Entscheidungsdatum: 13.01.2011
Der jetzt .. Jahre alte Soldat mit Hauptschulabschluss trat nach erfolgreicher Ausbildung zum "Kaufmann im Einzelhandel" als Eignungsübender mit dem vorläufigen Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers am 2. Januar 20.. in den Dienst der Bundeswehr. Mit Wirkung vom 2. Mai 20.. wechselte er unter gleichzeitiger Verleihung des endgültigen Dienstgrades eines Stabsunteroffiziers in das vierjährige Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf 12 Jahre verlängert und endet planmäßig mit Ablauf des 1. Januar 20... Die Anträge des Soldaten vom 30. August 20.. und 26. Juli 20.. auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten wurden abgelehnt, letztlich unter Hinweis auf das laufende gerichtliche Disziplinarverfahren. Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Wirkung vom 18. August 20.. zum Oberfeldwebel.
Nach mehreren Vorverwendungen wurde der Soldat zum 1. Februar 20.. zur 1./... in H. versetzt, wo er auf dem Dienstposten eines Materialnachweisfeldwebels eingesetzt wurde; zugleich wurde er als Anwärter für die Laufbahngruppe der Fachunteroffiziere zugelassen. Vom 24. Mai bis 16. Juli 20.. absolvierte er erfolgreich den Fachlehrgang "Materialnachweisunteroffizier/S 4 Unteroffizier FD und Materialbuchhalter C" an der Nachschubschule des Heeres. Den Lehrgang "Materialnachweisfeldwebel Zentrale Truppenbestandsübersicht - abgesetzter Rechner" an der Technischen Schule der Luftwaffe III absolvierte er vom 24. August bis 14. Dezember 20.. mit der Abschlussnote "befriedigend bestanden".
Versetzungsgesuche des Soldaten vom 5. Juli 20.. und vom 22. November 20.. zur Nachschub- und Transportstaffel des Luftwaffenaufklärungsgeschwaders .. in J. wurden abgelehnt, weil der vom Disziplinarvorgesetzten geforderte Ersatz nicht gestellt werden konnte. Dem zweiten Gesuch wegen "unüberwindlicher persönlicher Diskrepanzen mit meinem fachlichen Vorgesetzten" waren befürwortende Stellungnahmen des Militärpfarrers, des Sozialdienstes der Bundeswehr sowie des Truppenarztes beigefügt.
Seit Februar 20.. - kurz zuvor war der Soldat in den Verdacht geraten, dienstliches Material gestohlen zu haben - wurde er zunächst in seiner Kompanie, der 1./..., in der Großgerätegruppe und dann zur Unterstützung in der Einsatzzelle eingesetzt, wo die Personalgestellung des Bataillons für Auslandseinsätze koordiniert wird. Seit dem 1. Oktober 20.. bis zur ersten disziplinargerichtlichen Berufungshauptverhandlung am 30. Juni 20.. war der Soldat mit der verantwortlichen Führung der Einsatzzelle beauftragt; seitdem hat der Soldat krankheitsbedingt keinen Dienst mehr geleistet.
Nachdem die erste Berufungshauptverhandlung wegen vermuteter Verhandlungsunfähigkeit des Soldaten abgebrochen und die Sache vertagt worden war, hielt sich der Soldat vom 5. Juli bis 4. August 20.. zur stationären Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus H. auf (Diagnosen nach ICD-10: depressive Episode, mittelgradig abklingend - F 32.1 -, unreife Persönlichkeit - F 60.8 -). Anschließend wurde und wird er wechselnd ambulant und stationär psychotherapeutisch weiter behandelt. Inzwischen hat sein Disziplinarvorgesetzter bei der Stammdienststelle der Bundeswehr einen Antrag auf Einleitung eines Dienstunfähigkeitsverfahrens gestellt.
Der Soldat wurde planmäßig zuletzt am 13. August 20.. von seinem damaligen Disziplinarvorgesetzten, Major F., beurteilt, und zwar mit einer Durchschnittsbewertung von "6,88" ("die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen"). In der Beurteilung vom 4. Juni 20.., die gemäß ZDv 20/6 Nr. 407 b angefordert worden war, erhielt der Soldat von seinem neuen Disziplinarvorgesetzten, Major S., im Bereich "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" die Durchschnittsnote "6,12".
Major F., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten zur Tatzeit, hat als Leumundszeuge vor dem Truppendienstgericht unter anderem ausgesagt, an der dienstlichen Tätigkeit des Soldaten sei nie etwas zu beanstanden gewesen. Nach Aussage des ebenfalls als Leumundszeuge vernommenen späteren Disziplinarvorgesetzten, Major S., erledige der Soldat seine Dienstgeschäfte äußerst zuverlässig und bekomme dafür höchstes Lob; er genieße sein volles Vertrauen. Es würde ihm, dem Zeugen, schwer fallen, den Soldaten wieder abzugeben. Unter den ihm unterstellten neun Unteroffizieren würde er ihn bei einem Leistungsvergleich im oberen Drittel einreihen.
