Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 09.07.2014


BGH 09.07.2014 - 2 StR 13/14

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern: Gegenseitiges Urinieren in den Mund als sexuelle Handlung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
09.07.2014
Aktenzeichen:
2 StR 13/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Aachen, 15. Juli 2013, Az: 65 KLs 201 Js 1014/12 - 13/13
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ein zum Zweck sexueller Erregung vorgenommenes Urinieren des Täters in den Mund eines Kindes oder die Veranlassung des Kindes zum Urinieren in den Mund des Täters ist eine sexuelle Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden und als beischlafähnlich zu werten ist (Fortführung von BGH, 19. Dezember 2008, 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118).

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Juli 2013 im Fall 4 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Seine auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen war sie als unbegründet zu verwerfen.

I.

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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte eng befreundet mit der Familie der 1996 geborenen       G.     , der späteren Geschädigten. Erstmals im Alter von fünf Jahren übernachtete sie bei dem Angeklagten, der sich fortan regelmäßig um sie kümmerte und sich zunehmend zu einer engen Bezugsperson der Geschädigten entwickelte. Immer häufiger übernachtete sie das ganze Wochenende und in den Schulferien auch mehrere Wochen bei dem Angeklagten. Beide schliefen dann gemeinsam auf einer Schlafcouch, wobei der Angeklagte die Geschädigte veranlasste - wie er selbst - nackt zu schlafen. Der Angeklagte schaffte eine zunehmend sexualisierte Atmosphäre und vermittelte der Geschädigten insbesondere den Eindruck, dass Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern normal sei. Im Einzelnen kam es zu nachfolgenden Tathandlungen:

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Zwischen dem 28. Januar 2004 und 27. Januar 2005 zeigte der Angeklagte der damals 8-jährigen Geschädigten einen Pornofilm, in dem junge Mädchen im Alter von ungefähr vier Jahren den Oralverkehr an erwachsenen Männern ausführten. Der Angeklagte kommentierte die Szenen unter anderem dahin, welche der Mädchen ihm gefielen und dabei schön aussähen (Fall 1). Bei einer weiteren Gelegenheit zeigte er der Geschädigten einen Film, in dem ein erwachsener Mann einem jungen Mädchen an der Scheide leckte (Fall 2).

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An einem Tag zwischen Sommer 2004 und dem 27. Januar 2007 veranlasste der Angeklagte die maximal 10-jährige Geschädigte, sich ausgezogen auf die Couch zu legen und leckte ihre Vagina im Bereich der Klitoris (Fall 3). Im gleichen Zeitraum und jedenfalls nach den Fällen 1 und 2 saß der Angeklagte mit der Geschädigten nackt in der Badewanne. Die Geschädigte, die insbesondere aufgrund des Vorspielens der Filme (Fall 1 und 2) der Fehlvorstellung unterlag, Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern sei normal, nahm während des Badens unvermittelt das Glied des Angeklagten in den Mund. Der Angeklagte fasste spätestens zu diesem Zeitpunkt den Entschluss, sich von der Geschädigten den Oralverkehr an sich ausüben zu lassen. Er unternahm daher nichts, den Oralverkehr zu beenden, sondern ließ die Geschädigte gewähren, um sich sexuell zu erregen (Fall 4).

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In der Folgezeit bestärkte der Angeklagte die Geschädigte in der Annahme, dass Sexualkontakt zwischen ihnen beiden normal sei. Er äußerte wiederholt, dass sie für ihr Alter schon besonders reif sei, worauf die Geschädigte, die dem Angeklagten gefallen wollte, sehr stolz war. Der Angeklagte schwärmte auch von zwei 13- und 17-jährigen Mädchen, die mit ihm Urinspiele ausüben würden. Beeindruckt von den Erzählungen des Angeklagten und um ebenso erwachsen zu sein, erklärte sich die zwischenzeitlich 12-jährige Geschädigte an einem Tag zwischen dem 28. Januar 2008 und 27. Januar 2009 dazu bereit, sich von dem Angeklagten in den Mund urinieren zu lassen. Sie legte sich nackt auf den Boden, während sich der teilweise entkleidete Angeklagte über sie beugte und ihr in den geöffneten Mund urinierte, um sich sexuell zu erregen. Die Geschädigte schluckte den Urin herunter, empfand jedoch den Geschmack als ekelhaft und musste sich übergeben (Fall 5). Zu weiteren Urinspielen war sie aufgrund dieser Erfahrung zunächst nicht bereit. Dem Angeklagten gelang es aber, die Geschädigte ihrerseits zu veranlassen, ihm in den Mund zu urinieren. Er schluckte den Urin herunter, um sich sexuell zu erregen (Fall 6).

