Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 13.09.2011


BVerwG 13.09.2011 - 2 WD 15/10

Unberechtigte Nutzung von Dienstfahrzeugen; Abgrenzung von Verbot- und Tatbestandsirrtum; disziplinarische Vorbelastung; entlastende Umstände


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
13.09.2011
Aktenzeichen:
2 WD 15/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Truppendienstgericht Süd, 1. Dezember 2009, Az: S 5 VL 18/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Ob ein Irrtum über die Genehmigungsfähigkeit einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum darstellt, richtet sich danach, ob die Tat ihren Unwert nur aus dem Fehlen der Genehmigung eines im Allgemeinen sozialadäquaten Verhaltens herleitet - dann Tatbestandsirrtum - oder ob es sich um ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten handelt, das im Einzelfall nur aufgrund einer Genehmigung erlaubt ist - dann Verbotsirrtum.

2. Es besteht keine Gesetzmäßigkeit des Inhalts, dass eine disziplinarische Vorbelastung bei einem erneuten Dienstvergehen zwingend zu einer schwereren als der zuvor verhängten Disziplinarmaßnahme (§ 58 Abs. 1 WDO WDO 2002>) führt.

3. Die Anforderungen, die an entlastende Umstände zu erstellen sind, werden durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt.

Tatbestand

1

Der 1964 geborene Soldat trat nach dem Hauptschulabschluss und einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann 1984 in die Bundeswehr ein. Im Januar 1985 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und im Juli 1993 zum Berufssoldaten ernannt. Seine Dienstzeit endet im März 2018. Der Soldat wurde zuletzt im Oktober 1991 zum Oberfeldwebel befördert.

2

Nach der Grundausbildung durchlief der Soldat die Ausbildung zum Horchfunker. Den Lehrgang "Auswertemeister Fernmelde/Elektronikaufklärung Luftwaffe" schloss er mit der Note "2", den Feldwebellehrgang mit der Note "4" ab. Nachdem er aufgrund familiärer Schwierigkeiten Schulden angehäuft hatte und ihm ein Dispositionskredit gekündigt worden war, kam es 2005 zur Zwangsversteigerung seines Einfamilienhauses und zum Entzug des Sicherheitsbescheids der Stufe Ü 3.

3

Seit Oktober 2005 versieht er als Controller beim ... in T. seinen Dienst. In Zweitfunktion wurde ihm ab Mitte 2006 die Verwaltung des Fuhrparks übertragen. Die Funktionen des S 2 und S 4 beim ... wurden zum Zeitpunkt des dem Soldaten vorgeworfenen Dienstvergehens nicht von Offizieren, sondern von Unteroffizieren wahrgenommen.

4

Der Soldat wurde mehrfach planmäßig beurteilt. In der vorletzten Beurteilung aus dem Jahre 2003 wurde ihm neunmal die Wertungsstufe "6" (Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforderungen) und viermal die Wertungsstufe "5" (Leistungen übertreffen erheblich die Anforderungen) zuerkannt, wobei die seinerzeit höchste Wertungsstufe "7" betrug. Unter Eignung und Befähigung wurde der Soldat durchgehend mit dem Ausprägungsgrad "D" (Eignung und Befähigung sind besonders vorhanden) beurteilt. In der freien Beschreibung wird der Soldat als zuverlässiger Portepeeunteroffizier beschrieben, der über ein beispielgebendes berufliches Selbstverständnis verfügt. Seine offene und ehrliche Art sei die Basis für seine Beliebtheit im Kameradenkreis. Im Einsatz habe er sich bewährt und hervorragende Ergebnisse in seinem Aufgabenkreis erzielt. Er sei ein pflichtbewusster Soldat, der für sein Handeln einstehe.

5

Der seit November 2008 als Kompaniechef für den Soldaten zuständige Leumundszeuge Hauptmann R. hat vor dem Truppendienstgericht im Dezember 2009 ausgesagt, dass der Soldat bei der gegenwärtigen Verwendung keine großen Möglichkeiten habe, sich zu bewähren und zu zeigen, was in ihm stecke. In der letzten Zeit sei der Soldat durch diverse kleinere Verfehlungen aufgefallen. Es sei vorgekommen, dass er unrasiert zum Dienst erschienen sei oder sich nicht ordnungsgemäß abgemeldet hätte. Der Disziplinarvorgesetzte hat ausgesagt, man würde gerne versuchen, den Soldaten nach Abschluss des Disziplinarverfahrens aus seiner gegenwärtigen Verwendung herauszunehmen und ihm verantwortungsvollere Aufgaben zu übertragen. Der Soldat habe früher sehr gute Leistungen vorgewiesen.

6

Der Soldat hat die ihm vorgehaltenen Unregelmäßigkeiten der letzten Zeit mit den Besonderheiten seiner familiären Situation erklärt. Er müsse, wenn seine Frau bereits morgens Alkohol getrunken habe und der Junge nicht in die Schule gehen wolle, die Situation erst klären, bevor er zum Dienst fahre. Zudem habe er einen Bandscheibenvorfall erlitten und die notwendigen Behandlungen erfolgten auch morgens.

7

Die auf der Grundlage von 9 Wertungsstufen erstellte Beurteilung des Soldaten vom 3. März 2010 schließt mit dem Durchschnittwert "4,28" ("die Leistungen wurden erfüllt, teilweise übertroffen") ab. In der Erläuterung heißt es, die privaten Umstände hätten sich auf das Leistungsbild des Soldaten negativ niedergeschlagen, wobei das Leistungsvermögen besser sein könne. Der Soldat habe seine guten fachlichen Kenntnisse und sein praktisches Können in die Aufgabenerfüllung eingebracht. Die Arbeitsergebnisse würden zunehmen und sicherlich werde der Soldat in naher Zukunft zur alten Stärke zurückfinden. Die Zusammenarbeit sei von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geprägt; zunehmend integriere sich der Soldat wieder in den Kameradenkreis. Er verfüge über klare Wertvorstellungen und zeige wegen teilweise überwältigender persönlicher Probleme phasenweise zwar wenig Selbstantrieb und Ehrgeiz, lasse jedoch immer wieder positive Tendenzen erkennen. Sein Leistungsbild sei immer wieder von privaten Problemen abhängig. Der nächsthöhere Vorgesetzte führte aus, der Soldat verfüge über geistige und intellektuelle Eigenschaften, die ein deutlich besseres Leistungsbild zulassen würden. Er habe das Potenzial, bis zum Laufbahnziel befördert zu werden.

