Entscheidungsdatum: 17.12.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 103 24 104
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Musiol, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Gegen das am 19. September 2013 von der Prüfungsstelle für Klasse G 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) erteilte und am 16. Januar 2014 veröffentlichte Patent 103 24 104 mit der Bezeichnung
„Vorrichtung und Verfahren zur Bestimmung von Oberflächeneigenschaften“
hat die Einsprechende am 13. Oktober 2014 Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Mit Beschluss der Patentabteilung 52 des DPMA vom 5. Juli 2016 wurde das Patent daraufhin vollständig widerrufen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des vorliegenden Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgehe, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist.
Im Rahmen des Prüfungs- und des Einspruchsverfahrens sind folgende Druckschriften als Stand der Technik genannt worden:
D1 US 2002 / 0 167 669 A1
D1a DE 101 22 917 A1
D2 US 2001 / 0 036 309 A1
D3 DE 101 49 780 A1
D4 The Math Works, Inc.: Image Processing Toolbox For Use with Matlab, User’s Guide, Version 3. 3 Apple Hill Drive, Natick, MA 01760-2098, United States, 2001. S. 1, 2 und 6-1 bis 6-16. ‒ Firmenschrift.
Gegen den o. g. Widerrufsbeschluss vom 5. Juli 2016 richtet sich die am 22. August 2016 beim DPMA eingegangene Beschwerde der Patentinhaberin.
Der Bevollmächtigte der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt gemäß Hauptantrag,
den Beschluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 05.07.2016 aufzuheben und das Patent 103 24 104 auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche:
Patentansprüche 1 bis 30 vom 18.11.2016, beim BPatG als Hauptantrag per Fax eingegangen am selben Tag
Beschreibung:
Beschreibungsseiten 1 bis 5 und 7 bis 16 vom 25.07.2013, bei DPMA eingegangen am selben Tag
Beschreibungsseite 6 vom 18.11.2016, beim BPatG per Fax eingegangen am selben Tag
Figuren:
Zeichnungen wie Patentschrift.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
Wegen des Wortlauts der weiteren nebengeordneten Patentansprüche 10, 29 und 30 sowie der abhängigen Patentansprüche 2 bis 9 und 11 bis 28 sowie weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Hilfsweise beantragt er,
das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen im Umfang eines der folgenden Hilfsanträge aufrechtzuerhalten:
Hilfsantrag 1:
Patentanspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2018 mit weiteren anzupassenden Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen.
Hilfsantrag 2:
Patentansprüche 1 bis 28 vom 18.11.2016, beim BPatG als Hilfsantrag 1 per Fax eingegangen am selben Tag.
Hilfsantrag 3:
Patentansprüche 1 bis 28 vom 18.11.2016, beim BPatG als Hilfsantrag 2 per Fax eingegangen am selben Tag.
Beschreibung und Zeichnungen (für die Hilfsanträge 2 und 3) jeweils wie Hauptantrag.
Ferner bittet der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin um einen entsprechenden Hinweis des Senats, falls sprachliche Ungenauigkeiten im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 berichtigt werden sollen.
Weiterhin beantragt er, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Ferner beantragt der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin, den Antrag des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin auf Hinweiserteilung im Falle sprachlicher Ungenauigkeiten als zu unbestimmt zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig; sie führt jedoch nicht zum Erfolg. Nachdem das Patent im vorliegenden Beschwerdeverfahren bzgl. aller Anträge in geänderter Fassung verteidigt wird, ist die Zulässigkeit dieser Fassungen ohne Beschränkung auf die gesetzlichen oder die geltend gemachten Widerrufsgründe zu prüfen (BGH, Beschluss vom 3. Februar 1998 – X ZB 6/97, GRUR 1998, 901 – Polymermasse). Eine Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags bzw. eines der Hilfsanträge 1 bis 3 ist nicht möglich, da durch die Fassungen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag bzw. nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 der Schutzbereich des Patents unzulässig erweitert wird (BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 – X ZB 9/89, GRUR 1990, 432 – Spleißkammer; § 22, Abs. 1, letzter Teilsatz PatG).
1. Das Streitpatent betrifft laut Absatz [0001] eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Bestimmung von Oberflächeneigenschaften.
