Entscheidungsdatum: 28.07.2017
1. Bei der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd ist seit dem 5. Juli 2016 gegen den Soldaten ein disziplinargerichtliches Verfahren anhängig, in dem ihm vorgeworfen wird, zusammen mit dem Oberfeldwebel ... in der Nacht vom 24. auf den 25. Januar 2013 zwei Kameraden misshandelt und schikaniert zu haben. Der Soldat war zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt beim ... in B. eingesetzt. Zum 1. Oktober 2014 wurde er auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim ... in K. versetzt.
2. Gegen den Soldaten ist mit Verfügung des Kommandeurs ... vom 18. November 2015 das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet worden, nachdem der Generalinspekteur der Bundeswehr für die gegen den Soldaten und gegen Oberfeldwebel ... gerichteten Disziplinarverfahren diesen am 16. Februar 2015 zur gemeinsamen höheren Einleitungsbehörde bestimmt hatte.
3. Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen Oberfeldwebel ... wegen desselben Vorfalls ist seit dem 17. Februar 2016 beim Truppendienstgericht Nord anhängig. Bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehörte er dem ... in B. an.
4. Unter dem 24. Mai 2017 hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Nord im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht für das Verfahren des Soldaten zu bestimmen. Der Soldat und Oberfeldwebel ..., für die entsprechend ihrer jeweiligen Dienststellen zum Zeitpunkt der Einleitung unterschiedliche Truppendienstgerichte zuständig seien, hätten ein zusammenhängendes Dienstvergehen begangen, weil ihnen jeweils aufeinander bezogene Einwirkungen auf zwei Kameraden zur selben Zeit am selben Ort vorgeworfen würden. Eine Verbindung beider Verfahren ermögliche eine widerspruchsfreie Beweiswürdigung und Entscheidung. Vergleichbare Überlegungen hätten bereits den Generalinspekteur der Bundeswehr zur Bestimmung einer gemeinsamen Einleitungsbehörde veranlasst. Der Tatort liege in beiden Verfahren im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Nord. Die erste Anschuldigungsschrift wegen des Vorfalls sei gegen Oberfeldwebel ... beim Truppendienstgericht Nord eingegangen, während die Anschuldigungsschrift gegen den Soldaten erst später beim Truppendienstgericht Süd eingegangen sei. Zwar seien die Vorwürfe gegen den Soldaten gewichtiger; zu berücksichtigen sei jedoch, dass das Truppendienstgericht Süd nur deswegen zuständig geworden sei, weil der Soldat nach Aufnahme der Vorermittlungen an das ... in K. versetzt worden sei.
5. Der Soldat und der Bundeswehrdisziplinaranwalt haben ihr Einverständnis mit der Bestimmung des Truppendienstgerichts Nord erklärt.
Auf den zulässigen Antrag des Truppendienstgerichts Nord wird dieses als zuständiges Gericht bestimmt.
Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag das zuständige Truppendienstgericht, wenn bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Für den Soldaten und Oberfeldwebel ... sind unterschiedliche Truppendienstgerichte zuständig.
Bei beiden Soldaten richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach § 70 Abs. 1 WDO. Danach ist das Truppendienstgericht zuständig, das für den Befehlsbereich errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört.
a) Der Soldat gehörte zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens am 18. November 2015 dem ... in K. an, sodass für ihn nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung zur Regelung der Dienstbereiche der Truppendienstgerichte und zur Bildung von Truppendienstkammern - Truppendienstgerichte-Verordnung - vom 15. August 2012 (BGBl I 2012 S. 1714) das Truppendienstgericht Süd zuständig ist.
b) Dagegen gehörte zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Oberfeldwebel ... dieser dem ... in B. an, sodass für ihn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Truppendienstgerichte-Verordnung das Truppendienstgericht Nord zuständig ist.
2. Es liegen auch zusammenhängende Dienstvergehen mehrerer Soldaten im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO vor.
Die Wehrdisziplinarordnung enthält zwar keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut besagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen den Dienstpflichtverletzungen bilden müssen. Dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Gegenstand der jeweiligen Disziplinarverfahren eine einheitliche Tat ist, bei der die betroffenen Soldaten als Mittäter oder Teilnehmer beteiligt waren und mehrere Verfahren bei dem für zuständig erklärten Gericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden sollen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2017 - 2 WDB 1.17 - juris Rn. 16 m.w.N.). Unabhängig davon, ob hier bereits eine (psychische) Beihilfe der betroffenen Soldaten zu den Pflichtverletzungen des jeweils anderen in Rede steht, steht dieser Beteiligungsform jedenfalls gleich, wenn mehreren Soldaten vorgeworfen wird, Pflichtverletzungen am selben Ort und zur selben Zeit begangen zu haben und gegen die Pflichtverletzungen der anderen Anwesenden nicht eingeschritten zu sein. Dies ist vorliegend bei dem vor dem Truppendienstgericht Süd anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahren des Soldaten und bei dem vor dem Truppendienstgericht Nord anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahren des Oberfeldwebel ... ausweislich der jeweiligen Anschuldigungsschriften vom 7. Juni 2016 (Verfahren gegen den Soldaten) und vom 10. Februar 2016 (Verfahren gegen Oberfeldwebel ...) der Fall.
3. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das Truppendienstgericht Nord.
Da keine Rechtsgründe ersichtlich sind, die einer Verfahrensverbindung entgegenstehen, ist sowohl aus Gründen der Prozessökonomie als auch der Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 WDO) das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht zu bestimmen.
a) Der Tatort der nach der Anschuldigung gemeinsam mit dem Oberfeldwebel ... begangenen Pflichtverletzung des Soldaten liegt im Zuständigkeitsbereich des Truppendienstgerichts Nord. Diesem sachlichen wie räumlichen Kontext ist bereits durch die Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Rechnung getragen worden, den Kommandeur ... auch für den Soldaten als zuständige Einleitungsbehörde zu bestimmen, um eine disziplinarrechtlich einheitliche Würdigung und eine abgestimmte Verfahrensführung beider Sachen zu befördern. Diese Verfahrens-Konzentration im gerichtlichen Verfahren konsequent fortzuführen entspricht der Prozessökonomie, zumal die Anschuldigungsschrift gegen Oberfeldwebel ... bereits im Februar 2016 beim Truppendienstgericht Nord eingegangen ist, wodurch es mit dem Sachverhalt bereits länger vertraut ist als das Truppendienstgericht Süd und eine zeitnähere Erledigung des Verfahrens auch des Soldaten zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 2 WDB 2.14 - Buchholz 450.2 § 70 WDO 2002 Nr. 5 Rn. 15). Dem entspricht, dass der Antrag des Truppendienstgerichts Nord auf Veranlassung des Truppendienstgerichts Süd gestellt wurde.
b) Das Truppendienstgericht Nord als zuständiges Gericht zu bestimmen, verbietet sich auch nicht deshalb, weil die angeschuldigten Vorwürfe gegen den Soldaten schwerer wiegen sollen als die Vorwürfe gegen Oberfeldwebel .... Dass der Schwere des jeweils angeschuldigten Dienstvergehens für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ausschlaggebende Bedeutung beizumessen wäre, lässt sich dem Gesetzeswortlaut des von prozessökonomischen Erwägungen getragenen § 70 Abs. 3 WDO nicht entnehmen.