Entscheidungsdatum: 19.11.2015
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30. April 2015
a) im Schuldspruch aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchter räuberischer Erpressung (Fall II. 2) und wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Vergewaltigung (Fall II. 3) verurteilt worden ist; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur subjektiven Tatseite im Falle der tateinheitlichen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung bleiben aufrechterhalten;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchter räuberischer Erpressung sowie versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und wegen Körperverletzung zu der gesonderten Geldstrafe von 90 Tagesätzen zu jeweils 43 Euro verurteilt.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen versuchter räuberischer Erpressung und – tatmehrheitlich hierzu – im Fall II. 3 wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung verurteilt worden ist. Die Urteilsaufhebung entzieht dem Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung im Fall II. 2 kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht tragfähig begründet ist.
a) Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am 9. März 2014 gegen 4.20 Uhr in eine Terminwohnung und führte dort gegen ein Entgelt in Höhe von 50 Euro mit der Zeugin L. Oralverkehr, Vaginalverkehr und zwei weitere Male den Oralverkehr durch. Die vom Angeklagten gewünschte erneute Durchführung des Vaginalverkehrs lehnte die Zeugin L. ab und vertröstete den Angeklagten auf den nächsten Tag. Hierüber geriet der erheblich alkoholisierte Angeklagte in Wut und schlug die Zeugin L. mit der flachen Hand fest ins Gesicht, so dass sie zu Boden fiel; anschließend versetzte er ihr Tritte gegen Ober- und Unterschenkel (Fall II. 1).
b) Die Zeugin L. gab dem Angeklagten daraufhin den von ihm entrichteten Geldbetrag zurück, um ihn zu besänftigen. Dies misslang. Der Angeklagte forderte nunmehr Geld von der Zeugin L. („money“), malte mit dem Finger eine fünf und zwei Nullen in die Luft, schlug mit der Hand gegen die Wand und drohte, sie zu töten, wenn sie ihm kein Geld gebe. Anschließend begab er sich zur Toilette. Die Zeugin L. nutzte diese Gelegenheit und bat eine Arbeitskollegin, die Zeugin K. , telefonisch um Hilfe. Bis zum Eintreffen der Zeugin K. versuchte die Zeugin L. den Angeklagten zu beruhigen, der „vor sich hinredete“ und mit der Faust gegen Küchentür und Wände schlug (Fall II. 2). Feststellungen dazu, ob der Angeklagte seine Geldforderung in diesem Zeitraum wiederholte sowie Feststellungen zu seinem Vorstellungsbild hat die Kammer nicht getroffen.
c) Nach dem Eintreffen der Zeugin K. drohte der Angeklagte ihr, er werde die Wohnung zerstören, wenn sie ihm nicht 5.000 Euro gebe. Nachdem die Zeugin K. ihn darauf hingewiesen hatte, dass sie über einen solchen Geldbetrag nicht verfüge, schlug der Angeklagte ihr mit der flachen Hand auf den Kopf, beschimpfte anschließend die Zeugin L. als „Nutte“ und „Hure“ und versuchte erneut, auch sie zu schlagen, was ihm nicht gelang. Der Zeugin K. gelang es, den Angeklagten abzulenken und der Zeugin L. die Flucht zu ermöglichen. Der Angeklagte schlug daraufhin die Zeugin K. mehrfach mit einer um den Hals getragenen, schweren Metallkette ins Gesicht, so dass ihre Lippe aufplatzte. Er erneuerte seine Geldforderung und versetze der Zeugin weitere Tritte und erzwang schließlich, dass die Zeugin K. den Oralverkehr an ihm vollzog und den Vaginalverkehr duldete; dabei drückte er den Kopf der widerstrebenden Frau auf sein Geschlechtsteil, fasste sie wenig später an den Oberarmen und drückte sie sehr grob auf das Bett, so dass die Zeugin Hämatome am Rücken und Schmerzen im Rücken und am Nacken verspürte. Nachdem er den Beischlaf bis zum Samenerguss ausgeführt und die Geschädigte währenddessen beschimpft und bespuckt hatte, wiederholte er seine Geldforderung und drohte der Zeugin, ihr die Beine zu brechen, wenn sie ihm nicht sofort das Geld gebe. Während der Angeklagte erneut zur Toilette ging, gelang der Zeugin K. die Flucht.