Dem weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelasteten Soldaten war im September 20.. in Anerkennung herausragender besonderer Leistungen eine Leistungsprämie in Höhe von 1 000 € als Einmalzahlung gewährt worden. Seit Februar 20.. ist er berechtigt, das Abzeichen für "Leistungen im Truppendienst, Stufe Gold" zu tragen.
Die monatlichen Brutto-Einkünfte (Besoldungsgruppe A 7 BBesG mit Amtszulage) des ledigen Soldaten belaufen sich auf etwa 2 145 €, netto ca. 1 810 €. Nach eigener Aussage sind seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet. Seine Fixkosten betrügen monatlich ca. 900 bis 1 000 €. Er bewohne ein Eigenheim, für das er im Erbkauf monatlich 560 € an seinen Vater zahle.
II
1. In dem durch Verfügung vom 14. April 20.., dem Soldaten ausgehändigt am 22. April 20.., ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Wehrbereichskommandos I dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 23. Januar 20.. folgende Sachverhalte als schuldhafte Verletzungen seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:
"1. Der Soldat hat in Husum als Mat-Nachweis-Fw im S4-Bereich am 03.09.20.. über das DVU-VTT-System ein Kettensägenantriebsaggregat angefordert, nach Auslieferung aus einem Depot am 11.09.20.. in der Folgezeit aus der MatGrp an sich genommen und nach Hause verbracht.
2. Am 20.11.20.. forderte er über das DVU-VTT-System trotz fehlender Anforderungsgrundlage drei Schraubendreher, einen Maulschlüssel, eine Zündkerze, zwei Sägeketten, ein Kettenrad und einen Spaltkeil sowie einen Aufbewahrungskasten an. Nach Auslieferung der Teile aus den Depots am 20.11. bzw. 06.12.20.. (Aufbewahrungskasten) nahm er diese Teile in der Folgezeit aus der MatGrp an sich und verbrachte sie nach Hause.
3. Am 26.11.20.. forderte er mit Beleg 6.1. bei der LHBw ohne dienstliche Notwendigkeit eine Schnittschutzhose an.
4. Am 11.01.20.. forderte er eine Führungsschiene aus dem Kettensägenmotorsatz und eine Transportkiste an, obwohl keine Anforderungsgrundlage vorlag."
2. Das hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 sachgleiche Strafverfahren gegen den Soldaten wegen Diebstahls war zuvor von der Staatsanwaltschaft Flensburg am 12. Januar 20.. gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt worden, nachdem der Soldat einen Betrag in Höhe von 2 400 € an die Landeskasse gezahlt hatte.
3. Die 8. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 18. März 20.. entschieden, dass der Soldat in den Dienstgrad eines Unteroffiziers herabgesetzt wird. Die Truppendienstkammer hat dabei folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"Nachdem der Soldat im Anschluss an seine Versetzung zum 01. Februar 20.. zur 1./... diverse Lehrgänge absolviert hatte, nahm er Ende 20.. die Tätigkeit des MatNachweisFw im S4-Bereich des Bataillons auf. Mit Hilfe des im Bataillon eingeführten computergestützten Systems >Datenverarbeitungsunterstützung Verbrauchender Truppenteil<(DVU-VTT), dessen wesentliches Ziel die Automatisierung des logistischen Ablaufs der Materialbestandsführung, des Materialnachweises und der Ersatzteilbestellung im verbrauchenden Truppenteil ist, nahm der Soldat in Kenntnis des Beschaffungsvorganges die in Ziffern 1. - 4. der Anschuldigung genannten Bestellvorgänge vor. Der Gesamtwert der bestellten Waren belief sich auf 1.568,60 €, wobei das Kettensägeantriebsaggregat (Ziffer 1. der Anschuldigung) mit 817,92 € und die in Ziffer 2. der Anschuldigung genannten Gegenstände wertmäßig mit insgesamt 344,15 € zu Buche schlugen. Der Wert der ohne dienstliche Notwendigkeit bestellten und nicht in den Besitz des Soldaten gelangten Waren beziffert sich wie folgt: Schnittschutzhose (Ziffer 3. der Anschuldigung) 55,63 €, Führungsschiene (Ziffer 4. der Anschuldigung) 44,12 € sowie Transportkiste (Ziffer 4. der Anschuldigung) 306,78 €. Eine Meldung des TVB, OStFw R., vom 23. Januar 20.. über einen "Sachverhalt zu vermutlichen Unregelmäßigkeiten im Dienstbetrieb beim OFw P., die einer Klärung bedürfen" löste die Ermittlungen gegen den Soldaten aus. Im Anschluss an seine am 31. Januar 20.. stattgefundene Vernehmung durch den Disziplinarvorgesetzten brachte der Soldat noch am selben Tage das zu Hause gelagerte Kettensägeantriebsaggregat nebst der in Ziffer 2. der Anschuldigung aufgeführten Zubehör- und Ersatzteile in unbenutztem bzw. teilweise originalverpacktem Zustand zurück.
