Entscheidungsdatum: 03.02.2012
Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür
1. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs ist als allgemeiner Rechtsstaatsgrundsatz auch im Einspruchsverfahren wie in allen Verwaltungsverfahren zu beachten.
2. Dieser Grundsatz verbietet u. a. sog. Überraschungsentscheidungen, die vorliegen, wenn die Patentabteilung von dem abweicht, was die Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung des bisherigen Verfahrens erwarten dürfen (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133,144 f.; 96, 189, 204; 108, 341 ff.). Zu den Verfahrensabläufen, die Grundlage dieser Erwartungshaltung der Beteiligten sein können, gehören insbesondere auch die ausdrücklich oder stillschweigend während der Anhörung erteilten Hinweise der Patentabteilung. Ein solcher Hinweis liegt dabei nicht nur dann vor, wenn auf die gezielt gestellte Frage eines Beteiligten (hier: ob mitgebrachte Hilfsanträge eingereicht werden sollen) eine Antwort gegeben wird, sondern auch dann, wenn diese Frage unbeantwortet bleibt.
3. Stellt eine Patentinhaberin im Einspruchsverfahren die Frage, ob sie mitgebrachte Hilfsanträge einreichen soll, ist die Patentabteilung zwar nicht gehalten, sich zu den Erfolgsaussichten der bislang gestellten Anträge der Patentinhaberin zu äussern. Ein solcher Hinweis wäre in der Regel nicht nur wegen der noch nicht erfolgten abschließenden Beratung der Patentabteilung vor der Verkündung ihrer Entscheidung schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, sondern auch wegen Verletzung der Neutralitätspflicht im Verhältnis zu den anderen Beteiligten unzulässig. Allerdings gebietet es das Gebot rechtlichen Gehörs, eine solche Frage zumindest mit dem Hinweis zu beantworten, dass eine abschließende Beurteilung der Erfolgsaussichten der bisherigen Anträge nicht möglich ist, so dass die fragende Beteiligte aufgerufen ist, selbst zu beurteilen, ob sie die angekündigten Hilfsanträge stellen möchte, wozu im Zweifel aber wegen des noch offenen Ergebnisses der Verhandlung geraten werde. Keinesfalls darf die Frage unbeantwortet bleiben oder gar der Patentinhaberin mitgeteilt werden, dass die Vorlage von Hilfsanträgen "unnötig" sei. Dass eine solche Beantwortung der Frage wegen der - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs - notwendig werdenden anschließenden Erörterung auch der weiter gestellten Hilfsanträge in der Anhörung mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden ist, ist dabei unabwendbar.
4. Hat die Patentabteilung die Frage der Patentinhaberin nach der Stellung weiterer Hilfsanträge nicht entsprechend den vorstehenden Ausführungen beantwortet, ist in der Regel der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen. Gleichzeitig ist aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 10 2004 045 470.1-34
…
…
hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 3. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Univ. Höppler und die Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirt.-Phys. Maile, Schwarz und Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Schwengelbeck
beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2009 wird mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Durchführung des Einspruchsverfahrens und Entscheidung über den Einspruch der Einsprechenden gegen das Streitpatent an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Beschwerdeführerin wird angeordnet.
I.
