Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.04.2015


BPatG 27.04.2015 - 21 W (pat) 104/09

Patentbeschwerdeverfahren – „Wirbelkörperersatzimplantat“ – zur Patentfähigkeit – zur Aufnahme des Standes der Technik in die Beschreibung durch den Anmelder auf Verlangen des Patentamts


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsdatum:
27.04.2015
Aktenzeichen:
21 W (pat) 104/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 006 492.0-35

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. April 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler, der Richterin Hartlieb, des Richters Dipl.-Ing. Veit sowie der Richterin Dipl.-Phys. (Univ.) Zimmerer

beschlossen:

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. August 2009 wird aufgehoben und das Patent 10 2008 006 492 erteilt.

Bezeichnung: Wirbelkörperersatzimplantat Anmeldetag: 29. Januar 2008.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Beschreibung, Seiten 1 und 1a vom 23. Oktober 2009;Beschreibung, Seite 2 vom Anmeldetag;

Beschreibung, Seite 3 vom 27. März 2015;Beschreibung, Seiten 4 bis 10 vom Anmeldetag;

Patentansprüche 1 bis 4 und 6 bis 15 vom Anmeldetag sowie Patentanspruch 5 vom 27. März 2015 (Seiten 11 und 13 bis 14 der eingereichten Unterlagen vom Anmeldetag sowie Seite 12 der eingereichten Unterlagen vom 27. März 2015);

5 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 5 vom Anmeldetag.

Gründe

I.

1

Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2008 006 492 wurde am 29. Januar 2008 mit der Bezeichnung „Wirbelkörperersatzimplantat“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 20. August 2009.

2

Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften

3

D1 DE 10 2005 022 920 B4

4

D2 DE 198 04 765 C2

5

D3 EP 1 121 075 B1

6

in Betracht gezogen worden.

7

Im Erstbescheid vom 4. November 2008 hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass die Patentansprüche 1 bis 15 voraussichtlich gewährbar erscheinen, da kein dem Anmeldungsgegenstand entgegenstehendes Material ermittelt werden konnte. Zum Stand der Technik hat die Prüfungsstelle die Druckschriften D1 bis D3 genannt, welche Wirbelkörperersatzimplantate mit einem unteren und oberen Anlageteil zeigten. Die Prüfungsstelle hat die Anmelderin gebeten, bei der Weiterverfolgung der Anmeldung die Beschreibung unter Berücksichtigung von § 34 Abs. 7 PatG und § 15 PatV zu überarbeiten und den aufgezeigten Stand der Technik unter Angabe der Fundstellen zu würdigen.

8

In ihrer Eingabe vom 27. November 2008 nimmt die Anmelderin zum Erstbescheid Stellung und führt aus, dass in der Beschreibungseinleitung bereits die D1 gewürdigt sei, und diese Druckschrift den nächstkommenden Stand der Technik darstelle, so dass eine Würdigung der Druckschriften D2 und D3 in der Beschreibungseinleitung nicht notwendig erscheine. Die Öffentlichkeit werde durch die Angabe dieser Druckschriften auf der Patentschrift ausreichend auf diesen Stand der Technik hingewiesen. Die Anmelderin bittet, mit den geltenden Unterlagen die Patenterteilung zu beschließen.

9

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 F hat die Anmeldung mit Beschluss vom 18. August 2009 zurückgewiesen. Dem Beschluss lagen die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 15 zugrunde. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, dass der Anmelder nach § 34 Abs. 7 PatG den Stand der Technik nach bestem Wissen vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben und in die Beschreibung aufzunehmen habe. Da die Anmelderin der Aufforderung der Prüfungsstelle in ihrem Erstbescheid zur vollständigen Aufnahme des Standes der Technik nicht nachgekommen sei, sei die Anmeldung nach § 37 Abs. 7 PatG und § 10 Abs. 2 PatV zurückzuweisen. Der Argumentation der Anmelderin, wonach eine Würdigung der Druckschriften D2 und D3 in der Beschreibungseinleitung nicht notwendig erscheine, könne von Seiten der Prüfungsstelle nicht zugestimmt werden. Denn wie eine Gegenüberstellung des Anmeldungsgegenstandes mit den Entgegenhaltungen D1 bis D3 zeige, sind alle von der Prüfungsstelle ermittelten Druckschriften D1 bis D3 für das Verständnis der Erfindung und deren Schutzfähigkeit, wie auch für die Durchführung von Recherche und Prüfung, von Bedeutung.

