Entscheidungsdatum: 11.02.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 19. Mai 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften in zehn Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften in vier Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die mit der Revision gerügte Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet hingegen durchgreifenden sachlich rechtlichen Bedenken.
a) Das Landgericht hat von der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB abgesehen. Zwar habe der Angeklagte den Hang, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen. Der Sachverständige habe hierzu ausgeführt, der Angeklagte habe in den letzten drei Jahren täglich Alkohol in zunehmend höheren Mengen konsumiert. In der Vergangenheit sei es bei ihm unter Alkoholeinfluss auch zu Straftaten gekommen, wenngleich es sich hierbei nicht um Sexualstraftaten gehandelt habe. Zusammenfassend sei die Diagnose eines Alkoholabhängigkeitssyndroms zu stellen. Ob jedoch die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 64 StGB vorlägen, „könne er - abweichend von seiner vorläufigen Einschätzung im Gutachten vom 14. Januar 2015 - nicht mehr beurteilen“.
Die Strafkammer ist sodann aufgrund eigener Erwägungen zur Annahme gelangt, dass zwischen dem Hang und den abgeurteilten Straftaten kein symptomatischer Zusammenhang bestehe, und hat die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB schon aus diesem Grund abgelehnt.
b) Die Ablehnung der Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hat keinen Bestand. Die Erwägungen des Landgerichts leiden an einem auf die Sachrüge zu beachtenden durchgreifenden Darstellungsmangel.
Mit der unterschiedlichen Beurteilung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 StGB in dem vorläufigen schriftlichen Gutachten einerseits und in dem in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Gutachten andererseits hätte sich das Tatgericht näher befassen müssen. Zwar bereitet ein schriftliches Gutachten die Begutachtung in der Hauptverhandlung lediglich vor; maßgeblich ist daher nur das mündliche Gutachten des Sachverständigen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 167). Widersprechen sich beide Gutachten in einem entscheidenden Punkt, muss diese Abweichung näher begründet werden (Senat, Beschluss vom 13. Mai 2005 – 2 StR 160/05, NStZ 2005, 683, 684). Das Gericht muss sich mit diesem Widerspruch auseinandersetzen und in den Urteilsgründen nachvollziehbar darlegen, warum es das eine Ergebnis für zutreffend, das andere für unzutreffend erachtet (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 1989 - 4 StR 630/89, NStZ 1990, 244, 245; Beschluss vom 13. Juli 2004 - 4 StR 120/04, NStZ 2005, 161). Daran fehlt es hier.
Das Landgericht hat schon nicht mitgeteilt, zu welcher Einschätzung der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten gekommen war. Offen bleibt auch, warum er, abgesehen vom Vorliegen eines Hangs, sich bei mündlicher Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung nicht mehr in der Lage gesehen hat, das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 StGB zu beurteilen. Der Grund dafür erschließt sich auch nicht aus dem in diesem Zusammenhang erfolgten Hinweis des Gerichts, der Sachverständige habe ausgeführt, nach der in der Hauptverhandlung erfolgten Inaugenscheinnahme der Filmaufnahmen der Taten stehe aus seiner Sicht nur fest, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten tatzeitbezogen vollständig erhalten geblieben sei.
Damit ist eine revisionsrichterliche Überprüfung dahin, ob das Landgericht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 64 StGB zu Recht abgelehnt hat, nicht möglich. Es kann weder beurteilt werden, ob und welche Ausführungen des Sachverständigen den Erwägungen des Gerichts entgegenstehen noch, ob das Landgericht im Ergebnis zu Recht das bessere Fachwissen für sich in Anspruch nehmen durfte.
2. Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Es dürfte sich empfehlen, mit der erforderlichen Begutachtung des Angeklagten (§ 246a StPO) einen anderen Sachverständigen zu betrauen.
Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da auszuschließen ist, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Fischer Appl Ott
Zeng Bartel