Die Einsprechende hat gegen das Streitpatent mit der Bezeichnung
Vorrichtung zum Führen eines Leiterpfades für eine Schiebetür
dessen Erteilung am 15. März 2007 veröffentlicht worden ist, am 15. Juni 2007 nach §§ 59, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG wegen fehlender Patentfähigkeit Einspruch eingelegt, den sie im Einzelnen damit begründet hat, dass der Patentgegenstand gegenüber den Druckschriften
D 1: JP 2003-02580 A
D 2: WO 96/31710 A1 sowie der im Nachgang eingereichten DE 197 10 450 A1
D 3: DE 197 10 450 A 1
weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Patentinhaberin ist dem Einspruch schriftlich entgegengetreten und hat mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2007 (Bl. 17 VA) beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
Auf den jeweiligen Hilfsantrag beider Beteiligter betreffend der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat die Patentabteilung 1.34 am 18. Dezember 2008 eine Anhörung durchgeführt, in welcher ausweislich des Protokolls (Bl. 41 f. VA) der Vertreter der Einsprechenden den Widerruf des Patents beantragt und die Vertreter der Patentinhaberin ihren Antrag aus dem Schriftsatz vom 12. Oktober 2007 gestellt haben. Nach Beratung hat die Patentabteilung in der Anhörung das Patent widerrufen. Hierzu enthält das Protokoll folgende vorformulierte Ausführungen: "Nachdem auf die Möglichkeit einer Beschlussverkündung hingewiesen worden war und auf Befragen durch den Vorsitzenden keine weitere Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben wurden, verkündete der Vorsitzende nach Beratung folgenden Beschluss: …"
Der schriftlich begründete Beschluss vom 26. Februar 2009 ist den Verfahrensbevollmächtigten der Patentinhaberin am 24. März 2009 und den Verfahrensbevollmächtigten der Einsprechenden am 25. März 2009 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 7. April 2007 hat die Patentinhaberin beim Deutschen Patent- und Markenamt die Berichtigung des Protokolls dahingehend zu berichtigen, dass zum Einen der Satz:
"Das Protokoll wurde nicht verlesen und nicht von den Beteiligten genehmigt, sondern erst zusammen mit dem Beschluss zugestellt",
in das Protokoll aufgenommen und der o. g. Absatz vor der Beschlussformel wie folgt geändert wird:
"Nachdem die Anträge aus den Schriftsätzen verlesen wurden, wurde durch die Vertreter der Patentinhaberin erklärt, dass sie Hilfsanträge dabei haben und die Patentinhaberin sowohl zu redaktionellen als auch inhaltlichen Einschränkungen von Anspruch 1 bereit ist, falls die Patentabteilung dies für erforderlich hält. Diesbezüglich wurde ein Hinweis von der Patentabteilung erbeten, um möglichst nur sinnvolle Hilfsanträge zu stellen und in das Verfahren einzubringen.
Auf erneutes Nachfragen durch die Patentinhaberin hin, ob die Patentabteilung die Vorlage von Hilfsanträgen und/oder Änderungen der Ansprüche und/oder der Beschreibung für notwendig erachtet, erhielt die Patentinhaberin explizit den Hinweis, dass dies unnötig sei. Die Anhörung wurde daraufhin geschlossen und nach kurzer Beratung folgender Beschluss verkündet:"
Als Nachweis für die Richtigkeit wurde auf Telefonnotizen mit dem Vorsitzenden und dem als Berichterstatter tätigen Beisitzer der Patentabteilung verwiesen und des Weiteren die Einvernahme des Einsprechenden-Vertreters angeboten.
Gleichzeitig hat die Patentinhaberin auch die entsprechende Berichtigung und Ergänzung des Beschlusses vom 29. Februar 2009 beantragt.
Mit Bescheid vom 30. September 2009 hat die Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patent- und Markenamtes in derselben Besetzung, welche auch den angefochtenen Beschluss erlassen hatte, die Anträge auf Protokoll- und Tatbestandsberichtigung zurückgewiesen. Dies hat sie damit begründet, dass das Protokoll nicht unrichtig sei. Der Behauptung, den Vertretern der Patentinhaberin sei mitgeteilt worden, die Stellung von Hilfsanträgen sei unnötig, werde "entschieden entgegengetreten". Wörtlich heißt es hierzu:
"Die Patentabteilung hat zu keiner Zeit irgendwelche Aussagen gemacht, ob Hilfsanträge nötig wären oder nicht, sie hat auf Grund des für sie eindeutigen und ausführlich diskutierten Sachstandes allerdings weder positive noch negative Hinweise gegeben. Sie hat der Patentinhaberin dadurch aber weder in irgendeiner Weise verwehrt, ihre Argumente vorzubringen, noch geeignete Hilfsanträge zu stellen und somit auch kein rechtliches Gehör verletzt.