8

In der Berufungshauptverhandlung hat vor allem der gegenwärtige Disziplinarvorgesetzte Hauptmann E. diese Aussagen und Prognosen bestätigt. Er hat auch erklärt, es für unproblematisch zu halten, ja zu erwarten, dass die ihm unterstellten Soldaten auch während ihres Urlaubs bei Bedarf Entscheidungen treffen würden.

9

Der Soldat erhielt im Mai 2000 eine Zulage für die Erbringung besonderer Leistungen und 1999 sowie 2004 jeweils eine Förmliche Anerkennung.

10

Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 28. Januar 2010 enthielt zwei Eintragungen: Am 15. Februar 2006 wurde der Soldat vom Amtsgericht T. rechtskräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 Euro und mit Urteil des Amtsgerichts T. vom 30. März 2006 wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Sachgleich wurde gegen den Soldaten mit rechtskräftigem Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 22. Februar 2007 ein Beförderungsverbot für die Dauer von vierzehn Monaten verhängt. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 7. August 2011 enthält keine Eintragungen mehr.

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Das mit dem vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahren sachgleiche Strafverfahren wegen Untreue wurde durch Beschluss des Amtsgerichts T. unter der Auflage, eine Geldbuße von 500 Euro zu zahlen, gemäß § 153a Abs. 2 StPO im Juli 2009 endgültig eingestellt. Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 9. August 2011 enthält keine Eintragungen mehr.

12

Der verheiratete Soldat ist Vater von zwei im November 1994 und Oktober 1998 geborenen Kindern. Er unternahm im Februar 2009 einen Suizidversuch. Es werden ihm netto etwa 2 720 € Bezüge ausgezahlt. Seit Januar 2010 befindet sich der Soldat in einem auf sechs Jahre angelegten Privatinsolvenzverfahren, im Rahmen dessen er monatlich 250 € abzahlt. Seine Schulden belaufen sich auf etwa 100 000 € und sind auf die Zwangsversteigerung des früheren Eigenheims sowie darauf zurückzuführen, dass die Behandlungskosten für die alkohol- und zwischenzeitlich auch medikamentenabhängige Ehefrau des Soldaten in der Vergangenheit nicht vollständig von der Beihilfe und von der Krankenversicherung erstattet worden waren. Der Gesundheitszustand der Ehefrau hat sich nicht verbessert; eine stationäre Behandlung sowie ein Kuraufenthalt stehen zu erwarten. Das ältere Kind wiederholt die zehnte Klasse, das jüngere Kind besucht aufgrund einer Lernbehinderung die Förderschule.

13

1. In dem mit Verfügung des Luftwaffenführungskommandos im September 2007 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wird dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich Luftwaffenführungskommando vom 17. August 2009 vorgeworfen, seine Dienstpflichten wie folgt verletzt zu haben:

"1. Er ordnete in seiner Eigenschaft als Fuhrparkbeauftragter des ... der Wahrheit zuwider in der ...-Kaserne, ..., ... T., mit dem Fahrauftrag 0058/04/07 vom 02.05.2007 für den Zeitraum vom 02.05.2007 bis 06.05.2007 Wirtschafts- und Versorgungsfahrten sowie Materialtransport mit Bundeswehrfahrzeugen an, obwohl er die Fahrten entgegen der ihm bekannten ZDv 43/2 Nr. 301 zu privaten Zwecken eines Umzuges durchführen wollte und er wegen seines genehmigten Erholungsurlaubes ab 02.05.2007 zu dieser Zeit nicht anordnungsbefugt war.

2. Anschließend führte er entgegen der ZDv 43/2 Nr. 301 am 02.05.2007 und am 03.05.2007 mit einem Bundeswehr Lkw 5 to, Kennzeichen Y - 624 147/9, einen privaten Umzugstransport von seiner Wohnung ..., ... W., zu seiner neuen Wohnung in der ..., ... O., durch.

3. Anstatt das unter 2. näher beschriebene Bundeswehrfahrzeug gemäß der ihm bekannten ZDv 43/2 Nr. 314 spätestens am 06.05.2007 bei seiner Dienststelle abzugeben, stellte er es am 03.05.2007 unter einer Unterführung auf der L ... nahe der Ortschaft ... O. unbeaufsichtigt ab, wo es am 10.05.2007 durch eine Feldjägerstreife entdeckt wurde."

14

2. Die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat auf der Grundlage des angeschuldigten und als in objektiver Hinsicht zutreffend festgestellten Sachverhalts gegen den Soldaten unter Freistellung von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 ein Beförderungsverbot für die Dauer von 3 Jahren verhängt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

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Mit dem Ausfüllen des Fahrauftrages und der Nutzung des Dienstfahrzeugs zu privaten Umzugszwecken habe der Soldat fahrlässig gegen die Pflicht verstoßen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative SG). Dies führe jedoch deshalb zu keiner disziplinarischen Ahndung, weil die Wehrdisziplinaranwaltschaft diese Handlungen lediglich in der Schuldform des Vorsatzes angeschuldigt habe. Zwar habe der Soldat einen Bundeswehrführerschein erworben; dies liege jedoch bereits viele Jahre zurück, so dass ihm die Kenntnis von den seinerzeit einschlägigen Bestimmungen über die private Nutzung von Dienst-Kfz zum Tatzeitpunkt nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können. Der Soldat habe auch unwiderlegt geltend gemacht, nicht im Besitz einer Vorschrift gewesen zu sein und auch auf entsprechende Nachfragen kein Exemplar von ihr erhalten zu haben. Zudem habe der Soldat die Eigenschaft als Fuhrparkbeauftragter lediglich in Zweitfunktion wahrgenommen. Im Übrigen sei auch nachvollziehbar, dass sich angesichts der wenig eindeutigen Haltung seines Disziplinarvorgesetzten und der klaren Aussage des für Material verantwortlichen S 4-0ffizier-Vertreters, Hauptfeldwebel K., eine positive Vorschriftenkenntnis des Soldaten erheblichen Erschütterungen ausgesetzt gewesen wäre. Nach den unwiderlegten Angaben des Soldaten habe Hauptfeldwebel K. ihm gegenüber im Brustton der Überzeugung erklärt, eine derartige Nutzung sei vorschriftenkonform. Er habe dem Soldaten sogar zur Einsichtnahme einen Vorgang ausgehändigt, aus dem hervorgegangen sei, dass ein früherer Disziplinarvorgesetzter in einem ähnlichen Fall bereits einmal den Gebrauch von Dienstfahrzeugen zu privaten Zwecken genehmigt habe. Hauptfeldwebel K. habe dem Soldaten außerdem einen Antrag zur privaten Nutzung eines Dienstfahrzeugs in die Feder diktiert und sogleich genehmigt. Ob der dadurch erregte Verbotsirrtum für den Soldaten vermeidbar gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil Vorsatz die Kenntnis aller Tatumstände voraussetze, was nicht erwiesen sei.