Die Beschaffenheit von Oberflächen sei eine wesentliche Eigenschaft von Gegenständen des täglichen Lebens, wie beispielsweise Kraftfahrzeugen oder anderen Gebrauchsgegenständen und bestimme deren Gesamteindruck auf den menschlichen Betrachter. Ein Beispiel seien Hochglanz- oder Metallic-Lackierungen an Fahrzeugkarosserien. Zur reproduzierbaren Bewertung der Qualität von Oberflächen seien Messgeräte erforderlich, die physikalische Größen erfassen könnten, welche den Gesamteindruck bestimmten. Im Stand der Technik seien verschiedene Verfahren und Vorrichtungen bekannt, mit denen die visuellen Eigenschaften, speziell das Reflexions- und/oder Streuverhalten von Oberflächen, bestimmt werden könnten (Streitpatent, Abs. [0002] und [0003]).
Dabei bestehe das Problem, dass der optische Eindruck von Oberflächen auch vom Auflösungsvermögen des menschlichen Auges abhänge. Bei nahen Abständen sei dieses in der Lage, unterschiedliche Farbkontraste aufzulösen. Bei größeren Entfernungen könnten periodisch wiederkehrende Muster erkannt werden. Die Sichtbarkeit von z. B. periodischen Strukturen sei beim Auge abhängig von der Wellenlänge bzw. Frequenz der Struktur sowie dem Abstand zwischen dem Auge und dem zu beobachtenden Objekt (Streitpatent, Abs. [0004] und [0005]).
Als Aufgabe benennt die Streitpatentschrift vor diesem Hintergrund, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen, welche eine Bewertung von Oberflächeneigenschaften erlaube, wobei auch Eindrücke berücksichtigt und simuliert werden sollten, welche aus einem unterschiedlichen Abstand des Beobachters zu der zu beobachtenden Fläche resultierten (vgl. Streitpatent, Abs. [0006]).
2. Das Streitpatent richtet sich dem technischen Sachgehalt nach an einen Diplom-Physiker mit Arbeitsschwerpunkt in der messtechnischen Erfassung von optischen Oberflächeneigenschaften verschiedenster Materialien und der Verarbeitung, Interpretation und Darstellung hierbei gewonnener Daten.
3. Zum Hauptantrag
Der mit Hauptantrag verteidigte Patentanspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern (Änderungen im Vergleich zur ursprünglichen Fassung des Anspruchs 1 jeweils fett und durchgestrichen hervorgehoben):
1a Verfahren zur Bestimmung von Oberflächeneigenschaften, insbesondere von solchen physikalischen Eigenschaften einer Oberfläche, die das Aussehen einer Oberfläche für den menschlichen Betrachter bestimmen, mit folgenden Schritten:
1b Senden einer vorgegebenen Strahlung wenigstens einer Strahlungseinrichtung (2; 12) auf eine Messfläche (7);
1c Detektion der von der Messfläche reflektierten und/oder gestreuten Strahlung mittels einer Detektoreinrichtung (8) mit einer Vielzahl von Bildaufnahmeelementen (21);
1d Erzeugung en einer Vielzahl von ersten Signalen, basierend auf der von der Vielzahl von Bildaufnahmeelementen (21) eines Signals, das wenigstens einen Parameter der von dem Bildaufnahmeelement detektierten Strahlung beschreibt;
1e Zusammenfassung von jeweils einer vorgegebenen Anzahl aus der Vielzahl der ersten Signale, die von einander benachbarten Bildaufnahmeelementen erzeugt werden, gemäß für wenigstens zwei unterschiedlichen Werte eines vorgegebenen Kriterien ums zu wenigstens zwei Gruppensignalen zu einer Vielzahl von Gruppen (30);
1e1 Berechnung eines Gruppensignals für jede Gruppe (30) aus der Vielzahl von Gruppen (30);
1f Berechnung wenigstens einer gruppenspezifischen Bewertungszahl, sowie wenigstens eines von den Gruppensignalen davon abhängigen statistischen Parameters, der mit wenigstens einer Remissionseigenschaft der Messfläche (7) korreliert, für jeden Wert des vorgegebenen Kriteriums; und
1g Ausgabe des wenigstens einen statistischen Parameters in Abhängigkeit der Werte des vorgegebenen Kriteriums, zum Zusammenfassen der ersten Signale;
dadurch gekennzeichnet dass
1h wobei die Oberflächeneigenschaften durch eine Relation zwischen wenigstens zwei Werten des statistischen Parametern s mit für unterschiedlichen Werte des vorgegebenen Kriterien ums beschrieben wird.
