Entscheidungsdatum: 20.12.2016
I
Der Kläger ist Journalist. Er begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren - in erster Linie gestützt auf § 5 Abs. 8 i.V.m. Abs. 1 BArchG - Einsicht in Aktenbestände des Bundesnachrichtendienstes zu Adolf Eichmann. Das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache gab der Beklagten mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 auf, im einzelnen benannte Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen.
Daraufhin gab das beigeladene Bundeskanzleramt - zunächst unter dem 9. Juli 2015, und abschließend mit geringfügigen Änderungen unter dem 20. August 2015 - eine Sperrerklärung ab und legte die Akten dementsprechend mit teilweise umfangreichen Schwärzungen vor. Die von der Sperrerklärung erfassten Unterlagen stehen, wie darin ausgeführt, "im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem bzw. dessen Vorfeld, und zwar insbesondere aus Sicht der Verteidigung." Die Akten enthalten "primär BND-internen Schriftverkehr zwischen der Leitung des Dienstes und den mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem befassten operativen Bereichen und diverse Vortragsnotizen. Zudem finden sich interne Fernschreiben oder die Briefkorrespondenz der Verteidigung Eichmanns z.B. mit Rechtsanwälten, Privatpersonen oder Gerichten." Zur Begründung wurde ausgeführt: Die vollständige Vorlage würde zum einen dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO), soweit die Unterlagen Informationen ausländischer öffentlicher Stellen enthielten. Insoweit sei der Bundesnachrichtendienst zur Wahrung der zugesagten Geheimhaltung verpflichtet. Andere Teile der Archivunterlagen seien ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO). Dies gelte insbesondere wegen des Informantenschutzes, der auch unter Berücksichtigung des Alters der Archivbestände zu wahren sei. Des Weiteren seien nachrichtendienstliche Belange zu schützen, und dem Schutz personenbezogener Daten Dritter sei Rechnung zu tragen. Die dann gebotene Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen rechtfertige die Geheimhaltung der betreffenden Informationen.
Der Kläger hat daraufhin gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 VwGO beantragt, die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung festzustellen.
II
Der zulässige Antrag ist zum Teil begründet.
Die Weigerung, die streitigen Aktenbestandteile vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, ist rechtswidrig, soweit sie sich auf die im Entscheidungsausspruch aufgeführten Aktenbestandteile bezieht. Für diese Unterlagen kann der Fachsenat nicht feststellen, dass die insoweit geltend gemachten Weigerungsgründe ihre ungeschwärzte Vorlage ausschließen. Im Übrigen ist die Weigerung, die angeforderten Aktenbestandteile vorzulegen, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
1. Ein Nachteil für das Wohl des Bundes (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO) ist gegeben, wenn die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden, zumal mit Nachrichtendiensten anderer Staaten erschweren würde. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die vom ausländischen Nachrichtendienst übermittelten Informationen vom Bundesnachrichtendienst unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit gleichwohl an Dritte bekannt gegeben würden (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 14 ff. m.w.N).
Die Rücksichtnahme auf die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten erfordert darüber hinaus den gleichen Schutz für Informationen, die von diesen Diensten stammen, dem Bundesnachrichtendienst aber nicht zielgerichtet übermittelt worden sind, sondern von denen der Bundesnachrichtendienst in anderer Weise Kenntnis erlangt hat. Auch insoweit wird der ausländische Nachrichtendienst auf einen vertraulichen Umgang mit den auf anderen Wegen erlangten Informationen bauen.
Hiernach hat das Bundeskanzleramt sich für die in der Sperrerklärung bezeichneten Seiten 1909, 1910, 1911, 1912, 1914, 1915, 2120, 2121 und 2129 der Signatur 121099, Seite 1 (1. Schwärzung) und 298 der Signatur 100470 sowie Seite 446 der Signatur 100471 zu Recht auf diesen Weigerungsgrund berufen. Ein fortdauerndes Geheimhaltungsinteresse des ausländischen Nachrichtendienstes, das als solches nicht näher zu würdigen ist, liegt insoweit nahe.
