Entscheidungsdatum: 26.05.2014
Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, ob der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers vor der Entscheidung über die Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss ausreichend Einsicht in die Ermittlungsakten gewährt wurde.
1. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom 23. September 2011 die Durchsuchung der Garagenräumlichkeiten, die der Beschwerdeführer und zwei weitere Beschuldigte als Mieter nutzten, wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Hehlerei und des Verstoßes gegen das Waffengesetz an.
Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, nachdem bei Durchsuchungsmaßnahmen zahlreiche Schusswaffen, Munition und sonstige Gegenstände aufgefunden worden waren, seien aus bisher nicht durchsuchten Räumen im Auftrag und teilweise in Anwesenheit des Beschwerdeführers und weiterer Führungsmitglieder des HAMC (Hells Angels Motorcycle Club) Westend Gegenstände in die nunmehr zu durchsuchenden Garagen verbracht worden. Es sei zu vermuten, dass es sich dabei um Hehlerware und dem Waffengesetz unterliegende Gegenstände handele.
2. Nachdem die Durchsuchung stattgefunden hatte, beantragte die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers Akteneinsicht und erhob Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss, die sie nach Einsicht in die Akten weiter begründen wolle. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gewährte der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers Akteneinsicht. Daraufhin behauptete die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 17. November 2011, dass sie die Beschwerde nur teilweise begründen könne, da die ihr zugegangene Akte offensichtlich unvollständig sei. Es fehlten die polizeilichen Observationsberichte und die Protokolle einer Telekommunikationsüberwachung.
Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 16. Dezember 2011 als unbegründet zurück. Die verdachtsbegründenden Umstände ergäben sich aus dem Vermerk eines Polizeibeamten vom 22. September 2011. Zusätzlich verwies das Landgericht - anders als das Amtsgericht im Beschluss vom 23. September 2011 - unter Angabe der jeweiligen Aktenstelle auf Feststellungen in polizeilichen Observationsberichten und Protokollen einer Telekommunikationsüberwachung.
Am 13. Januar 2012 erinnerte die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers an ihr Akteneinsichtsgesuch. Daraufhin teilte die zuständige Staatsanwältin mit Schreiben vom 23. Januar 2012 mit, dass man von einer Erledigung dieses Gesuchs ausgegangen sei, da eine unbeschränkte Einsicht in alle zum Zeitpunkt der Einsichtsgewährung vorliegenden Aktenbestandteile gewährt worden sei. Die Observationsberichte und die TKÜ-Protokolle seien erst am 28. November 2011 zu den Akten gelangt. Zugleich wurde eine erneute Akteneinsicht durch die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers verfügt.
3. Nachdem diese hiervon Gebrauch gemacht hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Nachholung rechtlichen Gehörs, weil seiner Bevollmächtigten bis zur Beschwerdeentscheidung nur teilweise Akteneinsicht gewährt worden sei. Den nunmehr vorhandenen Aktenteilen lasse sich entnehmen, dass die Ausführungen des Polizeibeamten - soweit sie ihn beträfen - nicht korrekt seien und auf Annahmen gegründet seien, die nicht aufrechterhalten werden könnten.
Das Landgericht Frankfurt am Main wies den Antrag des Beschwerdeführers mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 22. Februar 2012 zurück. Zwar seien der Observationsbericht und die Protokolle über die Telekommunikationsüberwachung aus ermittlungstaktischen Gründen erst nach der erstmaligen Akteneinsicht der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zur Akte gelangt. Ungeachtet dessen sei jedoch von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers in entscheidungserheblicher Weise nicht auszugehen. Entscheidungserheblich wäre eine unterbliebene Anhörung nur, wenn sie sich auf das Ergebnis des Beschlusses der Kammer ausgewirkt hätte. Davon sei nicht auszugehen. Die Kammer habe ihren Beschluss in erster Linie auf den Vermerk des Polizeibeamten vom 22. September 2011 gestützt. Für § 102 StPO sei es letztlich ausreichend, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht bestehe, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werde. Der Vermerk vom 22. September 2011 lasse diese Annahme zu. Aufgrund des darin zusammengefassten Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen sei ein für die Durchsuchungsmaßnahme ausreichender Tatverdacht anzunehmen gewesen.
1. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Er habe die von den Fachgerichten ausgewerteten Akten nicht rechtzeitig einsehen und sich zu den Beweisgrundlagen nicht äußern können. Ihm müssten die Beweismittel auf die gleiche Art und Weise zugänglich und anschaulich sein wie dem Richter. Das Landgericht Frankfurt am Main habe aus Telekommunikationsüberwachungs- und Observationsmaßnahmen zitiert, die ihm zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht vorgelegen hätten und die den Akten nicht vollständig beigefügt worden seien. Den nunmehr vorhandenen Aktenteilen lasse sich entnehmen, dass die Ausführungen im Vermerk des Polizeibeamten - soweit sie ihn beträfen - Fakten nicht korrekt wiedergäben und unhaltbare Interpretationen enthielten. Insbesondere könne aus der Telefonüberwachung nicht entnommen werden, dass der Beschwerdeführer Aufträge oder Anweisungen zur Räumung der Garage am Clubhaus des HAMC Westend erteilt habe. Er sei zwar bei der Räumung der Garage zugegen gewesen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass aus der Garage Gegenstände entfernt worden seien, die im Zusammenhang mit Straftaten gestanden hätten. Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung seien nicht erkennbar.
2. Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa sowie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof halten die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und jedenfalls unbegründet.
Die Akte der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ist beigezogen worden.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Dabei kann offenbleiben, ob der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2011, mit dem die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 2011 zurückgewiesen worden ist, auf einer Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG beruht. Jedenfalls ist eine etwaige Verletzung dieses Anspruchs durch den gemäß § 33a StPO ergangenen Beschluss vom 22. Februar 2012 geheilt worden.
a) Nach der verfassungsrechtlichen Gewährleistung rechtlichen Gehörs hat der Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor dem Erlass einer Entscheidung zu dem Sachverhalt zu äußern, welcher der Entscheidung zugrunde gelegt wird (vgl. BVerfGE 81, 123 <126>). Art. 103 Abs. 1 GG steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes. Während diese den Zugang zum Verfahren sichert, zielt Art. 103 Abs. 1 GG auf einen angemessenen Ablauf des Verfahrens (vgl. BVerfGE 119, 292 <296>). Der Einzelne soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 9, 89 <95>). Dem kommt besondere Bedeutung zu, wenn im strafprozessualen Ermittlungsverfahren Eingriffsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung des Betroffenen gerichtlich angeordnet werden (§ 33 Abs. 4 StPO). Dann ist das rechtliche Gehör jedenfalls im Beschwerdeverfahren nachträglich zu gewähren. Daraus folgt, dass eine dem Betroffenen nachteilige Gerichtsentscheidung jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweismittel getroffen werden kann, über die er zuvor sachgemäß unterrichtet wurde und zu denen er sich äußern konnte (vgl. BVerfGK 3, 197 <204>; 7, 205 <210 f.>; 10, 7 <9 f.>; 12, 111 <115 f.>).
Beruht eine gerichtliche Entscheidung auf Tatsachen und Beweismitteln, zu denen der Betroffene sich nicht äußern konnte, ist diese Entscheidung wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG aufzuheben (vgl. BVerfGE 89, 381 <392> m.w.N.). Dabei genügt es, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 247 <249>; 86, 133 <147>). Vermag der Betroffene demgegenüber nicht darzulegen, dass die Umstände, zu denen kein rechtliches Gehör gewährt wurde, für die Entscheidung ursächlich waren, so dass auch die Gewährung rechtlichen Gehörs zu keinem abweichenden Ergebnis führen könnte, kommt eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hingegen nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 62, 392 <396>; 105, 252 <264>).
b) Einer Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG könnte bereits entgegenstehen, dass die Entscheidung des Landgerichts vom 16. Dezember 2011 im Ergebnis nicht auf den darin zitierten Observationsberichten und TKÜ-Protokollen, die dem Beschwerdeführer zuvor nicht zugänglich gemacht worden sind, beruht.
aa) Einer Berücksichtigung der polizeilichen Observationsberichte und Protokolle der Telekommunikationsüberwachung durch das Landgericht stand entgegen, dass das Beschwerdegericht, um der Funktion des Richtervorbehalts aus Art. 13 Abs. 2 GG als einer vorbeugenden Kontrolle einer Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz gerecht zu werden, eine Entscheidung nicht auf Gründe stützen darf, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08 -, juris, Rn. 28).