Die mit den oben hervorgehobenen Änderungen im Anspruchswortlaut einhergehende Offenbarung ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des BGH u. a. dahingehend zu überprüfen, ob der Gegenstand der patentgemäßen Lehre auch so aus dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hervorgeht. Der Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist allein, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der nun vorliegende Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 – X ZR 27/06; GRUR 2010, 509 – Hubgliedertor I).
Der somit auch im Rahmen des gemäß Hauptantrag gültigen Merkmals 1f durchzuführende Vergleich mit den Ursprungsunterlagen ergibt in Folge eine gegenüber den ursprünglichen Unterlagen abweichende Berechnung des jeweils beanspruchten, so genannten „statistischen Parameters“. Dieser wird gemäß Hauptantrag dergestalt kalkuliert, dass er von allen einem jeweiligen Wert des vorgegebenen Kriteriums zugehörigen Gruppensignalen abhängig ist. Ursprünglich offenbart ist jedoch, dass dieser abhängig von einer einzigen gruppenspezifischen Bewertungszahl ist, welche – von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten – identisch mit einem einzigen Gruppensignal anzusehen ist.
In beiden genannten Fällen ergeben sich für die gestellte Aufgabe mittels stringent durchführbarer Rechenoperationen jeweils auch sinnvolle Lösungen, die für den Fachmann zweifelsfrei nacharbeitbar und technisch verwertbar sind.
Senatsseitig wurde dies einleitend in der mündlichen Verhandlung anhand eines konkreten Rechenbeispiels jeweils für die ursprünglich offenbarte und die nunmehr verteidigte technische Lehre nachgewiesen. Zu diesem Zweck wurden zunächst (vgl. oben den ursprungsoffenbarten und den aktuellen Wortlaut des Merkmals 1d) als „erste Signale“ jeweils die Messwerte einzelner Bildaufnahmeelemente verstanden, die gemäß den messtechnischen Vorgaben der Merkmale 1a bis 1c gewonnen werden, und als „Kriterium“ die Anzahl benachbarter Bildaufnahmeelemente innerhalb eines flächigen 8 x 8 Einzelelemente aufweisenden Sensorarrays für die Anzahl 9 und die Anzahl 25 dieser Elemente (vgl. Ursprungsunterlagen S. 4, Abs. 4 bzw. Streitpatent, Abs. [0009]); die Gruppensignale (vgl. hierzu oben den jeweiligen Wortlaut des Merkmals 1e), wurden in Form einer Mittelwertbildung der einzelnen Messsignale der Bildaufnahmeelemente verwirklicht (vgl. Ursprungsunterlagen S. 5, Abs. 4 – S. 6, Abs. 2 bzw. Streitpatent, Abs. [0021] – [0023]) und aus den so erhaltenen Ergebnissen entsprechend der ursprünglichen Vorgabe und mit der gemäß Merkmal 1f nun beanspruchten Rechenvorschrift eine Varianz als „statistischer Parameter“ ermittelt (vgl. ursprüngliche Unterlagen, S. 6, Abs. 3 bzw. Streitpatent, Abs. [0024]), wobei dieser jeweils für eine homogene und für eine eine einspaltig auftretende Inhomogenität zeigende Messwertverteilung innerhalb der o. g. 8 x 8 - Matrix bestimmt wurde; auf diese Weise konnten für die Varianz der Mittelwerte mehrerer Gruppensignale (Lehre nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag) und die Varianz der ersten Signale (Lehre gemäß ursprünglichen Unterlagen) im Falle o. g. beispielhafter inhomogener Messwertverteilung mathematisch und in Folge auch technisch sinnvolle, jedoch wie zu erwarten keine identischen Ergebnisse berechnet werden.
Der Fachmann hatte vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, an der ihm jeweils vorliegenden technischen Lehre (gemäß Hauptantrag bzw. gemäß ursprünglicher Offenbarung) zu zweifeln oder sie weiter zu hinterfragen, und etwa „offensichtliche Fehler“ zu vermuten, wie die Beschwerdeführerin in ihren schriftlichen und mündlichen Ausführungen argumentiert. Eine Auslegung unter dem Wortlaut oder entgegen des Wortlautes der patentgemäßen Lehre verbietet sich vorliegend auch deshalb, da so u. a. das einzige einschlägige Ausführungsbeispiel nicht mehr umfasst wäre (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11; GRUR 2015, 159 – Zugriffsrechte).
