Entscheidungsdatum: 14.09.2017
1. Der Anspruch auf Entschädigung wegen eines Vermögensnachteils aus § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 WDO (juris: WDO 2002) umfasst Schadensersatz wegen einer entgangenen Auslandsverwendungszulage nicht.
2. Eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3, § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 WDO liegt vor, wenn ein Wehrdienstgericht bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens zugunsten des Soldaten berücksichtigt hat.
3. Eine ausreichende Berücksichtigung i.S.d. § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG liegt nur vor, wenn das Gericht den konkreten Zeitraum der überlangen Verfahrensdauer und die maßnahmemildernde Wirkung dieses Aspekts hinreichend deutlich macht.
Der Kläger ist Berufssoldat und macht Ansprüche auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens geltend.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat ihm mit Anschuldigungsschrift vom 11. Mai 2015, eingegangen beim Truppendienstgericht am 19. Mai 2015, ein Dienstvergehen zur Last gelegt. Mit Schreiben vom 29. Juli 2015 teilte der Vorsitzende Richter mit, dass er beabsichtige, gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 15 Monaten und eine Kürzung seiner jeweiligen Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 18 Monaten durch Disziplinargerichtsbescheid zu verhängen. Der Kläger widersprach dem am 26. August 2015.
Im November 2015 wies er die Kammer auf die ihm durch die Verfahrensdauer entstehenden Nachteile hin und bat um kurzfristige Terminierung der Hauptverhandlung. Daraufhin wurde ihm ein Hauptverhandlungstermin "frühestens im Sommer 2016" in Aussicht gestellt. Mit Schreiben vom 18. Januar 2016 rügte der Kläger die überlange Verfahrensdauer. Auf seine Anfrage vom 13. Juli 2016, wann mit einer Terminierung gerechnet werden könne, erhielt er die Mitteilung, wegen der Pensionierung des Vorsitzenden Richters zum 1. Oktober 2016 sei im Jahr 2016 nicht mehr mit einer Terminierung zu rechnen. Nachdem in einem Telefonat zwischen dem Verteidiger und dem nunmehr zuständigen Vorsitzenden Richter am 15. Dezember 2016 die Gründe des Klägers für die Ablehnung einer Entscheidung durch Disziplinargerichtsbescheid erörtert worden waren, teilte der Vorsitzende Richter mit Schreiben vom 5. Januar 2017 mit, er beabsichtige, gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 12 Monaten und eine Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von sechs Monaten durch Disziplinargerichtsbescheid zu verhängen. Nach Zustimmung der Wehrdisziplinaranwaltschaft und des Klägers erging der Disziplinargerichtsbescheid mit dem zuletzt angekündigten Inhalt am 20. Februar 2017 und wurde dem Kläger am 27. Februar 2017 ausgehändigt.
In dem Disziplinargerichtsbescheid ist zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme u.a. ausgeführt:
"Als weiteren Grund für die Milderung der Maßnahme berücksichtigt der erkennende Richter die Dauer des Verfahrens, das den Soldaten seit dem Januar 2014, damit seit über drei Jahren belastet. Der Soldat hat also durch die lange Verfahrensdauer ein faktisches Beförderungsverbot, verbunden mit der ständigen Erinnerung an sein Fehlverhalten, bereits erfahren. Auch wenn die Beendigung des Verfahrens im Jahre 2015 durch den Widerspruch des Soldaten gegen einen Disziplinargerichtsbescheid wesentlich verhindert worden sein sollte, war die Liegezeit des Falles bei der Kammer nach dem Widerspruch dennoch in die Maßnahmebemessung einzubeziehen."