6

Da der Angeklagte weiterhin von Frauen schwärmte, mit denen er mit Urinieren verbundene Sexualpraktiken nachgehe, und die Geschädigte ihm unbedingt gefallen wollte, erklärte sie sich bald dazu bereit, es noch einmal auf umgekehrte Weise zu versuchen. Sie ließ es daher im Alter von 12 Jahren in mindestens einem Fall zu, dass ihr der Angeklagte in den offenen Mund urinierte, wobei sie den Urin auch herunter schluckte (Fall 7). Fortan kam es zu regelmäßigen entsprechenden Praktiken, wobei der Angeklagte bei mindestens acht Gelegenheiten die zwischenzeitlich 13-jährige Geschädigte veranlasste, sich zu entkleiden und von ihm in den Mund urinieren zu lassen. Die Geschädigte schluckte den Urin bei allen Gelegenheiten herunter (Fälle 8 bis 15). Bei mindestens drei Gelegenheiten (Fälle 13 bis 15) führte die Geschädigte im Anschluss hieran den Oralverkehr am Angeklagten bis zum Samenerguss durch.

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2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen in den Fällen 1 bis 3 als sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 (Fall 1), § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (Fall 2) bzw. § 176 Abs. 1 StGB (Fall 3) und in den Fällen 4 bis 15 als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet.

II.

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Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet, die Sachrüge dagegen teilweise begründet.

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1. Die auf § 176a Abs. 2 Nr. 1, § 176 Abs. 1 StGB gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im Fall 4 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Feststellungen des Landgerichts, wonach der Angeklagte es lediglich geschehen ließ, dass die Geschädigte den Oralverkehr an ihm ausübte, belegen kein vorsätzliches aktives Handeln des Angeklagten.

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Die 2. Alternative des § 176 Abs. 1 StGB ist zwar bereits dann erfüllt, wenn der Täter sexuelle Handlungen „an sich von dem Kind vornehmen lässt”. Es handelt sich insoweit aber nicht um ein echtes Unterlassungsdelikt, weshalb das rein passive Dulden zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der beim eigentlichen Sexualkontakt sich passiv verhaltende Täter zuvor aktiv auf das Kind eingewirkt hat, etwa durch Befehlen oder Überreden. Der Tatbestand kann darüber hinaus zwar auch erfüllt sein, wenn die Initiative zum Sexualkontakt - im Gegensatz etwa zum "Bestimmen" nach § 176 Abs. 2 StGB - vom Kind selbst ausgeht. Ein Gewähren-Lassen des Täters ist aber auch in diesem Fall nur dann tatbestandlich erfasst, wenn es über die rein passive Duldung hinausgeht und zum Beispiel eine Bestärkung der vom Kind ausgehenden Initiative enthält (vgl. Fischer, StGB 61. Aufl. § 176 Rn. 6; Hörnle in LK, StGB, 12. Aufl. § 176 Rn. 11).

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Die Strafkammer hat vorliegend weder Feststellungen dahin getroffen, dass der Angeklagte unmittelbar vor dem Tatgeschehen auf die Geschädigte eingewirkt noch dass er das auf Initiative der Geschädigten in Gang gesetzte Geschehen in irgendeiner Weise positiv kommentiert oder sonst die Geschädigte in ihrem Tun bestärkt oder ermuntert hätte. Nach den Feststellungen ging die Initiative der Geschädigten vielmehr allein auf deren sexuelle Enthemmung zurück, die der Angeklagte zuvor über einen längeren Zeitraum gefördert hatte. Zwar kann auch ein solches im weiten Vorfeld der Tat liegendes aktives Einwirken des Täters auf das Opfer ein tatbestandliches Handeln im Sinne der 2. Alternative des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen. Dass der Angeklagte aber schon im Vorfeld der Tat mit dem dafür erforderlichen Vorsatz handelte, hat die Strafkammer nicht festgestellt; sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Vorsatz, den Oralverkehr an sich ausüben zu lassen, erst fasste, als die Geschädigte seinen Penis bereits in den Mund genommen hatte (UA S. 10, 38). Ein vorsätzliches tatbestandliches Handeln des Angeklagten ist daher nicht belegt.