Nach der BGH-Entscheidung X ZB 29/07 gibt der Anspruch auf rechtliches Gehör den Parteien kein Recht darauf, vor der gerichtlichen Entscheidung zu erfahren, wie das Gericht den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt (voraussichtlich) würdigen wird. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher nicht schon dann verletzt, wenn das Patentgericht nicht darauf hinweist, welchen Offenbarungsgehalt es einer in der mündlichen Verhandlung erörterten Veröffentlichung entnimmt."
Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Patentinhaberin hat die Patentabteilung mit Bescheid vom 18. Januar 2010 als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss vom 29. Februar 2009 hat die Patentinhaberin des Weiteren mit am 23. April 2008 eingegangenem Schriftsatz vom 22. April 2008 fristgerecht Beschwerde eingelegt, die sie vorrangig mit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet, die sich ihrer Ansicht aus den von ihr auch im vorgenannten Verfahren zur Protokollberichtigung vorgebrachten Behauptungen, die sie im Einzelnen in ihrer Beschwerdebegründung wiederholt, ergebe. Aufgrund dessen sei auch die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. In der Sache selbst verteidigt sie ihr Patent in der erteilten Fassung sowie mit geänderten Patentansprüchen laut insgesamt fünf Hilfsanträgen, wozu sie im Einzelnen weiter ausführt, aus welchen Gründen das Patent danach aufrechtzuerhalten sei.
Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß,
das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise nach einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten fünf Hilfsanträgen aufrechtzuerhalten und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat hinsichtlich der Verfahrensrüge der Patentinhaberin lediglich allgemein auf BGH, Beschluss vom 15. April 2010, Az. Xa ZB 10/09 hingewiesen und im Übrigen zur Beschwerde keine Stellung genommen.
Mit Zwischenverfügung vom 17. Mai 2010 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass aufgrund des Vorbringens der Patentinhaberin zur Verletzung des rechtlichen Gehörs auch, soweit der Senat den Vortrag für zutreffend erachte, eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Patentamt in Betracht komme, und angefragt, ob in diesem Fall die von beiden Beteiligten jeweils gestellten weiteren Hilfsanträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen würden.
Hierauf haben die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 18. Juni 2010 und die Einsprechende mit Schriftsatz vom 28. Juni 2010 mitgeteilt, dass sie für den Fall der Zurückverweisung ihren Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung entsprechend zurückzunehmen. Die Einsprechende hat zudem ausdrücklich erklärt, dass sie mit der vom Senat vorgeschlagenen Verfahrensführung einverstanden sei.
II.
Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als auf die Verfahrensrüge der Patentinhaberin der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PatG zur erneuten Durchführung des Einspruchsverfahrens und Entscheidung über den Einspruch an das Deutsche Patent- und Marken-amt zurückzuverweisen ist. Gleichzeitig ist nach § 80 Abs. 3 PatG die Beschwerdegebühr an die Patentinhaberin aus Billigkeitsgründen wegen der verfahrensfehlerhaften Durchführung der Anhörung vor der Patentabteilung zurückzuzahlen. Eine solche Entscheidung kann dabei ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem beide Beteiligte für den Fall der Zurückverweisung ihre Hilfsanträge auf mündlicher Verhandlung zurückgenommen haben.
Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser grundrechtliche Anspruch gilt dabei auch für das patentamtliche Einspruchsverfahren; denn auch wenn es sich hierbei nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt, gehört der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht nur zu den unter Art. 20 Abs. 3 GG fallenden allgemeinen Rechtsstaatsgrundsätzen, die in allen Verwaltungsverfahren, zu denen auch das Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gehört, zu beachten sind (vgl. grundlegend BVerwGE 49, 348), sondern gilt für das Einspruchsverfahren auch aufgrund der analogen Anwendung des in § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG und § 48 Satz 2 PatG für das Erteilungsverfahren einfachgesetzlich vorgegebenen Grundsatzes, dass Entscheidungen des Patentamtes nur auf der Grundlage der rechtlichen Gesichtspunkte ergehen dürfen, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten zuvor äußern konnten (vgl. BPatGE 40, 40, 41).