16

Dadurch, dass der Soldat den Dienst-Lkw nicht spätestens am 6. Mai 2007 bei seiner Dienststelle zurückgegeben, sondern ihn bis zum 10. Mai 2007 unter einer Unterführung in der Nähe seiner Wohnung in O. unbeaufsichtigt abgestellt und den ihm spätestens am 3. Mai 2007 übermittelten Befehl des Oberstleutnants S. nicht befolgt habe, das Fahrzeug unverzüglich in die Kaserne zurückzuführen, habe der Soldat allerdings vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).

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Soweit es Art und Maß der Disziplinarmaßnahme betreffe, stelle sich das eigenmächtige Behalten des Dienstfahrzeugs als gravierendes Dienstvergehen dar. Allerdings liege angesichts der Lebens- und seinerzeitigen Tatumstände eine charakterfremde Augenblickstat vor, die sich mit der wirtschaftlichen Notlage des Soldaten und einem schockartig ausgelösten psychischen Zwang erkläre. Dies gebiete, von einer so genannten "reinigenden" Maßnahme Abstand zu nehmen und lediglich ein Beförderungsverbot zu verhängen.

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3. Gegen das am 21. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 19. Januar 2010 Berufung zuungunsten des Soldaten in vollem Umfang eingelegt und beantragt, den Soldaten in den Dienstgrad eines Feldwebels herabzusetzen.

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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Soldat sei von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 fehlerhaft freigestellt worden; fehlerhaft sei somit auch die Maßnahmebemessung. Selbst wenn beim Soldaten ein Verbotsirrtum vorgelegen haben sollte, wäre er vermeidbar gewesen. Angesichts der langjährigen Berufserfahrung des Soldaten würde daran auch das Verhalten des Hauptfeldwebels K. nichts ändern. Auch wenn die familiäre Situation des Soldaten - bereits seinerzeit - angespannt gewesen sei, bleibe der gewichtige Umstand, dass der Soldat sich die disziplinargerichtliche Verurteilung im Februar 2007 nicht zur Warnung habe dienen lassen und somit eine Verschärfung der Disziplinarmaßnahme geboten sei. Schließlich könne das Urteil des Truppendienstgerichts nicht isoliert von dem Urteil des Truppendienstgerichts in dem Verfahren K. gesehen werden. In ihm heiße es, Hauptfeldwebel K. sei "von dem beantragenden Nutzer, dem Oberfeldwebel C. vorsätzlich und in krimineller Weise getäuscht" worden.

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4. Der Senat hat in dem am 21. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 13.09 - verkündeten Urteil zu dem vom Truppendienstgericht in der Sache K. ergangenen Urteil des Truppendienstgerichts vom 12. Februar 2009 ausgeführt:

"Ebenfalls anders als vom Truppendienstgericht angenommen, lag dem Verhalten des Soldaten auch keine vorsätzliche und kriminelle Täuschung des Inhalts zugrunde, dass die Nutzung des Dienst-Lkw bereits (durch den Zeugen Oberstleutnant S.) genehmigt sei. ...

Dass der Zeuge Oberstleutnant S. eine Genehmigung tatsächlich nicht erteilt hat, ist unstreitig. In der Berufungshauptverhandlung haben sich auch keine abweichenden Anhaltspunkte dafür ergeben. Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass der Soldat nicht getäuscht worden ist. Dies steht nach den Aussagen des Zeugen Oberfeldwebel C., des Zeugen Oberstleutnant S. in der Berufungshauptverhandlung sowie nach der durch Verlesen eingeführten Aussage des Stabsgefreiten S. fest. Oberfeldwebel C. hat bestritten, behauptet zu haben, die Nutzung des Dienstfahrzeugs sei bereits durch den Zeugen Oberstleutnant S. genehmigt worden. Mag der Aussage des Zeugen Oberfeldwebel C. wegen des gegen ihn noch anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens keine durchschlagende Bedeutung beizumessen sein, so gilt dies nicht in Verbindung mit der Aussage des Zeugen Oberstleutnant S. Ihr ist zu entnehmen, dass sich der Soldat in einem nur wenige Tage später mit ihm geführten Gespräch nicht darauf berufen hat, den Fahrauftrag in der Annahme einer bereits erteilten Genehmigung unterschrieben zu haben. Hinzu tritt schließlich, dass auch der Stabsgefreite S. anlässlich seiner Vernehmung am 11. Mai 2007 nichts davon berichtet hat, der Zeuge Oberfeldwebel C. habe dem Soldaten gegenüber behauptet, er besäße bereits eine Genehmigung (des Zeugen Oberstleutnant S.)."

Entscheidungsgründe

21

Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft führt zur Reduzierung des erstinstanzlich verhängten Beförderungsverbots auf zwölf Monate. Zwar hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft die Berufung zuungunsten des Soldaten eingelegt; gem. §§ 123 Satz 3, 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 301 StPO ist der Senat dadurch jedoch nicht daran gehindert, das angefochtene Urteil zugunsten des Soldaten zu ändern.

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Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (1.) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (2.), diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen (3.) sowie über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (4.).

