombegrenzungsschaltung (102) der D4 in den Worten des Anspruchs 1 Folgendes auf:

90

einen Schutztransistor (Q2) mit einer Sourcelektrode (36), einer Drainelektrode (32) und einer Gateelektrode (34), einen ersten Schutzwiderstand (R2), der die Sourceelektrode (36) und die Gateelektrode (34) des Schutztransistors (Q2) direkt verbindet, und einen zweiten Schutzwiderstand (R1), der die Drainelektrode (32) und die Gateelektrode (34) des Schutztransistors (Q2) verbindet, wobei die Drainelektrode (32) des Schutztransistors (Q2) mit dem Eingangsanschluss (24) des Verstärkungstransistors (Q1) verbunden ist.

91

Im Gegensatz zur Lehre des Anspruchs 1, wonach das Hochfrequenzsignal der Sourceelektrode (21) des Schutztransistors (13) zugeführt wird, erfolgt jedoch bei der Schaltungsanordnung nach Fig. 3 der D4 eine Zuführung des Hochfrequenzsignals zur Kollektorelektrode (32) des Schutztransistors (Q1), d. h. zur Drainelektrode eines äquivalenten Feldeffekt-Schutztransistors, und die Emitterelektrode (36), d. h. die Sourceelektrode des äquivalenten Feldeffekt-Schutztransistors, liegt auf Erdpotential, so dass ihr auch nicht das Hochfrequenzsignal zugeführt wird.

92

Ausgehend von der Druckschrift D4 gibt es für den Fachmann auch keinen Anlass, die Schutzschaltung entsprechend umzuwandeln, denn dazu müsste er die Einbindung der Schutzschaltung in die Halbleitervorrichtung komplett ändern. Zudem müsste er den Bipolartransistor nicht wie üblich durch einen Feldeffekttransistor vom Anreicherungs- sondern durch einen vom Verarmungstyp ersetzen.

93

Für die Halbleitervorrichtungen der selbständigen Ansprüche 4, 5 und 6, die sich auf die Verbindung der Strombegrenzungsschaltung mit dem Ausgangsanschluss bzw. auf die Parallel- oder Reihenschaltung der Strombegrenzungsschaltungen beziehen, gelten obige Ausführungen in gleicher Weise, d. h. auch sie sind gegenüber der Druckschrift D4 neu und beruhen ihr gegenüber auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

94

Die übrigen Druckschriften D1 bis D3 können dem Fachmann ebenfalls keinen Hinweis bezüglich einer Halbleitervorrichtung nach den selbständigen Ansprüchen 1 und 4 bis 6 geben.

95

So beschreibt die Druckschrift D1 in Fig. 1 mit Beschreibung in den Absätzen [0010] bis [0014] zwar eine Halbleitervorrichtung umfassend:

96

einen Verstärkungstransistor (first stage Q3) zum Verstärken eines Hochfrequenzsignals (vgl. den Titel: „Method and Apparatus for Protecting RF Power Amplifiers“) und

97

eine Strombegrenzungsschaltung (first biasing circuit 30 mit den Transistoren 20, 22 und 24), die mit dem Eingangsanschluss des Verstärkungstransistors (Q3) verbunden ist, wobei die Strombegrenzungsschaltung (30) einen Hochfrequenzstrom des Hochfrequenzsignals in der Weise begrenzt, dass selbst dann keine höhere elektrische Leistung als die maximale für den Verstärkungstransistor (Q3) zulässige elektrische Leistung durchgelassen wird, wenn Hochfrequenzsignale mit einer übermäßigen elektrischen Leistung als Eingangssignale eingegeben werden (vgl. die in Abs. [0004] der D1 wiedergegeben Aufgabe.).

98

Der Aufbau der Strombegrenzungsschaltung (30) unterscheidet sich aber grundlegend von der nach den selbständigen Ansprüchen, weswegen die Druckschrift D1 auch in Kombination mit der Druckschrift D4 die entsprechende Halbleitervorrichtung dem Fachmann nicht nahelegen kann.