10

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die ihr Patentbegehren zuletzt mit dem in ihrem Schriftsatz vom 27. März 2015 gestellten Antrag weiterverfolgt. Sie beantragt,

11

den angefochtenen Beschluss vom 18. August 2009 aufzuheben und ein Patent zu erteilen mit den der Beschlussfassung vom 18. August 2009 zugrundeliegenden Unterlagen, wobei gegenüber den der Beschlussfassung vom 18. August 2009 zugrundeliegenden Unterlagen folgende Änderungen vorgenommen werden:

12

1. Die Seite 1 der der Beschlussfassung vom 18. August 2009 zugrundeliegenden Unterlagen durch die mit Eingabe vom 23. Oktober 2009 eingereichten Seiten 1 und 1a zu ersetzen;

13

2. die Seite 3 der der Beschlussfassung vom 18. August 2009 zugrundeliegenden Unterlagen durch die mit Eingabe vom 27. März 2015 eingereichte Seiten 12 zu ersetzen;

14

3. die Seite 12 der der Beschlussfassung vom 18. August 2009 zugrundeliegenden Unterlagen durch die mit Eingabe vom 27. März 2015 eingereichte Seiten 3 zu ersetzen;

15

In ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 23. Oktober 2009 und in ihrer nachfolgenden Eingabe vom 17. Dezember 2009 hat die Anmelderin zudem beantragt,

16

die Beschwerdegebühr zu erstatten.

17

Der geltende ursprüngliche Anspruch 1 lautet gegliedert:

18

M0 Wirbelkörperersatzimplantat

19

M1 mit einem unteren Anlageteil zur Anlage an einem unteren Wirbelkörper

20

M2 und mit einem oberen Anlageteil zur Anlage an einem oberen Wirbelkörper,

21

M3 wobei beide Anlageteile längs eines Verschiebeweges relativ zueinander stufenlos verschiebbar sind, so dass die Höhe des Wirbelkörperersatzimplantates veränderbar ist,

22

M4 mit einer Klemmeinrichtung zur Fixierung der beiden Anlageteile in einer beliebigen Zwischenposition längs des Verschiebeweges,

23

M5 welche ein an einem Anlageteil lageveränderlich gelagertes Klemmelement umfasst, welches gegen eine Klemmfläche am anderen Anlageteil andrückbar ist, dadurch gekennzeichnet,

24

M6 dass die Klemmfläche (26) gegenüber dem Verschiebeweg geringfügig geneigt ist, so dass sich die Klemmfläche (26) beim Zusammenschieben der Anlageteile (2, 3) dem Klemmelement (19) zunehmend annähert.

25

Bezüglich der ursprünglichen Ansprüche 2 bis 15 und wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

26

1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat mit den dem Patentbegehren nun zugrundeliegenden Unterlagen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur antragsgemäßen Erteilung des Patentes.

27

2. Die Anmeldung betrifft gemäß der Beschreibung (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0001]) ein Wirbelkörperersatzimplantat mit einem unteren Anlageteil zur Anlage an einem unteren Wirbelkörper und mit einem oberen Anlageteil zur Anlage an einem oberen Wirbelkörper, wobei beide Anlageteile längs eines Verschiebeweges relativ zueinander stufenlos verschiebbar sind, so dass die Höhe des Wirbelkörperersatzimplantates veränderbar ist, und mit einer Klemmeinrichtung zur Fixierung der beiden Anlageteile in einer beliebigen Zwischenposition.

28

Zum Stand der Technik verweist die Beschreibungseinleitung (Abs. [0002]) auf die Druckschrift DE 10 2005 022 920 B4, aus der ein solches Wirbelkörperersatzimplantat bekannt ist, bei dem mittels eines Hydraulikmediums die beiden Anlageteile stufenlos auseinandergeschoben werden können, und zur Fixierung eines erreichten Abstandes der beiden Anlageteile mittels einer Stellschraube ein Klemmelement in einem der beiden Anlageteile so gegen das andere Anlageteil vorgeschoben werden kann, dass an einer Klemmfläche des anderen Anlageteils eine Verklemmung der beiden Anlageteile erfolgt. Auf diese Weise sei eine stufenlose Einstellung und Beibehaltung der Höhe des gesamten Wirbelkörperersatzimplantates möglich.