23

1. Hinsichtlich des angeschuldigten Fehlverhaltens bedarf die Anschuldigungsschrift der Auslegung.

24

a) Für den Senat hat bereits im Berufungsverfahren BVerwG 2 WD 13.09 Anlass bestanden, nachdrücklich auf die rechtlich herausragende Bedeutung einer hinreichend konkreten Anschuldigungsschrift hinzuweisen. Unklarheiten über das konkret angeschuldigte Dienstvergehen begründen deshalb erhebliche rechtliche Probleme, weil zum Gegenstand der Urteilsfindung gemäß § 123 Satz 3 WDO in Verbindung mit § 107 Abs. 1 WDO nur solche Pflichtverletzungen gemacht werden dürfen, die in der Anschuldigungsschrift dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Die Anschuldigungsschrift muss dabei gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 WDO die Tatsachen, in denen ein schuldhaftes Dienstvergehen erblickt wird, und die Beweismittel geordnet darstellen. Der dem Soldaten gegenüber erhobene Vorwurf muss in der Anschuldigungsschrift so deutlich und klar sein, dass sich der Soldat mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann.

25

Der Tatvorwurf muss insbesondere erkennen lassen, ob eine vorsätzliche oder fahrlässige Begehungsweise angeschuldigt wird (Urteil vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 <79 f.> = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11), weil die Schuldform nicht nur für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme, sondern zugleich auch - als sogenannter doppelrelevanter Umstand - für den subjektiven Tatbestand des Dienstvergehens von konstitutiver Bedeutung ist (Beschluss vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 - juris Rn. 12 m.w.N. und Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 2 WD 25.09 - juris Rn. 23). Bei Zweifeln über Gegenstand und Umfang des dem Soldaten durch die Anschuldigungsschrift zur Last gelegten Fehlverhaltens ist die Anschuldigungsschrift auszulegen, um ihren exakten Regelungsinhalt zu ermitteln. Dabei sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) entsprechend anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie die abgegebene Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Verbleiben insoweit Zweifel, fehlt es an einer Anschuldigung im Sinne des § 99 Abs. 1 WDO (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 - NZWehrr 2007, 28).

26

b) Nach Maßgabe dessen bestehen Defizite, weil in den Anschuldigungsformeln nicht ausdrücklich eine vorsätzliche oder fahrlässige Begehungsweise beschrieben ist (dazu bereits Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 -). Zudem ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, ob die gemäß Anschuldigungspunkt 1 "der Wahrheit zuwider" erfolgte Anordnung eines Fahrauftrags einen weiteren - selbständigen - Anschuldigungsvorwurf bildet oder lediglich unterstreichen soll, dass der Soldat vorsätzlich "entgegen der ihm bekannten ZDv 43/2 Nr. 301" gehandelt hat. Der Auslegung bedürftig ist schließlich auch, ob der Vorwurf, trotz Kenntnis einer während des Urlaubs (angeblich) nicht bestehenden Anordnungsbefugnis den Fahrauftrag erteilt zu haben, isoliert im Raum steht oder kumulativ zur Kenntnis der fehlenden Genehmigungsfähigkeit treten soll.

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aa) § 99 Abs. 1 Satz 1 WDO verlangt allerdings nicht, dass die Begriffe "Vorsatz" und "Fahrlässigkeit" ausdrücklich genannt werden müssen. Es genügt, dass sich die angeschuldigte Handlungsweise bzw. Schuldform aus der Fassung des Tatvorwurfs oder aber jedenfalls aus der Darlegung des wesentlichen Ermittlungsergebnisses, die zur Auslegung eines unklaren Anschuldigungspunktes herangezogen werden kann (vgl. Urteil vom 18. September 2003, a.a.O. S. 80), ergibt. Nach Maßgabe dessen folgt aus der Formulierung in Anschuldigungspunkt 1 "entgegen der ihm bekannten ZDv 43/2 Nr. 301" und hinsichtlich des Anschuldigungspunkts 2 durch Bezugnahme auf den Anschuldigungspunkt 1 ("Anschließend ...") noch hinreichend deutlich, dass insoweit nur ein vorsätzliches Verhalten angeschuldigt wurde. Soweit es den Anschuldigungspunkt 3 betrifft, ist ebenfalls ein vorsätzliches Fehlverhalten angeschuldigt worden. Zwar war bei diesem Tatkomplex denkbar, dass der Soldat es schlicht (krankheitsbedingt) vergessen hatte, den Dienst-LKW wieder zurückzubringen; aus der Begründung in der Anschuldigungsschrift folgt jedoch noch hinreichend deutlich, dass dem Soldaten vorgehalten wird, vorsätzlich gehandelt zu haben. Dies leitet sich daraus ab, dass auf den Anruf des Hauptgefreiten S. hingewiesen und daraus gefolgert wird, dem Soldaten sei jedenfalls ab diesem Zeitpunkt präsent gewesen, das Fahrzeug wieder zurückbringen zu müssen.

28

bb) Soweit es den Vorwurf in Anschuldigungspunkt 1 betrifft, "der Wahrheit zuwider ... Wirtschafts- und Versorgungsfahrten sowie Materialtransport" angeordnet zu haben, ist die Anschuldigungsschrift nicht mehr in der Weise auslegungsfähig, dass dem Soldaten auch insoweit eine dienstliche Verfehlung vorgeworfen worden wäre. Auf Seite 2 der Anschuldigungsschrift ist weder erwähnt, dass der Soldat dadurch gegen die Wahrheitspflicht verstoßen hätte noch findet sich ein Verweis auf § 13 SG. Selbst wenn dies jedoch von der Wehrdisziplinaranwaltschaft anders gemeint gewesen sein sollte, würde das Verhalten des Soldaten aus den noch darzulegenden Gründen nicht als Dienstvergehen zu werten sein; Entsprechendes gilt, wenn der Soldat gesondert angeschuldigt worden sein sollte, den Fahrauftrag während seines Urlaubs erteilt zu haben.

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2. Die im Rahmen dieser Anschuldigung vorgenommene Beweisaufnahme hat ergeben:

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a) Der Soldat ist vom Truppendienstgericht im Ergebnis zu Recht von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 freigesprochen worden.

