Entscheidungsdatum: 13.02.2019
1. Das Urteil des Amtsgerichts Langenfeld vom 26. Januar 2016 - 25 C 244/15 - verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes und wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Langenfeld zurückverwiesen.
2. Der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 7. März 2016 - 25 C 244/15 - ist damit gegenstandslos.
3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein zivilrechtliches Verfahren.
1. Der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer erhob beim Amtsgericht Langenfeld mit Schreiben vom 23. November 2015 Klage gegen die P. auf Zahlung des zur Reparatur einer Waschmaschine erforderlichen Geldbetrages, den er mit 299,00 € bezifferte. Hierbei behauptete er, dass er im August 2012 bei der P. eine Waschmaschine zum Preis von 299,00 € erworben habe. Die Waschmaschine sei mit dem Hinweis auf eine vierjährige Garantie beworben worden. Nach etwa drei Jahren habe sich bei der Waschmaschine ein Defekt gezeigt, woraufhin er sich bei der Beklagten und beim Kundendienst der Marke P. erfolglos um eine Reparatur bemüht habe. Er habe auch erfolglos eine Frist zur Abwicklung der Garantie gesetzt.
2. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 wies das Amtsgericht Langenfeld auf seine örtliche Unzuständigkeit hin, da die Niederlassung der Beklagten nicht im Bezirk des hiesigen Amtsgerichts, sondern im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg liege. Zugleich fragte es an, ob Verweisung beantragt werde. Anderenfalls drohe die Klage nach mündlicher Verhandlung als unzulässig abgewiesen zu werden.
3. Daraufhin führte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. Januar 2016 aus, dass sich aus seiner Sicht die Zuständigkeit des Amtsgerichts Langenfeld aus § 29 ZPO ergebe. Der Erfüllungsort sei an seinem Wohnsitz im Bezirk des Amtsgerichts Langenfeld, da sich die Waschmaschine dort befinde.
4. Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2016 teilte die "o." mit, dass die Beklagte inzwischen vollständig in der O. aufgegangen sei und beantragte die Berichtigung des Rubrums. Außerdem rügte sie die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Langenfeld.
5. Demgegenüber wies das Amtsgericht Langenfeld mit Schreiben vom 13. Januar 2016 darauf hin, dass es sich für örtlich "zuständig" erachte und forderte zur Stellungnahme binnen 10 Tagen auf.
6. Mit angegriffenem Urteil vom 26. Januar 2016 wies das Amtsgericht Langenfeld die Klage des Beschwerdeführers im vereinfachten Verfahren nach § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung ab. Ein vorheriger Hinweis, dass im Verfahren nach § 495a ZPO entschieden würde, erging nicht; eine Schlussfrist für den Parteivortrag wurde nicht gesetzt.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Amtsgericht aus, die Klage sei bereits unzulässig, weil sie bei dem örtlich unzuständigen Gericht erhoben worden sei und der Beschwerdeführer trotz Hinweises keinen Verweisungsantrag gestellt habe. Eine Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 29 ZPO, da der Kläger keine Gewährleistungsrechte, sondern Schadensersatz geltend mache, der als Geldschuld am Sitz des Verkäufers zu erfüllen sei.
Die Klage sei darüber hinaus auch unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, § 281 BGB sei nicht schlüssig dargelegt. Der Beschwerdeführer habe der (richtigen) Beklagten kein Recht zur Nacherfüllung gemäß § 439 BGB eingeräumt. Er habe sich nach seinem eigenen Vorbringen auch nicht an den ihm mitgeteilten Kundenservice gewandt. Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung sei nicht vorgetragen.
Schließlich irre der Beschwerdeführer, wenn er meine, die Beklagte habe darzulegen, ob und in welcher Rechtsform sie noch existiere. Es sei Sache des Beschwerdeführers, die Passivlegitimation der Beklagten darzulegen.
7. Mit Schreiben vom 5. Februar 2016 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO. Darin rügte er unter anderem das Fehlen eines Hinweises auf eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO, die überraschende Abweisung der Klage wegen fehlender Zuständigkeit trotz des Hinweises im Schreiben vom 13. Januar 2016 und die falsche Wiedergabe seines Vorbringens.
