Entscheidungsdatum: 13.02.2013
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Entschädigung des Verletzten.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Nachstellung in zwei Fällen, in einem davon in Tateinheit mit versuchter Nötigung und zwei Fällen der Bedrohung, im anderen mit einem Fall der Bedrohung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt und Entscheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit einer Verfahrensrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen erweist sie sich als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Schuld- und Strafausspruch halten rechtlicher Nachprüfung stand, soweit der Angeklagte wegen zwei Fällen der Nachstellung (in Tateinheit mit weiteren Delikten) verurteilt worden ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die Rüge eines Verstoßes gegen § 52 StPO (unterbliebene Belehrung einer Zeugin, deren Ehe mit dem Angeklagten annulliert worden war), die auch diese Verurteilung betrifft, aber aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen nicht durchgreift.
2. Dagegen begegnet die Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtlichen Bedenken. Insoweit hat die Revision mit der Rüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg. Dem liegt folgendes prozessuales Geschehen zugrunde:
a) Die Berufsrichter der Strafkammer nahmen während laufender Hauptverhandlung Augenschein vom Tatort, nachdem sich auch im Zusammenhang mit einem Beweisantrag der Verteidigung in der Hauptverhandlung herausgestellt hatte, dass Einzelheiten zu Tatortgegebenheiten und zu den dortigen Lichtverhältnissen zur Tatzeit für die Entscheidung von Bedeutung sein konnten. In Ergänzung zu bereits zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Fotodokumentationen und zu Wahrnehmungen von Polizeibeamten, die hierzu bereits angehört worden waren, wurde – wie sich dienstlichen Erklärungen der beteiligten Richter entnehmen lässt – der Tatort zu einer der Tatzeit vergleichbaren Uhrzeit von den Berufsrichtern ohne Information der Verfahrensbeteiligten begangen und in Augenschein genommen. Dabei wurden "in verschiedenen Szenarien möglicher Tatabläufe die Licht- und Sichtverhältnisse nachvollzogen, Laufversuche unternommen und etwaige Zeit-/Wege-verhältnisse ermittelt". Über das Ergebnis wurden die Schöffen zeitnah informiert; die übrigen Verfahrensbeteiligten wurden ebenfalls über die Ergebnisse der Tatortbesichtigung ins Bild gesetzt.
In den Urteilsgründen setzt sich die Strafkammer eingehend mit den örtlichen Verhältnissen am Tatort auseinander. Dabei führt sie u.a. aus (UA S. 29): "Die örtlichen Verhältnisse sind durch in Augenscheinnehmen von Lichtbildern und die Berichte der eingesetzten Polizeibeamten zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden und im Übrigen gerichtsbekannt (die Berufsrichter haben sich zur Nachtzeit vor Ort einen Eindruck verschafft und dies dem Rest der Kammer vermittelt)."
b) Dieses Vorgehen der Strafkammer steht mit § 261 StPO nicht in Einklang. Das Landgericht hat sich bei seiner Überzeugungsbildung auf Vorgänge gestützt, die nicht zum Inbegriff der Verhandlung gehören.
Der Tatrichter darf seiner Entscheidung zur Schuld- oder Straffrage nur das zugrunde legen, was er an Erkenntnissen durch die Verhandlung und in der Verhandlung im Rahmen einer förmlichen Beweiserhebung oder unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten gewonnen hat (vgl. BGHSt 19, 193, 195; s. auch BGHSt 45, 354, 357). Dies schließt es grundsätzlich aus, außerhalb der Hauptverhandlung erlangtes Wissen des Richters ohne förmliche Beweiserhebung hierüber zum Nachteil des Angeklagten zu verwerten. Eine Ausnahme kann gelten bei gerichtskundigen Tatsachen, wenn sie zuvor, auch in ihrer Wertung als "gerichtskundig", zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind (vgl. Schoreit in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., 2008, § 261, Rn. 9). Dies kommt freilich von vornherein nicht in Betracht, wenn – wie hier – aus Anlass des gegenständlichen Verfahrens erst eine dadurch veranlasste "private Beweisaufnahme" des Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung zur Gerichtskundigkeit führt (s. auch Fischer in: Karlsruher Kommentar zur StPO, aaO, § 244, Rn. 137). Aus diesem Grund kann deshalb auch der Umstand, dass die Schwurgerichtskammer in der Hauptverhandlung Mitteilung von den Ergebnissen ihrer Augenscheinseinnahme gemacht hat, die Verfahrensverletzung nicht beseitigen.
Auf diesem Gesetzesverstoß beruht das angefochtene Urteil entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts auch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die als gerichtskundig verwerteten Tatsachen zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Die Kammer hat – ausweislich der Urteilsgründe auch gestützt auf durch die eigene Augenscheinseinnahme gewonnene Erkenntnisse - den vom Tatopfer geschilderten Tatablauf als unvereinbar mit den örtlichen Verhältnissen angesehen (UA S. 29). Sie hat sich infolgedessen von seiner Tatschilderung, in deren Rahmen er auch den Angeklagten als unmittelbaren Angreifer erkannt haben wollte, nicht überzeugen können und ist unter Berücksichtigung der festgestellten Tatortgegebenheiten, insbesondere auch der "tatsächlichen Lichtverhältnisse", sowie der vorgefundenen Spurenlage von einem davon abweichenden Geschehensablauf ausgegangen (UA S. 30). Danach soll sich der vom Angeklagten angestiftete Täter zunächst an einem Ort im Nahbereich des Hauseingangs verborgen gehalten haben, bevor er unmittelbar vor Angriffsbeginn auf den sich zu diesem Zeitpunkt keines Angriffs versehenden Geschädigten zugerannt sei und sofort zugeschlagen habe, weshalb der Angeklagte wegen Anstiftung zu einem versuchten Heimtückemord zu bestrafen sei (UA S. 36). Der Senat kann jedenfalls nicht ausschließen, dass die Kammer ohne Berücksichtigung der fehlerhaft verwerteten Erkenntnisse ihrer Entscheidung einen anderen Geschehensablauf zugrunde gelegt hätte, bei dem heimtückisches Handeln zu verneinen gewesen wäre.
Der Gesetzesverstoß, der an sich nur die Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord betrifft, führt auch zur Aufhebung der tateinheitlich verwirklichten Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung.
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen des Tötungsdelikts zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie auch der darauf bezogenen Entscheidungen im Adhäsionsverfahren nach sich, für die mit der Aufhebung des ihnen zugrunde liegenden Schuldspruchs die Grundlage entfallen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Februar 2002 – 2 StR 1/02; Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 118/10).
Fischer Appl Schmitt
Berger Krehl