Entscheidungsdatum: 12.12.2013
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts R. für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. §§ 114, 121 ZPO).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die ihm im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisung, eine sogenannte "elektronische Fußfessel" zu tragen, sowie mittelbar gegen § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB. Im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt er, diese Weisung sofort außer Vollzug zu setzen und ihm die "elektronische Fußfessel" abzunehmen.
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Rostock vom 22. März 2004 wegen Vergewaltigung in fünf Fällen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung unter Einbeziehung einer Verurteilung vom 2. August 2002 - ebenfalls wegen Vergewaltigung - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe wurde er am 30. September 2011 aus der Strafhaft entlassen.
Mit Beschluss vom 28. September 2011 hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock entschieden, dass die nach § 68f StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht nicht entfalle, und zahlreiche Weisungen gemäß § 68b StGB erteilt. Dieser Beschluss wurde durch den angegriffenen weiteren Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 21. Oktober 2011 teilweise neu gefasst und unter gleichzeitiger Aufhebung der vorherigen Meldeauflage um die Weisung zum Tragen einer "elektronischen Fußfessel" ergänzt.
Am 27. Oktober 2011 wurde dem Beschwerdeführer eine solche GPS-gestützte "elektronische Fußfessel" angelegt.
Mit angegriffenem Beschluss vom 16. Februar 2012 hat das Oberlandesgericht Rostock die gegen die genannten Beschlüsse erhobenen Beschwerden als unbegründet verworfen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 111, 147 <152 f.>; 118, 111 <122>; stRspr). Bei offenem Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 96, 120 <128 f.>; 105, 365 <371>; 126, 158 <168>; 129, 284 <298>; stRspr). Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 93, 181 <186>; 106, 51 <58>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Februar 2009 - 2 BvQ 7/09 -, juris, Rn. 1).
2. Vorliegend erscheint die Verfassungsbeschwerde zwar weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Der Beschwerdeführer verzichtet jedoch zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf eine eigenständige Folgenabwägung und verweist lediglich auf sein Beschwerdevorbringen. Insoweit erscheint bereits zweifelhaft, ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dem Erfordernis substantiierter Darlegung von deren Voraussetzungen genügt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2010 - 2 BvR 1744/10 -, juris, Rn. 1 m.w.N.).
3. Jedenfalls führt die gebotene Abwägung im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann, weil die für deren Erlass sprechenden Gründe nicht in der erforderlichen Weise deutlich überwiegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2011 - 2 BvR 132/11 -, juris, Rn. 2 m.w.N.).
Erginge die einstweilige Anordnung und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde als unbegründet, könnten schutzwürdige Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit in hohem Maße beeinträchtigt werden. In den angegriffenen Beschlüssen wird festgestellt, dass von dem Beschwerdeführer ein hohes Risiko der Begehung weiterer schwerer Sexualstraftaten ausgeht. Zur Begründung wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 11. Oktober 2011, die hohe Rückfallgeschwindigkeit, das Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers und das bisherige Nichterreichen eines Behandlungserfolges hingewiesen. Würde dem Beschwerdeführer die "elektronische Fußfessel" ersatzlos abgenommen, würde demgemäß wegen der damit verbundenen Minderung des Entdeckungsrisikos die Gefahr der Begehung erneuter schwerer Sexualstraftaten deutlich erhöht.
Dem stehen für den Fall, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen und die Verfassungsbeschwerde sich als begründet erweisen würde, keine vergleichbar schwerwiegenden Nachteile gegenüber. Weder vermag der Beschwerdeführer derartige Beeinträchtigungen darzulegen, noch sind diese in sonstiger Weise ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, er werde an der Arbeitsaufnahme gehindert, legt er in keiner Weise dar, welche Beschäftigungsangebote ihm konkret vorlagen und inwieweit das Tragen der "elektronischen Fußfessel" deren Annahme verhindert hat. Dass er sich nicht frei bewegen können soll, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit der Beschwerdeführer auf Erschwernisse der täglichen Lebensführung, die situationsabhängige Erkennbarkeit der "elektronischen Fußfessel" für Dritte und Einschränkungen der Möglichkeit persönlicher Kontaktanbahnung hinweist, treten diese Belange hinter den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zurück. Jedenfalls kann aufgrund dieser Umstände das erforderliche deutliche Überwiegen der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht festgestellt werden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.