Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 12.05.2016


BVerwG 12.05.2016 - 2 WD 16/15

Unterschlagung; Dezentrale Beschaffung; Teileinheitsführer; Vertrauensposition; überlange Verfahrensdauer als Milderungsgrund


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
12.05.2016
Aktenzeichen:
2 WD 16/15
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2016:120516U2WD16.15.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Truppendienstgericht Nord, 13. April 2015, Az: N 6 VL 11/13, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 6 Abs 1 MRK

Leitsätze

1. Nutzt ein Soldat in Vorgesetztenstellung seine Vertrauensposition als Teileinheitsführer Dezentrale Beschaffung aus, um der Bundeswehr als kostenlose Zugabe überlassenes Zubehör zu unterschlagen, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Höchstmaßnahme.

2. Eine durch die Überlastung der Truppendienstgerichtskammer verursachte überlange Verfahrensdauer ist bei der Bemessung einer pflichtenmahnenden Maßnahme mildernd zu berücksichtigen.

Tatbestand

1

...

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6

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...

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1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten und Bekanntgabe der Stellungnahme der Vertrauensperson mit Verfügung des ... vom 3. April 2012 eingeleitet worden. Die Einleitungsverfügung ist ihm durch Hauptmann K. im Beisein des Staffelfeldwebels Oberstabsfeldwebel D. am 25. April 2012 ausgehändigt worden.

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Nach Verzicht des Soldaten auf eine persönliche Anhörung im Rahmen des Schlussgehörs und Einholung schriftlicher Stellungnahmen zu den wesentlichen Ermittlungsergebnissen hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft ihm mit Anschuldigungsschrift vom 11. März 2013, zugestellt am 22. März 2013, folgenden Sachverhalt als vorsätzliches Dienstvergehen zur Last gelegt:

"1. Der Soldat nahm am 11. Januar 2012 in M. eine Laptoptasche, die für das vom Bundeswehrdienstleistungszentrum S. für die ... angeforderte Laptop bestimmt war, von dem Mitarbeiter der Firma M., Herrn S., entgegen, um diese für sich zu behalten und übergab diese erst nach Aufforderung am 23. Januar 2012 an seinen Vorgesetzten,

Hauptmann A. .

2. Der Soldat verneinte am 11. oder 12. Januar 2012 in ..., R.-Kaserne, wahrheitswidrig gegenüber dem vorgesehenen Nutzer des Laptops, Hauptfeldwebel B., dessen Frage, ob eine Laptoptasche zum Lieferumfang gehöre, obwohl ihm am 11. Januar 2012 eine Laptoptasche von dem Mitarbeiter der M. ausgehändigt worden war."

12

2. Die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 13. April 2015 den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Unteroffiziers herabgesetzt.

13

Im Dezember 2011 sei durch den Soldaten für dienstliche Zwecke ein Notebook mit Software bei der Firma M. bestellt worden. Dieses habe er am 11. Januar 2012 in den Geschäftsräumen der Firma abgeholt. Dabei habe der Zeuge S. dem Soldaten eine Laptoptasche kostenlos mitgegeben. Der Zeuge habe einen Rabatt in Höhe von 12,50 € auf die Software gewährt und auch die Tasche betragsmäßig in Rabatthöhe für die firmeninterne Rechnungslegung erfasst, ohne dies auf der Rechnung auszuweisen. Der Soldat habe das Gerät am 11. oder 12. Januar 2012 dem Nutzer, dem Zeugen B., ausgehändigt. Die Frage des Zeugen B., ob eine Laptoptasche dazu gehöre, habe er verneint und diesen auf die Möglichkeit einer Anforderung der Tasche als Büromaterial über den Staffelfeldwebel verwiesen. Am 12. Januar 2012 habe der Soldat über den Staffelfeldwebel eine Laptoptasche angefordert. Bei einer Haushaltsprüfung sei bekannt geworden, dass der Soldat eine in der Rechnung nicht ausgewiesene Laptoptasche von der Firma M. erhalten habe. Der Zeuge A. habe von der Firma eine korrigierte Rechnung erbeten und erhalten. Als der Soldat hiervon erfahren habe, habe er die Laptoptasche dem Zeugen A. übergeben. Der Einwand des Soldaten, die Tasche habe nicht zum Beschaffungsprogramm gehört, verkenne, dass sie zur Lieferung gehört habe. Sein Vortrag, er habe prüfen wollen, ob er die Laptoptasche für den Dienstherrn behalten dürfe, sei eine unglaubwürdige Schutzbehauptung. Die Kammer sei überzeugt, dass der Soldat beabsichtigt habe, die Tasche für sich zu behalten.

14

Der Soldat habe wissentlich und willentlich, somit vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen. Das Behalten der zum Lieferumfang gehörenden Laptoptasche stelle eine Unterschlagung (§ 246 StGB) dar und verletze die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) durch illoyales Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und die zeitweise Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn. Die falsche Auskunft an den Zeugen B. verletze die Wahrheitspflicht aus § 13 Abs. 1 SG. Der Soldat habe durch sein Verhalten auch gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SG) verstoßen.

15

Das vom Soldaten als dezentralem Beschaffer begangene Dienstvergehen verlange eine Herabsetzung in den Dienstgrad Unteroffizier. Vergreife sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung am Eigentum oder Vermögen des Dienstherrn, sei regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung veranlasst. Erfolge der Zugriff im Bereich anvertrauten Materials, sei die Entfernung aus dem Dienstverhältnis Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Die Laptoptasche sei dem Soldaten aber nicht anvertraut gewesen. Ihr Wert liege unter der Bagatellgrenze, so dass von einer Herabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad habe Abstand genommen werden können. Als dezentraler Beschaffer des Verbandes habe der Soldat jedoch eine Vertrauensstellung inne gehabt und deshalb durch sein Versagen schwerwiegend gegen seine Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Sein Dienstvergehen habe das Vertrauen in ihn tatsächlich beeinträchtigt. Der Vorfall sei in der Einheit selbst bei den Mannschaften bekannt und der Soldat von seinem Dienstposten abgelöst worden. Als Vorgesetzter hafte er wegen § 10 Abs. 1 SG verschärft. Milderungsgründe in der Tat gebe es nicht. Die Ablösung von dem Dienstposten wiege erschwerend. Ihn belasteten das vorsätzliche Handeln, die unterbliebene Meldung des Erhalts der Tasche und die fehlende Bereitschaft, sie dem Dienstherrn unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Für ihn sprächen die fehlende Vorbelastung, die Förmliche Anerkennung, seine Auszeichnungen, die Einmaligkeit des Fehlverhaltens und seine hervorragenden Leistungen. Um den Eindruck einer Bagatellisierung des Fehlverhaltens zu vermeiden, sei eine Dienstgradherabsetzung zum Unteroffizier erforderlich. Die damit verbundenen Nachteile müsse der Soldat als gesetzliche Folgen der Degradierung hinnehmen.

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3. Gegen das ihm am 17. Juni 2015 zugestellte Urteil hat der Soldat am 17. Juli 2015 vollumfänglich Berufung eingelegt und beantragt, ihn freizusprechen, hilfsweise, die verhängte Disziplinarmaßnahme zu mildern.