Ein Antrag des Soldaten auf Versetzung zum Aufklärungsgeschwader 51 vom 06. Juli 20.. wurde am 27. Juli 20.. von der Stammdienststelle der Bundeswehr mangels Nachbesetzungsmöglichkeiten abschlägig beschieden. Ein erneuter inhaltsgleicher Versetzungsantrag vom 22. November 20.., dem Stellungnahmen des Truppenarztes, des evangelischen Militärpfarrers und des Sozialdienstes beigefügt waren, führte auf Wunsch des Kdr ... zu einer Aussprache, an welcher der Soldat, Maj F., der Kompaniefeldwebel OStFw F., Stabsfeldwebel N. als Person des Vertrauens des Soldaten und der S 4, Maj H., teilnahmen. Eine Versetzung zum Aufklärungsgeschwader .. erfolgte nicht.
Die Kammer ist mit dem nach der Lebenserfahrung gebotenen - aber auch ausreichenden - Maß an Sicherheit davon überzeugt, dass der Soldat hinsichtlich der Inbesitznahme der in Ziffer 1 und 2. der Anschuldigungsschrift bezeichneten Gegenstände mit Zueignungsabsicht gehandelt hat. ... (wird ausgeführt)...Im Ergebnis steht für die Kammer außer Frage, dass der Soldat bewusst und gezielt Gegenstände entwendet hat, um sie sich zuzueignen.
Allerdings hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten lediglich zur Last gelegt, die im Tatvorwurf unter Ziffern 1. und 2. aufgeführten Gegenstände mitgenommen und nach Hause verbracht zu haben. Das Ziel dieser Handlung, sich vorgenanntes Material zuzueignen, hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht zum Gegenstand ihrer Anschuldigung gemacht. Weder im verfügenden Teil noch im Ermittlungsergebnis wird die Frage der Zueignung auch nur andeutungsweise erwähnt. Gem. § 107 Abs. 1 WDO legt die Anschuldigungsschrift Umfang und Grenzen des Prozessstoffes fest und bestimmt somit den Sachverhalt, der allein zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden darf. Eine grundsätzlich mögliche Auslegung des verfügenden Teils der Anschuldigung ist mangels spezifischer Ausführungen im Ermittlungsergebnis nicht möglich. Die Kammer ist somit aus Rechtsgründen daran gehindert, ihrer Entscheidung über ein vorsätzliches Verbringen der Gegenstände in sein Haus hinausgehend eine Zueignungsabsicht des Soldaten zugrunde zu legen.
Auch die Formulierung der Ziffern 3. und 4. der Anschuldigung lassen den Vorwurf einer für einen späteren Zeitpunkt beabsichtigten Zueignung nicht erkennen. Vielmehr wird dort lediglich die pflichtwidrige Bestellung von Material ohne dienstliche Notwendigkeit vorgeworfen. Die Einlassung des Soldaten im Hauptverhandlungstermin, im Falle der erfolgten Auslieferung von Schnittschutzhose, Führungsschiene und Transportkiste hätte er auch diese Gegenstände zu sich nach Hause gebracht, ändert an diesem Befund nichts."
4. Gegen das ihm am 7. April 20.. zugestellte Urteil hat der Soldat durch seinen Verteidiger am 7. Mai 20.. Berufung eingelegt, diese ausdrücklich auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt und beantragt, ihn um "weniger Stufen" zu degradieren. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Die Truppendienstkammer habe bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme erschwerende und mildernde Umstände nicht oder falsch gewertet. So seien die ihm vorgeworfenen Taten auf das problematische Verhältnis zu seinem damaligen unmittelbaren Vorgesetzten, dem als Truppenversorgungsbearbeiter eingesetzten Oberstabsfeldwebel R., zurückzuführen gewesen. Er, der Soldat, sei in der damaligen, für ihn auch aus privaten Gründen außergewöhnlich schwierigen Situation von seinem Vorgesetzten allein gelassen worden. Logisches und an Vernunftkategorien orientiertes Verhalten habe man von ihm nicht erwarten dürfen. Er habe sich nicht mehr anders als durch sein ihm nun vorgeworfenes Verhalten zu helfen gewusst. Deshalb sei auch die Annahme des Gerichts unzutreffend, seine Einlassung zu seiner damaligen Motivation sei mangels logischer Nachvollziehbarkeit nicht glaubhaft. Darüber hinaus gehe die Truppendienstkammer hinsichtlich der mitgenommen Gegenstände von einer angeblichen, von ihm, dem Soldaten, aber bestrittenen Zueignungsabsicht aus, für die es richtigerweise keine objektiven Anhaltspunkte gebe.
Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegt Berufung des Soldaten ist nicht begründet.
1. Die Abwesenheit des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung am 13. Januar 20.. stand deren Durchführung sowie der Entscheidung des Senats über die Berufung nicht entgegen. Gemäß § 124 WDO findet - außer in den Fällen des § 104 Abs. 1 WDO - die Berufungshauptverhandlung auch dann ohne den Soldaten statt, wenn dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Soldat war am 18. November 20.. bzw. 10. Januar 20.. - Hinausschiebung des Termins auf Antrag seines Verteidigers um einen Tag - zum Hauptverhandlungstermin am 13. Januar 20.. gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 103 WDO ordnungsgemäß geladen und im Ladungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Zudem hat der Soldat durch seinen Verteidiger vor dem Senat erklären lassen, dass er auf die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung verzichte.
2. Das Rechtsmittel ist ausdrücklich und auch nach seinem Inhalt auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
In dem angefochtenen Urteil der Truppendienstkammer sind ausreichende und widerspruchsfreie Tatfeststellungen getroffen worden. Dem Urteil kann mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, von welchen schuldhaft begangenen Pflichtverletzungen der Senat aufgrund der erstinstanzlichen Schuldfeststellungen auszugehen hat. Das Truppendienstgericht ist zunächst hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 aus Rechtsgründen - § 107 Abs. 1 WDO - zu der Feststellung gelangt, dass die Inbesitznahme der Materialien ohne Zueignungsabsicht erfolgt ist; die tatsächliche Vermögensschädigung des Dienstherrn betrug insoweit 1 162,07 €. Insgesamt hat die Truppendienstkammer dann die Schuldfeststellung getroffen, dass der Soldat als Materialnachweisfeldwebel durch die dienstlich nicht notwendige Anforderung von Material und dessen teilweise private Inbesitznahme vorsätzlich gegen seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen hat. Diese Feststellungen, die ein Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG) tragen, sind eindeutig und widerspruchsfrei und damit für den Senat bindend.
3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 = DokBer 2009, 15 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten sehr schwer.
Der Schwerpunkt der Verfehlung liegt zunächst in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat i.d.R. schon deshalb erhebliches Gewicht.
Die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG fordert allgemein von dem Soldaten, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem durch das Grundgesetz festgelegten Auftrag schwächen würde. Zu dieser Pflicht zählt auch, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen. Dem Soldaten waren das Kettensägenantriebsaggregat und die in Anschuldigungspunkt 2 genannten Gegenstände, die er pflichtwidrig angefordert und dann nach Hause verbracht hatte, allerdings nicht zur Verwaltung "anvertraut". Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er eine besondere dienstliche Schutz- und Verwendungspflicht hinsichtlich dieses Materials gehabt hätte. Denn Anvertrauen ist - im Wehrdisziplinarrecht nicht anders als im Strafrecht - die Hingabe oder das Belassen einer Sache durch den Eigentümer oder sonst Berechtigten zum Verwalten und Verwenden in dem Vertrauen, der Besitzer werde mit der ihm überlassenen Sache ausschließlich i.S.d. Anvertrauenden verfahren, sie also nur in seinem Sinne aufbewahren, verwenden und sie schützen. Allein die Möglichkeit des Zugriffs auf diese Gegenstände reicht für eine diesbezügliche Feststellung des Anvertrautseins nicht aus (vgl. Urteil vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 9.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 4 m.w.N.).
Eine solche Vertrauensposition war dem Soldaten hinsichtlich der in Anschuldigungspunkt 1 und 2 genannten Gegenstände nicht übertragen oder eingeräumt. Als Materialnachweisfeldwebel war es seine Hauptaufgabe, STAN-Material für das Bataillon anzufordern; ferner oblag ihm eine ordnungsgemäße urkundliche Bestandsführung über dieses Material, nicht aber dessen Verwahrung und Verwaltung nach Auslieferung aus dem Depot. Bestelltes und aus dem Depot ausgeliefertes Material wurde innerhalb des Bataillons der Material-Gruppe zugeführt und dort nach Benachrichtigung der jeweiligen Teileinheitsführer von diesen abgeholt. Dementsprechend befanden sich die in Anschuldigungspunkt 1 und 2 genannten Gegenstände zunächst in der Material-Gruppe, bevor sie der Soldat von dort in Besitz nahm und nach Hause verbrachte.