31

Zur Überzeugung des Gerichts steht auf der Grundlage der insoweit geständigen Einlassungen des Soldaten der in der Anschuldigungsschrift unter Anschuldigungspunkten 1 und 2 beschriebene Sachverhalt in objektiver Hinsicht fest. Danach hat der Soldat sich am 2. Mai 2007 den Fahrauftrag 0058/04/07 für einen Dienst-LKW der Bundeswehr zum Zwecke einer privaten Nutzung vom 2. Mai bis 6. Mai 2007 selbst erteilt, wobei dies schon deshalb rechtswidrig war, weil die Genehmigungsvoraussetzungen nach Nr. 433 der ZDv 43/2 - aus noch darzulegenden Gründen - objektiv nicht vorlagen. Dabei steht zur Überzeugung des Senats auf der Grundlage der im Verfahren BVerwG 2 WD 13.09 erfolgten und vorliegend in das Verfahren eingeführten Beweisaufnahme ferner fest, dass der Soldat vom Hauptfeldwebel K. bereits zuvor einen vom 30. April 2007 datierenden Fahrauftrag für einen anderen LKW erhalten hatte, obwohl Hauptfeldwebel K. um die private Nutzungsabsicht des Soldaten wusste und obwohl bei ihm durch den Soldaten nicht der Eindruck erweckt worden war, Oberstleutnant S. habe dies bereits genehmigt.

32

aa) Der Senat hat bereits im Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 13.09 - zu den materiellen Voraussetzungen, unter denen von Ziffer 301 der ZDv 43/2 abgewichen werden kann, ausgeführt:

"Gemäß Ziffer 301 der - erst durch Anweisung vom 26. Februar 2008 außer Kraft gesetzten - ZDv 43/2 sind Dienstfahrzeuge grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken einzusetzen. Für Ausnahmen verweist die Vorschrift auf die Nummern 401 bis 437. Nummer 433, Spiegelstrich 3, bestimmt insoweit: 'Bei dienstlichen Arbeitseinsätzen von Soldaten bei öffentlichen oder privaten Veranstaltungen Dritter und bei Einsätzen der Bundeswehr ... auf sozialen und karikativen Gebieten können Dienstfahrzeuge eingesetzt werden.' Dabei wird im 3. Spiegelstrich durch Fn. 4 auf das VMBl 1988, S. 275 verwiesen, in dem 'Hilfeleistungen der Bundeswehr auf sozialen und karitativen Gebieten' geregelt sind. In A. 2. des Erlasses ist ausgeführt, 'Die Hilfeleistungen der Bundeswehr auf sozialen und karikativen Gebieten beschränken sich auf die Unterstützung von Maßnahmen Dritter für behinderte, kranke oder sonst hilfebedürftige Personen ...'."

33

bb) Ein Dienstvergehen liegt gemäß § 23 Abs. 1 SG jedoch nur dann vor, wenn der Soldat seine Pflichten auch schuldhaft verletzt hat. Daran fehlt es. Zwar teilt der Senat nicht die Auffassung des Truppendienstgerichts, gegen einen Vorsatz des Soldaten spreche, dass bei ihm die Erteilung des Bundeswehrführerscheins bereits viele Jahre zurückliege, ihm nicht die einschlägige Vorschrift zur Verfügung gestanden, er die Tätigkeit als Fuhrparkbeauftragter lediglich in Zweitfunktion wahrgenommen und er sich zudem in einer persönlich wie finanziell prekären Lage befunden habe, welche "die positive Kenntnis vom Verbotensein privater Nutzung ... subjektiv verhinderte"; der Soldat hat sich jedoch auch in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft dahingehend eingelassen, angesichts des vom Truppendienstgericht zutreffend beschriebenen Verhaltens des Hauptfeldwebels K. habe er die Fahrt für genehmigungsfähig gehalten.

34

Der beim Soldaten durch den Hauptfeldwebel K. erregte Irrtum über die Genehmigungsfähigkeit der zivilen Fahrzeugnutzung stellt sich als Verbotsirrtum nach § 17 StGB und nicht als Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB dar, der - wie vom Truppendienstgericht angenommen - beim Soldaten den Vorsatz hätte entfallen lassen. Beide Irrtumsformen erlangen auch im Disziplinarrecht Bedeutung (vgl. Urteil vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 <109> = Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 53 und Beschluss vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 2 B 29.10 - NVwZ-RR 2011, 413 <415 f.>). Die Abgrenzung, ob ein Irrtum über die Genehmigungsfähigkeit einen Tatbestands- oder Verbotsirrtum darstellt, nimmt der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach vor, ob die Tat ihren Unwert nur aus dem Fehlen der Genehmigung eines im Allgemeinen sozialadäquaten Verhaltens herleitet - dann Tatbestandsirrtum - oder ob es sich um ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten handelt, das im Einzelfall nur aufgrund einer Genehmigung erlaubt ist - dann Verbotsirrtum - (BGH, Urteil vom 11. September 2002 - 1 StR 73/02 - NStZ-RR 2003, 55 - juris Rn. 12). Nach Maßgabe dessen lag beim Soldaten ein Verbotsirrtum vor, weil - auch auf Seiten des Soldaten seinerzeit - kein Zweifel daran besteht, dass Dienstfahrzeuge - so ausdrücklich auch Nr. 301 der ZDv 43/2 - "grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken" einzusetzen sind.

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cc) Anders als vom Truppendienstgericht angenommen, kann auch nicht offen bleiben, ob der Soldat diesen Verbotsirrtum hätte vermeiden können. Denn nur bei einem unvermeidbaren Irrtum entfällt die Schuld als Element, das den Tatbestand des Dienstvergehens konstituiert (Urteil vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 11.05 - Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 2), während bei einem vermeidbaren Irrtum der Tatbestand eines Dienstvergehens unberührt bleibt und er lediglich beim "Maß der Schuld" (§ 38 Abs. 1 WDO) Berücksichtigung finden kann (vgl. Urteil vom 28. Januar 2004, a.a.O. S. 110).

