Entscheidungsdatum: 15.12.2016
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 22. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub und Freiheitsberaubung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus zwei früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 5. Mai 2015 gegen 19:30 Uhr den 85-jährigen Geschädigten, indem er an dessen Wohnungstür klingelte, vorgab, ein Paket abholen zu wollen und plötzlich dem Geschädigten eine Waffe an den Kopf hielt. Der Angeklagte drängte den Geschädigten zurück ins Haus, schlug ihm gegen den Kopf, fesselte ihn, nahm aus seiner Geldbörse 600 Euro Bargeld, Bankkarten und Fahrzeugpapiere weg und zwang den Geschädigten zur Nennung der PIN-Nummer seiner Bankkarte. Mithilfe der Bankkarte erwarb er unter Verwendung des Lastschriftverfahrens später Waren mit einem Gesamtwert bis zu 9.000 Euro.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des die Tatbegehung bestreitenden Angeklagten im Wesentlichen auf DNA-Spuren, die dem Angeklagten zugeordnet werden konnten, Standortdaten seines Mobiltelefons und das Auffinden der Geldbörse des Geschädigten sowie der Mithilfe der entwendeten Bankkarte erworbenen Gegenstände beim Angeklagten gestützt. Die Tatbegehung durch eine andere Person hat es ausgeschlossen.
Außerdem hat das Landgericht angenommen, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit in finanziellen Schwierigkeiten befunden und deshalb ein Motiv zur Begehung der Tat gehabt habe. Dass sich seine finanzielle Situation im Mai 2015 zugespitzt habe, werde daraus deutlich, dass dem Angeklagten für den Zeitraum vom 2. Mai bis zum 25. Mai 2015 weitere Raubüberfälle auf Tankstellen und eine Spielothek vorgeworfen werden, „für die zwar bislang keine Verurteilung vorliegt, für die aber der Tatverdacht aufgrund des bei dem Angeklagten aufgefundenen Motorrads sowie der entsprechenden Kleidung ein dringender ist, wobei die Kammer die letztgenannten Umstände zu den Tatvorwürfen in L. ihrer Überzeugungsbildung für den vorliegenden Fall nicht zu Grunde gelegt“ habe.
II.
Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge begründet, sodass es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil ist rechtlich zu beanstanden.
Das Landgericht hat aus der Tatsache, dass dem Angeklagten unbewiesene weitere Verbrechen zur Last gelegt werden, Schlussfolgerungen zu seinem Nachteil gezogen. Daran ändert der Hinweis nichts, dass die Strafkammer die Beweisgründe für jene Verdachtsannahme („die letztgenannten Umstände“) im vorliegenden Fall unberücksichtigt gelassen habe. Dieser Hinweis steht in offenkundigem Widerspruch zur vorausgegangenen Darlegung, aus dem Tatverdacht auf die Motivlage des Angeklagten geschlossen zu haben. Das Landgericht hat daher jedenfalls den Verdacht der Begehung weiterer Raubüberfälle in seine Gesamtwürdigung einbezogen. Das ist rechtsfehlerhaft.
Indiztatsachen, aus denen Schlussfolgerungen zum Nachteil eines Angeklagten gezogen werden sollen, müssen zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen. Andernfalls kommt der Zweifelssatz zum Tragen (vgl. Liebhardt, NStZ 2016, 134, 136; Schäfer, StV 1995, 147, 150). Dies gilt auch für die Begehung vergleichbarer weiterer Straftaten, aus der Schlussfolgerungen zum Nachteil des Angeklagten im konkreten Fall gezogen werden sollen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. April 2016 - 2 StR 435/15). Der bloße Verdacht der Begehung weiterer Taten kann für den Nachweis der konkret abzuurteilenden Tat keine Indizwirkung entfalten.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
Fischer |
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