Der Soldat war jedoch aufgrund seiner Funktion als Materialnachweisfeldwebel verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass diese Gegenstände ausschließlich zu dienstlichen Zwecken angefordert und verwendet werden. Er hatte deshalb eine demjenigen Soldaten vergleichbare Vertrauensposition inne, dem das gelieferte Material dienstlich zur Verwahrung und Verwaltung anvertraut ist (vgl. Urteil vom 24. Januar 1996 - BVerwG 2 WD 26.95 - BVerwGE 103, 290 <292> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 10). Dadurch, dass der Soldat in vier Fällen über das computergestützte System "DVU-VTT", zu dem er aufgrund seiner besonderen Funktion als Materialnachweisfeldwebel jederzeit Zugang hatte, ohne dienstliche Notwendigkeit Versorgungsmaterial angefordert und dieses in zwei Fällen in der Material-Gruppe auch in Besitz genommen und nach Hause verbracht hat, hat er im Kernbereich seiner soldatischen Funktion und Aufgaben schwer versagt. Hinsichtlich der Inbesitznahme der in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 genannten Materialien ist der Soldat zugleich wegen kriminellen Unrechts verfolgt worden. Zwar wurde das insoweit sachgleiche Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt - dies lässt die strafrechtliche Unschuldsvermutung unberührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90, NJW 1991, 1530 <1531 f>) -, jedoch nur gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 2 400 €.
Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) ist gerade bei solchen dienstlichen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Vor allem beim Umgang mit Geld und Gut ist die Bundeswehr auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen. Dies gilt insbesondere auch für die Bereiche der Beschaffung und Materialbewirtschaftung der Streitkräfte, zumal jede Ausgabentätigkeit der Verwaltung vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprägt ist (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 1 BHO). Erfüllt ein Materialnachweisfeldwebel im Kernbereich seines Dienstpostens diese zentralen dienstlichen Pflichten schuldhaft nicht, so erschüttert er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet schwerste Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und persönlichen Integrität. Ein solches Fehlverhalten, für das auch die Allgemeinheit kein Verständnis hat, bedarf einer nachdrücklichen, nach außen sichtbaren Disziplinarmaßnahme (vgl. dazu auch Urteil vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29: S 4-Versorgungsoffizier).
Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter - wie hier -, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteil vom 19. April 2007 - BVerwG 2 WD 7.06 -
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier schließlich auch dadurch bestimmt, dass es sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten des Soldaten handelt - dieser hat innerhalb von vier Monaten viermal schwer versagt - und dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine erhöhte Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. dazu Urteil vom 25. Juni 2009 a.a.O. m.w.N.).
b) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens für den dienstlichen Bereich belasten den Soldaten in doppelter Hinsicht. Durch sein Dienstvergehen war der Bundeswehr vorübergehend ein deutlich über dem Bagatellbereich von ca. 50 € (vgl. dazu z.B. Urteil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 21 m.w.N.) liegender Vermögensschaden von insgesamt 1 568,60 € entstanden. Darüber hinaus hatte das Fehlverhalten für die Personalplanung und -führung insoweit negative Auswirkungen, als der Soldat alsbald nach Auftreten des Tatverdachts umgesetzt werden musste, und zwar zunächst zur Großgerätegruppe und dann zur Einsatzzelle der 1./... . Die damit verbundenen nachteiligen Folgen für den Dienstbetrieb muss sich der Soldat zurechnen lassen.
c) Auch wenn dem Soldaten schon mangels Anschuldigung nicht angelastet werden kann, mit Zueignungsabsicht gehandelt zu haben, so gab es doch keinerlei dienstliche Veranlassung oder Notwendigkeit für die Anforderung der Materialien - zunächst des Hauptgeräts, anschließend der Zubehörartikel -, erst recht nicht für deren teilweise private Inbesitznahme. Major F. hat als Zeuge in der Berufungshauptverhandlung am 13. Januar 20.. ausgesagt, der Soldat habe bei seiner ersten Vernehmung im Januar 20.. keine Angaben zum Tatmotiv gemacht; Hinweise auf einen "Hilferuf" habe es nicht gegeben. Nach alledem lässt das Tatverhalten des Soldaten einschließlich der Tatabfolge jedenfalls zum Teil eigennützige Züge erkennen. Eigennützigkeit ist schon dann gegeben, wenn der Soldat (auch) aus persönlichen Gründen gehandelt hat (vgl. z.B. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - m.w.N.).
d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit (September 20.. bis Januar 20..) i.S.d. § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht. Zwar wurde die erste Berufungshauptverhandlung am 30. Juni 20.. wegen vermuteter Verhandlungsunfähigkeit des Soldaten abgebrochen und die Sache vertagt. Die am 30. Juni 20.. erkennbar gewordenen Anzeichen von Verhandlungsunfähigkeit sind jedoch kein zwingendes Indiz für erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Herbst/Winter 20../20.., sodass der Senat dieser Frage auch nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen brauchte.