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Soweit die schriftliche Berufungsbegründung in der Berufungshauptverhandlung weiter verfolgt worden ist, greift sie die tatsächlichen Feststellungen des Urteils, die rechtliche Würdigung und die Bemessungserwägungen an. Der Soldat habe nicht in Zueignungsabsicht gehandelt. Er habe die Tasche nicht nach Hause mitgenommen, sondern sie in seinem Kofferraum belassen, weil er vor der Zuführung der Tasche in das Vermögen der Bundeswehr noch Wertgrenzen habe prüfen müssen. Er habe diese Prüfung selbst zu Ende führen und nicht einem Vorgesetzten oder Kameraden übertragen wollen. Ein solches Vorgehen hätte nicht seiner Dienstauffassung entsprochen. Es sei ihm aber nicht gelungen, die Prüfung selbst abzuschließen. Hätte er die Tasche für sich behalten wollen, hätte er sie nicht in seinem Kofferraum belassen, wo sie bei einer Kontrolle am Schlagbaum der Kaserne jederzeit hätte gefunden werden können. Wegen eines so geringen Wertes einer Laptoptasche für 10,50 € hätte er das Risiko einer schweren Sanktion nicht auf sich genommen. Das Beschaffungsersuchen sei nicht von ihm ausgegangen. Er habe im Rahmen seiner Aufgaben nach einer Genehmigung der dezentralen Beschaffung eines Laptops mit Software durch den Divisionskommandeur ein Angebot eingeholt und die Artikel dann als Bote abgeholt. Die Frage des Zeugen B. habe er verneint, weil er sich weiteren Nachfragen ausgesetzt gesehen hätte, wenn er diesem von der Tasche und seiner Prüfung berichtet hätte. Eine Unterschlagung, wie im Anschuldigungspunkt 1 vorgeworfen, liege nicht vor, weil es jedenfalls an der Zueignungsabsicht fehle. Die Vorinstanz habe die zivil- und strafrechtlichen Vorfragen vernachlässigt. Der Anschuldigungspunkt 2 sei in zeitlicher Hinsicht schon zu unbestimmt. Es sei unklar, was eigentlich zum Lieferumfang gehört habe. Er sei rechtlich dem Zeugen B. auch nicht zu einer wahren Aussage verpflichtet gewesen. § 13 SG sei nicht einschlägig. Es habe sich nur um eine beiläufige Aussage bei der Gelegenheit der Übergabe des Laptops gehandelt. Die Tasche sei ihm nicht anvertraut gewesen. Die von der Vorinstanz verhängte Maßnahme sei jedenfalls zu hart.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nur im Hilfsantrag begründet. Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

19

1. Den Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung ist, bestimmt die Anschuldigungsschrift auch hinsichtlich des Schuldvorwurfes mit der im Interesse einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf gebotenen Klarheit (vgl. zu den Anforderungen: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 <131>). Auch der Anschuldigungspunkt 2 grenzt den dem Soldaten vorgeworfenen Lebenssachverhalt durch die Nennung zweier alternativer Tatzeiten, die Angabe des Tatortes, die namentliche Bezeichnung des Empfängers der pflichtwidrigen Aussage sowie die sinngemäße Wiedergabe der wahrheitswidrig beantworteten Frage so klar ein, dass für den Soldaten erkennbar ist, welches konkrete Geschehnis Gegenstand der Anschuldigung ist und welche Aussage ihm als Wahrheitspflichtverletzung vorgeworfen wird.

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2. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:

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a) Als sich Ende 2011 wegen der Erstellung einer Broschüre Bedarf an einem Notebook und Software abzeichnete, hatte der Soldat ein Angebot der Firma M. eingeholt und auf dieser Grundlage und mit einer Genehmigung des Divisionskommandeurs für diesen Beschaffungsweg das Beschaffungsersuchen Nr. ... vom 2. Dezember 2011 an das Bundeswehrdienstleistungszentrum vorbereitet. Nach Eingang des vom Staffelchef, der Beauftragten für den Haushalt und dem Haushaltstitelverwalter unterzeichneten Ersuchens beim Bundeswehrdienstleistungszentrum erteilte dieses der Firma M. bezugnehmend auf das mündliche Angebot 11... den Auftrag 8/... . Das Leistungsverzeichnis zu diesem Auftrag enthielt zwei Positionen: die Software zum Preis von 829 € und das Notebook zum Preis von 799 €. Die unter dem 2. Dezember 2011 erstellte und bei der Versorgungsstaffel zeitgleich eingegangene Rechnung 1117196 wies für diese zwei Posten zuzüglich der Mehrwertsteuer einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 1 973,32 € aus.

Dies ergibt sich aus den in der Berufungshauptverhandlung in Augenschein genommenen Urkunden und aus der Einlassung des Soldaten.

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Der Soldat holte das Notebook und die Software am 11. Januar 2012 bei der Firma M. in ... ab. Der Angestellte dieser Firma, der Zeuge S., übergab zusammen mit diesen zwei Gegenständen etwa mit den Worten "Die Tasche ist mit dazu" eine Notebooktasche.

Entsprechend hat der Soldat sich in der Berufungshauptverhandlung eingelassen. Seine Schilderung entspricht den Angaben des Zeugen S., der dem Senat plastisch, nachvollziehbar und detailreich und daher glaubhaft erläutert hat, dass der Großhändler, bei dem er das Notebook und die Software bestellt hatte, ohne gesonderte Anforderung als eine Art saisonbedingtes Aktionsangebot die Tasche mitgeliefert habe. Dies sei bei der Warenannahme durch einen Mitarbeiter seiner Firma festgestellt worden, so dass er von einem sogenannten "Bundleartikel" ausgegangen sei. Der Zeuge war ersichtlich bemüht, sich trotz des Zeitablaufes noch an dieses Geschehnis zu erinnern. Er konnte aber nicht mehr mit Sicherheit angeben, ob er dem Soldaten die Hintergründe der Mitlieferung der Tasche erläutert und den Begriff des "Bundleartikels" ihm gegenüber gebraucht habe. Vielmehr hat er plausibel dargelegt, die Übergabe sei anders als gelegentlich bei Privatkunden zügig und ohne lange Erläuterungen abgelaufen.

23

Der Soldat packte alle drei Gegenstände in den Kofferraum seines Wagens, fuhr damit zunächst nach Hause, überprüfte dort die Funktionsfähigkeit des Notebooks und spielte die Software auf. Am nächsten Tag fuhr er mit den drei Gegenständen in seinem PKW in die Dienststelle und übergab das Notebook mit der Software dem Nutzer, dem Zeugen B. . Die Tasche verblieb im Kofferraum seines Wagens. Der Zeuge B. fragte den Soldaten bei der Übergabe, ob auch eine Tasche dabei gewesen sei. Diese Frage verneinte der Soldat. Er verwies den Zeugen B. auf die Möglichkeit, eine Tasche als Büromaterial über den Zeugen D. zu beschaffen.

Der Senat hat keine Veranlassung an den entsprechenden Ausführungen des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung zu zweifeln. Sie entsprechen der in dieser nach § 123 Satz 1 WDO verlesenen Aussage des Zeugen B., an dessen Glaubwürdigkeit Zweifel weder geäußert wurden noch sonst ersichtlich sind.