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Ob ein Verbotsirrtum vermeidbar oder unvermeidbar war, bestimmt sich nach der vom Soldaten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt dabei in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Soldat Umfang und Inhalt seiner auf diese Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. Davon ist im Regelfall aufgrund der Ausbildung des Soldaten auszugehen. Im Zweifel wird von einem Soldaten erwartet, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt (vgl. Urteil vom 22. Juni 2006, a.a.O.). Gerade dieser Obliegenheit ist der Soldat jedoch nachgekommen. Er hat sich nicht nur beim Oberstleutnant S. nach der Genehmigungsfähigkeit einer zivilen Nutzung eines Dienst-LKW erkundigt, sondern sich auf dessen Anraten auch an Hauptfeldwebel K. als dem in diesen Angelegenheiten zuvörderst zuständigen und kompetenten Amtswalter (S4-Offizier-Vertreter) gewandt. Hauptfeldwebel K. hat dem Soldaten gegenüber zudem nicht nur seine rechtliche Einschätzung zum Ausdruck gebracht, sondern durch den von ihm unterzeichneten Fahrauftrag darüber hinaus dokumentiert, für sie auch rechtlich einstehen zu wollen. Vom Soldaten gleichwohl zu verlangen, die rechtliche Bewertung des zuständigen S 4-(Unter-)Offiziers seinerseits zu überprüfen oder gar durch Dritte überprüfen zu lassen, würde der hierarchischen, auf eine zügige Entscheidungsfindung angelegten Struktur der Streitkräfte widersprechen. Zudem würde sich der Nachweis eines unvermeidbaren Verbotsirrtums dadurch zunehmend einer nur noch theoretischen Rechtsoption nähern.

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dd) War der Irrtum über die Genehmigungsfähigkeit der zivilen Nutzung für den Soldaten unvermeidbar, würde dies somit auch für die (etwaige) Anschuldigung gelten, er habe der Wahrheit zuwider eine Materialfahrt eingetragen. Die Angaben in dem vom Soldaten selbst ausgestellten Fahrauftrag entsprechen - abgesehen von dem Nutzungszeitraum - nämlich denen des vom Hauptfeldwebel K. erteilten Fahrauftrags. Entsprechendes gilt, soweit der Soldat angeschuldigt worden sein sollte, sich während des Urlaubs den Fahrauftrag erteilt zu haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für den Soldaten während des Urlaubs tatsächlich ein solches Anordnungsverbot bestand. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, hätte er sich jedenfalls auch insoweit in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden. Dies folgt aus den Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung als Leumundszeugen vernommenen Disziplinarvorgesetzten des Soldaten. Zum einen hat sich zwischen den Dienstvorgesetzten zu dieser Rechtsfrage ein disparates Meinungsbild ergeben; zum anderen hat die Aussage des gegenwärtigen Disziplinarvorgesetzten, Hauptmann E., gezeigt, dass sich der Soldat unter seinem Kommando der Gefahr disziplinarischer Maßnahmen eher dann aussetzen würde, wenn er sich im Bedarfsfall weigerte, unaufschiebbare und nicht durch Andere zu erledigende dienstliche Tätigkeiten auch während des Urlaubs auszuüben.

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b) Das unter Anschuldigungspunkt 3 angeschuldigte Fehlverhalten des Soldaten steht zur Überzeugung des Gerichts auf der Grundlage der geständigen Einlassungen des Soldaten fest. Dies gilt auch hinsichtlich des angeschuldigten Vorsatzes. Spätestens seitdem dem Soldaten der Befehl des Oberstleutnant S. übermittelt worden war, war ihm klar, das Dienstfahrzeug wieder zurückbringen zu müssen. Der Soldat hat auch dies uneingeschränkt eingestanden und insoweit lediglich eingewandt, dazu nach dem Umzug psychisch und physisch nicht mehr in der Lage gewesen zu sein.

39

3. Der Soldat hat mit dem unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebenen Verhalten gegen § 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen und somit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen. Auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift liegt jedoch kein Verstoß gegen § 11 SG vor.

40

a) Wie vom Truppendienstgericht zutreffend festgestellt, gehört zur Pflicht des Soldaten nach § 7 SG, in loyaler Weise alles Erforderliche zu veranlassen und zu unternehmen, damit Personal und Material der Bundeswehr nur zu dienstlichen Zwecken in Anspruch genommen werden. Denn die Bundeswehr kann den ihr erteilten Aufgabenzuweisungen nur dann entsprechen, wenn einerseits ihre Angehörigen, ihr Gerät und ihre Mittel jederzeit präsent und voll einsatzfähig sind und andererseits das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind. Die Vorenthaltung von Material der Bundeswehr, das bereits rechtswidrig in den eigenen Besitz verbracht wurde, ist damit unvereinbar. Dies gilt auch, wenn - wie vorliegend beim Soldaten - keine Zueignungsabsicht bestand (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris). Ferner hat der Soldat durch sein Verhalten gegenüber dem Dienstherrn auch seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst vorsätzlich verletzt, § 17 Abs. 2 Satz 1 SG. Der Soldat hat das Vermögen der Bundeswehr geschädigt und damit Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit geweckt sowie seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage gestellt.

41

b) Gegen die Gehorsampflicht nach § 11 SG hat der Soldat nicht in disziplinarisch ahnbarer Weise verstoßen. Das Truppendienstgericht hat einen solchen Verstoß damit begründet, dass der Soldat das Dienstfahrzeug nicht zurückgebracht habe, obwohl ihm dies Oberstleutnant S. - vermittelt über den Hauptgefreiten S. - ausdrücklich befohlen habe. Das Truppendienstgericht bewegt sich damit nicht mehr innerhalb des durch die Anschuldigungsschrift gezogenen Rahmens, weil in ihr ausdrücklich festgestellt ist: "Der insoweit für den Vorwurf einschlägige Befehl in der Nr. 314 der ZDv 43/2 lautet ...". Da sich das Truppendienstgericht zu diesem Vorwurf nicht verhält, hat es zum tatsächlich angeschuldigten Verhalten unter Verstoß gegen § 106 Abs. 1 WDO keine Feststellungen getroffen und den Soldaten unter Verstoß gegen § 107 Abs. 1 WDO wegen eines nicht angeschuldigten Verhaltens verurteilt.

42

Trotz dieses Mangels hat der Senat von einer Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Truppendienstgericht nach § 121 Abs. 2 WDO abgesehen, weil ihm eine abschließende Sachverhaltsaufklärung möglich war und das Disziplinarverfahren den Soldaten bereits seit Jahren belastet (vgl. Urteil vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 - juris). Der Senat hat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung insoweit dem Beschleunigungsgebot (§ 17 Abs. 1 WDO) Vorrang eingeräumt (vgl. Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 2 WD 25.09 - juris Rn. 34 ff.)