Verhandlungsunfähigkeit liegt im Wesentlichen dann vor, wenn der Soldat nicht in der Lage ist, die Bedeutung des Disziplinarverfahrens und der einzelnen Verfahrensvorgänge zu erkennen und sich sachgemäß zu verteidigen (vgl. zur Verhandlungsunfähigkeit im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24<27> m.w.N. = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 4). Dass der Soldat in der ersten Berufungshauptverhandlung in physisch-psychischer Hinsicht wohl nicht mehr (voll) verhandlungsfähig war, war zwar für alle Beteiligten - einschließlich des Verteidigers - überraschend. Es gab insoweit jedoch zumindest bereits einen Anhaltspunkt in der Einlassung des Soldaten vom 4. Juni 20.. im Sonderbeurteilungsverfahren gemäß ZDv 20/6 Nr. 407 b. Er hat dort u.a. angegeben, das Ermittlungs- und Disziplinarverfahren habe ihn in seiner physischen und psychischen Verfassung stark beeinträchtigt und belaste ihn nach wie vor. Major S., zu jenem Zeitpunkt Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, hat als Leumundszeuge vor dem Senat bestätigt, dass insbesondere der erstinstanzliche Urteilsausspruch der drohenden Degradierung den Soldaten offensichtlich sehr belastet und verunsichert habe.
Straf- und disziplinarverfahrensbedingte Verhandlungsunfähigkeit lässt jedoch nicht zwingend einen Schluss auf erheblich verminderte Schuldfähigkeit zum (früheren) Zeitpunkt der Tat zu. Nach § 20 StGB handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Ist die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe zur Tatzeit erheblich vermindert, kann gemäß § 21 StGB die "Strafe" gemildert werden. Ein solcher Fall lag hier zur Tatzeit, d.h. vor Durchführung des Straf- und Disziplinarverfahrens aber nicht vor und wird auch nicht geltend gemacht; der Verteidiger des Soldaten hat in der Berufungshauptverhandlung am 13. Januar 20.. ausdrücklich erklärt, er habe keine Erkenntnisse, dass zur Tatzeit die Voraussetzungen des § 21 StGB vorgelegen haben könnten. Major F. Disziplinarvorgesetzter des Soldaten zur Tatzeit, hat vor dem Senat ausgesagt, der Soldat sei damals insgesamt unauffällig gewesen. Auch das Beurteilungsbild hinsichtlich der Persönlichkeit und der Leistungen des Soldaten im Herbst/Winter 20../20.. lässt keine Anhaltspunkte für eine seinerzeit erheblich verminderte Schuldfähigkeit erkennen. In der planmäßigen Beurteilung des Soldaten vom 13. August 20.. wurde - wie bereits erwähnt - u.a. die "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" im Durchschnitt mit 6,88 ("die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen") bewertet. Der nächsthöhere Vorgesetzte, Oberstleutnant und Bataillonskommandeur H. stimmte mit seiner Stellungnahme vom 26. September 20.. der seiner Meinung nach sehr guten und treffenden Beurteilung in vollem Umfang zu. Der Soldat sei ein engagierter, motivierter und verantwortungsbewusster Unteroffizier mit Portepee, dessen Stärken in hoher Fachkenntnis, Eigenständigkeit und sehr guter Zusammenarbeit lägen. Er sei psychisch wie physisch sehr gut belastbar. Sein militärisches Auftreten und sein berufliches Selbstverständnis seien vorbildlich. Das Leistungsbild liege im ersten Drittel des Bataillons.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten, sind ebenfalls nicht erkennbar. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen eines solchen Milderungsgrundes zur Tatzeit vorgelegen haben, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere kommt dem Soldaten nicht der Tatmilderungsgrund einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten zugute (vgl. dazu zuletzt Urteil vom 25. November 2010 - BVerwG 2 WD 28.09 - m.w.N.). Eine solche einmalige Augenblickstat ist hier schon deshalb nicht gegeben, da der Soldat wiederholt - innerhalb von etwa vier Monaten in vier Fällen - versagt hat.
Die "Milderungsgründe in den Umständen der Tat" sind in der jüngeren Rechtsprechung des Senats fortentwickelt worden. Dabei haben sich weitere Fallgruppen herausgebildet, u.a. ein Mitverschulden von Vorgesetzten, z.B. durch mangelhafte Dienstaufsicht. Der Milderungsgrund einer unzureichenden Dienstaufsicht kann dem Soldaten nicht zugebilligt werden. Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Soldat bedurfte keiner dienstaufsichtsrechtlichen Unterstützung. Als Materialnachweisfeldwebel wusste er, dass er dienstlich nicht notwendiges Material nicht über das DVU-VTT-System anfordern und schon gar nicht nach Hause mitnehmen durfte; er befand sich insoweit in keiner Überforderungssituation.
