Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 28.10.2010


BVerwG 28.10.2010 - 2 C 56/09

Gleichbehandlung von Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft; Aufwandsentschädigung bei Dienstleistung im Ausland


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
28.10.2010
Aktenzeichen:
2 C 56/09
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend VG Berlin, 22. September 2009, Az: 26 A 53.06, Urteil
Zitierte Gesetze
EGRL 78/2000
Art 267 AEUV
Art 288 Abs 3 AEUV

Leitsätze

Um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG sicherzustellen, muss das Auswärtige Amt Beamten, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, bei einer Abordnung ins Ausland die auslandsbedingten Mehrkosten der Haushaltsführung am bisherigen Auslandsdienstort in gleicher Weise erstatten wie verheirateten Beamten.

Tatbestand

1

Der Kläger ist als Bundesbeamter auf Lebenszeit im Auswärtigen Dienst beschäftigt. Am 15. August 2001 ging er eine eingetragene Lebenspartnerschaft ein. Seit August 2002 war er an der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei den V. in N. tätig. Er lebte dort mit dem Lebenspartner in einer gemeinsamen Mietwohnung.

2

In der Zeit vom 20. Januar bis zum 10. April 2005 war der Kläger nach Indonesien abgeordnet. Der Lebenspartner blieb in N. Das Auswärtige Amt stellte zunächst vorläufig fest, der Kläger könne für die Abordnungszeit Auslandstrennungsgeld sowie Aufwandsentschädigung nach dem - auch für verheiratete Beamte geltenden - Abschnitt VII der Aufwandsentschädigungsrichtlinie beanspruchen. An der zweiten Feststellung hielt das Auswärtige Amt später nicht mehr fest. Der Kläger könne einem verheirateten Beamten nicht gleichgestellt werden, weil die Richtlinie dies nicht vorsehe.

3

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 20. Januar bis zum 10. April 2005 Aufwandsentschädigung nach Abschnitt VII der Aufwandsentschädigungsrichtlinie zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, die Ungleichbehandlung verheirateter Beamter und Beamter in eingetragener Lebenspartnerschaft bei der Gewährung der Aufwandsentschädigung verstoße gegen das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung in Bezug auf das Arbeitsentgelt nach der Richtlinie 2000/78/EG. Danach sei die Gleichstellung beider Gruppen geboten, weil ihre Situation nach dem Zweck der Aufwandsentschädigung vergleichbar sei. Dadurch sollten die Mehrkosten des am bisherigen Auslandsdienstort beibehaltenen Haushalts erstattet werden, soweit sie wegen der dortigen Lebensbedingungen und wirtschaftlichen Verhältnisse anfielen. Zwar knüpfe ein Teil der Aufwandsentschädigung, nämlich die sogenannten auslandsdienstortbezogenen Grundmehrkosten, an die Gewährung des Auslandszuschlags an, der verheirateten Beamten im Gegensatz zu Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft bereits aufgrund des Personenstandes ohne weitere Voraussetzungen gewährt werde. Auch in Bezug auf diese Leistung verlange jedoch Unionsrecht die Gleichstellung beider Beamtengruppen.

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Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision der Beklagten. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger die beantragte Aufwandsentschädigung nach Abschnitt VII der Richtlinie des Auswärtigen Amtes über die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Fällen dienstlich veranlasster doppelter Haushaltsführung bei Versetzungen und Abordnungen vom Inland ins Ausland, im Ausland und vom Ausland ins Inland vom 15. Dezember 1997 - AER - (GMBl 1998 S. 27 f.) in der Fassung vom 29. März 2000 (GMBl 2000, 374 f.) zusteht. Die durch die Anwendung des Abschnitts VII herbeigeführte Gleichstellung von Beamten, die wie der Kläger eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind, mit verheirateten Beamten ist nach der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303/16) geboten.

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1. Beamte, die an einem ausländischen Dienstort verwendet werden, können zusätzlich Auslandsdienstbezüge erhalten, nämlich Auslandszuschlag nach dem hier noch anwendbaren § 55 BBesG a.F. und Mietzuschuss nach § 57 BBesG a.F. (vgl. Urteil vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 C 17.06 - Buchholz 240 § 57 BBesG Nr. 4). Diese Leistungen sind Bestandteile der Besoldung (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 a.F. BBesG). Bei einer Abordnung, die mit einem vorübergehenden Wechsel des Dienstortes im Ausland verbunden ist, richtet sich die Höhe der Auslandsdienstbezüge nach den Lebens- und Teuerungsverhältnissen an dem durch die Abordnung begründeten Dienstort (vgl. § 53 BBesG a.F.; Amtliche Begründung zur AER, GMBl 1998 S. 30).