Zum Grundsatz des rechtliches Gehörs gehört auch das sog. Verbot von Überraschungsentscheidungen, das verletzt ist, wenn das Gericht oder die Verwaltungsbehörde eine Entscheidung trifft, die von dem abweicht, was die Beteiligten bei vernünftiger Betrachtung des bisherigen Verfahrens erwarten dürfen (vgl. BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133,144 f.; 96, 189, 204; 108, 341 ff.). Zu den Verfahrensabläufen, die Grundlage dieser Erwartungshaltung der Beteiligten sein können, gehören insbesondere auch die ausdrücklich oder stillschweigend während der Anhörung erteilten Hinweise der Patentabteilung. Ein solcher Hinweis liegt dabei nicht nur dann vor, wenn auf die gezielt gestellte Frage eines Beteiligten eine Antwort gegeben wird, sondern auch dann, wenn diese Frage unbeantwortet bleibt. Kann ein Beteiligter einen solchen Hinweis nur dahin verstehen, dass sein Rechtsbegehren in dem aus dem Hinweis erkennbaren Umfang Erfolg haben wird, liegt eine verbotene Überraschungsentscheidung, die als Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs anzusehen ist, vor, wenn sie von dem, was der Beteiligte aufgrund des mitgeteilten Hinweises vernünftigerweise erwarten darf, abweicht (vgl. BVerfGE a. a. O.).
Vor diesem Hintergrund liegt hier auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin ein Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs vor, wenn es zutrifft, dass die Patentabteilung den Vertretern der Patentinhaberin auf deren Nachfrage, ob sie die von ihnen vorbereiteten Hilfsanträge stellen sollen, mitgeteilt hat, dass dies nicht nötig sei. Aber selbst wenn feststeht, dass die Vorlage vorbereiteter Hilfsanträge tatsächlich von den Vertretern der Patentinhaberin angeboten worden ist, ohne dass die Patentabteilung hierauf die Vertreter der Patentinhaberin ausdrücklich aufgefordert hätte, diese angebotenen Hilfsanträge tatsächlich zu stellen, läge ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs vor, weil die Patentabteilung durch ihr Schweigen für die Beteiligten unmissverständlich zu verstehen gegeben hätte, dass es solcher Hilfsanträge zur beschränkten Verteidigung des angegriffenen Patents nicht bedarf; denn das Schweigen der Patentabteilung konnten die Beteiligten nur so verstehen, dass bereits auf der Grundlage des bislang allein gestellten Hauptantrages eine Entscheidung ergehen kann, was logisch zwingend nur bedeuten kann, dass das Streitpatent entsprechend dem bereits gestellten Antrag aufrecht erhalten wird.
Dem stehen die Hinweise der Patentabteilung in ihrem Bescheid vom 30. September 2009, mit welchem sie den Protokoll- und Tatbestandsberichtungsantrag der Patentinhaberin zurückgewiesen hat, auf BGH X 29/07 (= GRUR 2009, 91 - Antennenhalter) sowie der Hinweis der Einsprechenden in ihrer Beschwerdeerwiderung auf BGH Xa ZB 10/09 (= GRUR 2010, 950 - Pflicht deutscher Gerichte zur Berücksichtigung europäischer Entscheidungen) nicht entgegen. Diese Entscheidungen betreffen nämlich jeweils andere Sachverhalte, die mit der hier zu beurteilenden Verfahrenslage nicht vergleichbar sind. Sie erörtern nämlich nur, ob und in welchem Umfang das Gericht - bzw., da der Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs auch für dieses gilt, das Patentamt - von sich aus, also ungefragt auf für die Entscheidung relevante Gesichtspunkte hinweisen und auf entsprechende sachdienliche Haupt- und Hilfsanträge hinwirken muss. Eine solche Sachlage war aber nach den Ausführungen