Am 3. Februar 2017 ist beim Bundesverwaltungsgericht Klage auf Entschädigung wegen der unangemessenen Dauer des gegen den Kläger gerichteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens erhoben worden. Die Anschuldigungsschrift datiere vom 11. Mai 2015, das Verfahren sei aber erst nach der vorliegenden Klageerhebung durch den Disziplinargerichtsbescheid beendet worden. Der Sachverhalt werfe in tatsächlicher und rechtlicher Art keine besonderen Schwierigkeiten auf. Verzögerungsrüge sei im Januar 2016 erhoben worden. Das Verfahren habe seit der Anschuldigung 19 Monate, seit der Verzögerungsrüge 12 Monate gedauert. Dies sei trotz der Überlastung der Truppendienstgerichte nicht zu rechtfertigen. Gefordert würden aus § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG für jedes Jahr der Verzögerung 1 200 €. Zudem werde als Verdienstausfall nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG der entgangene Auslandsverwendungszuschlag in Höhe von 10 530 € geltend gemacht. Der Kläger sei für einen Auslandseinsatz vom 29. April 2016 bis zum 10. September 2016 eingeplant gewesen, an dem er wegen des während des Disziplinarverfahrens bestehenden Förderungsverbotes nicht habe teilnehmen können. Die Regelungen für das Strafverfahren seien nicht entsprechend anwendbar. Soweit § 91 Abs. 1 Satz 3 WDO eine entsprechende Anwendung fordere, beziehe sich dies auf die in der Maßgabe geregelten Abweichungen. Aus dem Disziplinargerichtsbescheid ergebe sich nicht, welche einer Entschädigung gleichen Vorteile der Kläger erhalten habe. Eine angemessene Entschädigung erfasse auch den Verdienstausfall.
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, wegen unangemessener Dauer des unter dem Aktenzeichen ... vor dem Truppendienstgericht ... geführten Verfahrens eine angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens 1 200 Euro an den Kläger zu zahlen
2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 10 530 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das seit Eingang der Anschuldigungsschrift im Mai 2015 anhängige gerichtliche Disziplinarverfahren sei durch Disziplinargerichtsbescheid vom 20. Februar 2017 abgeschlossen. Die Verfahrensdauer sei nach den Entscheidungsgründen bei der Maßnahmebemessung mildernd berücksichtigt worden. Dies stelle eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise dar. Zudem sei fraglich, ob zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge vom 18. Januar 2016 schon Anlass zur Besorgnis einer unangemessenen Verfahrensverzögerung bestanden habe, weil bereits ein Hauptverhandlungstermin für Sommer 2016 geplant gewesen sei. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines entgangenen Auslandsverwendungszuschlages bestehe nicht. Dieser gelte Mehraufwendungen und Belastungen ab, die nur für den tatsächlich im Ausland Eingesetzten entstünden.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte 2 WA 2.17 D, die Gerichtsakten des Verfahrens ... und die Personalgrundakte des Klägers Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat trotz der überlangen Dauer des gegen ihn gerichteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens weder wegen eines Vermögensschadens noch wegen seines immateriellen Schadens einen Anspruch auf zusätzliche Entschädigung in Geld.
1. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kann jeder Verfahrensbeteiligte, der infolge einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet, eine angemessene Entschädigung beanspruchen. Diese Regelung gilt gemäß § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO auch für Angeschuldigte eines gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahrens; auch sie sind grundsätzlich für verfahrensbedingte materielle oder immaterielle Nachteile angemessen zu entschädigen. Der Anspruch auf Entschädigung eines Vermögensnachteils umfasst allerdings keinen Schadensersatz wegen einer entgangenen Auslandsverwendungszulage.
a) Die Entschädigung wird in zeitlicher Hinsicht für die überlange Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gewährt. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 WDO nimmt das Vorermittlungs- und Ermittlungsverfahren der Wehrdisziplinaranwaltschaft aus dem Anwendungsbereich der Entschädigungsregelungen ausdrücklich aus. Dies ist auch sowohl im Lichte der Garantien von Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK als auch des verfassungsrechtlichen Grundsatzes effektiver Rechtsschutzgewährleistung (vgl. Schenke, NVwZ 2012, 257 ff.) unbedenklich. Denn die Wehrdisziplinarordnung stellt in § 101 Abs. 1 WDO einen Rechtsbehelf zur Verfügung, der wirksam Abhilfe gegen unangemessene Verzögerung in dem der Einreichung der Anschuldigungsschrift vorgelagerten Verfahrensabschnitt gewährleistet (Dau/Schütz, Wehrdisziplinarordnung, 7. Auflage 2017, § 91 Rn. 23e; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 20 ff., zur Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens). Die Frage nach der angemessenen Dauer des Verfahrens betrifft daher allein den Zeitraum vom Eingang der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht, also dem 19. Mai 2015, und seiner rechtskräftigen Erledigung, d.h. der Zustellung des Disziplinargerichtsbescheids an den Soldaten gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 WDO am 27. Februar 2017.