24

Der Soldat leitete die Beschaffung einer Notebooktasche für den Zeugen B. in die Wege, indem er am 12. Januar 2012 ein passendes Taschenmodell aus einem Katalog ermittelte und dem Zeugen D. einen mit den Angaben zu dem benötigten Notebook ausgefüllten Vordruck für eine Beschaffung von Büromaterial übersandte. Daraufhin merkte der Zeuge D. die Tasche für die nächste turnusmäßige Sammelbestellung von Büromaterial vor.

Diese Feststellung ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Zeugen D., der dem Senat auf Nachfrage nach der eingeführten e-mail des Soldaten an ihn detailliert und nachvollziehbar erläutert hat, dass er diese konkrete Anforderung entsprechend seiner üblichen Vorgehensweise bei der Bestellung von Büromaterialien behandelt hatte. Auch dieser Zeuge war ersichtlich bemüht, sich trotz des Zeitablaufes an den Vorfall zu erinnern und hat Erinnerungslücken deutlich gemacht, insbesondere darauf hingewiesen, dass er nicht mehr wisse, ob die Tasche tatsächlich geliefert worden sei. Der Zeuge hat dem Senat seine Wertschätzung des Soldaten und dessen Leistungen deutlich gemacht und keinen Belastungseifer gezeigt.

25

In der Folge wurde wegen der Unüblichkeit einer Beschaffung von Computern im Wege der dezentralen Beschaffung der hier in Rede stehende Beschaffungsvorgang Gegenstand einer Prüfung im Rahmen von § 78 BHO. Der Materialbewirtschaftungsoffizier, der Zeuge A., vernahm den Soldaten als den zuständigen Teileinheitsführer am 20. Januar 2012 zu dem Vorgang. In dieser Vernehmung äußerte er unter anderem, er habe den Laptop und die Software am 11. Januar 2012 persönlich in W. abgeholt. Weiteres Zubehör sei nicht enthalten gewesen.

Dass die Ermittlungen an eine Prüfung nach § 78 BHO anschlossen, haben übereinstimmend und deshalb glaubhaft die Zeugen A., R. und C. berichtet. Seine Angaben in der Vernehmung vom 20. Januar 2012 sind dem Soldaten in der Berufungshauptverhandlung vorgehalten worden. Er hat nicht bestritten, sich entsprechend eingelassen zu haben.

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Der Zeuge A., der das Beschaffungsersuchen nicht unterzeichnet hatte und sich übergangen sah, forschte noch am Freitag, den 20. Januar 2012, durch mehrere Telefonate bei der Firma M. weiter nach. Er brachte hierbei in Erfahrung, dass bei der Übergabe der bestellten Artikel neben dem Notebook und der Software auch eine Tasche an den Soldaten übergeben worden war und veranlasste die Erstellung einer weiteren Rechnung, die neben dem Notebook und der Software auch die Tasche auswies.

Dies steht zur Überzeugung des Senates durch die insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen A. und R. fest. Der Zeuge S. konnte sich trotz seines erkennbaren Bemühens nicht mehr an Inhalte der telefonischen Kontakte nach der Übergabe der Artikel erinnern, wusste aber noch, dass es Telefonate mit Mitarbeitern der Bundeswehr wegen des fraglichen Vorganges gegeben hatte. Die zweite, auf Veranlassung des Zeugen A. erstellte Rechnung ist zu den Akten gelangt und in der Berufungshauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Dass der Soldat den Zeugen S. veranlasst hätte, auf der ersten Rechnung die Tasche nicht auszuweisen, konnte der Senat nicht feststellen, weil dieser Teil der Aussage des Zeugen A. durch den Zeugen S. nicht bestätigt werden konnte.

27

Als der Soldat ebenfalls am 20. Januar 2012 weitere Artikel bei der Firma M. abholte, erfuhr er, dass der Zeuge A. sich telefonisch nach dem Beschaffungsvorgang erkundigt und erfahren hatte, dass ihm auch eine Tasche ausgehändigt worden war. Daraufhin brachte er die Notebooktasche am Montag, den 23. Januar 2012, morgens im Beisein des Zeugen R. zum Zeugen A. .

Dies entspricht der Einlassung des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung, der detailliert ausgeführt hat, was ihm der Zeuge S. bei einer Abholung von Probesteckern am 20. Januar 2012 zu dem Telefonat mit dem Zeugen A. erzählt hatte. Die Zeugen A. und R. waren bei der Übergabe der Tasche am Morgen des 23. Januar 2012 anwesend und haben diese Tatsache bestätigt.

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b) aa) Der Soldat wusste bei der Beantwortung der im Anschuldigungspunkt 2 angeführten Frage des Zeugen B., dass diese sich auf die ihm ausgehändigte Tasche bezog. Dies hat er in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt. Er hat erläutert, die Aushändigung der Tasche dem Zeugen B. bewusst verschwiegen zu haben. Er habe dies für die bessere Antwort gehalten. Er habe nämlich den Wert der Tasche noch prüfen wollen und befürchtet, der Zeuge B. werde nicht hinnehmen, dass er die Tasche in dieser Zeit nicht bekommen könne. Er habe befürchtet, der Zeuge würde sich vielleicht beim Zugführer beschweren und es hätte dann "eine große Blase gegeben".

29

bb) Zur Überzeugung des Senats hatte der Soldat nach der Übergabe der Tasche durch den Zeugen S. den Entschluss gefasst, sich selbst die Tasche zuzueignen. Diese Absicht hatte er jedenfalls, als er die Frage des Zeugen B., ob eine Tasche bei dem Notebook und der Software dabei gewesen sei, verneinte.

30

Der Senat sieht die Einlassung des Soldaten, er habe die Tasche zu keinem Zeitpunkt für sich behalten und lediglich für den Bund annehmen wollen, durch das eine Zueignungsabsicht indizierende Verhalten des Soldaten als widerlegt an. Seine Behauptung, er habe die Weiterleitung der Tasche nur vorübergehend zur Prüfung von Wertgrenzen verzögert, wertet der Senat als unglaubhafte Schutzbehauptung.

31

Zwar spricht die Konstanz im Aussageverhalten des Soldaten selbst zu dem Vorwurf einer Unterschlagung der Tasche für eine Glaubhaftigkeit seiner Einlassung. Es ist ihm auch nicht nachweisbar, dass er die Tasche in seine Wohnung verbracht und zu privaten Zwecken genutzt hätte. Vielmehr hat er sie nach seiner nicht zu widerlegenden Einlassung im Kofferraum seines privaten PKWs belassen und damit in einem Raum, in dem er bei Abholung dienstlich beschaffter Artikel diese auch regelmäßig transportierte. Daher ist hieraus allein ein ausreichendes Indiz für eine Zueignungsabsicht nicht zu gewinnen.

32

Eine Gesamtbetrachtung des Tuns und des Unterlassens des Soldaten nach der Mitnahme der Tasche bei der Firma M. bis zur Übergabe an den Zeugen A. ergibt aber überzeugende Beweisanzeichen für die Absicht, die Tasche für sich selbst nutzen zu wollen.