12

Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 4 der Urteilsgründe und entzieht der dazugehörigen Einzelstrafe sowie dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

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2. Die Nachprüfung des Urteils im Übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

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Das Landgericht hat die den Fällen 5 bis 15 zugrunde liegenden Tathandlungen zu Recht als schweren sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB gewürdigt.

15

Der Schuldspruch in den Fällen 13 bis 15 begegnet schon deshalb keinen rechtlichen Bedenken, weil die Geschädigte in diesen Fällen zumindest auch den Oralverkehr an dem Angeklagten ausführte. Dabei handelt es sich ohne Weiteres um eine sexuelle Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB verbunden war. Aber auch die Bewertung des in den Fällen 5 bis 12 festgestellten gegenseitigen Urinierens in den Mund als jeweils schwerer sexueller Missbrauch von Kindern begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

16

Nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird der sexuelle Missbrauch von Kindern in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 StGB als schwerer sexueller Missbrauch mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn eine Person über achtzehn Jahren an einem Kind den Beischlaf vollzieht (1. Alternative) oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (2. Alternative). Die Voraussetzungen der 2. Alternative liegen hier vor. Sowohl das Urinieren des Angeklagten in den Mund der Geschädigten (Fälle 5, 7 bis 12) als auch das Urinieren der Geschädigten in den Mund des Angeklagten (Fall 6), verbunden jeweils mit der oralen Aufnahme, stellt eine sexuelle Handlung gemäß § 176 Abs. 1 StGB (a) dar, die mit dem Eindringen in einen Körper verbunden (b) und die als „beischlafsähnlich“ (c) zu werten ist:

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a) Tathandlung des § 176 Abs. 1 StGB ist die Vornahme einer sexuellen Handlung durch den Täter an dem Kind oder aber das Vornehmen-Lassen von Handlungen des Kindes am Täter.

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aa) Das gegenseitige Urinieren in den Mund stellt eine Handlung des Täters „an” dem Kind bzw. des Kindes „am” Täter im Sinne dieser Vorschrift dar. § 176 Abs. 1 StGB erfasst zwar - im Gegensatz zu seinem Absatz 2 - nur solche Handlungen, bei denen es zum Körperkontakt zwischen dem Täter und dem Kind kommt (BGH, Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, BGHSt 38, 68, 70; Urteil vom 7. September 1995 - 1 StR 236/95, 41, 242, 243; Urteil vom 31. Oktober 1995 - 1 StR 527/95, 285, 287; Senat, Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, NStZ 1992, 433; Beschluss vom 26. August 1998 - 2 StR 357/98). Dies setzt eine körperliche Berührung voraus, d.h. der Täter muss mit seiner sexuellen Handlung auf den Körper des Tatopfers einwirken, ihn in Mitleidenschaft ziehen. Allerdings ist mit „körperlicher Berührung” bzw. „Körperkontakt” nicht nur der unmittelbare Hautkontakt, d.h. die Berührung nackter Körperstellen gemeint (Senat, Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, NStZ 1992, 433 mwN). Vielmehr kann auch der Griff über der Kleidung oder die Berührung des Körpers mit einem Gegenstand eine sexuelle Handlung „an” einem anderen jedenfalls dann darstellen, wenn der Körper des anderen selbst - nicht nur seine Kleidung und gegebenenfalls seine psychische Verfassung - in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1995 - 3 StR 150/95, BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 8 mwN; Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 - 2 StR 490/91, NStZ 1992, 432; vgl. Wolters in SK-StGB, Oktober 2012, § 184g Rn. 6; demgegenüber fordert Wolters an anderer Stelle - aaO, August 2012 § 176a Rn. 16 - einen unmittelbaren beidseitigen Körperkontakt). Entsprechend wird nicht nur das Berühren des Körpers mit einem Gegenstand, sondern auch das Ejakulieren auf den (nackten) Körper des Tatopfers als ausreichend erachtet (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 121; vgl. zu § 178 Abs. 1 StGB a.F. BGH, Urteil vom 20. Mai 1992 - 2 StR 73/92, NStZ 1992, 433 mwN).

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bb) Das gegenseitige Urinieren in den Mund verbunden mit der oralen Aufnahme des Urins stellte schon seinem äußeren Erscheinungsbild nach auch eine sexualbezogene Handlung im Sinne des § 176 Abs.1 StGB dar (allgemein zu den Voraussetzungen, vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336; Urteil vom 20. Dezember 2007 - 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339), denn es erfolgte jeweils unter Einbeziehung eines Geschlechtsteils (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 120 f.), wobei jedenfalls die Geschädigte regelmäßig auch vollständig unbekleidet war; zudem handelt es sich bei dem Urinieren auf den Körper oder in den Mund eines anderen um eine nicht ganz selten vorkommende sexuelle Praktik.

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Das Handeln des Angeklagten war schließlich auch - wie festgestellt - in allen Fällen sexuell motiviert.

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cc) Die Handlungen waren auch erheblich im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB, denn sie lassen sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des durch die §§ 174 ff. StGB geschützten Rechtsguts besorgen (zu den allgemeinen Voraussetzungen vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2012 - 2 StR 219/12, NStZ 2013, 280; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Urteil vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336). Das ist schon deshalb anzunehmen, weil das Tatopfer bei den Handlungen regelmäßig vollständig entkleidet war und das Geschehen in seinem Zusammenhang nach allgemeinem Empfinden weit entfernt ist von bloßen Taktlosigkeiten oder bagatellhaften Übergriffen.

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b) Das Urinieren in den Mund des Opfers stellt ebenso wie das Urinieren des Opfers in den Mund des Täters ein „Eindringen in den Körper” im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB dar.

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aa) Schon der Gesetzeswortlaut setzt nicht voraus, dass eine beteiligte Person mit einem eigenen Körperteil in den Körper einer anderen Person eindringt, sondern nur dass „etwas“ in den Körper des Anderen gelangt (vgl. Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. § 176a Rn. 22; Hörnle in LK, StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 28). Ausreichend ist, dass eine sexuelle Handlung die Körpergrenze durchdringt (vgl. Frommel in Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. § 176a Rn. 4), weshalb sowohl das männliche Glied, andere Körperteile und feste Gegenstände als auch weiche Substanzen und Flüssigkeiten wie Sperma oder Urin vom Wortlaut erfasst sind (vgl. auch Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 120 f.; vgl. auch Schönke/Schröder/Eisele, StGB 29. Aufl. § 176a Rn. 8a; Ziegler in BeckOK StGB, Stand 22. Juli 2013, § 176a Rn. 11; Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. § 176a Rn. 22).

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bb) Auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und von seinem Sinn und Zweck her erfasst § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB das Urinieren in den Mund als ein „Eindringen in den Körper”.

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Der Begriff „Eindringen in den Körper” in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132). „Eindringen” erfordert zwar eine Penetration des Körpers, also nicht nur die bloße Berührung (BGH, Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, NStZ 2000, 27, 28). Er ist aber nicht ausdrücklich auf den Beischlaf, den Anal- und Oralverkehr beschränkt (BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672).

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Dafür spricht schon seine Entstehungsgeschichte. Der Qualifikationstatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wurde als § 176a Abs. 1 Nr. 1 durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) in das Strafgesetzbuch eingeführt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dieses qualifizierende Merkmal im Wesentlichen dem durch das 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1607) in § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (heute § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) eingeführten Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Vergewaltigung nachgebildet werden (BT-Drucks. 13/8587, S. 31 f.). Hiernach sollte „vor allem das Eindringen des Geschlechtsgliedes in den Körper als orale oder anale Penetration erfasst” werden (BT-Drucks. 13/2463, S. 7 und BT-Drucks. 13/7324, S. 6; BGH, Beschluss vom 14. September 1999 - 4 StR 381/99, NStZ 2000, 27). Mag danach der Gesetzgeber in erster Linie an den Anal- und Oralverkehr gedacht haben, so hat er die Anwendung des Tatbestandes neben dem Beischlaf nicht auf diese Arten sexueller Betätigung beschränkt. Dies folgt schon daraus, dass ausdrücklich auch „das Eindringen mit Gegenständen” erfasst werden sollte, das „eine in gleicher Weise belastende und erniedrigende Verhaltensweise darstellen (kann)” (BT-Drucks. 13/2463, S. 7, BT-Drucks. 13/7324, S. 6, jew. zu § 177 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB i.d.F. des 33. StrRG; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672). Demzufolge ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur das Eindringen des männlichen Glieds erfasst, sondern auch das Eindringen jedes anderen Körperteils oder von Gegenständen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672; Urteil vom 30. September 2004 - 4 StR 134/04, NStZ 2005, 152, 153 - jeweils zum Finger; Urteil vom 15. Juni 2005 - 1 StR 499/04, NStZ-RR 2007, 195, 196; Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, NJW 2011, 3111 - Zunge; Beschluss vom 12. März 2014 - 4 StR 562/13 - Vibrator).