Das allerdings auch für diesen Weigerungsgrund gebotene Mindestmaß an Plausibilität für dessen Vorliegen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 14 und vom 10. Januar 2012 - 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 16) fehlt indessen hinsichtlich der Schwärzung der Namen von Journalisten auf Seite 257, 283, 284, 285, 286, 364, 365, 373, 420 und 421 der Signatur 100470. Die Tatsache eines Informationsaustausches zwischen den Nachrichtendiensten über die Personen, die bei den zuständigen israelischen Stellen die Akkreditierung als Berichterstatter über den Eichmann-Prozess beantragt haben und diejenigen, die sodann nach Israel gereist sind, ist offengelegt und unterliegt demnach nach Einschätzung des Bundeskanzleramts als solche nicht einer weiterhin vorauszusetzenden Vertraulichkeit. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, dass es der israelischen Seite ein Anliegen sein könnte, gerade die Namen der Journalisten weiterhin geheim zu halten. Dies gilt umso mehr, als die Kenntnis der Namen - soweit ersichtlich - nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln beschafft worden ist und die Namen der über den Prozess berichtenden Korrespondenten ohne Weiteres aus den damaligen Zeitungsartikeln und anderen Veröffentlichungen entnommen werden kann.
2. Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Akten dann verweigern, wenn die Vorgänge ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht.
Das gilt grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 9 f.). Neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, tritt im Falle des Informantenschutzes das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben sicherzustellen. Sind Behörden - wie dies namentlich auf den Bundesnachrichtendienst zutrifft - bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14>). Behörden werden die Informationen, die für eine effektive Erfüllung ihrer Aufgaben unentbehrlich sind, von Dritten in der Regel nur erhalten, wenn sie dem Informanten Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten zusichern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 11). Der Bruch einer zugesagten lebenslangen Vertraulichkeit gegenüber dem Informanten wäre generell geeignet, die Aufgabenwahrnehmung des Bundesnachrichtendienstes zu beeinträchtigen, indem die künftige Anwerbung von Informanten erschwert würde. Die Vertraulichkeit und der Schutz der Informanten der Sicherheitsbehörden stellen deshalb einen berechtigten Geheimhaltungsgrund dar (BVerwG, Beschlüsse vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 17 und vom 10. Januar 2012 - 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 26).
Insbesondere bei Unterlagen, die sich auf weit zurückliegende Vorgänge beziehen, muss sich die Behörde demnach vergewissern, dass - als tatbestandliche Voraussetzung des insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgrundes - der geschützte Informant noch am Leben ist. Dieser Nachweis und die vorgängigen erforderlichen Ermittlungen können sich insbesondere dann als schwierig erweisen, wenn die Behörde die Zusammenarbeit mit dem Informanten schon lange beendet und jeglichen Kontakt verloren hat. Ist auch unter Nutzung von allgemein zugänglichen Datenbanken und Suchmaschinen und ggfs. der durch die Amtshilfe seitens anderer Behörden eröffneten Erkenntnisse der Tod des Informanten nicht verlässlich zu belegen, muss diese Unsicherheit durch eine praktikable generalisierende Vermutungsregel bewältigt werden. Eine Orientierung an der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 BArchG, wonach die allgemeine archivrechtliche Schutzfrist bei personenbezogenen Akten 110 Jahre nach der Geburt der betroffenen Person endet, falls deren Todesjahr nicht nachweisbar ist, kommt allerdings entgegen der Auffassung des Bundeskanzleramts nicht in Betracht. Denn diese Frist soll, wie der Vergleich mit der Grundregel in § 5 Abs. 2 Satz 1 BArchG belegt, den Zugang zum entsprechenden Archivgut gerade auch während eines gewissen Zeitraums über den Tod des Betroffenen hinaus sperren. Die in § 5 Abs. 2 Satz 2 BArchG geregelte Frist soll folglich, wie auch die im Gesetzentwurf ursprünglich vorgesehene Sperrfrist von 120 Jahren zeigt (BT-Drs. 11/498 S. 5, BT-Drs. 11/1215 S. 14), nicht eine vermutete (Höchst-)Lebensdauer widerspiegeln. Die neuere Rechtsentwicklung in den Archivgesetzen der Länder, an die auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. September 2016 zur Neuregelung des Bundesarchivrechts anknüpft, hat bei Normierung einer Schutzfrist von zehn Jahren nach dem Tod die Schutzfrist bei fehlender Kenntnis vom Todesjahr auf 100 Jahre reduziert (§ 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 BArchG-E, siehe BT-Drs. 18/9633 S. 18, 67 ff.). Danach ist es angemessen, im hier gegebenen Zusammenhang von der Vermutung auszugehen, dass der betroffene Informant nicht mehr schutzwürdig ist, wenn seit seiner Geburt mehr als 90 Jahre vergangen sind.
