Entscheidungsdatum: 03.02.2011
Der Beschwerdeführer beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass der Maßregelvollzugseinrichtung, in der er untergebracht ist, eine Zwangsmedikation des Beschwerdeführers und die Ausübung von Druck in Richtung auf eine Zustimmung des Beschwerdeführers zu entsprechender Medikation untersagt werden.
1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Kann, wie hier, nicht festgestellt werden, dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 117, 126 <135>; 122, 342 <361>). Eine einstweilige Anordnung kann nur ergehen, wenn diese Abwägung ein deutliches Überwiegen der Gründe ergibt, die für den Erlass der Anordnung sprechen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. November 2006 - 2 BvQ 63/06 -, juris, und Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2009 - 2 BvR 1422/09 -, juris).
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Klinik habe seine Einwilligung in eine nach seinen Angaben gegenwärtig stattfindende nicht durch eine akute Krise veranlasste Medikation nur durch die Inaussichtstellung seiner neuerlichen Unterbringung im Kriseninterventionsraum erreicht.
Soweit er mit dieser Begründung die Untersagung dieser Medikation sowie der künftigen Ausübung von Druck zur Herbeiführung einer Einwilligung begehrt, ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung kein Raum, weil die Verfassungsbeschwerde insoweit unzulässig ist.
Der Beschwerdeführer hat insoweit jedenfalls den Rechtsweg nicht in der gehörigen Weise erschöpft. Die Medikation außerhalb von Maßnahmen akuter Krisenintervention war nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidungen. Der bei der Strafvollstreckungskammer gestellte Antrag des Beschwerdeführers richtete sich zwar gegen "jegliche Form der Zwangsbehandlung", und seine Ausführungen im Verfassungsbeschwerdeverfahren machen deutlich, dass er auch die nach seinen Angaben gegenwärtig stattfindende, nicht akuter Krisenbewältigung dienende Medikation als Zwangsbehandlung ansieht, weil er seine Einwilligung dazu nur unter Druck gegeben habe. Der von ihm vor der Strafvollstreckungskammer vorgetragene Sachverhalt betraf aber ausschließlich die im Zeitraum vom 18. Juli bis Ende August 2010 im Rahmen mehrerer von der Klinik als erforderlich angesehener akuter Kriseninterventionen vorgenommenen Medikationen. Streitgegenstand des Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer waren danach allein die von der Klinik als akut veranlasst angesehenen Medikationen. Eine weitergehende Rüge konnte daher auch nicht zulässigerweise zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde gemacht werden.
Da der Beschwerdeführer demnach die nicht durch akute Gefahrenlagen veranlasste Medikation nicht in der gebotenen Weise zunächst zur fachgerichtlichen Prüfung gestellt hat, kann offenbleiben, ob die Verfassungsbeschwerde insoweit auch deshalb unzulässig ist, weil dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offensteht, den Abbruch der betreffenden Medikation durch Widerruf seiner Einwilligung zu erreichen.
3. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus die vorläufige Untersagung jeglicher künftiger Medikation im Rahmen akuter Krisenintervention begehrt, lässt sich nicht feststellen, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Ob die angegriffene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt hat, indem sie die in der Vergangenheit in Fällen einer angenommenen akuten Gefahr der Selbst- oder Fremdschädigung erfolgten Zwangsmedikationen des Beschwerdeführers als rechtmäßig bestätigt hat, und ob die Prozessentscheidung des Oberlandesgerichts dem grundrechtlichen Anspruch des Beschwerdeführer sauf effektiven Rechtsschutz gerecht geworden ist, kann nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geklärt werden.
Die demnach erforderliche Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann, weil die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Belange nicht in der erforderlichen Weise deutlich überwiegen. Zwar ist für den Fall des Nichtergehens der einstweiligen Anordnung nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer, wenn er wiederum in einen als gefährlich angesehenen Zustand verfällt, erneut einer Zwangsmedikation unterworfen wird. Die Zwangsmedikation eines Untergebrachten stellt einen sehr schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Nach den Annahmen, von denen im vorliegenden Verfahren die Klinik und die Strafvollstreckungskammer ausgegangen sind und die beim gegenwärtigen Verfahrensstand nach den hier maßgeblichen Abwägungsgrundsätzen (s. unter 1.) hypothetisch als zutreffend zu unterstellen sind, können Belange von erheblichem Gewicht aber auch dann beeinträchtigt werden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung ergeht, die Verfassungsbeschwerde sich aber später als unbegründet erweist. In diesem Fall könnte sich - mit möglicherweise irreversiblen Folgen - die von der Klinik in einem zurückliegenden Fall bereits als gegeben angesehene Gefahr gravierender Selbstschädigung oder Schädigung Dritter realisieren. Unter diesen Umständen kann das erforderliche deutliche Überwiegen der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht festgestellt werden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.