b) Der Kläger macht mit Recht geltend, dass in diesem Zeitabschnitt das Gerichtsverfahren nach den Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO unangemessen lang gedauert hat. Maßgeblich dafür ist eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens, des Verhaltens des Betroffenen und Dritter sowie unter Berücksichtigung der Prozessförderung des Gerichts, ohne dass feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungs- bzw. Anhaltswerte zugrunde gelegt werden könnten (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 26 f. und vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 80 f.).
Hierbei sind Verzögerungszeiten, die der hohen Belastung der Truppendienstgerichtskammern und damit strukturellen Mängeln geschuldet sind, dem Staat zuzurechnen und rechtfertigen es nicht, einen Soldaten länger als nötig den Belastungen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens auszusetzen (BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 43, und vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 82, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 <3632>). Dies gilt auch für Zeiten, in denen ein Verfahren nicht gefördert werden kann, weil der zuständige Richter in den Ruhestand getreten ist und die Stelle nicht alsbald nachbesetzt worden ist. Reguläre Zurruhesetzungen sind für den Staat vorhersehbar, sodass er darauf planvoll reagieren kann.
Vorliegend ist das Verfahren durch das Gericht nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Ende August 2015 angekündigten Disziplinargerichtsbescheid und der telefonischen Erörterung der Gründe für die Ablehnung eines Gerichtsbescheides durch den Kläger zwischen seinem Verteidiger und dem zwischenzeitlich zuständigen Vorsitzenden Richter Mitte Dezember 2016 nicht gefördert worden. Ein anderer Grund als die gerichtsbekannt hohe Belastung der Truppendienstgerichte, die Pensionierung des Vorsitzenden Richters und die Dauer des Nachbesetzungsverfahrens ist für diese Verzögerung um ca. 15 Monate nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden.
Die Verzögerung kann nicht deshalb dem Kläger angelastet werden, weil er im August 2015 dem angekündigten Disziplinargerichtsbescheid zunächst widersprochen hat. Denn damit hat er von einem ihm von der Verfahrensordnung eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, das der Gewährleistung seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK dient. Nur durch den Widerspruch gegen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch Disziplinargerichtsbescheid kann der Kläger erreichen, dass über die Anschuldigung eine mündliche Hauptverhandlung stattfindet, in der er sein Verteidigungsvorbringen - auf Antrag nach § 105 Abs. 2 Satz 1 WDO sogar öffentlich - zu Gehör bringen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 5. April 2016 - 33060/10 - NJW 2017, 2455 <2457>). Die Nutzung eines prozessualen Rechts, das der Gewährleistung einer Garantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK dient, darf ihm nicht als Verursachung einer Verzögerung zugerechnet werden, die dem Anspruch auf eine andere Garantie dieser Norm entgegensteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 24 für die Ausschöpfung einer Rechtsmittelbegründungsfrist).
Vor diesem Hintergrund war die im Januar 2016 erhobene Verzögerungsrüge nicht verfrüht und genügte den Anforderungen aus § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO.
c) § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO gewährt allerdings nur einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Damit wird kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB zugebilligt, sondern in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich ein Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen anerkannt. Es findet nur ein Ausgleich für erlittene Vermögenseinbußen, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 27.12 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 54). Daher erfasst die Entschädigung auch keine Ansprüche auf entgangenen Gewinn (Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, A § 198 GVG Rn. 222). Dieses Verständnis des Wortlautes der Norm entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers. Der den Inhalt der zu gewährenden Entschädigung eingrenzende Begriff "angemessen" geht auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages zurück, der einen Änderungsvorschlag des Bundesrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung aufgriff und explizit ausschließen sollte, dass im Wege der Entschädigung auch entgangener Gewinn im Sinne von § 252 BGB gewährt wird (BT-Drs. 17/7217 S. 27 f.).