8. Mit Beschluss vom 7. März 2016 wies das Amtsgericht Langenfeld die Anhörungsrüge zurück. Es liege keine Gehörsverletzung vor. Das Gericht habe den Beschwerdeführer auf die örtliche Unzuständigkeit hingewiesen und dieser habe es versäumt, zumindest hilfsweise Verweisung zu beantragen. Es habe keiner Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung bedurft, weil der Beschwerdeführer keinen Antrag gestellt habe. Selbst wenn das rechtliche Gehör verletzt worden wäre, läge keine Entscheidungserheblichkeit vor, weil die Klage in materiell-rechtlicher Hinsicht unbegründet gewesen sei.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Es liege ein Verstoß gegen seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor, weil das Amtsgericht Langenfeld vor Erlass des Urteils keinen Hinweis auf eine Entscheidung im Verfahren nach § 495a ZPO erteilt und keinen Zeitpunkt bestimmt habe, bis zu dem die Parteien ihr Vorbringen in den Prozess einführen könnten. Vielmehr habe das Amtsgericht Langenfeld in seinem Schreiben vom 14. Dezember 2015 den Eindruck erweckt, es werde die Klage nicht ohne mündliche Verhandlung als unzulässig abweisen. Außerdem sei sein Vorbringen im Urteil falsch wiedergegeben und die von ihm vorgetragene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur örtlichen Zuständigkeit und zur Frage des richtigen Beklagten ignoriert worden. Schließlich liege eine Überraschungsentscheidung vor, weil die Klage wegen fehlender Zuständigkeit abgewiesen worden sei, obwohl das Gericht in seinem Hinweis vom 13. Januar 2016 mitgeteilt habe, dass es sich für örtlich zuständig erachte.
Das angegriffene Urteil beruhe auch auf dieser Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Hätte das Amtsgericht Langenfeld auf den beabsichtigten Erlass eines Urteils im Verfahren nach § 495a ZPO hingewiesen, hätte er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 495a Satz 2 ZPO und darin Verweisung an das Amtsgericht Hamburg beantragt. Auch hätte das Amtsgericht Langenfeld bei Berücksichtigung seines Vortrags zur Sache der Klage stattgeben müssen.
Der Gehörsverstoß sei auch nicht durch den Beschluss vom 7. März 2016 geheilt worden, weil das Gericht sich nicht ansatzweise mit seinem Vorbringen in der Anhörungsrüge befasst und dadurch erneut einen Gehörsverstoß begangen habe.
2. Weiterhin habe das Amtsgericht Langenfeld auch gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, indem es trotz Verneinung seiner Zuständigkeit Ausführungen zur Begründetheit der Klage gemacht habe.
Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, die P. sowie die O. hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Bundesverfassungsgericht hat die Verfahrensakte des Amtsgerichts Langenfeld vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Zu dieser Entscheidung ist sie berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Zwar folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (vgl. BVerfGE 5, 9 <11>; 21, 73 <77>; 36, 85 <87>; 60, 175 <210>; 89, 381 <391>; 112, 185 <206>). Es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 9, 89 <95 f.>; 60, 175 <210 f.>; 67, 208 <211>; 74, 1 <5>; 89, 381 <391>). Hat eine mündliche Verhandlung aber von Gesetzes wegen stattzufinden, wie dies in den Fällen des § 495a Satz 2 ZPO auf Antrag einer Partei vorgeschrieben ist, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ein Recht auf Äußerung in der mündlichen Verhandlung und zugleich auf deren Durchführung durch das Gericht (vgl. BVerfGK 19, 377 <382>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 367/15 -, juris, Rn. 7; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2017 - 2 BvR 977/16 -, juris, Rn. 7).