33

Ins Gewicht fällt hierbei die - wie vom Soldaten eingeräumt - bewusst unzutreffende Antwort auf die Frage des Zeugen B., des Nutzers des Laptops, nach einer Mitlieferung einer Tasche. So verhält sich, wer das Vorhandensein der Tasche verheimlichen und ihren Besitz verschleiern will. Der Soldat war nach seiner Einlassung auch nicht im Irrtum darüber, dass sich die Frage des Nutzers auf die ihm bei der Abholung von Notebook und Software zusätzlich überreichte Tasche richtete. Er wollte die Frage vielmehr nach seinem Eingeständnis unzutreffend beantworten, um sich Nachfragen und Drängen des Nutzers zu entziehen. Derartige Überlegungen verfolgt jedoch auch, wer die Tasche nicht nur vorübergehend zu Prüfzwecken, sondern dauerhaft für sich behalten will.

34

Hinzu tritt die Initiierung einer Ersatzbeschaffung für den Nutzer im Wege der turnusmäßigen Büromaterialbestellung durch den Zeugen D. . Hätte auf Seiten des Soldaten die Absicht bestanden, die Tasche dem Dienstherrn nach einer Prüfung von Wertgrenzen zur Verfügung zu stellen, wäre diese Anforderung unnötig gewesen. Der Zeuge D. hätte die Tasche zudem auch gar nicht sofort, sondern erst mit der nächsten turnusmäßigen Beschaffung von Büromaterial bestellt. Eine ernsthafte Prüfung des Wertes der erhaltenen Tasche hätte ohne Weiteres schneller abgeschlossen werden können als eine Ersatzbeschaffung im Rahmen der turnusmäßigen Büromaterialbestellung. Mithin wäre die Bestellung durch den Zeugen D., hätte der Soldat tatsächlich nur noch den Wert prüfen wollen, auch deshalb überflüssig gewesen, weil eine Ersatzbeschaffung durch den Zeugen D. nicht dazu geführt hätte, dass der Nutzer schneller eine Tasche erhalten hätte.

35

Ein gewichtiges Indiz für eine Zueignungsabsicht ist auch die zeitliche Koinzidenz zwischen der Übergabe der Tasche an den Zeugen A. und der Kenntnis des Soldaten von laufenden Nachforschungen nach diesem Artikel. Der Soldat hat die Tasche nicht aus freien Stücken seinem Vorgesetzten übergeben, sondern zu einem Zeitpunkt, in dem der Vorgesetzte bereits erste Ermittlungen wegen der Tasche tätigte und unmittelbar nachdem der Soldat nach seiner eigenen Einlassung davon erfahren hatte.

36

Der Senat glaubt dem Soldaten nicht, dass er während des fraglichen Zeitraums Anstrengungen zur Ermittlung des Wertes der Tasche im Hinblick auf die Einhaltung von Wertgrenzen für ihre Annahme oder Vereinnahmung getätigt hat.

Gegen die Glaubhaftigkeit dieser Einlassung spricht bereits, dass der Soldat auch in der Berufungshauptverhandlung nur vage und wechselnde Angaben dazu gemacht hat, welche Wertgrenzen nach welchen Vorschriften er konkret geprüft habe. So hat er zum Teil von der - auf unentgeltliche Zuwendungen an den Bund selbst gar nicht anwendbaren - Grenze von 25 € für eine stillschweigende Zustimmung des Dienstherrn zur Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Soldaten gesprochen, zum Teil aber auch von höheren Wertgrenzen bis 150 €, die im Rahmen der Vorschriften über die Vereinnahmung von Gegenständen für das Bundesvermögen Anwendung finden sollen. Darüber hinaus hat er auf Vorschriften über das Verhalten bei fehlerhaften Lieferungen Bezug genommen, obwohl bei einer Gratiszugabe zu einer wertvollen Bestellung für jedermann ersichtlich von einer fehlerhaften Lieferung nicht die Rede sein kann. Dass er die für Zuwendungen an eine Dienststelle der Bundeswehr, für die eine Gegenleistung weder erwartet noch erbracht wurde, geltende Grenze von 30 € nach Punkt 2.3 der "Durchführungsbestimmungen zur allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater (Sponsoring, Spenden und sonstige Schenkungen)" (VMBl 2004, 26) bislang gar nicht kannte, hat er in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt. Er hat zudem nur vage und allgemein gehaltene Angaben dazu machen können, welche konkreten Anstrengungen er zur Ermittlung des Wertes der Tasche unternommen haben will und auf einzelne Kataloge und Internetrecherchen verwiesen. Der Senat glaubt dem Soldaten nicht, dass ein fähiger Teileinheitsführer der Dezentralen Beschaffung, wie der Soldat ausweislich seiner Beurteilungen, nicht in der Lage ist, eine derartige Prüfung binnen 11 Tagen zum Abschluss zu bringen, zumal wenn er - wie hier - sehr kurzfristig den Preis einer als Ersatzbeschaffung gedachten und daher funktionsgleichen Tasche ermittelt und damit bereits einen ersten Anhaltspunkt für den Rahmen, in dem sich Werte bewegen könnten, hatte. Zudem hat der Soldat eine naheliegende Möglichkeit, sich die Prüfung des Wertes durch eine Internetrecherche oder Nachfragen bei Herstellerfirmen zu erleichtern, nicht genutzt. Hätte er die Tasche von Anfang an in sein Büro gestellt, hätte er damit nicht nur den Willen dokumentiert, sie dem Dienstherrn zukommen zu lassen, sondern auch jederzeit nachprüfen können, ob im Wege der telefonischen oder Internetrecherche ermittelte Preise für nach Material, Modell, Größe und Hersteller gleiche Taschen gelten. Dass dies unterblieben ist, spricht gegen eine Prüfabsicht.

37

Gegen eine Absicht, die Tasche dem Dienstherrn zuzuführen, spricht auch, dass der Soldat es unterlassen hat, den Vorgang Kameraden transparent zu machen. Wäre der Soldat tatsächlich mit dem Problem überfordert gewesen, ohne Weiteres zu entscheiden, ob der Dienstherr die Tasche behalten und vereinnahmen darf oder zurückgeben muss, hätte es für einen redlich handelnden Soldaten nahegelegen, sich mit seinem Problem an einen Vorgesetzten zu wenden und diesen um Hilfe oder die Übernahme der Bearbeitung zu bitten. Von dieser Möglichkeit hat der Soldat keinen Gebrauch gemacht. Er war in der Berufungshauptverhandlung nicht in der Lage, den Grund hierfür plausibel zu erläutern. Es mag sein, dass die vom Soldaten mit Hinweis auf die Beurteilung, eine Wehrbeschwerde und Eingaben beim Wehrbeauftragen glaubhaft vorgebrachten Spannungen mit dem Zeugen A. ihn daran gehindert haben, diesen anzusprechen. Es ist aber kein Grund ersichtlich, wieso es nicht möglich gewesen wäre, etwa den Zeugen R. oder den Kompaniefeldwebel, den Zeugen D., um Rat zu fragen und sie zumindest auf das Vorhandensein der Tasche hinzuweisen, um so die Annahme für den Dienstherrn zu dokumentieren. Sowohl der Soldat selbst als auch diese Zeugen haben bestätigt, ein gutes kameradschaftliches Verhältnis gepflegt zu haben. Beide Zeugen haben in der Berufungshauptverhandlung deutlich gemacht, dass sie auf eine Bitte um Unterstützung nicht mit Ablehnung oder Unverständnis reagiert hätten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Soldat mit Schwierigkeiten durch diese Zeugen hätte rechnen müssen, wenn er ihnen sein Problem offenbart hätte.