9

Der Mehraufwand aus Anlass der dienstlich veranlassten doppelten Haushaltsführung am alten und am neuen Dienstort wird nur zum Teil durch das Auslandstrennungsgeld abgegolten, das nach Maßgabe der Auslandstrennungsgeldverordnung - ATGV - pauschal gewährt wird. Seit 1. Januar 2005 sind Beamte in Lebenspartnerschaft den verheirateten Beamten für die Gewährung von Auslandstrennungsgeld gleichgestellt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ATGV i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2004, BGBl I S. 3396). Die Pauschbeträge enthalten keinen Erstattungsanteil für die Kosten des Haushalts, der am bisherigen Auslandsdienstort geführt und für die Dauer des Dienstortwechsels beibehalten wird. Von den Auslandsdienstbezügen werden nur die Mehrkosten der Haushaltsführung am neuen, durch die Abordnung begründeten Auslandsdienstort erfasst. Auch werden die Besonderheiten des Auslandsdienstes nicht berücksichtigt (vgl. Nr. 2.1 des Rundschreibens des Auswärtigen Amtes vom 22. Dezember 1997, GMBl 1998 S. 26).

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Um diese Regelungslücken des Trennungsgeldrechts zu schließen, hat das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit den Bundesministerien des Innern und der Finanzen die Aufwandsentschädigungsrichtlinie erlassen. Rechtsgrundlage dieser Verwaltungsvorschrift ist § 17 Satz 1 BBesG. Danach dürfen Aufwandsentschädigungen nur gewährt werden, wenn und soweit aus dienstlicher Veranlassung finanzielle Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann, und der Haushaltsplan Mittel zur Verfügung stellt. Den im Ausland verwendeten Beamten soll nicht zugemutet werden, den Mehraufwand der Haushaltsführung am bisherigen Auslandsdienstort zu tragen, der bei Versetzungen oder Abordnungen im Ausland anfällt (sog. auslandsdienstortbezogene Mehrkosten; vgl. Nr. 2.2 des Rundschreibens des Auswärtigen Amtes vom 22. Dezember 1997, GMBl 1998 S. 26).

11

Daher sieht Abschnitt VII AER die Erstattung der Miete für die fortgeführte Wohnung einschließlich der Mietnebenkosten (Nr. 1 und 2), der auslandsdienstortbezogenen Grundmehrkosten in Höhe des um 15 % abgesenkten bisherigen Auslandszuschlags ohne immateriellen Anteil (Nr. 3) und eines Kaufkraftausgleichs (Nr. 4 und 5) vor. Dies gilt nach Abschnitt IV Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AER allerdings nur für Beamte, die mit dem Ehegatten, ledigen Kindern, unterhaltsbedürftigen Verwandten, Pflegekindern oder Betreuungspersonen in häuslicher Gemeinschaft leben. Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, werden in Abschnitt IV nicht aufgeführt. Daher sind sie auf Abschnitt IX Abs. 1 AER verwiesen, wonach lediglich die Mietkosten für die fortgeführte Wohnung am bisherigen Dienstort erstattet werden. Nach Absatz 2 dieses Abschnitts gilt dies jedoch nicht für eine Zeit, in der die Wohnung bewohnt wird.

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2. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift bindet die Aufwandsentschädigungsrichtlinie die Erstattungspraxis des Auswärtigen Amtes, soweit sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dies ist nicht der Fall, soweit ihre Anwendung dazu führt, dass Beamten, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, die Aufwandsentschädigung für Verheiratete nach Abschnitt VII AER versagt wird. Insoweit steht die Erstattungspraxis des Auswärtigen Amtes in Widerspruch zu der Richtlinie 2000/78/EG, die eine Gleichstellung beider Beamtengruppen fordert.

13

Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG ist eröffnet, weil es sich bei der Aufwandsentschädigung um einen Bestandteil des Arbeitsentgelts nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie handelt. Der Erwägungsgrund 13 verweist zur Bestimmung dieses Begriffs auf Art. 157 Abs. 2 AEUV (zuvor Art. 141 EGV). Danach sind unter Entgelt die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.