Im Hinblick auf eine spätere gerichtliche Kontrolle erscheint es angezeigt, dass die Behörde ihre hiernach gebotenen Nachforschungen in ihren Verwaltungsakten zur Bearbeitung des Einsichtsbegehrens dokumentiert. Soweit als deren Ergebnis vom Nachweis der Voraussetzungen des Weigerungsgrunds auszugehen ist, sind diese Unterlagen ihrerseits geheimhaltungsbedürftig.
Diesen Anforderungen wird die Sperrerklärung nur teilweise gerecht. Dem Fachsenat erschließt sich derzeit nicht, dass sie der zeitlichen Begrenzung des Informantenschutzes in jeglicher Hinsicht Rechnung trägt und dessen - gegebenenfalls vermutete - Fortdauer jeweils aufgrund angemessener Ermittlungen bejaht.
Das Bundeskanzleramt beschränkt sich zur Darlegung der Reichweite des Informantenschutzes auf die verallgemeinernden Ausführungen in der Sperrerklärung; Verwaltungsakten mit insoweit aussagekräftigen Hinweisen sind dem Fachsenat nicht vorgelegt worden.
Dessen ungeachtet kann der Fachsenat sich aufgrund eigener Erkenntnisse auf der Grundlage von Recherchen im Internet zwar davon überzeugen, dass - wie in der Sperrerklärung ausgeführt - jedenfalls einer der durch die Schwärzungen geschützten Informanten noch lebt und insoweit ein Weigerungsgrund gegeben ist (Signatur 121099: Seite 1756, 1757, 1760, 1761, 1766, 1804, 1805, 1806, 1807, 1808, 1809, 1810, 1811, 1851, 1852, 1862, 1877, 1878, 1879, 1882, 1889, 1890, 1891, 1893, 1900, 1901, 1902, 1905, 1906, 1907, 1908, 1909, 1910, 1911, 1912, 1914, 1915, 1916, 2007, 2013, 2017, 2069, 2075, 2076, 2113, 2118, 2119, 2120, 2129, 2139, 2140, 2141, 2142, 2143, 2165, 2166, 2174, 2175, 2176, 2180, 2181, 2182, 2199
Bei verschiedenen anderen in den ungeschwärzten Unterlagen namentlich erwähnten Personen ist indessen nach dem Kenntnisstand des Fachsenats - vorbehaltlich einer wenig wahrscheinlichen Namensgleichheit - davon auszugehen, dass sie nicht mehr am Leben sind. So finden sich im Internet teilweise Belege, die ausdrücklich ein Todesjahr erwähnen (so etwa zu Personen auf Seite 180 und 215 der Signatur 121082). Bei anderen Personen liegt aufgrund von Hinweisen auf kalendarisch einzuordnende Ereignisse im Lebenslauf der Betroffenen die Annahme nahe, dass sie wegen ihres daraus zu schließenden Alters mittlerweile verstorben sind (so etwa bei Personen auf Seite 180 und 215 der Signatur 121082, Seite 1690, 2148 und 2149 der Signatur 121099, Seite 1 <2. Schwärzung> und 9 sowie 10, Seite 1 <3. Schwärzung> und 8 der Signatur 100470); soweit es sich dabei um Personen handelt, die in verschiedener Weise öffentlichkeitswirksam tätig waren, liegt es nicht fern, dass das Bundeskanzleramt dies bei Entfaltung der gebotenen Bemühungen aufklären kann. Auch soweit anhand der aus den Originalakten ersichtlichen Angaben eigene Recherchen nichts Verwertbares ergeben haben, kann der Fachsenat sich ohne weitergehende Darlegungen seitens des Bundeskanzleramts vom Vorliegen des Weigerungsgrundes nicht überzeugen (so etwa Seite 1658, 1737, 1833, 1835, 1839, 1844, 1898, 2187 der Signatur 121099, Seite 2, 111 und 440 der Signatur 100470; Seite 582 der Signatur 100471).
Soweit auf Seite 2199 (Schwärzung im 1. Absatz) und 2218 der Signatur 121099 ein lediglich mit einer Ziffernkombination als "V-Mann" gekennzeichneter Informant geschützt werden soll, ist ein Weigerungsgrund ebenso wenig dargetan. Dieses Kürzel wird zwar in verschiedenen zeitgeschichtlichen und journalistischen Veröffentlichungen mit einer namentlich benannten Person in Verbindung gebracht; die Frage der Identität des V-Mannes wird auch in einem allgemein zugänglichen amtlichen Dokument aufgeworfen. Hieran anknüpfende Erwägungen können eine Vorlageverweigerung wegen des Informantenschutzes aber schon deswegen nicht mehr rechtfertigen, weil die genannte Person, wie einem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen ist, bereits vor geraumer Zeit verstorben ist.