der Patentinhaberin im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben, denn in diesem ging es nicht darum, ob die Patentabteilung von sich aus möglicherweise einen Hinweis auf die rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte, die für die von ihr zu fällende Entscheidung von Bedeutung sein werden, und ggfs. auf entsprechende sachdienliche Anträge hätte hinwirken sollen oder einen solchen Hinweis vor dem Hintergrund der Neutralitätspflicht, die eine Begünstigung eines Beteiligten gerade ausschließt, zutreffend unterlassen hat. Vielmehr ist vorliegend zu beurteilen, in welcher Weise die Patentabteilung auf die ausdrücklich gestellte Frage der Vertreter der Patentinhaberin, ob sie die von ihr mitgebrachten und zur Einreichung angebotenen Hilfsanträge vorlegen solle, hätte reagieren müssen. Eine von einem Beteiligten ausdrücklich gestellte Frage darf die Patentabteilung nicht unbeantwortet lassen, da es sich hierbei um die ausdrückliche Aufforderung eines Beteiligten zur Erteilung eines Hinweises dazu handelt, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte die Patentabteilung voraussichtlich für erforderlich erachtet. Zwar war die Patentabteilung, wie sie im vorliegenden Bescheid unter Bezugnahme auf die oben genannte Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, bei ihrer Beantwortung dieser gezielt gestellten Frage nicht gehalten, hierauf mitzuteilen, welche Erfolgsaussichten die bisherige Verteidigung des Streitpatents durch die Patentinhaberin haben wird, was schon deshalb kaum möglich war, weil die abschließende Beurteilung der Beratung der Patentabteilung unmittelbar vor der Verkündung ihrer Entscheidung vorbehalten ist; allerdings durfte die Patentabteilung auch nicht durch einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Hinweis zu verstehen geben, dass die Stellung der Hilfsanträge nach ihrer bisherigen Einschätzung nicht erforderlich sein wird. Soweit - was wegen der noch ausstehenden abschließenden Beratung in der Regel der Fall sein wird - eine Beurteilung dessen, ob eine hilfsweise Verteidigung des Streitpatents in Betracht kommen kann, nicht möglich ist, kann eine zutreffende Beantwortung der gezielt gestellten Frage, ob vorbereitete - bzw. die bei der vorhergehenden Erörterung der Sach- und Rechtslage ggfs. besprochene - Änderungen des Patentbegehrens in Form von Hilfsanträgen eingereicht werden sollen, nur in der Weise erfolgen, dass - ggfs. unter Hinweis darauf, dass eine abschließende Beurteilung der Frage, ob auf der Grundlage der bisher allein gestellten Anträge eine für den fragenden Beteiligten positive Entscheidung ergehen wird, nicht möglich ist - die Beteiligte ausdrücklich zur Stellung dieser Hilfsanträge aufgefordert wird, soweit sie selbst diese für erforderlich erachtet. Genauso wenig wie die ausdrückliche Mitteilung, dass es der Stellung der Hilfsanträge nicht bedarf, darf die gezielt gestellte Frage auch nicht unbeantwortet bleiben, weil ein solches Schweigen auf diese Frage von allen Beteiligten nur in der Weise verstanden werden kann, dass der fragende Beteiligte bereits auf der Grundlage seiner bislang gestellten Anträge Erfolg haben wird. Dass eine solche Beantwortung der Frage wegen der - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs - notwendig werdenden anschließenden Erörterung auch der weiter gestellten Hilfsanträge in der Anhörung mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden ist, ist dabei unabwendbar.