38

Für die Absicht, die Entgegennahme der Tasche zu verheimlichen, spricht auch, dass der Soldat es unterlassen hat, in seiner ersten Vernehmung zu dem Beschaffungsvorgang am 20. Januar 2012 auf das Vorhandensein der Tasche hinzuweisen. Zwar stand bei dieser Befragung das schriftliche Beschaffungsersuchen im Mittelpunkt, in dem die Tasche nicht aufgeführt war. Die Aussage des Soldaten, weiteres Zubehör sei nicht enthalten gewesen, erfolgte aber unmittelbar im Anschluss an seine Angabe, er habe den Laptop und die Software am 11. Januar 2012 persönlich in W. abgeholt. Der enge Zusammenhang beider Aussagen suggeriert dem Vernehmenden, Laptop und Software seien faktisch alles gewesen, was übergeben worden sei. Der Senat ist überzeugt, dass der auch in der Berufungshauptverhandlung intelligent und eloquent auftretende Soldat erkannt hat, dass dieses Aussageverhalten geeignet war, das Vorhandensein der Tasche zu verschleiern. Für einen redlich handelnden Soldaten hätte es nahe gelegen, spätestens in dieser Befragung transparent zu machen, dass bei der Umsetzung der Beschaffung noch das Problem der Prüfung von Wertgrenzen für eine Gratiszugabe offen war.

39

Der Senat glaubt dem Soldaten auch nicht, dass er sich wegen seines belasteten Verhältnisses zum Zeugen A. in einer "Zwickmühle" sah, in der ihm jede mögliche Reaktion auf das Angebot der Gratiszugabe durch den Zeugen S. von seinem Vorgesetzten hätte vorgeworfen werden können, so dass er aus Unsicherheit untätig blieb. Der Soldat ist in den in der Berufungshauptverhandlung auszugsweise verlesenen Beurteilungen und von den Zeugen C., R., A. und D. als selbstbewusster, strukturiert arbeitender und fachlich kompetenter Teileinheitsführer beschrieben worden. Er ist auch in der Berufungshauptverhandlung selbstsicher und eloquent aufgetreten. Daher liegt fern, dass er aus Überforderung mit der Situation die Prüfung von Wertgrenzen schleifen ließ und die Existenz der Tasche verdrängte.

40

Nach Abwägung aller Indizien ist der Senat überzeugt, dass der Soldat das Risiko einer Sanktion trotz des geringen Wertes der Tasche einging, weil er auf ein geringes Entdeckungsrisiko vertraute. Denn die Übergabe der Tasche war von keinem Kameraden beobachtet worden und die Akten von Bundeswehrdienststellen enthielten keinen Hinweis auf die nicht bestellte Tasche.

41

3. Der Soldat hat ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen, indem er wissentlich und willentlich und damit vorsätzlich die Dienstpflichten aus §§ 7, 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt hat.

42

a) Durch seine Antwort auf die Frage des Zeugen B. hat der Soldat die Wahrheitspflicht aus § 13 Abs. 1 SG verletzt.

43

aa) Die Frage nach mitgelieferten Zubehörteilen zu einem dienstlich bestellten Notebook ist eine dienstliche Angelegenheit, weil sie in engem Zusammenhang mit der Umsetzung des vom Soldaten bearbeiteten Beschaffungsersuchens steht und sich auf einen Gegenstand richtete, den der Fragende zur Erfüllung seiner Dienstpflichten benötigte.

44

Die Beantwortung der Frage des Zeugen B. mit "nein" war objektiv wahrheitswidrig.

Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Frage - wie im Anschuldigungssatz sinngemäß umschrieben - lautete, "ob eine Laptoptasche zum Lieferumfang gehöre" oder - wie der Zeuge es in der Hauptverhandlung beim Truppendienstgericht selbst formuliert hat - "ob eine Tasche dabei war". Entscheidend ist, wie die Frage aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus zu verstehen war. In beiden genannten Formulierungen ist sie objektiv darauf gerichtet, in Erfahrung zu bringen, was tatsächlich bei der Abholung der Bestellung übergeben worden war. Bei lebensnahem Verständnis wollte der Nutzer des Notebooks wissen, ob mit dem Gerät ein für seine bestimmungsgemäße Verwendung brauchbares Zubehörteil, eine sichere Transportverpackung, mit ausgeliefert worden ist. Hinter der Frage steht für einen Beobachter erkennbar die Erwartung, ein für den mobilen Einsatz bestimmtes Gerät wäre gleichsam "serienmäßig" mit der seinen sicheren Transport an unterschiedliche Einsatzorte gewährleistenden Hülle ausgestattet. Der Zeuge hat mit seiner Frage die Erwartung des typischen Nutzers zum Ausdruck gebracht, eine solche Hülle sei bei der Übergabe des Gerätes dabei gewesen. Für den Nutzer sind die beschaffungstechnischen Fragen nach dem Akteninhalt des Bestellvorganges, nach Rechnungen und Lieferscheinen, bzw. die juristischen Fragen nach dem Gegenstand des Kaufvertrages unwichtig.

45

Dass es sich bei dem Zeugen B., der dem Dienstgrad eines Hauptfeldwebels innehat, nicht um einen Vorgesetzten handelt, ist nach dem Tatbestand des § 13 Abs. 1 SG rechtlich ohne Bedeutung.

46

bb) Der Soldat hat die Wahrheitspflicht wissentlich und willentlich und damit vorsätzlich verletzt. Nach seiner Einlassung in der Berufungshauptverhandlung wusste er, dass sich die Frage auf die Tasche richtete, die noch in seinem Kofferraum lag und auf deren Existenz er den Zeugen B. zur Vermeidung von drängenden Nachfragen nicht hinweisen wollte.

47

Der Wunsch, sich nicht mit Nachfragen und Beschwerden auseinandersetzen zu müssen, rechtfertigt weder eine unwahre Auskunft noch entschuldigt er sie. Ein etwaiger Irrtum hierüber betrifft weder den Vorsatz noch mindert er die Schuld des Soldaten.

48

b) Durch die Annahme der Tasche, das Belassen im Kofferraum seines privaten PKW, die Verneinung der Frage des Zeugen B. und die Veranlassung einer Ersatzbeschaffung durch den Zeugen D. hat der Soldat vorsätzlich die Pflicht aus § 7 SG verletzt, zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem zur Beachtung der Strafgesetze (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - m.w.N. Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 und vom 1. Februar 2012 - 2 WD 1.11 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 57 Rn. 50 ff.), weil er eine Unterschlagung im Sinne von § 246 StGB zulasten des Bundes begangen hat. Wer eine Vermögensstraftat zulasten des Bundes begeht, verletzt damit zugleich die Pflicht, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 43 Rn. 35).

49

aa) Entgegen den Erwägungen in der schriftlichen Berufungsbegründung ist die Tasche in das Eigentum des Bundes übergegangen und war daher für den Soldaten eine fremde bewegliche Sache.