Soweit der Kläger vorträgt, dass er bei einem früheren Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu einem Auslandseinsatz kommandiert worden wäre und eine Auslandsverwendungszulage nach § 56 BBesG in Höhe von 10 530 € erhalten hätte, kann diese Geltendmachung eines entgangenen Gewinns somit schon aus den aufgezeigten Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Im Übrigen deckt die Auslandsverwendungszulage pauschal Erschwernisse im Auslandseinsatz ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 2 C 33.08 - BVerwGE 134, 108 Rn.8), die der Kläger nicht erdulden musste. Daher würde die Gewährung einer entsprechenden Zulage auch ihrer ratio widersprechen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine weitere Entschädigung in Geld für die erlittenen immateriellen Nachteile aus § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO.
a) Zwar wird bei einer unangemessen langen Dauer des Gerichtsverfahrens gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet, dass der Kläger einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, erlitten hat. Die dafür in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG vorgesehene und vom Kläger begehrte Entschädigung von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung kann jedoch nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise geleistet worden ist (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise liegt gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG insbesondere vor, wenn ein Strafgericht oder die Staatsanwaltschaft die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens zugunsten des Beschuldigten (bei der Strafzumessung) berücksichtigt hat.
b) Eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise liegt auch vor, wenn ein Wehrdienstgericht bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme eine unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens zugunsten des Soldaten berücksichtigt hat. Dies folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO i.V.m. § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG.
Nach § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO sind "die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgerichts" mit bestimmten Maßgaben zur Zuständigkeit und zur Verfahrensordnung entsprechend anzuwenden. Der Wortlaut dieser Verweisungsnorm erfasst die §§ 198 bis 201 GVG vollständig und damit auch § 199 Abs. 3 GVG. Die in der Verweisungsnorm geregelten Maßgaben enthalten Zusätze zu der entsprechenden Anwendung, nehmen aber nicht solche Normen von der entsprechenden Anwendung aus, die ihrem Wortlaut nach für andere Verfahren als gerichtliche Disziplinarverfahren gelten. Eine Verweisung auf die entsprechende Geltung von Normen aus einer anderen Verfahrensordnung bringt es notwendig mit sich, dass Normen außerhalb ihres originären Anwendungsbereiches angewandt werden.
Die entsprechende Anwendung gerade von strafverfahrensrechtlichen Regelungen entspricht zudem der grundlegenden systematischen Anlehnung der Wehrdisziplinarordnung an das Strafprozessrecht. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO verweist nicht nur hinsichtlich einzelner Regelungen, sondern generell, soweit nicht die Eigenart des gerichtlichen Disziplinarverfahrens entgegensteht, ergänzend auf die Strafprozessordnung.
Die Verweisung in § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO verfolgt den Zweck, den allgemein im Gerichtsverfahrensgesetz geregelten Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren auch für die Verfahren nach der Wehrdisziplinarordnung zu gewährleisten (vgl. BT-Drs. 17/3802 S.30). Der Normzweck gebietet es, den Rechtsschutz bei überlangen Wehrdisziplinarverfahren möglichst weitgehend an den Rechtsschutz bei ähnlich gelagerten Gerichtsverfahren anzugleichen. Soweit das Strafverfahren und das wehrgerichtliche Disziplinarverfahren im Hinblick auf den Ausgleich der Folgen einer überlangen Verfahrensdauer vergleichbar sind, entspricht es dem gesetzlichen Ziel einer Rechtsschutzangleichung, auch die für das Strafverfahren geltenden Vorschriften des § 199 GVG entsprechend anzuwenden. Dadurch entsteht eine widerspruchsfreie Gesamtregelung.