Ferner folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht des Gerichts, die Parteien darauf hinzuweisen, dass im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO entschieden werden soll, und den Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu welchem die Parteien zur Sache vortragen können (vgl. BVerfGE 64, 203 <207>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. August 1993 - 1 BvR 279/93 -, juris, Rn. 9; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. November 2008 - 2 BvR 290/08 -, juris, Rn. 10). Eine erst mit dem Urteilserlass erfolgende Mitteilung, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werde, verletzt daher das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. November 2008 - 2 BvR 290/08 -, juris, Rn. 9; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2017 - 2 BvR 977/16 -, juris, Rn. 8).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet auch, dass das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss (vgl. BVerfGE 21, 191 <194>; 96, 205 <216>; stRspr). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, da es nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu verbescheiden. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfGE 25, 137 <140>; 85, 386 <404>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2012 - 1 BvR 3071/10 -, juris, Rn. 13; stRspr).
In engem Zusammenhang mit der Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, steht das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von "Überraschungsentscheidungen". Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. März 2007 - 2 BvR 547/07 -, juris, Rn. 5; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 2126/11 -, juris, Rn. 18).
b) Hieran gemessen hat das Amtsgericht Langenfeld das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in mehrfacher Hinsicht verletzt.
Das Amtsgericht Langenfeld hat es unterlassen, die Parteien darauf hinzuweisen, dass es im Verfahren nach § 495a ZPO und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden würde. Dass es ein Verfahren nach § 495a ZPO gewählt hat, ergibt sich erst aus dem Urteil selbst. Dabei steht die Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 495a ZPO in Widerspruch zu den Ausführungen des Amtsgerichts in seinem Schreiben vom 14. Dezember 2015, in dem lediglich für den Fall eines Antrags auf Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Hamburg eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung angekündigt wurde. Demgegenüber wird für den Fall des Unterbleibens eines solchen Antrags ausdrücklich eine Entscheidung "nach mündlicher Verhandlung" in Aussicht gestellt. Der Beschwerdeführer durfte daher darauf vertrauen, sein von Art. 103 Abs. 1 GG geschütztes Äußerungsrecht in der mündlichen Verhandlung wahrnehmen und insbesondere auch noch in der mündlichen Verhandlung einen Verweisungsantrag stellen zu können.
Weiterhin wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG auch dadurch verletzt, dass das Amtsgericht die Klage als unzulässig abwies, weil sie vor dem örtlich unzuständigen Gericht erhoben worden sei und der Beschwerdeführer trotz Hinweises keinen Verweisungsantrag gestellt habe. Insoweit liegt eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor. Das Amtsgericht hatte dem Beschwerdeführer zwar am 14. Dezember 2015 mitgeteilt, dass es sich für örtlich unzuständig halte und angefragt, ob Verweisung beantragt werde. Nachdem der Beschwerdeführer aber mit Schriftsatz vom 1. Januar 2016 zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung genommen hatte, teilte das Gericht ausweislich des vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreibens vom 13. Januar 2016 mit, dass es sich nunmehr als örtlich zuständig erachte. Vor diesem Hintergrund musste nicht damit gerechnet werden, dass das Gericht sich ohne vorherigen Hinweis erneut als örtlich unzuständig ansehen und darauf gestützt die Klage abweisen würde.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob das Amtsgericht Langenfeld einen Gehörsverstoß auch dadurch begangen hat, dass es trotz Verneinung seiner örtlichen Zuständigkeit im Urteil materiell-rechtliche Fragen erörtert und dabei den diesbezüglichen Vortrag des Beschwerdeführers nicht beziehungsweise nicht hinreichend berücksichtigt hat.
c) Das angegriffene Urteil vom 26. Januar 2016 beruht auch auf dem Gehörsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht anders entschieden hätte, wenn es eine mündliche Verhandlung durchgeführt hätte. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest hilfsweise einen Verweisungsantrag gestellt hätte und es nicht zu einer Klageabweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit gekommen wäre.
2. Ob neben der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegt, bedarf keiner Entscheidung.
3. Gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG ist das angegriffene Urteil vom 26. Januar 2016 aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen. Der ebenfalls angegriffene Beschluss vom 7. März 2016 ist damit gegenstandslos.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.