27

Ein Eindringen in den Körper ist daher nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch dann gegeben, wenn Körpersekrete oder Ausscheidungsprodukte in Körperöffnungen gelangen und gerade (auch) hierin jedenfalls aus Sicht des Täters die Sexualbezogenheit des Vorgangs liegt. Anders als das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB stellt § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht auf die besondere Erniedrigung des Opfers ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches - soweit beischlafähnlich - als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 282/08, BGHSt 53, 118, 120).

28

cc) Das gilt auch für solche Fälle, in denen das Urinieren in den Mund des Täters vorgenommen wird, denn tatbestandlich erfasst wird sowohl das Eindringen in den Körper des Opfers als auch in den des Täters (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 - 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 133 ff. m. Anm. Hörnle, NStZ 2000, 310; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 282/08, BGHSt 53, 118, 119; vgl. Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl., § 176a Rn. 8a; Renzikowski in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. § 176a Rn. 22).

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c) Bei den in den Fällen 5 bis 12 festgestellten sexuellen Handlungen handelt es sich auch um solche, die einem Beischlaf ähnlich sind.

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Die gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB erforderliche Beischlafähnlichkeit der mit einem Eindringen in den Körper verbundenen sexuellen Handlung setzt nicht unbedingt äußerliche Ähnlichkeit mit dem Bewegungsablauf beim Vollzug des Beischlafs voraus (vgl. Hörnle in LK-StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 26, 28; Fischer, aaO Rn. 8; a.A. Wolters in SK, StGB, August 2012, § 176a Rn. 16). Eine Ähnlichkeit mit dem Beischlaf liegt vielmehr regelmäßig schon dann vor, wenn die sexuelle Handlung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach entweder auf Seiten des Opfers oder des Täters unter Einbeziehung des (primären) Geschlechtsteils geschieht (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1999 - 4 StR 389/99, NJW 2000, 672; Beschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 121; Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 225; Fischer, aaO Rn. 8 a; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8a). Sie ist aber vor allem auch an dem Gewicht der Rechtsgutverletzung zu messen (Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 225; a.A. Wolters in SK, StGB August 2012, § 176a Rn. 16), also an ihrer Erheblichkeit im Hinblick auf das in § 176a StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung und ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes. Entscheidend ist mithin, dass das Ausmaß der insoweit zu besorgenden Rechtsgutverletzung mit einem Beischlaf vergleichbar ist und diese Rechtsgutverletzung ebenfalls von einem Eindringen in den Körper herrührt. Richtigerweise ist darin ein (weiteres) Erheblichkeitsmerkmal zu sehen, wodurch die zweite Tatalternative angesichts des weiten Begriffs des Eindringens die notwendige Beschränkung erfährt (vgl. Ziegler in BeckOK StGB § 176a Rn. 12; Fischer, aaO Rn. 8; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8a).

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Gemessen daran, handelt es sich bei dem unter Einbeziehung eines Geschlechtsteils erfolgten Urinieren in den geöffneten Mund verbunden mit der oralen Aufnahme des Urins sowohl von seinem äußeren Erscheinungsbild her als auch im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung und vor allem aber die ungestörte sexuelle Entwicklung des zur Tatzeit 12- bis 13-jährigen Kindes ohne Weiteres um eine dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlung.

Fischer                   Schmitt                          Krehl

               Ott                       Eschelbach