Die Vergleichbarkeit von Strafverfahrens- und Wehrdisziplinarrecht beruht im Wesentlichen darauf, dass es in beiden Rechtsgebieten seit langem anerkannt ist, eine überlange gerichtliche Verfahrensdauer sanktionsmildernd zu berücksichtigen. Während im Strafverfahren rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen dadurch kompensiert werden, dass für die überlange Verfahrensdauer ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt gilt (BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 - BGHSt 52, 124 - sog. Vollstreckungslösung), ist im wehrdisziplinargerichtlichen Verfahren die überlange Verfahrensdauer bei der Bemessung pflichtenmahnender Disziplinarmaßnahmen mildernd einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 80 m.w.N. - sog. Zumessungslösung). Werden bereits in dem überlangen Verfahren die mit der Verzögerung verbundenen Belastungen berücksichtigt, liegt eine Wiedergutmachung vor, die eine zusätzliche Entschädigung nicht mehr verlangt. Der Gedanke des Vorranges der verfahrensinternen Kompensation bzw. des fehlenden Bedarfs für eine Entschädigung neben der verfahrensinternen Kompensation steht hinter den Regelungen des § 199 Abs. 3 GVG (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 24) und ist damit auch auf wehrdienstgerichtliche Disziplinarverfahren übertragbar.
An einer vergleichbaren Interessenlage fehlt es nicht deshalb, weil Straf- und Disziplinarverfahren unterschiedlichen Zwecken dienen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 49, vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 51, vom 28. Juni 2012 - 2 WD 34.10 - juris Rn. 112 und vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - juris Rn. 79). Dieser Unterschied wirkt sich auf die hier inmitten stehende Frage einer verfahrensinternen Kompensation für überlange Gerichtsverfahren nicht aus. Beide Verfahrensarten verfolgen auch spezialpräventive Zwecke, die bereits durch die Belastungen des Verfahrens als solchem erreicht werden können. Dies schlägt sich darin nieder, dass eine mildere als die tat- und schuldangemessene Maßnahme im Strafverfahren vollstreckt und im Disziplinarverfahren verhängt wird. Auch die im Einzelnen bestehenden Rechtsprechungsunterschiede zwischen der Vollstreckungs- und der Zumessungslösung bei der Art der Wiedergutmachung der durch eine überlange Verfahrensdauer bewirkten Nachteile stehen der entsprechenden Anwendbarkeit des § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht entgegen. Denn diese Norm setzt für die "Anerkennung als Wiedergutmachung in anderer Weise" lediglich eine Berücksichtigung der unangemessenen Dauer des Verfahrens zugunsten des Beschuldigten voraus.
c) Eine ausreichende Berücksichtigung im Sinne des § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG liegt allerdings nur vor, wenn das Gericht erkennbar von einer Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Überlänge des Verfahrens ausgeht. Um eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise zu gewähren, muss das Wehrdienstgericht seiner Bemessungsentscheidung nicht nur die unangemessene Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zugrunde legen, sondern auch die maßnahmemildernde Wirkung dieses Aspektes klar stellen. Es muss ausgeschlossen werden, dass die mildernde Berücksichtigung der unangemessenen Verfahrensdauer bloß formelhaft behauptet wird. Hierfür ist es grundsätzlich erforderlich festzustellen, um welchen Zeitraum das Verfahren unangemessen lang war bzw. wie der mildernd berücksichtigte Verzögerungszeitraum bemessen wird. In aller Regel ist es zudem geboten, in den Entscheidungsgründen selbst zu erläutern, wie sich die unangemessene Verfahrensdauer auf die - von ihr abgesehen - tat- und schuldangemessene Maßnahmebemessung konkret auswirkte. Ausnahmsweise kann es aber ausreichen, dass dies aus dem Beschuldigten bekannten richterlichen Verfügungen deutlich wird.
d) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger für die mit der überlangen Verfahrensdauer verbundenen immateriellen Nachteile keinen Anspruch auf eine weitere Entschädigung in Geld, weil er bereits Wiedergutmachung auf andere Weise erlangt hat (§ 198 Abs. 2 Satz 2, § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO). Der Disziplinargerichtsbescheid enthält eine knappe, aber noch ausreichende Feststellung einer unangemessenen Länge des Verfahrens. Denn er berücksichtigt die lange Dauer des gerichtlichen Verfahrens als Milderungsgrund und knüpft dabei an die Erwägungen an, nach denen der Senat eine überlange Verfahrensdauer bei der Bemessung einer pflichtenmahnenden Maßnahme mildernd berücksichtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2016 - 2 WD 16.15 - BVerwGE 155, 161 Rn. 80). Indem der Disziplinargerichtsbescheid auf die Liegezeit des Verfahrens nach dem Widerspruch des Klägers gegen den ersten angekündigten Disziplinargerichtsbescheid abstellt, bestimmt er auch die Dauer des berücksichtigten Verzögerungszeitraumes. Denn die Akte ist vom Widerspruch des Klägers im August 2015 bis zur Wiederaufnahme der Gespräche im Dezember 2016 für ca. 15 Monate unbearbeitet geblieben. Zwar fehlt es in den Entscheidungsgründen an einer Konkretisierung des Ausmaßes, um das die unangemessene Verfahrensdauer die tat- und schuldangemessene Maßnahme gemindert hat. Für den Kläger ist aber aus den ihm zugestellten gerichtlichen Verfügungen und dem Ablauf des Verfahrens erkennbar, welche Milderung infolge der unangemessenen Verfahrensdauer erfolgt ist. Das Truppendienstgericht hat gegenüber dem Kläger letztlich eine wesentlich mildere Maßnahme verhängt als vor dem Verzögerungszeitraum angekündigt. Die Bezügekürzung ist im Disziplinargerichtsbescheid vom 20. Februar 2017 um 12 Monate und das Beförderungsverbot ist um 3 Monate im Vergleich zur Ankündigung vom 29. Juli 2015 reduziert worden. Da während des Verfahrens keine weiteren Änderungen eingetreten sind, wird aus einem Vergleich der ursprünglichen Ankündigung mit dem endgültigen Disziplinargerichtsbescheid noch hinreichend deutlich, welchen mildernden Effekt das Gericht der Verfahrensdauer beigemessen hat.
e) Hat ein Wehrdienstgericht in gerichtlichen Disziplinarverfahren die überlange Dauer des Gerichtsverfahrens berücksichtigt, ist dies nach dem klaren Wortlaut des § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO eine ausreichende Wiedergutmachung auf andere Weise. Eine inhaltliche Überprüfung, ob die vom Disziplinargericht gewährte Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist, ist dem Entschädigungsgericht damit verwehrt. Erfolgt die Kompensation der mit einer überlangen Verfahrensdauer verbundenen immateriellen Nachteile bereits im disziplinargerichtlichen Verfahren, kann der Betroffene eine unzureichende Wiedergutmachung nur mit den in diesem Verfahren zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln geltend machen. Dies folgt aus dem in § 199 Abs. 3 GVG verankerten Grundsatz des Vorrangs der verfahrensinternen Kompensation. Zudem ist das Entschädigungsgericht gemäß § 199 Abs. 3 Satz 2 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer an die vorangegangene Entscheidung des Ausgangsgerichts gebunden. Auch diese für die Strafgerichte geschaffene Regelung ist im Hinblick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Rechtsschutzangleichung durch die Wehrdienstgerichte entsprechend anzuwenden. Dementsprechend kann der Senat als Entschädigungsgericht dem Kläger für die bereits berücksichtigten und in anderer Weise wiedergutgemachten immateriellen Nachteile keine weitergehende Entschädigung zusprechen. Dafür bestünde im Übrigen auch deswegen kein Anlass, weil das Truppendienstgericht der 15monatigen Überlänge des Verfahrens bereits durch eine 15monatige Maßnahmereduzierung angemessen Rechnung getragen hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO. Für eine teilweise oder völlige Freistellung des Klägers von den Kosten nach § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 WDO sind keine Billigkeitsgründe ersichtlich.