Der Soldat kann sich jedoch mit Erfolg auf einen anderen sonstigen Milderungsgrund berufen; ihm kommt seine damalige dienstliche Überbelastung zugute (vgl. dazu z.B. Urteile vom 17. Juni 2003 - BVerwG 2 WD 2.02 - NZWehrr 2004, 83 ff. und vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 = Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 53). Aufgrund der damals unübersichtlichen, teilweise desolaten Situation im Materialbewirtschaftungsbereich des Bataillons war der Soldat als überwiegend allein zuständiger Materialnachweisfeldwebel arbeitsmäßig überlastet; hinzu kamen "Kommunikationsprobleme" mit dem Truppenversorgungsbearbeiter Oberstabsfeldwebel R. . Dieser Umstand war nicht nur Anlass für die - letztlich erfolglosen - Versetzungsgesuche des Soldaten vom 5. Juli 20.. und 22. November 20.., sondern auch für die eine Versetzung befürwortenden Stellungnahmen des Militärpfarrers, des Sozialdienstes der Bundeswehr sowie des Truppenarztes. Major F., der damalige Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, hat sowohl vor dem Truppendienstgericht als auch vor dem Senat die hohe Belastung des Soldaten bestätigt. Dieser habe im Bataillon "die meiste Arbeit" gehabt. Zudem habe er es mit Oberstabsfeldwebel R., der als schwieriger Mensch bekannt gewesen sei, "nicht leicht gehabt". Ihm, dem Zeugen, habe es leid getan, dass er die Versetzungsanträge des Soldaten, der seine Arbeit durchweg prima gemacht habe, mangels Ersatzgestellung nicht habe befürworten können.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den Soldaten seine ihm in den Beurteilungen vom 13. August 20.. (Durchschnittsbewertung "6,88") und vom 4. Juni 20.. (Durchschnittsbewertung "6,12") attestierten deutlich überdurchschnittlichen Leistungen. Major F. hat als Leumundszeuge vor dem Senat ausgesagt, trotz seiner immer noch hohen Arbeitsbelastung im Jahr 20.. habe der Soldat seine Sache prima gemacht; er sei verlässlich und unauffällig gewesen. Major S., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten ab Juli 20.., hat zur Erläuterung der von ihm verfassten Sonderbeurteilung vom 4. Juni 20.. in der Berufungshauptverhandlung am 13. Januar 20.. ausgeführt, der an sich absolut zuverlässige Soldat habe seinen Dienstposten zwar zufriedenstellend ausgefüllt. Ihn habe jedoch das Disziplinarverfahren und vor allem der erstinstanzliche Urteilsauspruch der drohenden Degradierung offensichtlich sehr belastet und verunsichert. Er habe Angst gehabt, Fehler zu machen. Auch sei er im Jahr 20.. mehrfach zu spät zum Dienst erschienen.
Die zuletzt genannten Umstände, die sich auch im verschlechterten Notenbild widerspiegeln, können nicht als entlastend berücksichtigt werden. Disziplinarverfahrensbedingte Belastungen beruhen letztlich auf dem Dienstvergehen des Soldaten und damit auf seinem vorangegangenen Fehlverhalten. Dies hat er sich selbst zuzurechnen.
Gleichwohl spricht neben dem weiterhin überdurchschnittlichen Leistungsbild für den straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelasteten Soldaten auch die ihm gewährte Leistungsprämie sowie das ihm verliehene Leistungsabzeichen in Gold. Insgesamt ergibt sich danach eine positive Leistungs- und Persönlichkeitsbilanz.
f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannter be- und entlastender Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 3 und 4 WDO zulässigen - Degradierung des Soldaten zum Unteroffizier erforderlich und angemessen. Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme, wie mit der Berufung beantragt, kommt nicht in Betracht.
Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 10. Februar 2010 a.a.O.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".
Vergreift sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich an Eigentum oder Vermögen seines Dienstherrn, so indiziert ein solches schweres Fehlverhalten nach der Senatsrechtsprechung (vgl. zum Diebstahl z.B. Urteil vom 13. Februar 2008 a.a.O., zur versuchten oder vollendeten Schädigung bzw. Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn durch Betrug z.B. Urteil vom 11. Juni 2008 a.a.O.) regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung. Erfolgt der vorsätzliche Zugriff jedoch im Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Soldaten (z.B. Entwendung "anvertrauten" dienstlichen Geldes oder Gutes), so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise in der Regel die Entfernung aus dem Dienstverhältnis Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. z.B. Urteil vom 25. Juni 2009 a.a.O. m.w.N.).
Ein solches besonders schweres Dienstvergehen liegt im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen auch hier vor. Dem Soldaten waren zwar die festgestellten Materialien nicht dienstlich zur Verwahrung und Verwaltung anvertraut. Er hatte jedoch eine vergleichbare Vertrauensposition inne. Als Materialnachweisfeldwebel war er verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die für den Senat bindend festgestellten Gegenstände ausschließlich zu dienstlichen Zwecken angefordert und verwendet wurden (vgl. dazu Urteil vom 24. Januar 1996 a.a.O.). Verletzt ein Materialnachweisfeldwebel vorsätzlich schuldhaft seine ihm dem Dienstherrn gegenüber obliegende besondere Vermögensbetreuungspflicht, sind auf dieses Dienstvergehen im Kernbereich seines Dienstpostens im Regelfall die Bemessungsgrundsätze für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder oder Güter entsprechend anwendbar; dies indiziert den Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme (vgl. Urteile vom 24. Januar 1996 a.a.O. und vom 25. Juni 2009 a.a.O.).