99

Die weiteren Druckschriften D2 bzw. D3 beschreiben eine Schaltungsanordnung zur Begrenzung des Kollektor-Emitterstroms eines bzw. Halbleitervorrichtungen mit Strombegrenzungsschaltungen basierend auf GaN-Schichten. Keine dieser Druckschriften kann jedoch dem Fachmann einen Hinweis bezüglich der anspruchsgemäßen Strombegrenzungsschaltung und deren Einbindung in eine Halbleitervorrichtung entsprechend den selbständigen Ansprüchen geben.

100

6. An die Patentansprüche 1 bzw. 4 bis 6 können sich die Unteransprüche 2 und 3 bzw. 7 anschließen, da sie die Vorrichtungen nach den Patentansprüchen 1 bzw. 4 bis 6 vorteilhaft weiterbilden. Zudem sind in der geltenden Beschreibung mit Zeichnung die Halbleitervorrichtungen gemäß den Ansprüchen ausreichend erläutert.

101

7. Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Patent im beantragten Umfang zu erteilen.

102

8. Die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetzes wird nach § 80 Abs. 3 PatG zurückgezahlt.

103

a) Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) hat im ersten Prüfungsbescheid am 15. Juni 2009 der Patentanmelderin erklärt, die Erteilung eines Patents sei nicht möglich. Daraufhin hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 30. November 2009 für den Fall, dass die Prüfungsstelle die Zurückweisung der Anmeldung beabsichtigen sollte, die Durchführung einer Anhörung beantragt. Die Prüfungsstelle hat mit ihrem zweiten Prüfungsbescheid vom 16. Dezember 2013 die Anmelderin zu einer Anhörung geladen, die am 27. Februar 2014 durchgeführt wurde. Mit ihrem dritten Prüfungsbescheid vom 22. April 2014 hat die Prüfungsstelle als neuen Stand der Technik die Druckschrift D4 (US 6 137 366 A) in das Verfahren eingeführt und erklärt, im Blick auf die Druckschrift D4 könne die in der Anhörung am 27. Februar 2014 in Aussicht gestellte Erteilung eines Patents auf der Grundlage von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags nun nicht mehr in Aussicht gestellt werden. Die Anmelderin hat sich in ihrem Schriftsatz vom 25. August 2014 mit der Druckschrift D4 auseinandergesetzt und für den Fall, dass die Prüfungsstelle die Zurückweisung der Anmeldung erwägen sollte, um die Anberaumung einer (weiteren) Anhörung gebeten. Mit Beschluss vom 20. April 2015 hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung zurückgewiesen und erklärt, die Durchführung einer weiteren Anhörung, wie sie in der Eingabe vom 25. August 2014 beantragt worden sei, sei vorliegend nicht sachdienlich, weil die Verfahrenslage sich nicht so wesentlich geändert habe, dass eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage nicht mehr gegeben sei. Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin am 22. Mai 2015 Beschwerde eingelegt. In ihrer Beschwerdebegründung vom 11. Februar 2016 und in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2016 hat die Anmelderin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeregt.

104

b) Das Patentgericht kann nach § 80 Abs. 3 PatG anordnen, dass die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz zurückgezahlt wird. Die Anordnung ist zu treffen, wenn dies der Billigkeit entspricht, wenn es also unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Verhaltens der Beteiligten und der Sachbehandlung durch das Patentamt, unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Das setzt voraus, dass das Verfahren vor dem DPMA an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler litt oder die Sache anderweitig unsachgemäß zulasten eines Beteiligten behandelt wurde, und zum anderen, dass aus Sicht eines verständigen Beschwerdeführers gerade dieser Verfahrensfehler oder die unsachgemäße Behandlung Anlass für die Einlegung der Beschwerde war (Benkard/Schäfers/Schwarz, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 80 Rn. 22; Busse/Engels, Patentgesetz, 7. Auflage 2013, § 80 Rn. 90; Schulte/Püschel, Patentgesetz, 9. Auflage 2014, § 80 Rn. 112 jeweils mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).

105

c) Nach Art. 1 Nr. 17 des „Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes“ (PatNovG) vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I Nr. 63 vom 24. Oktober 2013, S. 3830) ist § 46 Abs. 1 PatG wie folgt geändert worden:

106

„a) In Satz 2 werden das Komma und die Wörter »wenn es sachdienlich ist« gestrichen.

107

b) In Satz 4 werden die Wörter »oder erachtet die Prüfungsstelle die Anhörung nicht als sachdienlich« gestrichen.“

108

In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 12. Juli 2012 (BT-Drucks. 17/10308, A. Allgemeiner Teil, S. 11) heißt es:

109

„Im Sinne einer verbesserten Mitwirkung der Anwender wird § 46 des Patentgesetzes (im Folgenden: PatG) dahingehend geändert, dass auf Antrag des Anmelders zwingend eine Anhörung im Prüfungsverfahren durchzuführen ist.

110

(…)

111

Anhörungen im Rahmen des Erteilungsverfahrens sind bei Stellung eines entsprechenden Antrags eines Beteiligten verpflichtend durchzuführen. Damit wird das Erteilungsverfahren für alle Beteiligten noch transparenter.“

112

In der Amtlichen Begründung (a. a. O., S. 13 li. Sp.) wird weiter erläutert:

113

„Durch die Einführung der obligatorischen Anhörung auf Antrag im Erteilungsverfahren (§ 46 PatG) sind Einsparungen in Höhe von 309 340 Euro zu erwarten. Am Ende der Anhörungen wird in der Regel das Erteilungsverfahren durch Erteilungs- oder Zurückweisungsbeschluss beendet.“

114

Im Besonderen Teil der Amtlichen Begründung (a. a. O., B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1, Zu Nummer 16 (§ 46, Anhörung und Vernehmungen), S. 18) ist ausgeführt:

115

„Im Prüfungsverfahren wird die obligatorische Anhörung auf Antrag des Anmelders eingeführt. (…) Die Anhörung stellt eine sinnvolle und wichtige Möglichkeit dar, die Sach- und Rechtslage zu erörtern. (…) Gleichzeitig wird für alle Beteiligten Rechtssicherheit geschaffen, weil zukünftig Streitfragen über die Sachdienlichkeit von zurückweisenden Anträgen auf Anhörung entfallen. Inhaltlich wird § 46 Absatz 1 an die Vorschrift des § 59 Absatz 3 Satz 1 PatG für das Einspruchsverfahren angeglichen; dort besteht bereits ein zwingendes Anhörungsrecht auf Antrag. Gleiches gilt für das Verfahren vor dem EPA (Artikel 116 Absatz 3 EPÜ).“

116

Nach der Übergangsvorschrift des § 147 Abs. 5 PatG ist für Anträge auf Anhörung nach § 46 Abs. 1 PatG, die vor dem 1. April 2014 beim DPMA eingegangen sind, § 46 dieses Gesetzes in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die Amtliche Begründung (a. a. O., B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1, Zu Nummer 21 (§ 147, Übergangsregelungen), S. 19 re. Sp.) erklärt:

117

„Die wichtige Möglichkeit zur Erörterung der Sach- und Rechtslage soll nur für die Verfahren gelten, in denen der Anmelder ein wirkliches Bedürfnis hat. Ein solches Bedürfnis bringt er durch das Stellen eines Antrags auf Anhörung zum Ausdruck.“

118

d) Nach § 147 Abs. 5 PatG ist für den Antrag der Anmelderin auf Anberaumung einer (weiteren) Anhörung § 46 Abs. 1 PatG in seiner durch Art. 1 Nr. 17 PatNovG vom 19. Oktober 2013 geänderten Fassung anzuwenden, weil die Anmelderin diesen Antrag am 25. August 2014 und damit nicht vor dem 1. April 2014 gestellt hat.

119

e) Der Senat ist der Auffassung, dass die Prüfungsstelle für Klasse H01L des DPMA einen Verfahrensfehler begangen hat, weil sie entgegen § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG n. F. trotz Antrags der Patentanmelderin vom 25. August 2014 keine weitere Anhörung im Prüfungsverfahren durchgeführt hat.

120

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Frage der Sachdienlichkeit der Anhörung auch unter dem geltenden Recht eine Rolle spielen könne, wenn der Anmelder im Verlauf des Prüfungsverfahrens den Antrag auf mündliche Anhörung wiederholt, obwohl eine solche bereits vor der zuständigen Stelle des Patentamts stattgefunden habe. Die Entscheidung über einen solchen wiederholten Antrag solle „ersichtlich“ im pflichtgemäßen Ermessen der Prüfungsstelle stehen. Der gesetzlich begründete Anspruch auf mündliche Anhörung könne demgemäß als erschöpft angesehen werden, wenn eine solche Anhörung stattgefunden habe (Benkard/Schäfers, a. a. O., § 46 Rn. 8).

121

Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Denn der Gesetzgeber des PatNovG hat das Kriterium der Sachdienlichkeit aus § 46 Abs. 1 PatG gestrichen. Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber im Prüfungsverfahren noch mehr Transparenz für den Patentanmelder und gleichzeitig Rechtssicherheit schaffen, weil „zukünftig Streitfragen über die Sachdienlichkeit von zurückweisenden Anträgen auf Anhörung entfallen“ sollen (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 18 re. Sp.). Hätte der Gesetzgeber eine einmalige Anhörung des Patentanmelders ohne Streit über deren Sachdienlichkeit für zwingend erklären, weitere Anhörungen dagegen von deren Sachdienlichkeit abhängig machen wollen, hätte der Gesetzgeber diesen Willen beispielsweise durch die Formulierung in § 46 Abs. 1 PatG zum Ausdruck gebracht, dass auf Antrag des Anmelders eine einzige Anhörung im Prüfungsverfahren zwingend durchzuführen ist, weitere Anhörungen aber nur dann durchzuführen sind, wenn sie sachdienlich sind. Weder der Wortlaut des durch Art. 1 Nr. 17 PatNovG neugefassten § 46 Abs. 1 PatG noch die Amtliche Begründung der Bundesregierung bringen das (vermeintlich) Gewollte in irgendeiner Weise zum Ausdruck. Im Gegenteil: zukünftig sollen nicht nur „Streitfragen über die Sachdienlichkeit von zurückweisenden Anträgen auf Anhörung entfallen“ (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 18 re. Sp.). Vielmehr soll die Möglichkeit zur Erörterung der Sach- und Rechtslage für Verfahren gelten, in denen der Anmelder ein wirkliches Bedürfnis hat. „Ein solches Bedürfnis bringt er durch das Stellen eines Antrags auf Anhörung zum Ausdruck“ (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 19 re. Sp.). Das Tatbestandsmerkmal der Sachdienlichkeit der Anhörung ist mit Wirkung vom 1. April 2014 entfallen. Auf seinen Antrag muss der Anmelder mündlich gehört werden. Dem Antrag ist zu entsprechen, ohne dass eine Prüfung auf Sachdienlichkeit der Anhörung erfolgen dürfte (so zutreffend Benkard/Schäfers, a. a. O., § 46 Rn. 5-5a).

122

Auch aus der zwischen dem Singular und Plural schwankenden Formulierung in der Amtlichen Begründung der Bundesregierung lässt sich nicht herleiten, dass nur die Durchführung einer einzigen Anhörung im Prüfungsverfahren zwingend ist und die Durchführung weiterer Anhörungen von deren Sachdienlichkeit abhängt. Zwar könnte die in der Einzahl gehaltene Formulierung in der Amtlichen Begründung, „auf Antrag des Anmelders“ ist „zwingend eine Anhörung im Prüfungsverfahren durchzuführen“ (a. a. O., S. 11 li. Sp., Hervorhebung seitens des Senats) darauf hindeuten, dass eine einzige Anhörung, nicht aber weitere Anhörungen zwingend sein sollen. Wenige Sätze später heißt es aber in der Mehrzahl: „ Anhörungen im Rahmen des Erteilungsverfahrens sind bei Stellung eines entsprechenden Antrags eines Beteiligten verpflichtend durchzuführen“ (a. a. O., S. 11 re. Sp., Hervorhebung seitens des Senats), was dafür spricht, in einem Patentprüfungsverfahren mehrere Anhörungen bei Stellung entsprechender Anträge verpflichtend durchzuführen. Ebenso wenig lässt sich aus den weiteren, oben zitierten Passagen der Amtlichen Begründung herleiten, dass die Durchführung einer einzigen Anhörung im Prüfungsverfahren zwingend ist und weitere Anhörungen nur bei deren Sachdienlichkeit durchzuführen sind.