43

Gegen Nr. 314 der ZDv 43/2 hat der Soldat nicht verstoßen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich auch bei dieser Regelung der ZDv 43/2 um einen Befehl handelt. Selbst wenn dem so wäre, setzt sie jedenfalls voraus, dass die Fahrt beendet ist. Tatsächlich beendet war sie indes nicht, weil sich das Fahrzeug noch immer im Gewahrsam des Soldaten befand und das im Fahrauftrag genannte Ende der Fahrtstrecke - T. Standort - noch nicht wieder erreicht war. Deshalb braucht auch nicht geklärt zu werden, ob selbst bei anderer Auslegung die Verpflichtungen nach dieser Regelung sich nicht auf die dort ausdrücklich erwähnten Handlungen - Rückmeldung des Soldaten, Rückgabe der Begleitunterlagen sowie des Schlüssels - beschränken, die die Rückgabe des Fahrzeugs selbst nicht einschließen.

44

4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei der Bestimmung der Art und des Maßes der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

45

a) Eigenart und Schwere des vom Senat festgestellten Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, das heißt nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt der festgestellte Verstoß nicht leicht.

46

Die Pflicht zum treuen Dienen ist gerade bei dienstlichen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Beim Umgang mit Geld und Gut ist die Bundeswehr in hohem Maße auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten angewiesen. Erfüllt ein Soldat diese zentrale dienstliche Pflicht nicht, erschüttert er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet schwerste Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und persönlichen Integrität. Ein solches Fehlverhalten bedarf einer nachdrücklichen Disziplinarmaßnahme. Erschwerend kommt die Verantwortung des Soldaten als Portepeeunteroffizier hinzu. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt und je mehr Verantwortung ihm dadurch übertragen wird, um so größer sind dann auch die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt werden müssen und um so schwerer wiegt folglich ein Dienstvergehen. Dass das sachgleiche Strafverfahren nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, nimmt dem Dienstvergehen nicht seine Relevanz (Urteil vom 6. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 35.09 - Rn. 33 = Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5).

47

Anders als vom Truppendienstgericht und von der Wehrdisziplinaranwaltschaft angenommen, hat das Dienstvergehen nicht die behauptete Schwere. Zum einen stellen die unter Anschuldigungspunkte 1 und 2 beschriebenen Verhaltensweisen wegen des unvermeidbaren Verbotsirrtums keine schuldhaften Verfehlungen dar; zum anderen ging mit dem unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebenen Fehlverhalten kein Verstoß gegen die Gehorsampflicht einher.

48

b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen. Das Fahrzeug stand der Bundeswehr über mehrere Tage nicht zur Verfügung. Dadurch kam es allerdings nicht zu Beeinträchtigungen des Dienstbetriebes. Dies zeigt sich hinreichend deutlich daran, dass den Verantwortlichen erst Tage später der Entzug des Fahrzeugs auffiel. Zulasten des Soldaten schlägt jedoch durch, dass sich die Vorgesetzten mit dem Vorfall intensiv befassen mussten, zumal er auch nach außen in Erscheinung trat. Denn erst auf Mitteilung des Ordnungsamtes wurden die Feldjäger und dann die Vorgesetzten des Soldaten aktiv.

49

c) Die Beweggründe des Soldaten waren eigennützig. Eigennützigkeit ist schon dann gegeben, wenn der Soldat aus persönlichen Gründen handelt (Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris, m.w.N.).

50

d) Das Maß der Schuld wird dadurch bestimmt, dass der Soldat vorsätzlich handelte. Soweit das Truppendienstgericht in Anlehnung an die vom Senat anerkannten (typischen) Milderungsumstände (Urteil vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29 m.w.N.) beim Soldaten eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat, ein Handeln aus einer wirtschaftlichen Notlage und aus einem schockartigen Zwang heraus angenommen hat, trifft dies nicht zu.

51

aa) Die Annahme einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat verbietet sich bereits wegen der disziplinarischen Vorbelastung des Soldaten, der dadurch kein tadelfreier und im Dienst bewährter Soldat mehr ist (Urteil vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 36). Zwar befand sich der Soldat angesichts der im Mai 2007 erheblich reduziert ausgezahlten Dienstbezüge in einer wirtschaftlichen Notlage; sie war von ihm jedoch verschuldet worden, so dass er sich auch auf diesen Milderungsgrund nicht berufen kann. Hätte der Soldat die mehrfachen Hinweise der Wehrbereichsverwaltung bezüglich seiner Steuerkarte beachtet, hätte er sich auch nicht gezwungen sehen müssen, aus Ersparnisgründen auf das Dienst-Kfz zurückzugreifen.

52

bb) Die vom Truppendienstgericht beschriebenen Lebensumstände, in denen sich der Soldat bewegt, vermögen schließlich deshalb keinen schockartig ausgelösten psychischen Zwang zu begründen, weil sie bereits seit Jahren bestehen und somit nicht "schockartig", also plötzlich, eingetreten sind.

53

Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Soldat sich über einen langen Zeitraum in einem psychischen Ausnahmezustand befindet, der - ausweislich des im Februar 2009 unternommenen Suizidversuchs - auch das Gewicht eines Tatmilderungsgrundes erlangt (Urteile vom 1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <130> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 16 und vom 27. Januar 2011 - BVerwG 2 A 5.09 - juris Rn. 39). Der erstinstanzlich vernommene Psychologe K. hat insoweit festgestellt, der Soldat kämpfe seit Jahren um das Überleben seiner Familie und befinde sich in einer permanenten Stresssituation, die es erstaunlich erscheinen lasse, dass er über diesen langen Zeitraum die Beziehungen in der Familie habe aufrecht erhalten können. Die angesichts der aktenkundigen Krankschreibung des Soldaten (vom 8. bis 13. Mai 2007) glaubhafte Einlassung des Soldaten, er habe sich nach dem Umzug psychisch und physisch außerstande gesehen, das Fahrzeug wieder zurückzubringen, erhält dadurch ihre rechtliche Bedeutung.