Auf der Grundlage des Akteninhalts, insbesondere aufgrund der Ausführungen der Beteiligten und der Patentabteilung in dem von der Patentinhaberin betriebenen Protokoll- und Tatbestandsberichtigungsverfahrens, ist der Senat, ohne dass es einer weiteren Beweiserhebung hierzu insbesondere durch zeugenschaftliche Vernehmung aller Anwesenden in der Erörterung vor der Patentabteilung bedarf, bereits davon überzeugt, dass die Vertreter der Patentabteilung, wie von ihnen vorgetragen, in der Anhörung gefragt haben, ob sie die von ihnen mitgebrachten Hilfsanträge stellen sollen. Dass eine solche Frage tatsächlich gestellt wurde, hat die Patentabteilung in ihren Bescheiden vom 30. September 2009 und 18. Januar 2010 nicht in Abrede gestellt. Vielmehr enthalten diese Bescheide nur allgemeine Ausführungen dazu, ob und ggfs. welche Hinweise sie theoretisch hätte erteilen dürfen und können. Den Bescheiden kann nämlich nichts dazu entnommen werden, ob und ggfs. was von den Beteiligten konkret gesagt wurde, insbesondere, ob und wie die Frage der Vertreter der Patentinhaberin (deren Stellung, wie gesagt, inzidenter bestätigt wird) von der Patentabteilung beantwortet wurde, sondern beschränkt sich auf die allgemeine Frage, inwieweit sie theoretisch zu Äußerungen über die Erfolgsaussichten der Anträge der Beteiligten aus rechtlicher Sicht grundsätzlich berechtigt gewesen wäre, ohne auf das tatsächliche Vorbringen der Patentinhaberin, demzufolge sie eine Frage gestellt hat, die ihr mit einem bestimmten Inhalt beantwortet wurde, mit irgendeinem Wort einzugehen. Da der Bescheid der Patentabteilung vom 30. September 2009 mit dem vorgenannten Inhalt damit allenfalls als eine Rechtfertigung des Verhaltens der Mitglieder der Patentabteilung in der Anhörung anzusehen ist, was nur verständlich ist, wenn davon ausgegangen wird, dass das Vorbringen der Patentinhaberin die tatsächlichen Geschehnisse in der Anhörung zutreffend wiedergibt, kann er nur als Bestätigung des Vorbringens der Patentinhaberin verstanden werden, dass deren Vertreter die von ihr behauptete Frage nach der Einreichung der mitgebrachten Hilfsanträge tatsächlich gestellt hatten.
Dass diese Frage in das von der Patentabteilung gefertigte Protokoll nicht Eingang gefunden hat, steht dem nicht entgegen, weil die Vorschriften der §§ 165, 314 ZPO über die Beweiskraft von Tatbestand und Sitzungsprotokoll für das Patentamt nicht gelten, nachdem § 46 Abs. 2 Satz 2 PatG allein die analoge Anwendung der §§ 160a, 162 und 163 ZPO vorsieht; zwar unterliegt das Protokoll der allgemeinen Beweiskraftregelung des § 418 Abs. 1 ZPO, der zufolge die von einer Behörde errichtete (sog. öffentliche) Urkunde vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründet, wozu vorliegend die Erklärungen während der Anhörung gehören. Deren Unrichtigkeit ist aber jederzeit widerlegbar (§ 418 Abs. 2 ZPO). Bei der Bewertung, ob und welche Erklärungen während der Anhörung abgegeben wurden, ist dabei auch zu beachten, dass das Protokoll lediglich den formularmäßigen Hinweis enthält, dass die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, nicht aber einen Hinweis darauf, ob und welche konkreten Erklärungen hierbei abgegeben wurden. Daher kann daraus, dass das Protokoll dazu, ob die Vertreter der Patentinhaberin die von ihnen in der Beschwerdebegründung behauptete Frage gestellt haben, keine Angaben enthält, schon nicht mit der sich aus § 418 Abs. 1 ZPO ergebenden Beweiskraft geschlossen werden, dass eine solche Erklärung nicht abgegeben wurde, so dass ihre Abgabe von der Patentinhaberin nach § 418 Abs. 2 ZPO zu beweisen wäre. Ungeachtet dessen ergibt sich daraus, dass die Patentabteilung in ihren vorgenannten Bescheiden die Stellung einer solchen Frage nicht in Abrede gestellt hat, aber auch, dass die Angaben des Protokolls, soweit man sein Schweigen über die Stellung einer solchen Frage nach § 418 Abs. 1 ZPO dahin auslegen sollte, dass zunächst für (widerlegbar) bewiesen anzusehen wäre, dass eine solche Frage nicht gestellt wurde, jedenfalls infolge der Ausführungen der Patentabteilung in ihren vorgenannten Bescheiden für widerlegt zu erachten wäre. Schließlich stehen der Annahme, dass eine solche Frage nach der Einreichung vorbereiteter Hilfsanträge tatsächlich gestellt wurde, auch nicht mögliche Ausführungen der Beschwerdegegnerin entgegen. Denn diese hat sich in ihrer Beschwerdeerwiderung hierzu nicht geäußert; eine - nach § 87 Abs. 1, § 88 Abs. 2 PatG zulässige - freibeweisliche telefonische Anfrage des Senats beim Vertreter der Beschwerdegegnerin hat ergeben, dass diese Zurückhaltung zum tatsächlichen Vorbringen der Patentinhaberin seitens der Beschwerdegegnerin darauf beruht, dass deren Vertreter sich nicht mehr an den konkreten Ablauf der Anhörung erinnern konnte, weshalb er weder bestätigen noch bestreiten könne, ob die Frage nach Vorlage von Hilfsanträge von den Vertretern der Patentinhaberin in der Anhörung tatsächlich gestellt wurde.