14

Die Aufwandsentschädigung stellt eine sonstige Vergütung dar, weil sie auf der Rechtsgrundlage des Beamtenverhältnisses gewährt wird, um einen dienstlich veranlassten Mehraufwand des Beamten abzugelten. Es sollen die finanziellen Belastungen ausgeglichen werden, die gerade deshalb entstehen, weil der Beamte verpflichtet ist, seine Dienstleistung im Ausland zu erbringen. Dem Beamten soll nicht zugemutet werden, diesen Aufwand aus den Dienstbezügen zu bestreiten, obwohl er durch eine vom Beamten zu befolgende Entscheidung des Dienstherrn verursacht wird. Durch die Gewährung der Aufwandsentschädigung stellt der Dienstherr sicher, dass der Grundsatz der gleichen Regelalimentation gewahrt wird. Danach sollen Beamte, die dasselbe Statusamt bekleiden und derselben Besoldungsgruppe angehören, in gleicher Höhe besoldet werden. Auch soll ihnen ein annähernd gleiches Nettoeinkommen zur Verfügung stehen. Dies ist nicht der Fall, wenn sie auf die Dienstbezüge zurückgreifen müssen, um einen dienstlich veranlassten Mehraufwand zu decken (Beschluss vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 121.07 - BVerwGE 132, 299 = Buchholz 11 Art. 143b GG Nr. 5 ; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. - BVerfGE 99, 300 <314 f.>).

15

Die Geltung der Richtlinie 2000/78/EG wird nicht ausgeschlossen, weil die Gewährung der Aufwandsentschädigung bislang an den Familienstand der Ehe anknüpft. Zwar sollen nach dem Erwägungsgrund 22 staatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt bleiben. Dies führt jedoch nicht dazu, dass Rechtsvorschriften über die Gewährung von Leistungen, die nach Grund oder Höhe auf den Familienstand abstellen, stets der Anwendung des Unionsrechts entzogen wären. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass auch derartige Regelungen der Mitgliedstaaten an den unionsrechtlichen Vorgaben über die Entgeltgleichheit zu messen sind, wenn ansonsten Verbindlichkeit und allgemeine Anwendung des Unionsrechts gefährdet wären (EuGH, Urteil vom 1. April 2008 - Rs. C-267/06, Maruko - Slg. 2008, I-1757 Rn. 58 f.; vgl. auch Urteil vom 11. Januar 2000 - Rs. C-285/98, Kreil - Slg. 2000, I-69 Rn. 15 f.). Auch spricht der dargestellte Zweck der Aufwandsentschädigung dafür, dass es sich hierbei jedenfalls nicht in erster Linie um eine vom Familienstand abhängige Leistung im Sinne des Erwägungsgrunds 22 handelt.

16

Der Ausschluss der Beamten, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, von der Gewährung der Aufwandsentschädigung nach Abschnitt VII AER stellt eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG dar. Dies setzt nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass eine Person wegen eines in Artikel 1 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person. Ob eine vergleichbare Situation besteht, muss mit Blick auf die jeweils in Rede stehende Vorschrift des nationalen Rechts von den Gerichten der Mitgliedsstaaten beurteilt werden (EuGH, Urteil vom 1. April 2008 a.a.O. Rn. 72 f.).

17

Ausgehend von dem dargestellten hauptsächlichen Zweck der Aufwandsentschädigung werden Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, in Bezug auf diese Leistung schlechter als verheiratete Beamte gestellt, weil ihnen die Entschädigung nach Abschnitt VII AER nicht zugestanden wird. Die Benachteiligung geschieht wegen der sexuellen Ausrichtung, weil die Lebenspartnerschaft von Personen gleichen Geschlechts eingegangen wird, während die Ehe Personen unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten bleibt. Die Wahl des Familienstandes entspricht in der Regel der sexuellen Ausrichtung der Partner. Die unterschiedliche Behandlung stellt eine unmittelbare Diskriminierung der in einer Lebenspartnerschaft lebenden Beamten dar, weil sie sich in Bezug auf die Aufwandsentschädigung in einer vergleichbaren Lage wie verheiratete Beamte befinden. Wie dargestellt, dient diese Leistung der Erstattung der Kosten der Haushaltsführung am bisherigen Auslandsdienstort im Falle einer Versetzung oder Abordnung, soweit sie auf die besonderen Lebensverhältnisse im Ausland zurückzuführen sind. Dieser Mehraufwand knüpft an den Wechsel des Dienstortes im Ausland an und betrifft Beamte, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, in gleicher Weise wie verheiratete Beamte. Dagegen wird die Aufwandsentschädigung nicht gewährt, um einen Beitrag zur Förderung der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ehe im Hinblick auf deren gesellschaftliche Bedeutung zu leisten. Daher bestehen in Anbetracht der gegenseitigen, der Ehe angeglichenen Unterhalts- und Beistandspflichten von Lebenspartnern nach dem Zweck der konkreten Leistung keine maßgeblichen Unterschiede zwischen beiden Beamtengruppen.