An dieser Ersteinstufung des Dienstvergehens ändert auch der Umstand nichts, dass vom Truppendienstgericht mangels Anschuldigung ein Handeln des Soldaten mit Zueignungsabsicht nicht festgestellt werden konnte. Immerhin hatte dieser einen Teil der dienstlichen Materialien, die ihm aufgrund seiner Vertrauensposition bedenkenlos überlassen worden waren, in privatem Besitz und nicht von sich aus freiwillig, sondern erst nach Aufdeckung des Dienstvergehens und seiner ersten Vernehmung herausgegeben; der vorübergehende Vermögensschaden betrug insoweit 1 162,07 €, insgesamt 1 568,60 €. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit einer lückenlosen Kontrolle des Materialbewirtschaftungsbereichs und die Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs führt der wiederholte vorsätzlich eigennützige Missbrauch der Vertrauensstellung eines Materialnachweisfeldwebels im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis.
bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.
Der Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Dienstverhältnis ist hier schon aus Rechtsgründen - wegen der Geltung des Verschlechterungsverbotes - vorzunehmen. Da es aber im Rahmen der Gesamtwürdigung an weiteren durchgreifenden mildernden oder entlastenden Umständen mangelt, verbleibt es bei der erstinstanzlichen Degradierung des Soldaten zum Unteroffizier. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Der disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastete Soldat kann sich lediglich mit Erfolg auf seine damalige arbeitsmäßige Überbelastung sowie auf sein insgesamt sehr positives Persönlichkeits- und Leistungsbild berufen. Weitere durchgreifende Milderungsgründe stehen ihm nicht zur Seite. Dies hätte anstelle des Ausspruchs der disziplinarischen Höchstmaßnahme - wenn überhaupt - allenfalls eine - gemäß § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO zulässige - Degradierung des Soldaten in einen Mannschaftsdienstgrad - hier Hauptgefreiter - rechtfertigen können.
Eine noch mildere Beurteilung des Dienstvergehens mit der Folge, dass lediglich auf Degradierung zum Stabsunteroffizier oder gar Feldwebel zu erkennen wäre, ist auch nicht deshalb geboten, weil das gegen den Soldaten geführte - nur teilweise - sachgleiche Strafverfahren nach § 153a Abs. 1 StPO gegen Zahlung von immerhin 2 400 € eingestellt worden ist. Der durch die Erfüllung der Auflage bewirkte Fortfall des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung sagt - ungeachtet der fortbestehenden strafrechtlichen Unschuldsvermutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1991 a.a.O.) - nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang das öffentliche Interesse daneben noch eine disziplinarische Ahndung gebietet. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO (Verhältnis der Disziplinarmaßnahmen zu Strafen und Ordnungsmaßnahmen) der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt (vgl. Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 - BVerwGE 113, 108 <111> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 33, vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 BDO 2002 Nr. 4, jeweils m.w.N. und vom 6. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 35.09 - zur Veröffentlichung in Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5 vorgesehen).
Im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den Zweck des Wehrdisziplinarrechts, aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz vorgesehene Disziplinarmaßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, ist es daher erforderlich, die Degradierung zum Unteroffizier zu bestätigen. Neben spezialpräventiven Erwägungen ist die Dienstgradherabsetzung insbesondere deshalb geboten, weil diese Maßnahme über ihren (engeren) Zweck hinaus bekanntermaßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Angehörigen der Bundeswehr im Allgemeinen hat (Generalprävention). Der Soldat hat nicht nur als Vorgesetzter in einer besonderen Vertrauensposition seinen Untergebenen wiederholt ein schlechtes Beispiel gegeben, sondern hat auch in der Mitte seines auf insgesamt zwölf Jahre angelegten Dienstverhältnisses schwer versagt.
Auf die Äußerung des Leumundszeugen Major S. vor dem Truppendienstgericht und dem Senat, der Soldat habe seinen Dienstposten zu seiner, des Zeugen, Zufriedenheit ausgefüllt, er genieße sein volles Vertrauen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des Soldaten beeinträchtigt ist, ist allein nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten - hier des Senats -, nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu beurteilen (stRspr, z.B. Urteil vom 25. Juni 2009 a.a.O. m.w.N.).
Da die Berufung des Soldaten nach alledem ohne Erfolg bleibt, hat er gemäß § 139 Abs. 2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.