Entscheidungsdatum: 24.06.2014
Die Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs durch einen an sich Unberechtigten allein zum Zwecke der Rückführung an den Berechtigten ist regelmäßig von dessen mutmaßlichen Willen gedeckt und daher nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 248b Abs. 1 StGB.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 1. Oktober 2013, soweit der Angeklagte verurteilt ist, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Aachen - Strafrichter - zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen mietete der Angeklagte zusammen mit seiner damaligen Freundin bei der Firma E. in A. einen PKW Volvo XC 60. Die Rückgabe des Fahrzeugs war für den 2. März 2013 vereinbart. Nachdem der Angeklagte sich am 27. Februar 2013 von seiner Freundin getrennt hatte und deshalb nicht mehr bei ihr übernachten konnte, behielt er den PKW fortan, um darin zu schlafen. Am 9. April 2013 wurde er wieder von seiner Ehefrau aufgenommen, weshalb er das Fahrzeug am Morgen des 10. April 2013 zur Autovermietung zurückbrachte. Die Autovermietung stellte Strafantrag (Fall 42 der Anklageschrift).
Im November 2012 überließ die Zeugin Z. dem Angeklagten auf dessen Bitte leihweise 500 Euro. Wie von Anfang an beabsichtigt, zahlte er das Geld in der Folgezeit nicht zurück (Fall 44 der Anklageschrift).
2. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall 42 wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs gemäß § 248b StGB wird von den Feststellungen nicht getragen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 248b StGB sind nicht belegt.
a) Das Dauerdelikt des § 248b StGB erfasst das Ingebrauchnehmen eines Kraftfahrzeugs gegen den Willen des Berechtigten. Unter dem Gebrauch eines Fahrzeugs ist dessen vorübergehende Nutzung - seinem bestimmungsgemäßen Zweck entsprechend - als Fortbewegungsmittel zu verstehen. Erforderlich ist das Ingangsetzen des Fahrzeugs zur selbständigen Fahrt. Die bloße Inbetriebnahme durch Anlassen des Motors reicht daher ebenso wenig aus wie die Nutzung eines parkenden Fahrzeugs zum Schlafen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1957 - 4 StR 523/57, BGHSt 11, 47, 50; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 248b Rn. 4; Kindhäuser in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 248b Rn. 3). Ein Gewahrsamsbruch ist regelmäßig nicht erforderlich, weshalb dem Ingebrauchnehmen das unbefugte Ingebrauchhalten gleichstellt ist (BGH aaO; OLG Schleswig NStZ 1990, 340). Es ist daher ausreichend, wenn - wie bei der Benutzung eines Mietwagens nach Ablauf der Mietzeit - die Berechtigung des Täters nachträglich wegfällt und er die Sache somit als „Nicht-mehr-Berechtigter“ nutzt (vgl. Kindhäuser aaO Rn. 6).
b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs war die durch den Angeklagten nach Ablauf der vertraglichen Mietzeit bis zum 9. April 2013 erfolgte Weiternutzung des Fahrzeugs als Schlafplatz zwar unberechtigt, d.h. gegen den Willen der Autovermietung; sie stellt jedoch mangels Fortbewegung des Fahrzeugs kein Ingebrauchnehmen im Sinne des § 248b StGB dar.
Ein Ingebrauchnehmen des Fahrzeugs liegt dagegen vor, soweit der Angeklagte das Fahrzeug nach Ablauf der Mietzeit am 10. April 2013 auf das Gelände der Autovermietung zurückbrachte und dort abstellte. Doch auch insoweit ist ein tatbestandsmäßiges Handeln des Angeklagten nicht belegt, denn die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die am 10. April 2013 allein zum Zwecke der Rückführung des Fahrzeugs erfolgte Ingebrauchnahme auch „gegen den Willen“ der alleinverfügungsberechtigten Autovermietung erfolgte. Dies war hier aber erforderlich:
Ist die Nutzung eines Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel - wie hier - gerade nicht auf die Verletzung der uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten des Berechtigten gerichtet, sondern vielmehr auf deren Wiedereinräumung (vgl. Hohmann in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 248b Rn. 12), liegt die Vermutung nahe, dass die Ingebrauchnahme des Fahrzeugs insoweit im Einverständnis des Berechtigten erfolgte. Die Rückführung eines Fahrzeugs durch einen an sich Unberechtigten erfolgt daher regelmäßig nicht „gegen den Willen des Berechtigten“, sondern ist von dessen mutmaßlichem Interesse gedeckt (OLG Düsseldorf, NStZ 1985, 413; Vogel in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 248b Rn. 8; aA Fischer, StGB, 61. Aufl., § 248b Rn. 6). Der vom Tatbestand des § 248b StGB vorausgesetzte entgegenstehende Wille des Berechtigten erfordert deshalb im Falle der Rückführung eines Fahrzeugs entsprechende ausdrückliche Feststellungen.
Diese waren hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Berechtigte Strafantrag gestellt hat, denn dieser sollte erkennbar den gesamten Zeitraum der über einen Monat verspäteten Rückgabe des Fahrzeugs erfassen, weshalb daraus nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden kann, dass auch die Ingebrauchnahme des Fahrzeugs zum Zwecke der Rückführung nicht in ihrem Einverständnis lag.
3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrugs im Fall 44 begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil offen bleibt, auf welcher Tatsachengrundlage sich die Strafkammer die Überzeugung von einem vorsätzlichen Handeln des Angeklagten verschafft hat.
In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Regelmäßig aber müssen, zumal wenn, wie hier, der Angeklagte die Tat bestritten hat, die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 StR 430/13 mwN). Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung der Geschädigten auf einer vorsätzlichen Täuschung durch den Täter beruht, muss der Tatrichter insbesondere mitteilen, wie er sich die Überzeugung davon verschafft hat. Lediglich in einfach gelagerten Fällen mag sich dies von selbst verstehen.
Gemessen daran, vermögen die von der Strafkammer insoweit allein in Bezug genommenen Angaben der Zeugin eine vorsätzliche Täuschungshandlung des Angeklagten nicht belegen. Die Zeugin hat lediglich bekundet, der Angeklagte habe ihr gegenüber erklärt, einen finanziellen Engpass zu haben und sie gebeten, ihm auszuhelfen. Sie habe ihm das Geld ungern geliehen und bis heute nicht zurückerhalten, obwohl sie deutlich gemacht habe, dass sie es so schnell wie möglich wieder zurück haben möchte. Dass der Angeklagte von Anfang an nicht vorhatte, ihr das Geld zurückzuzahlen, lässt sich daraus nicht schließen. Da der Angeklagte und die Zeugin zum damaligen Zeitpunkt eine sexuelle Beziehung pflegten und zwischen beiden jedenfalls bis zum März 2013 ein unregelmäßiger Kontakt bestand, versteht sich dies auch nicht von selbst.
4. Der Senat weist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den örtlich und nach §§ 24, 25 Nr. 2 GVG sachlich zuständigen Strafrichter beim Amtsgericht Aachen zurück (§ 354 Abs. 3 StPO), da dessen Entscheidungsgewalt ausreicht.
Appl Schmitt Krehl
Eschelbach Ott