Schließlich ist die Schwärzung des Namens auf Seite 2211, 1. Zeile des 3. Absatzes, der Signatur 121099 sinnlos, da er sich ohne Weiteres aus dem Zusammenhang erschließt.
3. Neben dem Informantenschutz beruft sich die Sperrerklärung jeweils zugleich auf den Schutz nachrichtendienstlicher Belange, die ebenfalls als Schutzgut im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO anerkannt sind.
Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl des Bundes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 19). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 9). Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt, vorzulegen.
Dieser Schutz nachrichtendienstlicher Belange besteht aber nicht um ihrer selbst willen, sondern wird nur im Hinblick auf die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden gewährt. Bei seit langem abgeschlossenen Vorgängen muss daher erkennbar sein, dass ihre vollständige Offenlegung auch heute noch Rückschlüsse auf die gegenwärtige Arbeitsweise oder die gegenwärtige Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes zulässt (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 29).
Hiernach haben nachrichtendienstliche Belange neben dem Informantenschutz keine eigenständige Bedeutung. Sie führen nicht zu einer Schutzverstärkung in dem Sinne, dass etwa die verfassungsrechtlichen Grenzen des Persönlichkeitsschutzes, der postmortal allein auf die Achtung der Menschenwürde zurückzuführen ist (BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 - 1 BvR 435/68 - BVerfGE 30, 173 <194>), die Reichweite des Informantenschutzes nicht mehr beschränken.
Soweit sich die Sperrerklärung demgegenüber auf den Schutz nachrichtendienstlicher Belange als einen eigenständigen Weigerungsgrund beruft, hat dies hinsichtlich der Schwärzung auf Seite 1801 der Signatur 121099 sowie der Schwärzung auf Seite 80 (unter Ziffer 2) der Signatur 100470 Bestand. Demgegenüber ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass angesichts der verflossenen Zeit die Offenlegung geschwärzter Angaben auf Seite 148 und 151 der Signatur 100470 sowie des geschwärzten Namens auf Seite 2420 der Signatur 121099 noch Auswirkungen auf die gegenwärtige Arbeit des Bundesnachrichtendienstes haben könnte. Das Gleiche gilt in Bezug auf die geschwärzten Angaben auf Seite 283, 284, 285, 286, 364, 365, 373, 420 und 421 der Signatur 100470. Ebenso wenig erschließt sich, inwieweit die Schwärzungen auf Seite 259 der Signatur 100470 trotz der Offenlegung des vom Bundesnachrichtendienst beabsichtigten Vorgehens dem Schutz nachrichtendienstlicher Belange zu dienen geeignet wären.
4. Schließlich sind - wie schon erwähnt - ihrem Wesen nach geheim zu halten im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO die persönlichen Daten dritter Personen. Ein grundrechtlich abgesichertes Interesse betroffener Dritter an einer Geheimhaltung bestimmter persönlicher Daten ist ein tragfähiger Grund, um die Vorlage von Akten in einem gerichtlichen Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verweigern (BVerwG, Beschlüsse vom 1. August 2007 - 20 F 10.06 - juris Rn. 9, vom 23. März 2009 - 20 F 11.08 - juris Rn. 8, 11 und vom 9. März 2010 - 20 F 16.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 57 Rn. 7).
Allerdings erfasst dieser Schutzzweck grundsätzlich nur die Daten als solche und nicht die gesamten Vorgänge, in denen sie erwähnt werden. Zum anderen greift der Schutz persönlicher Daten nicht unterschiedslos, sondern nur soweit, als diese Daten tatsächlich (noch) schutzwürdig sind. Daran fehlt es namentlich dann, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt, die in den Unterlagen nur in ohnehin bereits bekannten Zusammenhängen angeführt werden, oder wenn es sich um persönliche Daten handelt, die in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden sind, und diese Quellen, etwa Zeitungsberichte oder sonstige Publikationen, in den Unterlagen lediglich wiedergegeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden. Ansonsten ist dem Schutz dieser Daten durch ihre Schwärzung hinreichend Rechnung getragen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 22 und vom 10. Januar 2012 - 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 34).