d) Diese Feststellungen tragen im Fall II. 2 die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs der räuberischen Erpressung zum Nachteil der Zeugin L. nicht.
aa) Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Verfügung stehenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann, ohne dass eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung der Tat nicht mehr für möglich hält (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2015 - 2 StR 309/15; Beschluss vom 9. April 2015 - 2 StR 402/14, StraFo 2015, 291; BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 - 4 StR 105/14, NStZ-RR 2014, 240). Entscheidend ist insoweit das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sogenannter Rücktrittshorizont, vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juli 2013 - 2 StR 91/13, NStZ 2013, 639, 640). Die Annahme eines Fehlschlags vom Versuch erfordert daher regelmäßig Feststellungen zum Rücktrittshorizont.
bb) Hieran fehlt es. Es bleibt schon unklar, ob der Angeklagte nach seiner Rückkehr von der Toilette seine Geldforderung gegenüber der Zeugin L. wiederholte. Hierfür könnte zwar sprechen, dass er weiterhin gegen Küchentür und Wände schlug. Ob er damit jedoch weiterhin sein Ziel verfolgte, die Zeugin L. zur Aushändigung des zuvor geforderten Geldbetrags zu motivieren, ist weder festgestellt noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zweifelsfrei entnehmen. Ebenso wenig enthält das Urteil Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung.
2. Der Senat hebt auch den für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffenen Schuldspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zur inneren Tatseite und zugleich eine rechtsfehlerfreie Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse zu ermöglichen. Der neue Tatrichter wird insoweit für den Fall, dass im Fall II. 2 ein Fehlschlag des Versuchs nicht festzustellen ist, die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit mit der zum Nachteil der Zeugin K. begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung in Betracht zu ziehen haben.
Einer Aufhebung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Fällen II. 2 und 3 sowie einer Aufhebung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, soweit der Angeklagte im Fall II. 3 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Vergewaltigung verurteilt worden ist, bedarf es nicht, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 2 und 3 entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage. Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die im Fall II. 1 wegen vorsätzlicher Körperverletzung verhängte Geldstrafe weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf und bleibt daher gesondert bestehen.
Der Senat sieht jedoch Anlass zu folgendem Hinweis:
Der Tatrichter hat für die Tat II. 1 - die zum Nachteil der Zeugin L. begangene vorsätzliche Körperverletzung - als Einzelstrafe eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 43 Euro verhängt und von der in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Möglichkeit, gesondert auf Geldstrafe zu erkennen, Gebrauch gemacht (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB). Die hierfür gegebene Begründung, die Einbeziehung der Geldstrafe sei unterblieben, weil sie die Gesamtfreiheitsstrafe insgesamt erhöht hätte und deshalb als das schwerere Strafübel anzusehen sei, ist nicht tragfähig.
Nach § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB wird in Fällen, in denen Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammentrifft, regelmäßig auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt, weil die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe in aller Regel günstiger für den Angeklagten ist. Anderes kann in besonderen Fallkonstellationen gelten, in denen die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe als das schwerere Übel erscheint, etwa weil sie eine Strafaussetzung zur Bewährung erschwert oder verhindert (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2002 - 1 StR 142/02, NStZ-RR 2002, 264; Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 390/06, StV 2007, 129) oder sonstige nachteilige Folgen für den Angeklagten nach sich zieht (vgl. Senat, Beschluss vom 11. August 1989 - 2 StR 170/89, NJW 1989, 2900). Hierfür ist nichts ersichtlich.
Der Angeklagte ist durch den hierin liegenden Rechtsfehler jedoch nicht beschwert. Anhaltspunkte dafür, dass er die Geldstrafe voraussichtlich nicht wird bezahlen können (vgl. zu dieser Konstellation Senat, Beschluss vom 1. August 2008 - 2 StR 250/03, juris), bestehen nicht.
RiBGH Prof. Dr. Krehl |
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