Somit geht das Streitpatent in der Fassung gemäß Hauptantrag über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, da mit der Verteidigung des Streitpatents gemäß Hauptantrag ein anderes Verfahren unter Schutz gestellt werden soll, als dies ursprünglich offenbart war.
4. Zu den Hilfsanträgen
Der Hilfsantrag 1 weicht in seinem Patentanspruch 1 hinsichtlich zweier Merkmale vom Hauptantrag ab (Änderungen gegenüber Fassung des Hauptantrags gekennzeichnet):
1e1‘ Berechnung eines Gruppensignals für jede Gruppe (30) aus der Vielzahl von Gruppen (30) und Berechnung einer gruppenspezifischen Bewertungszahl;
1f‘ Berechnung eines von den Gruppensignalen abhängigen statistischen Parameters, aus der gruppenspezifischen Bewertungszahl der mit wenigstens einer Remissionseigenschaft der Messfläche (7) korreliert, für jeden Wert des vorgegebenen Kriteriums; und
Auch gemäß dieser Fassung wird der statistische Parameter dergestalt kalkuliert, dass er jedenfalls von allen einem jeweiligen Wert des vorgegebenen Kriteriums zugehörigen Gruppensignalen abhängig ist. Ursprünglich offenbart ist jedoch (wie zum Hauptantrag ausgeführt), dass der statistische Parameter abhängig von einer einzigen gruppenspezifischen Bewertungszahl ist, welche – von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten – identisch mit einem einzigen Gruppensignal anzusehen ist. Da eine Abhängigkeit des statistischen Parameters „von den Gruppensignalen“ ausdrücklich beansprucht ist, liest der Fachmann in dem Teilmerkmal „aus der gruppenspezifischen Bewertungszahl“ nur die Notwendigkeit diese zu verwenden, jedoch keine (im offensichtlichen Gegensatz zum weiteren Anspruchswortlaut stehende) Beschränkung auf deren ausschließliche Nutzung.
Soweit die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung zum Hilfsantrag 1 vorgetragen hat, der statistische Parameter sei schon deshalb von den ersten Signalen abhängig, da diese nicht untergingen, sondern in den Gruppensignalen enthalten seien, kann dies dahinstehen, denn fraglich ist vorliegend lediglich, ob auch der Hilfsantrag 1 einen von den (allen) Gruppensignalen abhängigen statistischen Parameter fordert, was so ursprünglich nicht offenbart ist.
Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob im Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ggf. sprachliche Ungenauigkeiten gegeben sein könnten, die einen etwaigen Hinweis seitens des Senates erforderlich gemacht hätten. Die verfahrensentscheidenden Passagen des genannten Patentanspruchs 1 sind jedenfalls zweifelsfrei nachvollziehbar, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und bedürfen insoweit keiner sprachlichen Präzisierung.
Die gemäß den Hilfsanträgen 2 und 3 verteidigten Formen des Streitpatents weisen weitere Änderungen bezogen auf den Hauptantrag auf, die jedoch sämtlich im Rahmen ihres jeweiligen Patentanspruchs 1 ebenfalls das Merkmal 1f umfassen, wie es bereits im Hauptantrag beansprucht wurde.
Damit wird letztlich auch im Rahmen dieser Hilfsanträge mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 für einen Gegenstand Schutz begehrt, wie er den ursprünglichen Unterlagen so nicht entnommen werden konnte. Daher kann das Streitpatent auch mit den Hilfsanträgen 2 und 3 mit derselben Begründung nicht erfolgreich verteidigt werden, wie im Kontext des Hauptantrages bereits ausgeführt.
5. Mit den vorstehend genannten Patentansprüchen gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 fallen auch jeweils alle anderen Ansprüche. Aus der Fassung der Anträge und dem zu ihrer Begründung Vorgebrachten ergeben sich keine Zweifel an dem prozessualen Begehren der Beschwerdeführerin, ein Patent ausschließlich in einer der beantragten Fassungen zu erhalten (BGH, Beschluss vom 27.02.2008 – X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 Rn. 22 m. w. N. – Installiereinrichtung).
Im Ergebnis war die Beschwerde daher zurückzuweisen.
6. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht hier wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Billigkeit (§ 80 Abs. 3 PatG).
Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte grundrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht ist als Verfassungsgebot ein Eckpfeiler eines jeden geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens und gilt entsprechend für alle Verwaltungsverfahren, zu denen auch das Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gehört (vgl. Benkard, PatG, 11. Aufl., vor § 34 Rn. 18 m. w. N.; Schulte, PatG, 10. Aufl., Einl. Rn. 284). Dies findet seinen Niederschlag auch in dem für das Erteilungsverfahren in § 42 Abs. 3 Satz 2, § 48 Satz 2 PatG einfachgesetzlich verankerten – und für das Einspruchsverfahren analog anwendbaren – Grundsatz, wonach Entscheidungen des Patentamts nur auf der Grundlage der rechtlichen Gesichtspunkte ergehen dürfen, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten zuvor äußern konnten (vgl. Benkard a. a. O.; Schulte, a. a. O., Rn. 280; BPatG, Beschluss vom 03.02.2012 – 7 W (pat) 66/09 – Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür, juris Rn. 31; BPatGE 40, 41).
Zu dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gehört auch das sog. Verbot von Überraschungsentscheidungen, das verletzt ist, wenn die getroffene Entscheidung von dem abweicht, was die Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung des bisherigen Verfahrens erwarten dürfen (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144f.; 96, 189, 204; 108, 341ff.). Eine solche Erwartungshaltung der Beteiligten kann sich im patentamtlichen Verfahren insbesondere aus den während der Anhörung ausdrücklich oder stillschweigend erteilten Hinweisen der Patentabteilung ergeben, wobei ein solcher Hinweis nicht nur dann vorliegt, wenn auf die gezielt gestellte Frage eines Beteiligten eine Antwort gegeben wird, sondern auch dann, wenn diese Frage unbeantwortet bleibt. Kann ein Beteiligter einen mitgeteilten Hinweis vernünftigerweise nur dahin verstehen, dass sein Rechtsbegehren in dem aus dem Hinweis erkennbaren Umfang Erfolg haben wird, und weicht die Entscheidung hiervon ab, liegt eine verbotene Überraschungsentscheidung vor (vgl. BVerfGE a. a. O.; BPatG, Beschluss vom 03.02.2012 – 7 W (pat) 66/09 – Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür, juris Rn. 32).
Vor diesem Hintergrund ist hier von einem Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs auszugehen.
Aus der – auf Antrag der Patentinhaberin am 19. September 2016 nachträglich berichtigten – Niederschrift über die Anhörung im Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung vom 5. Juli 2016 geht hervor, dass die Patentinhaberin den Antrag gestellt hat, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent auf Grundlage eines der beiden Hilfsanträge beschränkt aufrechtzuerhalten, und weiter hilfsweise, der Patentinhaberin im Hinblick auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts „Vorrichtung zum Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür“ einen Hinweis zu erteilen, falls die Formulierung weiterer Hilfsanträge geboten ist.
Der Senat ist auf der Grundlage des Akteninhalts, insbesondere aufgrund der o. g. (berichtigten) Niederschrift und der insoweit unbestritten gebliebenen Ausführungen der Patentinhaberin davon überzeugt, dass die Patentabteilung im Anschluss an die Antragstellung der Beteiligten das Patent widerrufen hat, ohne sich zuvor zu dem von der Patentinhaberin hilfsweise beantragten Hinweis hinsichtlich der Formulierung weiterer Hilfsanträge zu äußern. Das Schweigen der Patentabteilung auf diesen Antrag konnte die Patentinhaberin bis zur Verkündung der Entscheidung vernünftigerweise nur so verstehen, dass es weiterer Hilfsanträge zur beschränkten Verteidigung ihres angegriffenen Patents nicht bedürfte, was für sie nur bedeuten konnte, dass das Streitpatent entsprechend dem Hauptantrag oder einem der beiden bereits gestellten Hilfsanträge aufrechterhalten werden würde.