Voraussetzung ist jedoch grundsätzlich - wie bereits beim Informantenschutz ausgeführt -, dass der Betroffene als Grundrechtsträger noch lebt. Ob es Fallgestaltungen geben kann, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht über den Tod hinaus "reflexhaft" Wirkungen entfaltet (siehe etwa Spilker, DÖV 2015, 54 <55 ff.>), bedarf hier keiner Vertiefung; denn hierfür ist im vorliegenden Zusammenhang nichts ersichtlich. Auch der postmortale Persönlichkeitsschutz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2016 - 6 A 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2016:210916B6A10.14.0] - juris Rn. 18 m.w.N.), etwa zur fortdauernden Gewährleistung eines absolut geschützten Kernbereichs der Privatsphäre (siehe hierzu BVerwG, Beschluss vom 7. August 2013 - 20 F 9.12 - juris Rn. 17), ist hier nicht betroffen.
Nach diesen rechtlichen Maßstäben kann der Fachsenat nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Sperrerklärung sich zu Recht auf den Schutz personenbezogener Daten beruft.
Es erschließt sich nicht, aus welchem Grund die auf Seite 215 der Signatur 121082 einer dort namentlich genannten Person zuzuordnenden und geschwärzten Angaben noch geheimhaltungsbedürftig sein könnten.
Eine Rechtfertigung der Schwärzung des Namens eines BND-Mitarbeiters auf Seite 1672 der Signatur 121099 wird allein mit dem Hinweis, dass insoweit ein Sterbedatum nicht bekannt sei, nicht dargetan. Es fehlt jedenfalls die Angabe des - ggfs. aus den noch vorliegenden Personalakten ersichtlichen - Geburtsjahres, aus dem sich dann nach den oben dargelegten Maßstäben eine "Sperrfrist" ergeben kann.
Die Schwärzung auf Seite 2212 der Signatur 121099 erweist sich als rechtswidrig. Die dort erwähnte und nach den Umständen eindeutig zu identifizierende Person ist längst verstorben, so dass auch kein Anlass besteht, den vollständigen Namen und die dort angegebene Adresse weiterhin geheim zu halten.
Die erste Schwärzung auf Seite 80 der Signatur 100470 betrifft ebenfalls eine bereits verstorbene Person. Die dort mitgeteilten Angaben rechtfertigen ebenso wenig wie solche zu einer Informantentätigkeit einen postmortalen Schutz.
Was die in einer Reihe von Unterlagen (Seite 259, 283, 284, 285, 286, 364, 365, 373, 420 und 421 der Signatur 100470) aufgeführten Namen der Journalisten angeht - bezüglich der Liste auf Seite 257 der Signatur 100470 nimmt die Sperrerklärung den Weigerungsgrund nicht in Anspruch -, fehlt es bereits an der Darlegung, dass die Betroffenen noch leben. Bei einer Vielzahl der genannten Personen ist es vielmehr ein Leichtes, Meldungen über ihren Tod in Erfahrung zu bringen, so dass schon deswegen dieser Schutzgrund entfällt. Für einen wie auch immer begründeten postmortalen Schutz gibt es dann weder allein wegen des mit der Namensnennung verbundenen Kontextes noch wegen der bei manchen Namen angeführten Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes eine tragfähige Rechtfertigung. Sofern dort genannte Journalisten noch am Leben sein sollten mit der Folge, dass dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung vorliegen, sind jedenfalls die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gebotenen Ermessenserwägungen von Rechts wegen zu beanstanden. Denn ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung einer öffentlich ausgeübten Tätigkeit ist nicht anzuerkennen.
5. Soweit nach den vorstehenden Ausführungen Gründe im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einer vollständigen (ungeschwärzten) Vorlage der Unterlagen entgegenstehen, hat das beigeladene Bundeskanzleramt sein deshalb eröffnetes Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt. Es hat geprüft, ob überwiegende Interessen an der unbeschränkten Offenlegung der Archivunterlagen trotz ihres geheimen Inhalts gegeben sind. Es hat sich nicht darauf beschränkt, die Gründe für die Verweigerung aufzuzeigen, sondern hat das festgestellte Geheimhaltungsinteresse sowohl gegen das öffentliche Interesse an der von Amts wegen gebotenen Sachverhaltsaufklärung durch das Hauptsachegericht als auch gegen das private Interesse des Klägers an der Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Themen abgewogen. Es hat dabei nicht verkannt, dass mit der inzwischen verstrichenen Zeit und dem Alter der Archivunterlagen das Interesse an ihrer Geheimhaltung schwinden kann, durfte sich mit Blick auf das Gewicht der Geheimhaltungsgründe einerseits und die geringe Relevanz der jetzt noch auch nach Auffassung des Fachsenats zu Recht zurückgehaltenen Unterlagen für eine Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Themen andererseits ermessensfehlerfrei für deren Geheimhaltung entscheiden.