29

Gemäß Beschreibung (Abs. [0002]) liegt der Anmeldung ausgehend von diesem Stand der Technik die Aufgabe zugrunde, die Klemmwirkung zur Fixierung des Abstandes der beiden Anlageteile zu verbessern.

30

Diese Aufgabe soll dadurch gelöst werden, dass die Klemmfläche beim erfindungsgemäßen Wirbelkörperersatzimplantat gegenüber dem Verschiebeweg geringfügig geneigt ist, so dass sich die Klemmfläche beim Zusammenschieben der Anlageteile dem Klemmelement zunehmend annähert (Abs. [0004]).

31

Aus den Figuren der Anmeldung ist das erfindungsgemäße Wirbelkörperersatzimplantat ersichtlich. So zeigt die Figur 2 eine Explosionsansicht und die Figuren 3 und 5 eine Querschnittsansicht der Teile des Wirbelkörperersatzimplantates

Abbildung

32

Wie ersichtlich, ist in der Seitenwand eines unteren Anlageteils 2 des Implantates im Bereich einer länglichen Öffnung 15 eine Vertiefung 25 angeordnet, die die längliche Öffnung 15 seitlich überragt. Der Boden 26 dieser Vertiefung 25 bildet eine Klemmfläche aus, gegen die beim Einschrauben einer Stellschraube 20 in ein Innengewinde 17 das Klemmelement 19 angedrückt wird. Der Boden ist dabei eben ausgebildet und seine Breite entspricht der Breite des Klemmelementes 19. Gegenüber der Verschieberichtung der beiden Anlageteile 2 und 3 ist der Boden 26 geringfügig geneigt, so dass am unteren Ende des Abschnittes 6 der Abstand des Bodens 26 von der Mittelachse des Abschnittes 6 größer ist als am oberen Ende. Durch diese Neigung des Bodens 26 verringert sich der Abstand des Bodens 26 von dem Klemmelement 19, wenn die beiden Anlageteile 2, 3 einander angenähert werden (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0030]).

33

Die Neigung des Bodens 26 gegenüber der Verschieberichtung ist gering und liegt in der Größenordnung zwischen 1° und 10° (Abs. [0031]).

Abbildung

34

Wie in den Figuren dargestellt, verläuft die dem Boden 26 zugewandte Anlagefläche 27 des Klemmelementes 19 parallel zur Verschieberichtung, ist also gegenüber dem Boden 26 um denselben Winkel geneigt, um den der Boden 26 gegenüber der Verschieberichtung geneigt ist. Beim Vorschieben des Klemmelementes 19 durch Einschrauben der Stellschraube 20 legt sich daher die Anlagefläche 27 nur im unteren Randbereich an den die Klemmfläche ausbildenden Boden 26 an (Fig. 5). Die Anlagefläche ist damit sehr klein und die Anlage erfolgt im Bereich der Kante des Klemmelementes 19 (Abs. [0032]).

35

3. Die geltenden Ansprüche 1 bis 4 und 6 bis 15 sind die ursprünglichen Ansprüche und daher ursprünglich offenbart.

36

Die mit Schriftsatz vom 27. März 2015 neu eingereichten Seiten 3 (neue Beschreibungsseite 3) und 12 (neuer Anspruch 5) der Anmeldungsunterlagen sind zulässig, denn es handelt sich dabei um die Berichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten.

37

So ist aus dem Textzusammenhang auf Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung zweifelsfrei und eindeutig ersichtlich, dass die Angabe in Zeile 4 des dritten Absatzes „das Klemmelement“ richtigerweise „die Klemmfläche“ lauten muss, da das Klemmelement (19) mit seiner Anlagefläche (27) nicht gegen sich selbst drücken kann, sondern gegen den Boden (26) einer Vertiefung (25), der eine Klemmfläche (26) ausbildet, drückt (vgl. die Fig. 2-5 i. V. m. S. 8 letzter Abs. bis S. 9 zweiter Abs. in der ursprünglichen Beschreibung). Das Gleiche gilt für den Anspruch 5, wo es in der vorletzten Zeile richtiggestellt „die Klemmfläche (26)“ anstatt „das Klemmelement (19)“ lauten muss.

38

4. Das Wirbelkörperersatzimplantat nach dem Patentanspruch 1 ist im Hinblick auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig.

39

Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Dipl.-Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik mit beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Wirbelimplantate an, der bezüglich medizinischer Fragestellungen mit einem Orthopäden zusammenarbeitet.