Um einer solchen Erwartungshaltung der Patentinhaberin und damit einer verbotenen Überraschungsentscheidung entgegenzuwirken, hätte die Patentabteilung den ausdrücklichen Antrag der Patentinhaberin auf Erteilung eines Hinweises dazu, ob die Formulierung weiterer Hilfsanträge geboten ist, nicht einfach unbeantwortet lassen dürfen. Dabei war die Patentabteilung selbstverständlich nicht gehalten, Hinweise zu den Erfolgsaussichten der bisherigen Verteidigung des Streitpatents durch die Patentinhaberin zu erteilen, da die abschließende Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf Basis der zuletzt gestellten Anträge der Beratung der Patentabteilung vor der Verkündung ihrer Entscheidung vorbehalten ist und ein solcher Hinweis im Übrigen auch wegen Verletzung der Neutralitätspflicht gegenüber der anderen Beteiligten, hier der Einsprechenden, unzulässig gewesen wäre. Die Patentabteilung hätte aber auf den hier in Rede stehenden Antrag der Patentinhaberin zumindest mitteilen müssen, dass aus den vorgenannten Gründen zu den Erfolgsaussichten keine Hinweise erteilt werden können und es daher der eigenen Beurteilung der Patentinhaberin obliegt, ob sie weitere Hilfsanträge formulieren und vorlegen möchte (vgl. BPatG, Beschluss vom 03.02.2012 – 7 W (pat) 66/09 – Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür, juris Rn. 34 und 37).
Da die Patentinhaberin aufgrund des Schweigens der Patentabteilung auf diese Frage davon ausgehen durfte, dass sie bereits auf der Grundlage eines ihrer bislang gestellten Anträge Erfolg haben würde, stellt sich der von dieser begründeten Erwartungshaltung abweichende spätere Widerruf des Patents folglich als Überraschungsentscheidung und damit als eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
An dieser Beurteilung vermag auch das Vorbingen der Einsprechenden und Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 28. November 2018 nichts zu ändern.
Die Argumentation der Einsprechenden in diesem Zusammenhang, dass der von der Patentinhaberin zitierten Entscheidung des Bundespatentgerichts „Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür“ eine andere, nicht vergleichbare Situation zugrunde gelegen habe, vermag nicht zu überzeugen. In dem dortigen Fall hat es das Bundespatentgericht als Verletzung des rechtlichen Gehörs angesehen, dass die Patentabteilung die Frage der Patentinhaberin, ob sie die mitgebrachten Hilfsanträge vorlegen solle, nicht beantwortet und das Patent dann widerrufen hat. Hiervon unterscheidet sich die hier vorliegende verfahrensrechtliche Situation, in der die Patentabteilung auf den hilfsweise gestellten Antrag der Patentinhaberin, einen Hinweis zu erteilen, falls die Formulierung weiterer Hilfsanträge geboten sei, geschwiegen und das Patent dann widerrufen hat, im Ergebnis nicht. Denn in beiden Fällen ist die Frage bzw. der Antrag der jeweiligen Patentinhaberin letztlich als ausdrückliche Aufforderung zur Erteilung eines Hinweises dazu, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte die Patentabteilung voraussichtlich für maßgeblich erachtet, zu verstehen.
Entgegen der Ansicht der Einsprechenden fehlt dem Antrag der Patentinhaberin auf Erteilung des hier in Rede stehenden Hinweises auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, insbesondere entfällt ein solches nicht aufgrund des Umstands, dass ein Hinweis der Patentabteilung zu den Erfolgsaussichten der bislang gestellten Anträge der Patentinhaberin sowohl aus tatsächlichen Gründen wegen der noch nicht erfolgten abschließenden Beratung ausgeschlossen als auch wegen Verletzung der Neutralitätspflicht gegenüber der anderen Beteiligten unzulässig gewesen wäre. Denn das Gebot rechtlichen Gehörs gebietet es in einem solchen Fall aus den zuvor dargestellten Gründen, eine solche Frage zumindest mit dem Hinweis zu beantworten, dass eine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der bisherigen Anträge nicht möglich ist, so dass die anfragende Beteiligte aufgerufen ist, selbst zu beurteilen, ob sie weitere Hilfsanträge formulieren bzw. stellen möchte; auch insoweit unterscheidet sich die verfahrensrechtliche Situation im vorliegenden Fall nicht von derjenigen in der Entscheidung des Bundespatentgerichts – Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür (vgl. BPatG, a. a. O.).
Nach alledem rechtfertigt die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Patentinhaberin, die als schwerer Verfahrensfehler zu werten ist (vgl. Schulte a. a. O., § 80 Rn. 115 und § 73 Rn. 145), eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr.