Entscheidungsdatum: 16.09.2015
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 30. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der später getötete V. , der Alkoholprobleme hatte, ab August 2013 ein Zimmer in der Wohnung des Angeklagten. Das Zusammenleben gestaltete sich anfangs harmonisch, später kam es zu Differenzen. So leistete V. keine Zahlung für die Nutzung der Wohnung, er beteiligte sich nicht an der Reinigung. Während er im Zimmer des Angeklagten Fernsehen schaute, trank er Schnaps und rauchte, ohne zu lüften, was dem Angeklagten missfiel.
Weihnachten 2013 war der Besuch der Mutter des Angeklagten angekündigt. Aus diesem Grund forderte der Angeklagte V. auf, ihm beim Aufräumen der Wohnung zu helfen. Nach Rückkehr von der Arbeit am 23. Dezember 2013 gegen 12.15 Uhr stellte der Angeklagte fest, dass sein Mitbewohner noch keine Anstalten unternommen hatte aufzuräumen. Aus Ärger trank er zwei oder drei Bier. Daraufhin beschloss er zwischen 15.00 und 16.00 Uhr, zu einem ca. 800 m entfernten Imbiss zu fahren, um dort etwas zu essen. Auf der Fahrt dorthin ging sein Roller kaputt; aus Frust hierüber trank er weiter Bier oder Apfelwein. Gegen 18.00 Uhr verließ der Angeklagte, der zwar nicht volltrunken war, aber "einen über den Durst” getrunken hatte, den Imbiss und schob seinen Roller zunächst, bis er ihn stehen ließ, weil er sich nicht mehr in der Lage sah, ihn weiter zu schieben. Er lief nach Hause und stellte dort fest, dass V. , der betrunken war und sich eingenässt hatte, in seinem Zimmer fernsah und rauchte. Zu Aufräumarbeiten war es nicht gekommen. Auf eine Strafpredigt des Angeklagten hin verteidigte sich V. damit, es gehe ihm nicht gut. Anschließend tranken der Angeklagte und V. ein weiteres Bier, bevor der Angeklagte eine von V. versteckt gehaltene Flasche Kräuterschnaps entdeckte. Aus Verärgerung trank der Angeklagte hiervon einige Schlucke und schüttete den Rest fort.
Auf Aufforderung des Angeklagten verließ V. das Zimmer des Angeklagten, der sich mit Kleidung und seinen Arbeitsschuhen mit Stahlkappen in sein Bett legte und sogleich einschlief. Gegen 19.00 Uhr betrat V. mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,7 Promille das Zimmer des Angeklagten, kam zu Fall und stürzte in das Bett des Angeklagten. Er traf dabei mit seinem Kopf direkt auf das Gesicht des Angeklagten, bei dem sich infolge dessen ein Schneidezahn lockerte. Der Angeklagte, der einen Blutalkoholwert von 2,57 Promille aufwies, schreckte hoch, trat nach V. und "donnerte" ihn vom Bett hinunter. Anschließend übergab er sich. V. rappelte sich auf und stürzte noch einmal auf das Bett des Angeklagten, der sich nunmehr enthemmt durch den Alkoholeinfluss entschloss, seinem Frust und Ärger über V. freien Lauf zu lassen. Enthemmt durch den Alkohol schlug er ihn mehrfach mit der Faust ins Gesicht und gegen den Kopf. Anschließend trat er V. mit voller Wucht von einem Stuhl hinunter, auf den sich dieser gesetzt hatte. Dem am Boden liegenden Geschädigten trat er sodann mehrfach, mindestens sechs Mal, mit seinen Arbeitsschuhen gegen Kopf, Hals und Oberkörper. Auch nahm der Angeklagte den Kopf des V. und schlug ihn mehrfach wuchtig auf den Boden. Dabei war ihm trotz seiner Alkoholisierung bewusst, dass V. durch die zahlreichen wuchtigen Schläge und Tritte zu Tode kommen konnte. Dies nahm er bei Ausführung der Tat billigend in Kauf.
V. erlitt zahlreiche Hämatome und Einblutungen, außerdem acht Rippenbrüche auf der rechten und zwei auf der linken Seite. Zudem kam es zu einer Zertrümmerung des Mittelgesichts sowie zu einem Bruch des Zungenbeins. Infolge weiter eingetretener Einblutungen in die Schädelhöhle sowie der Erschwerung der Atmung verstarb V. in der Nacht, spätestens einige Stunden nach der Tat.
Zum Zeitpunkt der Tat war der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt.
Der Angeklagte, der seinen Frust und Ärger nunmehr abreagiert hatte, legte sich nach der Tat wieder schlafen und fand am nächsten Morgen den Leichnam seines Mitbewohners vor seinem Bett. Er schaffte ihn in dessen Zimmer und reinigte die Wohnung. Zunächst war er bemüht, die Tat zu verdecken, bevor er sich am 5. Januar 2014 entschloss, sich der Polizei zu stellen.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Landgericht hat festgestellt, dem Angeklagten sei trotz seiner Alkoholisierung bewusst gewesen, dass V. durch die zahlreichen wuchtigen Schläge und Tritte gegen Kopf, Hals und Oberkörper zu Tode kommen konnte. Dies habe er bei Ausführung der Tat zumindest billigend in Kauf genommen.