40

4.1 Das Wirbelkörperersatzimplantat nach Anspruch 1 ist neu, denn aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften ist das Merkmal M6 bekannt, wonach bei einem Wirbelkörperersatzimplantat mit zwei relativ zueinander verschiebbaren Anlageteilen zur Anlage an einem unteren und an einem oberen Wirbelkörper, die Klemmfläche des einen Anlageteils gegenüber dem Verschiebeweg der beiden Anlageteile zueinander geringfügig geneigt ist, so dass sich die Klemmfläche beim Zusammenschieben der Anlageteile dem Klemmelement des anderen Anlageteils zunehmend annähert.

41

a) Aus der Druckschrift D1 ist ein Wirbelkörperersatzimplantat 1 bekannt (vgl. die Fig. 1, 3 u. 4 mit Beschreibung in Abs. [0022], [0023], [0026] u. [0027]) [= Merkmal M0], mit einem unteren Anlageteil (Stützplatte 3, Zylinder 7) zur Anlage an einem unteren Wirbelkörper (Wirbelkörper 5; Fig. 1) [= Merkmal M1] und mit einem oberen Anlageteil (Stützplatte 2, Kolben 8) zur Anlage an einem oberen Wirbelkörper (Wirbelkörper 4; Fig. 1) [= Merkmal M2], wobei beide Anlageteile längs eines Verschiebeweges relativ zueinander stufenlos verschiebbar sind, so dass die Höhe des Wirbelkörperersatzimplantates veränderbar ist (Abs. [0023]: „Zwischen den beiden Stützplatten 2, 3 ist ein Kolben-Zylinder-Aggregat 6 mit einem Zylinder 7 und einem teleskopierend darin verschieblich gelagerten Kolben 8 angeordnet“) [= Merkmal M3], mit einer Klemmeinrichtung (Klemmschraube 22, Klemmelement 23) zur Fixierung der beiden Anlageteile in einer beliebigen Zwischenposition längs des Verschiebeweges [= Merkmal M4], welche ein an einem Anlageteil lageveränderlich gelagertes Klemmelement (Klemmelement 23, Klemmflächen 27, 28) umfasst, welches gegen eine Klemmfläche (Seitenwände 16, 17 der Längsnut 15) am anderen Anlageteil andrückbar ist (vgl. Fig. 4 i. V. m. Abs. [0027]) [= Merkmal M5].

42

In der D1 ist nicht angegeben, dass die Klemmfläche (Seitenwände 16, 17 der Längsnut 15) gegenüber dem Verschiebeweg geringfügig geneigt ist, so dass sich die Klemmfläche beim Zusammenschieben der Anlageteile dem Klemmelement zunehmend annähert, wie im Patentanspruch 1 beansprucht. Die Klemmfläche (Seitenwände 16, 17 der Längsnut 15) des aus der D1 bekannten Wirbelkörperersatzimplantat verläuft, wie der Figur 3 zu entnehmen ist, dagegen parallel zur Längsachse (= Verschieberichtung) des Kolben-Zylinder-Aggregates 6 und ist somit nicht gegenüber dem Verschiebeweg (in Richtung Längsachse) geneigt.

43

b) In der D2 ist ein Platzhalter zum Einsetzen zwischen zwei Wirbelkörper, mit einer veränderbaren axial Länge beschrieben (=Wirbelkörperersatzimplantat; Fig. 6 u. 11 mit Beschreibung) [= Merkmal M0], mit einem unteren Anlageteil (äußere Hülse 1) zur Anlage an einem unteren Wirbelkörper (Fig. 11) [= Merkmal M1] und mit einem oberen Anlageteil (innere Hülse 2) zur Anlage an einem oberen Wirbelkörper (Fig. 11) [= Merkmal M2], wobei beide Anlageteile längs eines Verschiebeweges relativ zueinander verschiebbar sind, so dass die Höhe des Wirbelkörperersatzimplantates veränderbar ist (Fig. 10 u. 11, Sp. 3 Z. 24-50: „… können die beiden Hülsen relativ zueinander verschoben werden und, … bis zu einer maximalen Länge vergrößert werden. Die federvorgespannte Kugel 25 wirkt mit den kugelsegmentförmigen Vertiefungen 18 nach Art einer Ratsche derart zusammen, dass die Vergrößerung jeweils um den Abstand zweier Vertiefungen oder eines mehrfachen davon verändert werden kann“) [= Merkmal M3 ohne „stufenlos verschiebbar“], mit einer Klemmeinrichtung (Fixierschrauben 27; Fig. 7 u. 8, Sp. 3 Z. 51-60) zur Fixierung der beiden Anlageteile in einer Zwischenposition längs des Verschiebeweges [= Merkmal M4 ohne „beliebigen Zwischenposition“], welche ein an einem Anlageteil lageveränderlich gelagertes Klemmelement (Fixierschrauben 27) umfasst, welches gegen eine Klemmfläche (Mantelabschnitt 15 mit Vertiefungen 18 der inneren Hülse 2) am anderen Anlageteil andrückbar ist (vgl. Fig. 6, Sp. 2 Z. 61-64) [= Merkmal M5].

44

Die Klemmfläche (Mantelabschnitt 15 mit Vertiefungen 18 der inneren Hülse 2) des Platzhalters der D2 verläuft, wie der Figur 6 zu entnehmen ist, parallel zur Längsachse (= Verschieberichtung) der äußeren und inneren Hülse (1, 2) und ist somit nicht gegenüber dem Verschiebeweg (in Richtung Längsachse) geneigt, wie im Merkmal M6 des Patentanspruchs 1 beansprucht.

45

c) Die D3 schließlich zeigt eine teleskopierende Wirbelprothese (=Wirbelkörperersatzimplantat; Fig. 1 bis 3 mit Beschreibung) [= Merkmal M0], mit einem unteren Anlageteil (äußerer Hohlkörper 2) zur Anlage an einem unteren Wirbelkörper (Fig. 11) [= Merkmal M1] und mit einem oberen Anlageteil (innerer Hohlkörper 1) zur Anlage an einem oberen Wirbelkörper [= Merkmal M2], wobei beide Anlageteile längs eines Verschiebeweges relativ zueinander stufenlos verschiebbar sind, so dass die Höhe des Wirbelkörperersatzimplantates veränderbar ist (Sp. 5 Z. 2-6: „Der innere 1 und der äußere Hohlkörper 2 sind konzentrisch zu einer Zentralachse 3 so angeordnet, dass der innere Hohlkörper 1 im ebenfalls konzentrisch verlaufenden Hohlraum 37 des äußeren Hohlkörpers 2 entlang der Zentralachse 3 verschiebbar ist. Dadurch entsteht eine teleskopierbare Anordnung der beiden Hohlkörper 1;2“) [= Merkmal M3], mit einer Einrichtung zur Fixierung (Fixierring 15) der beiden Anlageteile in einer beliebigen Zwischenposition längs des Verschiebeweges (Sp. 5 Z. 47-53: „Zur Fixierung der axialen Position des inneren Hohlkörpers 1 gegenüber dem äußeren Hohlzylinder 2 ist in eine an der inneren Mantelfläche 6 des äußeren Hohlzylinders 2 konzentrisch zur Zentralachse 3 angebrachten umlaufenden Nut 16 ein Fixierring 15 mit zweiten Kupplungselementen 7 um die Zentralachse 3 drehbar eingefügt). Zum Feststellen der axialen Position der Anlageteile wird der Fixierring 15 in eine Position A gedreht, in der Segmente eines Innengewindes am Fixierring (Erhebungen 28) in Segmente eines Außengewindes (Erhebungen 27) des inneren Hohlkörpers 1 eingreifen (Sp. 5 Z. 54 bis Sp. 6 Z. 30). Hierbei ist davon auszugehen, dass sich zwangsläufig eine gewisse Klemmung der ineinandergreifenden Gewinde ergibt (= Klemmeinrichtung), da der Fixierring 15 sich andernfalls unbeabsichtigt verdrehen könnte [= Merkmal M4].

46

Die Wirbelprothese der D3 weist jedoch keine gegenüber dem Verschiebeweg geringfügig geneigte Klemmfläche auf, gegen die ein Klemmelement andrückbar ist (Merkmal M6 i. V. m. Merkmal M5).

47

4.2 Da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften das Merkmal M6 zeigt, können diese Druckschriften dem Fachmann auch keine Anregung geben, eine Klemmfläche bei einem Wirbelkörperersatzimplantat vorzusehen, die gegenüber dem Verschiebeweg der beiden Anlageteile des Implantats geringfügig geneigt ist, so dass sich die Klemmfläche beim Zusammenschieben der Anlageteile dem Klemmelement des einen Anlageteils zunehmend annähert. Diese Maßnahme ist auch nicht dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns zuzurechnen.

