Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 02.12.2016


BVerwG 02.12.2016 - 2 C 19/15

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
02.12.2016
Aktenzeichen:
2 C 19/15
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2016:021216B2C19.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Dezember 2010, Az: 6 A 1695/10, Beschlussvorgehend VG Köln, 7. Juli 2010, Az: 3 K 5879/09, Urteil

Gründe

1

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Vorentscheidungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

2

1. Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. In Anlehnung an das in § 154 Abs. 1 VwGO normierte Grundprinzip des Kostenrechts, nach dem der unterliegende Teil die Verfahrenskosten zu tragen hat, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Urteil vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <363>). Kann der hypothetische Ausgang des Verfahrens anhand einer summarischen Prüfung nicht vorhergesagt werden, etwa weil er von der Beantwortung bislang höchstrichterlich nicht geklärter Fragen abhängt, sind die Kosten den Beteiligten im Regelfall zu gleichen Teilen aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist nicht dazu bestimmt, trotz eingetretener Erledigung Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zu beantworten (BVerwG, Beschluss vom 7. November 2014 - 2 C 8.14 - Buchholz 237.6 § 44 NdsLBG Nr. 1 Rn. 2).

3

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Verfahrenskosten hier gegeneinander aufzuheben.

4

a) Die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt aus den bereits vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1989/12 - (BVerfGE 139, 19) festgestellten Gründen revisibles Recht: Für die Annahme einer wirksamen Einstellungshöchstaltersgrenze fehlte es zum damaligen Zeitpunkt an einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Der hilfsweise erhobene Feststellungsantrag wäre deshalb begründet gewesen, die Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung ist im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auch bereits ausgesprochen worden (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 a.a.O. Rn. 51). Ohne die Erledigung wäre die Klägerin mit ihrem Begehren voraussichtlich gleichwohl unterlegen, weil sie nach der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage keinen Anspruch auf die begehrte Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder eine hierauf gerichtete Neubescheidung besitzt.

5

aa) Eine Ernennung darf nur vorgenommen werden, wenn die gesetzlich hierfür angeordneten Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt gegeben sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 12 und vom 23. April 2015 - 2 C 35.13 - BVerwGE 152, 68 Rn. 27). Rechtsänderungen während des gerichtlichen Verfahrens müssen deshalb berücksichtigt werden (BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 2012 - 2 B 113.11 - DÖD 2012, 104 Rn. 7 und 10). Maßgeblich ist damit das Gesetz über die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2016 - LBG NRW - (GV. NRW. S. 310) in seiner aktuellen Fassung. Dieses genügt nicht nur formal, sondern auch materiell den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322 u.a. - (BVerfGE 139, 19 Rn. 75 ff.) benannt hat.

6

Die danach gültige Einstellungshöchstaltersgrenze von 42 Jahren (§ 14 Abs. 3 LBG NRW) hat die Klägerin auch bei Erhöhung um die insgesamt höchstens berücksichtigungsfähigen Kinderbetreuungszeiten von 6 Jahren (§ 14 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 LBG NRW) überschritten. Die Klägerin hat die Vorgaben dieser Altersgrenze auch bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nicht erfüllt, sodass von der Anforderung auch nicht gemäß § 14 Abs. 9 Satz 2 LBG NRW abgesehen werden kann.

7

bb) Die Voraussetzungen für die Annahme einer Ausnahme liegen ebenfalls nicht vor.

8

Grundsätzlich in Betracht gekommen wäre allerdings die in § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW normierte Befugnis, wonach Ausnahmen von der jeweiligen Höchstaltersgrenze zugelassen werden können, wenn der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse daran hat, Bewerber als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten. Im Hinblick auf ihre gegenwärtige Stellung als stellvertretende Schulleiterin hätte der Beklagte eine entsprechende Ausnahmekonstellation wohl bejahen können. Da derartige Leitungsstellen mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben verbunden sind, wäre es nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr sich in entsprechenden Konstellationen zur Anwendung der Ausnahmevorschrift entschließt, um die auf Leitungsstellen eingesetzten Lehrkräfte in rechtmäßiger Weise zu "behalten". Zu einer derartigen Entscheidung ist gemäß § 14 Abs. 11 Nr. 1 LBG NRW aber nur die oberste Dienstbehörde (hier also das Ministerium für Schule und Weiterbildung) im Einvernehmen mit dem für Inneres zuständigen Ministerium und dem Finanzministerium ermächtigt. Eine derartige Entscheidung liegt - nach Aktenlage - nicht vor.

9

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte über das Vorliegen einer entsprechenden Ausnahmekonstellation (erneut) entscheidet, weil diese Norm einen rein objektiv-rechtlichen Charakter hat (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 -).

10

Auch die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW wären voraussichtlich nicht erfüllt gewesen. Insoweit - insbesondere zu von der Klägerin geltend gemachten Erwägungen einer Folgenbeseitigungslast - wird ebenfalls auf die Ausführungen im Urteil vom 11. Oktober 2016 - 2 C 11.15 - Bezug genommen.

11

Das Verbeamtungsbegehren der Klägerin wäre demnach voraussichtlich nicht begründet gewesen.

12

b) Gleichwohl hat hier der Beklagte im Laufe des Revisionsverfahrens die Klägerin in ein Beamtenverhältnis übernommen.

13

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über die Kostenverteilung können auch andere Umstände als das voraussichtliche Obsiegen berücksichtigt werden, dies gilt insbesondere für den Gesichtspunkt, wer das erledigende Ereignis herbeigeführt hat. Gibt einer der Beteiligten in der Sache nach und stellt etwa die Behörde einen Kläger klaglos, rechtfertigt dies regelmäßig auch eine Kostentragung (BVerwG, Beschluss vom 26. November 1991 - 7 C 16.89 - juris Rn. 12).

14

Vorliegend hat der Beklagte mit der ausgesprochenen Ernennung zwar nicht seinen Rechtsstandpunkt zur fehlenden gesetzlichen Verpflichtung aufgegeben und der Klägerin auch nicht das zwischenzeitlich begehrte Beförderungsamt übertragen. Er hat sich indes an eine der Klägerin durch E-Mail des Dezernats 47.5 der Bezirksregierung Köln vom 2. November 2015 gegebene "Verbeamtungszusage" gebunden gefühlt.

15

In dieser E-Mail lag zwar keine wirksame Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG NRW. Dies folgt schon daraus, dass dem Schriftformerfordernis nicht Genüge getan ist: Die E-Mail ist nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen (vgl. § 3a Abs. 2 Satz 2 LVwVfG NRW). Die Bezirksregierung Köln dürfte für die Verbeamtung der Klägerin auch nicht die zuständige Stelle gewesen sein (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW). Schließlich enthält die E-Mail auch inhaltlich keinen für die Annahme einer verbindlichen Zusicherung hinreichenden Bindungswillen. Offen ist schließlich, ob eine entsprechende Zusage rechtmäßig gewesen wäre.

16

Unabhängig hiervon hat der Beklagte im Hinblick auf diese "Zusage" eine Verbeamtung der Klägerin tatsächlich vorgenommen und damit faktisch eine Ausnahme von der gültigen Einstellungshöchstaltersgrenze bewilligt. Es entspricht daher billigem Ermessen, diesen Umstand auch im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zu berücksichtigen. Da durch die E-Mail eine rechtlich relevante Position der Klägerin nicht begründet worden ist, sind die Verfahrenskosten hier gegeneinander aufzuheben.

17

3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GKG.