50

Der Erwerb des Eigentums an einer beweglichen Sache setzt nach § 929 Satz 1 BGB eine Einigung als dinglichen Vertrag zwischen dem bisherigen und dem neuen Eigentümer und eine Übergabe, durch die der neue Eigentümer mittelbaren oder unmittelbaren Besitz an der Sache erlangt, voraus. Bei der rechtsgeschäftlichen Einigung ist eine Vertretung (§§ 164 BGB ff.) möglich, nicht aber bei dem Realakt der Übergabe, bei der allerdings ein Besitzerwerb des neuen Eigentümers durch einen Besitzdiener (§ 855 BGB) oder ein Besitzkonstitut (§ 868 BGB) in Betracht kommt. Wegen des Abstraktionsprinzips ist für den Eigentumsübergang das schuldrechtliche Grundgeschäft unerheblich.

51

Stellvertretend für den ursprünglichen Eigentümer der Tasche hat der Zeuge S. durch die Hingabe der Tasche und die sinngemäß gebrauchten Worte "die gibt es mit dazu" das Angebot einer Übereignung unterbreitet, das sich zumindest auch an die Bundesrepublik Deutschland richtete. Dieses Angebot hat der Soldat durch konkludentes Tun als Vertreter für den Bund angenommen. Da mit seiner Funktion als Teileinheitsführer der Teileinheit Dezentrale Beschaffung eigene Entscheidungsbefugnisse und eine gewisse Selbständigkeit in der Wahrnehmung der Aufgabe verbunden waren, ist der Soldat nicht nur als Bote zu qualifizieren, der eine fremde Willenserklärung überbringt. Vielmehr folgt aus seiner Verwendung die Berechtigung, im Rahmen der Umsetzung eines Beschaffungsvorganges auch die für den Eigentumserwerb des Bundes notwendigen Erklärungen als Vertreter abzugeben. Ob der Soldat bei der Übergabe der Tasche bereits die Absicht hatte, sie für sich zu behalten, ist für den Eigentumsübergang unerheblich. Ob jemand als Vertreter oder im eigenen Namen handelt, hängt nämlich, wie stets im Rechtsverkehr bei der Auslegung von Willenserklärungen, vom objektiven Erklärungswert ab, also davon, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben für den Empfänger darstellt; der innere Wille des Vertreters ist nicht maßgebend (BGH, Urteile vom 5. Oktober 1961 - VII ZR 207/60 - juris LS und Rn. 27 und vom 17. Dezember 1987 - VII ZR 299/86 - juris Orientierungssatz und Rn. 17). Hier ist der Soldat nach den Umständen als Vertreter des Bundes aufgetreten als er die Tasche entgegen nahm. Denn er hat sie als Zugabe zu einer ausdrücklich im Namen des Bundes getätigten und für diesen abgeholten Bestellung übernommen. Wenn derjenige, der eine kostenlose Zugabe zu einer für einen anderen entgegengenommenen Sache annimmt, den Willen, die Zugabe aber nur im eigenen Namen zu akzeptieren, nicht eindeutig offenlegt, lassen die Umstände für einen Beobachter nur den Schluss zu, dass er die Zugabe für den Empfänger der Hauptsache annimmt.

52

Die Übergabe an den Bund besteht darin, dass der Soldat als Besitzdiener des Bundes die Tasche entgegennahm. Soldaten sind Besitzdiener der ihnen dienstlich anvertrauten Sachen (OLG München, Urteil vom 5. Februar 1986 - 15 U 3986/85 - juris LS und Rn. 18). Damit ist der Dienstherr nach § 855 BGB Besitzer der Tasche geworden. Der Gewahrsamserwerb durch eine Hilfsperson - hier den Soldaten - kommt der übergeordneten Person - hier dem Bund - dann zugute, wenn deren Weisungen sich generell oder speziell auf die betreffende Sache beziehen (Gutzeit, in: Staudinger/Gursky, BGB, Auflage 2012, § 855 BGB Rn. 24). Die dem Soldaten übertragene Aufgabe, im Rahmen der dezentralen Beschaffung gelieferte Gegenstände entgegenzunehmen, erfasst auch im Zusammenhang mit einer Bestellung stehende Zugaben. Denn sie von den übertragenen Aufgaben auszunehmen, würde den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit widersprechen. Den Erwerb für den Besitzherrn hindert nicht ein etwaiger Eigenerwerbswille des Besitzdieners, sondern nur ein weisungswidriges äußeres Verhalten (Gutzeit, in: Staudinger/Gursky, BGB, Auflage 2012, § 855 BGB Rn. 14, 24). Da der Soldat die Tasche aber gemeinsam mit dem Laptop entgegennahm und beides in den dienstlichen Bereich mitnahm, legte er ein solches Verhalten nicht an den Tag. Damit wurde allein der Dienstherr nach § 855 BGB Besitzer der Tasche, was allerdings nichts daran ändert, dass der Besitzdiener und nicht der Besitzer Gewahrsam hat (vgl. Fischer, StGB, 63. Auflage 2016, § 242 StGB Rn. 11, 14 m.w.N.).

53

bb) Indem der Soldat die Tasche im eigenen Kofferraum belassen, die Frage des Zeugen B. verneint und die Bestellung einer weiteren Tasche durch den Zeugen D. veranlasst hat, hat er die Tathandlung des § 246 Abs. 1 StGB erfüllt.

54

Eine Zueignung als Tathandlung der Unterschlagung setzt eine nach außen erkennbare Manifestation des Zueignungswillens voraus. Das bloße Unterlassen einer Herausgabe an den Eigentümer reicht hierfür in aller Regel nicht aus, vielmehr muss der Täter ein Verhalten an den Tag legen, das den sicheren Schluss darauf zulässt, er wolle den fraglichen Gegenstand unter Ausschluss des Eigentümers seinem Vermögen einverleiben (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 1 StR 693/86 - juris Rn. 22).

55

Da der Soldat die Tasche stellvertretend für den Bund berechtigt entgegen genommen und als Besitzdiener Sachherrschaft ausgeübt hatte, ist der Fortbestand dieser Sachherrschaft, das bloße Behalten der Sache, selbst dann keine Manifestation einer Zueignungsabsicht, wenn die Herausgabe geschuldet, ihr Unterbleiben also pflichtwidrig war (vgl. Vogel, in: Laufhütte u.a., Leipziger Kommentar, StGB 12. Auflage 2010, § 246 StGB Rn. 43, Fischer, StGB 63. Auflage 2016, § 246 StGB Rn. 9, jeweils mit Nachweisen zur Rspr). Anders liegt der Fall aber, wenn weitere Indizien für einen Enteignungsvorsatz hinzutreten. Dies können auch "verbale Zueignungsakte" (Vogel, in: Laufhütte u.a., Leipziger Kommentar, § 246 StGB Rn. 43) sein. Die Zueignung kann namentlich in der Ableugnung des Gewahrsams und der Verheimlichung des Standortes bestehen (Vogel in Laufhütte u.a., Leipziger Kommentar, StGB 12. Auflage 2010 - § 246 Rn. 44; Fischer, StGB 63. Auflage 2016 § 246 StGB Rn. 7 jeweils m.N. zur Rspr).