Ist demnach davon auszugehen, dass die Frage nach der Einreichung vorbereiteter Hilfsanträge tatsächlich gestellt wurde, kann es letztlich auf sich beruhen, ob die Patentabteilung, wie von der Patentinhaberin behauptet, positiv kundgetan hat, dass die Stellung der Hilfsanträge nicht nötig sei, oder ob sie die Frage - wovon nach den Ausführungen der Patentabteilung im Bescheid vom 30. September 2009, aus denen sich weder die bloße Tatsache (irgend-) einer Antwort noch ggfs. deren Inhalt ergibt, auszugehen ist - unbeantwortet gelassen hat. Denn wie bereits ausgeführt wurde, gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, dass die Patentabteilung diese Frage(n) auch ausdrücklich beantwortet, was, wie bereits ausgeführt wurde, selbstverständlich nicht bedeutet, dass damit Hinweise zur Erfolgsaussicht des bislang gestellten Antrages erteilt werden müssten, aber dazu zwingt, zumindest mitzuteilen, dass und aus welchen Gründen (insoweit hätte ein Hinweis auf die BGH-Entscheidungen genügt) zu den Erfolgsaussichten keine Hinweise erteilt werden können, sondern es der eigenen Beurteilung der Vertreter der Patentinhaberin obliegt, ob sie die mitgebrachten Hilfsanträge vorlegen wollen, wozu im Zweifel wegen der Offenheit des abschließenden Ergebnisses des Einspruchs allerdings geraten werde. Keinesfalls darf auf die Frage der Vertreter der Patentinhaberin nach der Einreichung von Hilfsanträgen aber - wie die Patentinhaberin es behauptet hat - mitgeteilt werden, dass deren Vorlage "unnötig" sei, weil dies nichts anders als die Erteilung des (positiven) Hinweises bedeutet, dass die Patentinhaberin auf der Grundlage ihrer bisherigen Anträge Erfolg haben wird, d. h. das Streitpatent im beantragten Umfang aufrecht erhalten werden wird; auch wenn ein solcher Hinweis im Verhältnis zur Einsprechenden unzulässig wäre, stellt sich der nachfolgende, das Patent widerrufende Beschluss als Überraschungsentscheidung und damit als Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Dasselbe gilt aber auch, wenn die Frage unbeantwortet blieb, ohne die Vertreter der Patentinhaberin ausdrücklich aufzufordern, die Notwendigkeit der Hilfsanträge selbst zu beurteilen und diese im Zweifelsfall vorzulegen. Da sich aber weder aus dem Protokoll noch aus den Ausführungen der Patentabteilung in ihren Bescheiden zu den Protokoll- und Tatbestandsberichtungsanträgen der Patentinhaberin ergibt, dass die letztgenannte Antwort tatsächlich gegeben wurde, kann der angefochtene Beschluss als Überraschungsentscheidung aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs keinen Bestand haben.
Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben. Da die Patentabteilung über die Hilfsanträge bislang weder verhandelt noch entschieden hat, hat der Senat von einer eigenen Entscheidung in der Sache selbst abgesehen; stattdessen ist das Verfahren an das Deutsche Patent- und Markenamt nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PatG zurückzuverweisen.
Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
Nach § 80 Abs. 3 PatG war aber die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, da die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör einen schweren Verfahrensfehler darstellt, dessen Verletzung stets die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gebietet (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 80 Rn. 112 und § 73 Rn. 132).