Vorliegend wurde der Durchsuchungsbeschluss am 23. September 2011 erlassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Observationsberichte und die Protokolle der Telekommunikationsüberwachung noch nicht zu den Akten gelangt und konnten folglich durch den Ermittlungsrichter nicht berücksichtigt werden. Sie waren daher auch nicht geeignet, die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts zu tragen.
bb) Das Landgericht hat im Rahmen der Prüfung des für die Anordnung der Durchsuchung erforderlichen Tatverdachts zwar auf einzelne Stellen in den Observationsberichten und Protokollen der Telekommunikationsüberwachung hingewiesen, diese aber jeweils nur ergänzend zu dem Vermerk des Polizeibeamten vom 22. September 2011 herangezogen. In diesem Vermerk ist dargelegt, dass der Beschwerdeführer zu den Führungspersönlichkeiten des HAMC Westend gehören solle und zumindest teilweise zugegen gewesen sei, als Gegenstände aus noch nicht durchsuchten Räumlichkeiten in andere, bisher mit dem HAMC Westend nicht in Verbindung zu bringende Räume, die gegen Observationen besonders gesichert gewesen seien, verbracht worden seien. Vor dem Hintergrund der bei vorangegangenen Durchsuchungen erfolgten Sicherstellungen von Schusswaffen, Munition und sonstigen Gegenständen hat das Landgericht hieraus gefolgert, dass es sich bei den transportierten Gegenständen um Hehlerware oder erlaubnispflichtige Waffen handeln könne und der Beschwerdeführer daher einer Beteiligung an Straftaten der Hehlerei und des Verstoßes gegen das Waffengesetz verdächtig sei. Dem Beschluss des Landgerichts könnte daher zugrunde liegen, dass die Observationsberichte und Protokolle der Telekommunikationsüberwachung zwar ergänzend angeführt wurden, sie aber - weil dem Ermittlungsrichter zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses nicht vorliegend - für die Begründung des Tatverdachts nicht als tragend angesehen worden sind.
c) Dies bedarf jedoch letztlich keiner Entscheidung. Denn eine etwaige Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör ist durch den Beschluss vom 22. Februar 2012 geheilt worden. Darin hat das Landgericht - in Kenntnis der aus den Observationsberichten und den TKÜ-Protokollen hergeleiteten Einwände des Beschwerdeführers gegen den Vermerk des Polizeibeamten - die unterbliebene Anhörung als nicht entscheidungserheblich angesehen, weil die in dem Vermerk vom 22. September 2011 zusammengefassten Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen ausreichten, um die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts gegenüber dem Beschwerdeführer eigenständig zu tragen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, aus den vorliegenden Protokollen der Telekommunikationsüberwachung ergebe sich, dass im Polizeivermerk vom 22. September 2011 Fakten falsch wiedergegeben und unhaltbare Interpretationen vorgenommen worden seien, war Gegenstand der Anhörungsrüge und liegt der Entscheidung des Landgerichts vom 22. Februar 2012 zugrunde. Auch insoweit kommt eine Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht in Betracht.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Observationsberichte und Protokolle der Telekommunikationsüberwachung seien der Akte auch im Zeitpunkt der zweiten Akteneinsicht nur unvollständig beigefügt gewesen, verkennt er, dass Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Erweiterung des gerichtlichen Aktenbestandes gewährt, sondern auf die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten beschränkt ist (vgl. BVerfGE 63, 45 <60>). Dass dem Landgericht bei seinen Entscheidungen noch weitere Aktenteile vorgelegen hätten, die dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag auf nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO nicht zugänglich gemacht worden sind, macht er nicht geltend.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Februar 2012 gerichtet ist, mit der der Antrag des Beschwerdeführers auf Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO zurückgewiesen wurde, ist sie unzulässig. Eine solche Entscheidung ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, soweit sie keine eigenständige Beschwer enthält (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2007 - 2 BvR 547/07 -, juris, Rn. 8); dafür ist hier nichts dargetan.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.