2. Eine Beweiswürdigung hierzu fehlt in den Urteilsgründen. Dies erweist sich aus zwei Gründen als fehlerhaft.
a) Das Landgericht hat nicht mitgeteilt, wie sich der Angeklagte hinsichtlich der subjektiven Tatseite eingelassen hat. Aus den Ausführungen der Strafkammer ergibt sich zwar, dass die Feststellungen zur Sache auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf dem glaubhaften Geständnis des An- geklagten, beruhen. Die im Folgenden wiedergegebenen Angaben des Angeklagten beziehen sich aber lediglich auf den äußeren Geschehensablauf und enthalten keinerlei Hinweise, ob und in welcher Weise der Angeklagte sich hin- sichtlich des Tatvorsatzes eingelassen hat.
Aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, ergibt sich zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteilvorzunehmen, in der die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und diese Einlassung unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH NStZ 2015, 299; NStZ-RR 2013, 134, 135 m.w.N.; NStZ-RR 1999, 45; siehe auch: OLG Hamm StraFO 2003, 133; OLG Köln StraFO 2003, 313). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, regelmäßig auch mit Blick auf die subjektive Tatseite, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlichrechtliche Fehler hin überprüfen zu können. In den Urteilsgründen fehlt dies ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten. Schon deshalb ist das Urteil aufzuheben.
b) Die Strafkammer hat auch nicht dargelegt, wie sie zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite gelangt ist. Darauf konnte im vorliegenden Fall auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes auf der Hand gelegen hätte. Vielmehr machten die Umstände des Falles eine eingehende Darlegung der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite erforderlich.
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2011, 699). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Bei der Würdigung des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; BGH NStZ-RR 2007, 267, 268; NStZ-RR 2009, 372).
Es kann bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe liegen, dass der Täter damit rechnet, dass sein Opfer zu Tode kommen könnte, und er dies billigend in Kauf nimmt, wenn er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt. Aber immer ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Liegen - wie hier - Umstände vor, die auf diese Möglichkeit hinweisen, muss sich der Tatrichter damit auseinander setzen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 41 m.w.N.).
Trotz der gefährlichen Schläge und Tritte des Angeklagten, die zu den massiven Verletzungen des Tatopfers und schließlich zu seinem Tod geführt haben, kann schon zweifelhaft sein, ob dem Angeklagten tatsächlich bewusst war, dass V. zu Tode kommen könne. Er war hochgradig alkoholisiert und wurde von V. , als dieser auf das Gesicht des Angeklagten stürzte, schmerzhaft aus dem Schlaf gerissen und erschreckt; gleich danach musste er sich übergeben. Ob dem durch die Vorgeschehnisse ohnehin affektiv aufgeladenen Angeklagten angesichts des überraschenden Sturzes des Tatopfers in sein Bett und der vorhandenen, zu erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit führenden Alkoholisierung im Zeitpunkt des Übergriffs wirklich die möglichen Folgen seines spontanen Tuns bewusst waren und er auch einen tödlichen Ausgang in seine Überlegungen einbezogen hatte, hätte jedenfalls über die bloße Feststellung hinaus auch deshalb eingehenderer Würdigung bedurft, weil der Angeklagte sich nach seinen Gewalthandlungen ohne Weiteres wieder schlafen legte und das Tatopfer vor seinem Bett liegen ließ. Insoweit wäre zumindest zu erörtern gewesen, ob dies nicht ein gravierender Beleg für einen womöglich wenig orientierten Zustand des Angeklagten sein könnte, der (lediglich) seinen Ärger abreagiert und die Auswirkungen seiner Handlungen nicht realistisch abgeschätzt haben könnte. Dies gilt um so mehr, als der Tod des Opfers nicht unmittelbar nach den Übergriffen des Angeklagten, sondern erst im weiteren Verlauf der Nacht eingetreten ist.
Es versteht sich auch angesichts der erheblichen Verletzungen, die V. erlitten hat, nicht von sich selbst, dass sich der Angeklagte, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass er die mögliche Tödlichkeit der dem Opfer beigefügten Verletzungen erkannt haben sollte, mit dessen Tod abgefunden hat. Schon der Umstand, dass der Angeklagte in einer affektaufgeladenen und von der Alkoholisierung der beiden Beteiligten geprägten Situation seinen Frust und Ärger abreagiert hat, ist ein Umstand, der gegen die Schlussfolgerung sprechen könnte, der Angeklagte habe im Zeitpunkt der Schläge und Tritte den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen, und deshalb vom Landgericht hätte erörtert werden müssen. Gleiches gilt für die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass der Angeklagte am nächsten Morgen, als er den Tod von V. feststellte, über die Tat erschrocken und von Angst und Schuldgefühlen geplagt war. Auch dies hätte - trotz begrenzter Aussagekraft dieser zeitlich nach der Tat liegenden Umstände - jedenfalls erörtert werden müssen, weil es unter Umständen Rückschlüsse auf die innere Verfassung des Angeklagten zu dem ihm vorgeworfenen Taterfolg im Tatzeitpunkt zulässt. Nicht zuletzt hätte sich das Landgericht auch im Rahmen des voluntativen Vorsatzelements mit der Alkoholisierung des Angeklagten und der dadurch bedingten erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit auseinander setzen müssen.
Fischer Appl Krehl
Eschelbach Ott