123

f) Der Gesetzgeber war wohl der Auffassung, dass nach der Durchführung einer einzigen Anhörung das Prüfungsverfahren durch Erteilungs- oder Zurückweisungsbeschluss regelmäßig beendet werden kann, ähnlich wie das Einspruchsverfahren nach Durchführung einer einzigen Anhörung regelmäßig abgeschlossen werden kann. Denn der Gesetzgeber hat die Erwartung, 309 340 Euro einsparen zu können, folgendermaßen begründet (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 13 li. Sp.):

124

„Am Ende der Anhörungen wird in der Regel das Erteilungsverfahren durch Erteilungs- oder Zurückweisungsbeschluss beendet. Dadurch entfällt die arbeitsaufwändige weitere Erstellung von Folgebescheiden.“

125

Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber § 46 Abs. 1 PatG n. F.

126

„an die Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 1 PatG für das Einspruchsverfahren angeglichen“ hat (Amtliche Begründung, a. a. O., S. 18 re. Sp.).

127

Nach den Erfahrungen des Senats können allerdings nicht alle Patentprüfungsverfahren nach einer ersten Anhörung durch Erteilungs- oder Zurückweisungsbeschluss beendet werden. Einspruchsverfahren können dagegen in der Tat regelmäßig nach einer einzigen Anhörung durch einen Beschluss, ob und in welchem Umfang das Patent aufrechterhalten oder widerrufen wird, erledigt werden. In den Patentprüfungsverfahren, die nicht nach einer ersten Anhörung beendet werden können, sind gegebenenfalls weitere Anhörungen durchzuführen, was ebenfalls dagegen spricht, § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG n. F. dahingehend auszulegen, dass im Patentprüfungsverfahren nur die Durchführung einer einzigen Anhörung zwingend erforderlich ist.

128

g) Der Senat ist aus den genannten Gründen der Auffassung, dass nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG n. F. die Prüfungsstellen des DPMA verpflichtet sind, in Patentprüfungsverfahren nach einer ersten Anhörung weitere Anhörungen durchzuführen, wenn der Patentanmelder dies beantragt. Im Gegensatz zur bisherigen Gesetzeslage ist hierfür lediglich ein entsprechender Antrag des Anmelders, nicht aber die Frage der Sachdienlichkeit entscheidend.

129

h) Gerade der Verfahrensfehler der Nichtdurchführung der Anhörung seitens der Prüfungsstelle für Klasse H01L des DPMA trotz Antrags der Patentanmelderin vom 25. August 2014 war Anlass für die Einlegung der Beschwerde seitens der Patentanmelderin, so dass die Beschwerdeeinlegung kausal auf den Verfahrensfehler zurückgeht. Ist nämlich die Anhörung des Patentanmelders gesetzlich vorgeschrieben, (wie jetzt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG) ist – wenn die Anhörung unterblieben ist – die Beschwerdegebühr regelmäßig zurückzuzahlen, weil in einem solchen Fall nicht auszuschließen ist, dass die Beschwerdeeinlegung gerade auf der fehlenden Anhörung beruhte (Benkard/Schäfers/Schwarz, a. a. O., § 80 Rn. 33).

130

i) Insofern war vorliegend anzuordnen, dass die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetzes nach § 80 Abs. 3 PatG zurückgezahlt wird.