18

3. Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Der Mitgliedstaat hat bei der Umsetzung der Richtlinie in rechtstechnischer Hinsicht daher eine gewisse Wahlfreiheit, doch muss er jedenfalls sicherstellen, dass die vollständige und wirkungsvolle Anwendung der Richtlinie in hinreichend klarer und bestimmter Weise gewährleistet ist. Soweit die Richtlinie Ansprüche des Einzelnen begründen soll, muss insbesondere erreicht werden, dass die Begünstigten in der Lage sind, von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - Rs. C-418/04 - Slg. 2007, I-10947 Rn. 157 f.). Rechtsvorschriften, die der Richtlinie entgegenstehen, müssen daher aufgehoben oder geändert werden. Andernfalls muss auf andere geeignete Weise und für die Begünstigten erkennbar erreicht werden, dass die sich aus der Richtlinie ergebende Rechtslage Bestandteil der Rechtsordnung des Mitgliedstaats wird.

19

Der Erlass des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897) hat nicht zu einer vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in deutsches Recht geführt. Zwar verfolgt das Gesetz das Ziel, Benachteiligungen aus den in § 1 genannten Gründen, darunter Benachteiligungen wegen der sexuellen Ausrichtung, zu verhindern oder zu beseitigen. Es begründet jedoch keine selbständigen Leistungsansprüche. Die Gewährung von Sekundäransprüchen auf Entschädigung und Schadensersatz schöpft den Gehalt der Richtlinie nicht aus.

20

4. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann sich der Einzelne vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Regelungen einer Richtlinie berufen, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie bis zum Ablauf einer Umsetzungsfrist nicht oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Umsetzungsmaßnahmen müssen die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks und Spencer - Slg. 2002, I-6325 Rn. 23 f.). Eine Regelung des Unionsrechts ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet und ihre Anwendung nicht von weiteren Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder der Unionsorgane abhängt (vgl. Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 49.03 - BVerwGE 122, 244 <246> = Buchholz 239.1 § 4 BeamtVG Nr. 2 S. 2 f.). Sie ist hinreichend genau, wenn sie die Verpflichtung gegenüber dem Einzelnen unmissverständlich festlegt (EuGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - Rs. C-194/08, Gassmayr - EuGRZ 2010, 296 Rn. 44 f.).

21

Aus Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG ergibt sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle dem unionsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung zuwider laufenden Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern. An dieser Umsetzung fehlt es in Bezug auf die Aufwandsentschädigung. Vielmehr gibt die Aufwandsentschädigungsrichtlinie des Auswärtigen Amtes eine Erstattungspraxis vor, die die in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten von der Gewährung der Aufwandsentschädigung nach Abschnitt VII AER ausschließt, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation wie verheiratete Beamte befinden. Um die Wirksamkeit des Unionsrechts insoweit zur Geltung zu bringen, wäre es erforderlich gewesen, auch jene Beamtengruppe durch eine Ergänzung des Abschnitts IV AER in den anspruchsberechtigten Personenkreis einzubeziehen.

22

Die unvollständige Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG hat zur Folge, dass die hier maßgebenden Regelungen der Art. 1 bis 3 der Richtlinie 2000/78/EG für die Gewährung der Aufwandsentschädigung unmittelbar Anwendung finden, weil nur auf diese Weise der Vorrang des Unionsrechts sichergestellt werden kann. Diese unionsrechtlichen Regelungen sind geeignet, unmittelbare Rechtswirkungen zu entfalten, weil sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind. Ihre volle Wirksamkeit kann nur gewährleistet werden, wenn das Auswärtige Amt Beamten, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Aufwandsentschädigung nach Abschnitt VII AER gewährt, obwohl diese Beamtengruppe in Abschnitt IV AER nicht als anspruchsberechtigt aufgeführt ist. Die in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten sind verheirateten Beamten gleichzustellen. Den Beschränkungen des Abschnitts IV AER darf insoweit keine Bedeutung für die Erstattungspraxis beigemessen werden. Soweit Abschnitt VII Nr. 3 AER zur Berechnung der Aufwandsentschädigung auf die Höhe des Auslandszuschlags verweist, sind in Lebenspartnerschaft lebende Beamte auch insoweit wie verheiratete Beamte zu behandeln (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 2 C 52.09 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz bestimmt).

23

5. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ist nicht angezeigt, weil der Rechtsstreit keine klärungsbedürftigen Fragen des Unionsrechts aufwirft, die noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof waren (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81 -, Cilfit u.a. - Slg. 1982, S. 3415).