48

Das Wirbelkörperersatzimplantat gemäß Patentanspruch 1 ist daher nicht nur neu, sondern beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

49

5. Die Unteransprüche werden von der Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1, auf den sie direkt bzw. indirekt rückbezogen sind, getragen.

50

6. Auch die übrigen Unterlagen entsprechenden an sie zu stellenden Anforderungen. Insbesondere ist in der geltenden Beschreibungseinleitung außer der Druckschrift D1 nunmehr auch der von der Prüfungsstelle ermittelte Stand der Technik gemäß den Druckschriften D2 und D3 gewürdigt.

51

7. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr sieht der Senat keinen Anlass.

52

Gemäß § 80 Abs. III PatG kann die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist immer dann billig, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätte vermieden werden können (Schulte a. a. O. § 73 Rdn. 132).

53

Soweit die Anmelderin im Beschwerdeschriftsatz vom 23. Oktober 2009 geltend macht, dass die Forderung der Prüfungsstelle nach zusätzlicher Würdigung der Druckschriften D2 und D3 in der Beschreibung unberechtigt gewesen sei, da es unzutreffend sei, wenn in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen werde, dass alle drei Druckschriften D1, D2 und D3 für das Verständnis der Erfindung und deren Schutzfähigkeit von Bedeutung seien, sind hierin keine Billigkeitsgründe für die Rückzahlung ersichtlich. Insbesondere beinhaltet die Sachbehandlung durch das Patentamt auch keinen sonstigen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß.

54

Nach § 34 Abs. 7 PatG hat auf Verlangen des Patentamts der Anmelder den Stand der Technik nach seinem besten Wissen vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben und in die Beschreibung aufzunehmen. Die auf § 34 Abs. 6 PatG gründende Patentverordnung (PatV) fordert hierzu gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2, dass in der Beschreibung der dem Anmelder bekannte Stand der Technik, der für das Verständnis der Erfindung und deren Schutzfähigkeit in Betracht kommen kann, unter Angabe der dem Anmelder bekannten Fundstellen anzugeben ist.

55

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in den Druckschriften D2 und D3, wie von der Anmelderin geltend gemacht, nicht alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 verwirklicht sind, oder ob diese Druckschriften dem Anmeldegegenstand nicht so nahe kommen wie die Druckschrift D1. Denn auch die Druckschriften D2 und D3 zeigen, wie voranstehend in diesem Beschluss ausgeführt (vgl. Abschn. 4.1 b) und c)) Wirbelkörperersatzimplantate, deren axiale Länge wie beim Anmeldungsgegenstand veränderbar und mit einer Klemmeinrichtung bzw. Feststelleinrichtung fixierbar ist. Die Druckschriften D2 und D3 sind daher dem Stand der Technik zuzurechnen, der für das Verständnis der Erfindung und deren Schutzfähigkeit in Betracht kommen kann. Die Aufforderung der Anmelderin durch die Prüfungsstelle in ihrem Erstbescheid, unter Berücksichtigung von § 34 Abs. 7 PatG die Beschreibung zu überarbeiten und den aufgezeigten Stand der Technik unter Angabe der Fundstellen zu würdigen ist somit rechtlich nicht zu beanstanden.

56

Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat nach § 78 Nr. 3 PatG abgesehen.

57

Der Senat konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Die An-melderin hat zwar hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, dem bei einer beabsichtigten Entscheidung zu Lasten der Anmelderin grundsätzlich gemäß § 78 Nr. 1 PatG auch stattzugeben wäre. Bei einer sachgerechten Auslegung ist der Antrag aber dahingehend zu verstehen, dass der Termin hilfsweise nur dann beantragt ist, wenn der Senat in der Hauptsache zu Lasten der Anmelderin entscheiden will. Dies ist nicht geschehen, da die Anmelderin in der Hauptsache obsiegt hat. Eine mündliche Verhandlung ist bei einer Entscheidung in Bezug auf eine Nebenentscheidung, wie die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr, trotz eines entsprechenden Antrags nicht zwingend i. S. d. § 78 Nr. 1 anzuberaumen (vgl. Schulte, a. a. O., § 78 Rdnr. 17 Buchstabe c) und BPatGE 13, 69 Leitsatz 2), da dieser Antrag lediglich als bloße Anregung zu sehen ist und die Frage, ob die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist, bereits von Amts wegen zu prüfen ist.