Hier kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Soldat die Frage des Zeugen B., ob eine Tasche zum Notebook gehöre, verneint und den Zeugen B. auf eine anderweitige Neubeschaffung verwiesen sowie die Neubeschaffung einer solchen Tasche initiiert hatte, die der Zeuge D. dann in die Wege leitete. Wie ausgeführt, dokumentiert dieses Verhalten die Absicht, die Existenz der Tasche in seinem Gewahrsam zu verschleiern, durch die Beschaffung eines Ersatzes für den Nutzer des Laptops jede weitere Nachfrage im Ansatz zu unterbinden, um sich der Besitzdienerschaft zu entledigen, und die Tasche künftig privat nutzen zu können.

56

cc) Wie ausgeführt, geschah dies wissentlich und willentlich und damit vorsätzlich und in Zueignungsabsicht.

57

c) Der Soldat hat durch die unwahre Auskunft an den Zeugen B. und die Unterschlagung von Bundeseigentum zudem vorsätzlich die Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Wer vorsätzlich die Wahrheitspflicht verletzt, vorsätzlich Vermögensstraftaten zulasten des Dienstherrn begeht oder seine Vermögensbetreuungspflicht zugunsten des Dienstherrn außer Acht lässt, erschüttert das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Integrität (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1997 - 2 WD 24.96 - BVerwGE 113, 48 <54>, vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29).

58

4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

59

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen wegen der Verletzung zentraler Pflichten durch einen Vorgesetzten unter Missbrauch einer Vertrauensstellung sehr schwer.

60

aa) Gewicht verleiht ihm bereits die Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Schwer wiegt insbesondere die Verletzung der Pflicht zur Sorge für das Vermögen des Bundes, wenn ein Soldat auf Eigentum des Bundes Zugriff nimmt.

61

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sind auch durch die Verletzungen der dienstlichen Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) gekennzeichnet (vgl. dazu insb. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 2 WD 4.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 23). Ein Soldat, der in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - m.w.N. § 38 WDO 2002 Nr. 26>). Wer als Soldat in dienstlichen Äußerungen und Erklärungen vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit des Soldaten (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 2 WD 4.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 23 m.w.N.).

62

Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 - m.w.N. - und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.

63

bb) Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass die Notebooktasche dem Soldaten nicht anvertraut war. Anvertraut ist ein Objekt einem Soldaten, wenn diesem dafür eine besondere dienstliche Schutz- und Verwendungspflicht und damit auch eine Garantenstellung übertragen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 25). Hieran fehlt es, weil die mit der Abholung von bestellten Gegenständen verbundene Sorge für den Schutz der Sachen den Aufgabenbereich des Soldaten nicht prägte. Dass er Besitzdiener des Dienstherrn war, reicht für ein Anvertrautsein nicht aus, da dies für alle von Soldaten in der dienstlichen Sphäre genutzte Materialien gilt.

64

Wegen seiner Stellung als Materialbewirtschaftungsfeldwebel und Führer der Teileinheit Dezentrale Beschaffung hatte der Soldat aber eine Vertrauensposition inne, die er zur Begehung des Dienstvergehens ausgenutzt hat. Ein unter Ausnutzung einer derartigen Stellung begangenes Dienstvergehen wiegt ebenso schwer wie der Zugriff auf anvertrautes Gut.

Eine der Sorge für anvertraute Materialien vergleichbare Vertrauensposition hat zum Beispiel der Materialnachweisfeldwebel inne, der dafür Sorge zu tragen hat, dass Gegenstände ausschließlich zu dienstlichen Zwecken angefordert und verwendet werden (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 44).

Hier war der Soldat zum Tatzeitpunkt zwar nicht Materialnachweis-, aber Materialbewirtschaftungsfeldwebel und Führer der Teileinheit Dezentrale Beschaffung. Damit hatte er eine Vertrauensposition inne, der hohe Bedeutung zukommt, weil der Bund gerade in diesem Bereich in besonderer Weise auf die Integrität und Verlässlichkeit seiner Bediensteten angewiesen ist. Diese Stellung hat der Soldat zur Begehung des Dienstvergehens ausgenutzt. Denn die Tasche ist dem Abholer einer Bestellung als Gratiszugabe nur deshalb angeboten worden, weil er im Rahmen seiner Zuständigkeit für die dezentrale Beschaffung ein Notebook und Software von erheblichem Wert für den Bund erwarb, mit dem diese Zugabe als saisonale Aktion und "Bundleartikel" verknüpft war. Als Führer der Teileinheit konnte er selbst entscheiden, bestellte Gegenstände abzuholen, so dass er sich dadurch die Gelegenheit zum Zugriff auf Zugaben verschaffte. Nur durch die Tätigkeit aus dem Kernbereich seiner Funktion hat er die Zugriffsmöglichkeit erhalten, die er ausgenutzt hat. Die Ausnutzung der besonderen Vertrauensstellung im Kernbereich des Dienstpostens verleiht dem Dienstvergehen dasselbe Gewicht wie ein Zugriff auf anvertrautes Gut.

65

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - m.w.N., vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).

66

b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn durch den vorübergehenden Entzug der Notebooktasche und wegen der Beeinträchtigungen in der weiteren Verwendung des Soldaten. Wegen der Ermittlungen wurde der Soldat zunächst mit Verfügung des Staffelchefs vom ... von seinen Aufgaben als Teileinheitsführer Dezentrale Beschaffung entbunden und im Bereich Nachschub eingesetzt. Nur wegen dienstlicher Notwendigkeiten wurde er zwar am ... erneut mit der Dezentralen Beschaffung betraut, aber ihm mussten Einschränkungen auferlegt werden.

67

c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat in Zueignungsabsicht und damit aus wirtschaftlichem Eigennutz gehandelt.

68

d) Das Maß der Schuld des uneingeschränkt schuldfähigen Soldaten wird durch das vorsätzliche Handeln bestimmt.

69

Maßnahmemildernd ist zu berücksichtigen, dass der Vermögenswert der in Rede stehenden Sache gering ist und durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Interessen verletzt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 3). Die "Bagatellgrenze" liegt bei ca. 50 € (BVerwG, Urteil vom 16. März 2011 - 2 WD 40.09 - juris Rn. 30 m.w.N.). Hier wird die Bagatellgrenze durch den Wert der Tasche von unter 15 € nicht überschritten.

70

Weitere Milderungsgründe in den Umständen der Tat (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) liegen nicht vor. Insbesondere scheidet eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten hier mangels eines von Spontanität und Kopflosigkeit geprägten Vorgehens aus. Der Soldat hat nicht unüberlegt die Frage des Zeugen B. verneint, sondern zusätzlich noch die Beschaffung einer weiteren Notebooktasche initiiert, so dass ein mehraktiges Geschehen vorliegt.

71

Allerdings hält der Senat dem Soldaten die Persönlichkeitsfremdheit der Tat - wenn auch mit geringerem Gewicht als ein klassischer Milderungsgrund - mildernd zugute (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 WD 14.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:050614U2WD14.13.0] Rn. 28), wird doch aus der letzten planmäßigen Beurteilung deutlich, dass er bislang zuverlässig war.