54

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Führung wirkt sich zulasten des Soldaten aus, dass seine zunächst mit zwei förmlichen Anerkennungen gewürdigten außergewöhnlichen Leistungen im Laufe der Jahre kontinuierlich und beträchtlich nachgelassen haben, sie nach den Aussagen der Leumundszeugen in der Berufungshauptverhandlung auch gegenwärtig trotz steigender Tendenz noch schwanken und eine disziplinarische Vorbelastung besteht.

55

Die schwankenden Leistungen wie auch die Vorfälle, die zur disziplinarischen Vorbelastung des Soldaten führten, erklären sich jedoch ebenso wie das aktuell angeschuldigte Fehlverhalten mit den familiären Umständen. Das Truppendienstgericht hat sie bereits im Urteil vom 22. Februar 2007 (auf Seite 7) als Grund dafür angesehen, warum es trotz "... der ruhigen zurückhaltenden Wesensart des Soldaten" zu den seinerzeit strafrechtlich und auch disziplinarisch relevanten Verfehlungen kam. Der Soldat versucht offensichtlich, die bereits seit Jahren familiär desaströsen Umstände, insbesondere die Auswirkungen der nach wie vor bestehenden Alkoholerkrankung seiner Ehefrau auf die Kinder, aufzufangen, die zudem schulische Probleme haben. Das Bemühen des Soldaten, trotz dieser chronischen, im Februar 2009 zu einem Suizidversuch führenden Überforderungssituation sowohl der dienstlichen als auch der familiären Verantwortung gerecht zu werden, spricht - wie auch vom Gutachter festgestellt und aus der Beurteilung des Jahres 2003 entnehmbar - für ein im Grundsatz ausgeprägtes Verantwortungsgefühl und somit in besonderem Maße für ihn (Urteil vom 27. Juli 2010 - BVerwG 2 WD 5.09 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 30). Hinzu tritt, dass der Soldat das Unrecht seines Handelns eingesehen hat.

56

f) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris). Es führt dazu, dass die Dauer des erstinstanzlich verhängten Beförderungsverbotes auf ein Jahr zu reduzieren ist.

57

aa) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen" zu bestimmen. Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass im Fall der Inanspruchnahme von Personal oder dienstlichen Materials der Bundeswehr zu privaten Zwecken Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen je nach Gewicht des Dienstvergehens eine Gehaltskürzung und/oder ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine Herabsetzung um einen oder mehrere Dienstgrade ist. Betrifft der Verstoß den Kernbereich der dienstlichen Tätigkeit, kommt die Entfernung aus dem Dienst in Betracht (Urteil vom 25. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 29). Da dem Soldaten keine Verletzung seiner Kernpflichten, darüber hinaus lediglich das unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebene Fehlverhalten vorzuhalten ist und auch insoweit kein Gehorsamsverstoß vorliegt, bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Gehaltskürzung.

58

bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums "Maß der Schuld" hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

59

Nach diesen Kriterien ist hier eine Verschärfung der regelmäßig zu verhängenden Disziplinarmaßnahme (Gehaltskürzung) geboten, weil gegen den Soldaten bereits im Februar 2007 eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist. Die nun erneute disziplinare Verfehlung bewirkt, dass abweichend vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägung ein Beförderungsverbot zu verhängen ist (§§ 58 Abs. 1 Nr. 2, 60 WDO).

60

cc) Den Soldaten - wie von der Wehrdisziplinaranwaltschaft beantragt - im Dienstgrad herabzusetzen wäre unverhältnismäßig. Eine solche Disziplinarmaßnahme rechtfertigt sich insbesondere nicht damit, dass gegen den Soldaten bereits im Jahre 2007 ein Beförderungsverbot verhängt worden ist. Zum einen hat der Senat diesem erschwerenden Umstand bereits auf der zweiten Stufe der Maßnahmebemessung zulasten des Soldaten Rechnung getragen. Zum anderen besteht eine Gesetzmäßigkeit des Inhalts, dass eine disziplinarische Vorbelastung bei einem erneuten Dienstvergehen zwingend zu einer schwereren als der zuvor verhängten Disziplinarmaßnahmeart (§ 58 Abs. 1 WDO) führt, nicht. Dies widerspräche dem § 38 Abs. 1 WDO zu entnehmenden Erfordernis einer jeweils einzelfallbezogenen Würdigung des Dienstvergehens, bei dem die "bisherige Führung" nur einen Bemessungsparameter von mehreren darstellt.

61

dd) § 38 Abs. 1 WDO verbietet ebenfalls, das Beförderungsverbot für einen Zeitraum auszusprechen, der losgelöst von der konkreten Schwere des Dienstvergehens und trotz erheblicher Milderungsgründe in der Person des Soldaten über den Zeitraum des früheren Beförderungsverbots hinausreicht. Da die Anforderungen, die an entlastende Umstände zu stellen sind, durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt werden (Urteil vom 16. März 2011 - BVerwG 2 WD 40.09 - juris Rn. 70), ist hier zu beachten, dass erhebliche Milderungsgründe bei einem Dienstvergehen vorliegen, das ohne die disziplinarische Vorbelastung als nicht besonders schwer einzustufen und bereits mit einer Gehaltskürzung ausreichend geahndet wäre. Der disziplinarischen Vorbelastung ist mithin bereits durch eine Heraufzonung bei der Regelmaßnahme Rechnung getragen worden, ohne dass bei der Maßnahmeart nun noch zusätzlich über deren Mindestmaß von einem Jahr (§ 60 Abs. 2 Satz 1 WDO) hinausgegangen werden müsste. Der Senat kann deshalb dahingestellt lassen, ob es rechtlich nicht ohnehin geboten gewesen wäre, bei erfolglosen Berufungen der Wehrdisziplinaranwaltschaft, die zuungunsten des Soldaten gegen erstinstanzlich verhängte Beförderungsverbote eingelegt werden, den Zeitraum der damit für den Soldaten faktisch verbundenen Beförderungssperre auf den förmlich angeordneten Zeitraum der Beförderungssperre in Ansatz zu bringen.

62

g) Zusätzlich zum Beförderungsverbot nach § 58 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz WDO eine Kürzung der Dienstbezüge auszusprechen, ist schon deshalb nicht geboten, weil der Soldat - ausweislich der aktuellen Beurteilung - sein Laufbahnziel noch nicht erreicht hat und sich das Beförderungsverbot damit voraussichtlich auf seinen weiteren Werdegang auch auswirken wird.