72

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem Soldaten die guten dienstlichen Leistungen der Vergangenheit zugute zu halten, die durch die in der Endnote übereinstimmenden dienstlichen Beurteilungen und die förmliche Anerkennung ausgewiesen werden. Eine Nachbewährung (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - Rn. 48.) ist mangels einer Leistungssteigerung aber nicht feststellbar.

73

Für den Soldaten spricht die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da er hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.

74

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts eine Dienstgradherabsetzung zum Stabsunteroffizier der Besoldungsgruppe A 7 tat- und schuldangemessen und trägt auch dem mildernden Umstand der überlangen Verfahrensdauer angemessen Rechnung. .

75

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

76

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

77

Hier ist wegen des Zugriffs auf Vermögen des Bundes aus einer Vertrauensstellung heraus die Höchstmaßnahme in den Blick zu nehmen.

Vergreift sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich an Eigentum oder Vermögen seines Dienstherrn, so indiziert ein solch schweres Fehlverhalten nach der Senatsrechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Februar 2008 - 2 WD 9.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 4 und vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26) regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung. Erfolgt der vorsätzliche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten eines Soldaten, wenn etwa auf anvertrautes Gut zugegriffen wird, so ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 m.w.N., vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - Rn. 44 und vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 43 Rn. 72). Wie ausgeführt wiegt die Ausnutzung der Vertrauensstellung ebenso schwer wie der Zugriff auf anvertrautes Gut, so dass dieselbe Regelmaßnahme in den Blick zu nehmen ist.

78

bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

79

Da hier die Bagatellgrenze deutlich unterschritten wurde, kann von der Höchstmaßnahme abgesehen werden, so dass eine Dienstgradherabsetzung tat- und schuldangemessen ist. Da dies bereits eine Milderung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen darstellt, ist eine weitgehende Degradierung, die hier nach § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO bis in einen Mannschaftsdienstgrad zulässig wäre, zu erwägen. Zur Bestimmung der konkret tat- und schuldangemessenen Reichweite der Dienstgradherabsetzung sind die bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen noch nicht berücksichtigten erschwerenden Aspekte - hier die gewichtige Verletzung der Wahrheitspflicht - mit den mildernden Aspekten - hier insbesondere die Leistungen des Soldaten und die Persönlichkeitsfremdheit der Tat - gegeneinander abzuwägen.

80

Maßnahmemildernd ist darüber hinaus die Verfahrensdauer einzustellen.

Eine überlange Verfahrensdauer, die einen Verstoß gegen die Gewährleistung einer Verhandlung innerhalb angemessener Frist durch Art. 6 EMRK darstellt, begründet einen Milderungsgrund bei solchen Disziplinarmaßnahmen, die wie die Dienstgradherabsetzung der Pflichtenmahnung dienen. Denn das Verfahren als solches wirkt bereits belastend und ist deshalb mit pflichtenmahnenden Nachteilen verbunden, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Sanktionsbedürfnis mindern können (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2003 - 2 WD 2.02 - NZWehrr 2004, 83 ff. und juris Rn. 18, vom 26. September 2006 - 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 <32>, vom 13. März 2008 - 2 WD 6.07 - juris Rn. 116, vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - juris Rn. 122, vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 47, vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Rn. 39 f. m.w.N. sowie vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - Rn. 62).

81

Ob die Dauer eines konkreten Verfahrens noch angemessen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Falls und folgender Kriterien zu beurteilen: die Schwierigkeit des Falls, das Verhalten des Betroffenen und das der zuständigen Behörden und Gerichte sowie die Bedeutung des Rechtsstreits für den Betroffenen (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017> m.w.N., BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - Rn. 36). Hier ist eine Einzelfallprüfung erforderlich und es ist nicht auf feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungs- bzw. Anhaltswerte abzustellen, unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 <154> Rn. 29). Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 6 EMRK zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (§ 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 <159> Rn. 42). Bei der Verfahrensgestaltung kommt dem Gericht ein Gestaltungsspielraum zu. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind.

82

Es kann offenbleiben, ob die Verfahrensdauer eines Disziplinarverfahrens ab der förmlichen Einleitung zu berücksichtigen ist (so EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 LS), mithin hier ab April 2012 oder - wegen der Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 WDO - erst ab Einreichung der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat das Verfahren kontinuierlich betrieben und während der Zeit bis zur Einreichung der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht im März 2013 keine Verzögerungen verursacht, die nicht durch Ermittlungen veranlasst waren. Beim Truppendienstgericht konnte das Verfahren nach dem Austausch von Stellungnahmen zur Anschuldigung bis Mai 2013 wegen der dem Senat bekannten Belastung der Kammer durch hohe Eingangszahlen und ein aufwendiges Großverfahren fast zwei Jahre lang nicht weiter gefördert werden. Dieser Umstand ist dem Vorsitzenden der Kammer nicht vorwerfbar, hierin begründete Verfahrensverzögerungen sind allerdings dem Staat zuzurechnen und rechtfertigen es nicht, einen Soldaten länger als nötig den Belastungen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens auszusetzen. Das Disziplinarverfahren hatte schon deswegen für alle Beteiligten hohe Bedeutung, weil ein schweres Dienstvergehen und eine gravierende Maßnahme mit Auswirkungen auf das Amt des Soldaten in Rede stand. Hier war das Verfahren Ende Mai 2013 vorbehaltlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung entscheidungsreif. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Vorbereitung einer Hauptverhandlung einen nicht unerheblichen Aufwand mit sich bringt, wäre dieser in einem "mehrmonatigen Gestaltungszeitraum" (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 <164> Rn. 53 f.) zu bewältigen gewesen. Danach hätten der Anspruch auf eine Erledigung des Verfahrens in angemessener Zeit und das Beschleunigungsgebot aus § 17 Abs. 1 WDO eine Terminierung geboten. Aber erst Mitte April 2015 wurde die abschließende Verhandlung durchgeführt. Mithin steht hier eine unangemessene Verlängerung des Verfahrens um über ein Jahr in Rede.

83

In Abwägung der erschwerenden Aspekte mit den mildernden unter Einbeziehung der überlangen Verfahrensdauer ist die Belassung eines Vorgesetztendienstgrades unter Degradierung aus der Gruppe der Unteroffiziere mit Portepee heraus ausreichend, aber auch geboten.

84

Dass das Strafverfahren nach § 153 StPO ohne Auflage eingestellt wurde, ist für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht erheblich: Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. BVerwG Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris m.w.N., vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 51, vom 28. Juni 2012 - 2 WD 34.10 - juris Rn. 112, vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 79 und vom 15. Mai 2014 - 2 WD 3.13 - Rn. 30).

85

§ 16 Abs. 1 WDO und § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen der Maßnahme nicht entgegen.

86

Eine Verkürzung der Wiederbeförderungsfrist (§ 62 Abs. 3 Satz 3 WDO) ist nicht geboten. Zum einen steht das Dienstzeitende des Soldaten unmittelbar bevor. Zum anderen sind die mildernden Umstände bereits vollständig bei der Bestimmung des Umfanges der Degradierung berücksichtigt worden.

87

5. Die Kostenentscheidung folgt §§ 138 Abs. 1 Satz 1, 139 Abs. 3, 140 Abs. 5 Satz 1 WDO. Die Kostenentscheidung der Vorinstanz hat für die in der ersten Instanz entstandenen Kosten Bestand.