Entscheidungsdatum: 21.11.2011
Die Verfassungsbeschwerden betreffen eine unterbliebene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof) hinsichtlich der Auslegung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs.
Die Beschwerdeführerinnen nehmen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen
Staatshaftungsanspruchs in Anspruch. Dies steht im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht
nach der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21. August 1998 (VerpackV 1998
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Hersteller und Abfüller von Erfrischungsgetränken mit Sitz in Österreich, die ihre Produkte in Einwegverpackungen in Verkehr bringen und einen erheblichen Teil ihrer Umsätze mit dem Export ihrer Produkte nach Deutschland erzielen. Sie waren hinsichtlich ihrer Verpackungen an das Rücknahme- und Entsorgungssystem "Duales System Deutschland" angeschlossen und deshalb von der grundsätzlich nach § 8 Abs. 1 VerpackV 1998 bestehenden Pfanderhebungspflicht für Einwegverpackungen befreit (§ 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VerpackV 1998).
Die Befreiung von der Pfanderhebungspflicht stand jedoch unter dem Vorbehalt, dass der Gesamtanteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke bundesweit die Quote von 72 % nicht wiederholt unterschritt (§ 9 Abs. 2 VerpackV 1998). Nach einer Bekanntmachung der Bundesregierung vom 28. Januar 1999 war der Mehrweganteil des Referenzjahres 1997 in den Getränkebereichen Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke bundesweit zum ersten Mal unter 72 % gesunken. Da dieser Anteil in zwei aufeinanderfolgenden Erhebungszeiträumen unter 72 % blieb, gab die Bundesregierung am 2. Juli 2002 die Nacherhebungsergebnisse im Bundesanzeiger bekannt und ordnete die sofortige Vollziehung der Bekanntmachung an. Mit dieser Bekanntmachung war nach § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 die Rechtsfolge verbunden, dass ab 1. Januar 2003 die Berechtigung nach § 6 Abs. 3 VerpackV 1998 als widerrufen galt, die Einwegverpackungen über das Duale System Deutschland zu sammeln und zu entsorgen, und dass die Pfanderhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 VerpackV 1998 wiederauflebte.
Die Bundesrepublik Deutschland führte ab dem Frühjahr 2002 Gespräche mit den beteiligten Wirtschaftskreisen über die Einrichtung eines ab 2003 wirksamen einheitlichen Pfand- und Rücknahmesystems für Einwegverpackungen, die allerdings zu keinem Erfolg führten. Sie forderte daraufhin am 20. Dezember 2002 die für den Vollzug zuständigen Länder auf, vom 1. Januar bis 1. Oktober 2003 eine nur eingeschränkte Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten zu dulden, indem das Pfand zunächst nur vom Endabnehmer erhoben und nur am Ort des Einkaufs wiedererstattet werden sollte. Obwohl die beteiligten Wirtschaftskreise im Gegenzug den Aufbau eines einheitlichen Pfandsystems zum 1. Oktober 2003 zugesagt hatten, gelang die Einführung eines solchen Systems bis zu diesem Zeitpunkt nicht. An dessen Stelle etablierten sich ab 2003 verschiedene offene Pfand- und Rücknahmesysteme, die nicht miteinander kompatibel und zum Teil auch nur regional tätig waren. Einige große Handelsketten richteten sogenannte Insellösungen ein, die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 4 VerpackV 1998 eine Pfand- und Rücknahmepflicht nur für die von ihnen vertriebenen Produkte enthielten. Darüber hinaus entschlossen sich andere Teile des Handels, bestimmte Getränke in Einwegverpackungen aus ihrem Sortiment zu entnehmen.
Durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 24. Mai 2005 (VerpackV 2005
2. Die Beschwerdeführerinnen erhoben im Mai 2002 erfolglos Klage gegen das Land Baden-Württemberg vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, mit der sie im Wesentlichen festgestellt wissen wollten, dass sie bei Beteiligung am Dualen System Deutschland nicht verpflichtet seien, auf ihre in Einwegverpackungen in den Verkehr gebrachten Getränke ein Pfand zu erheben und die gebrauchten Verpackungen gegen Erstattung des Pfandes unentgeltlich zurückzunehmen.
Auf Vorlage des Verwaltungsgerichts Stuttgart entschied der Europäische Gerichtshof durch Urteil vom 14. Dezember 2004, dass
Art. 7 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle
(Verpackungsrichtlinie
3. Die Vereinbarkeit der VerpackV 1998 mit Art. 28 EGV war auch Gegen-stand eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Europäische Gerichtshof stellte - ebenfalls durch Urteil vom 14. Dezember 2004 - fest, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen Art. 5 der Verpackungsrichtlinie in Verbindung mit Art. 28 EGV und Art. 3 in Verbindung mit Anhang II Nr. 2 Buchstabe d der Richtlinie 80/777/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern (ABl Nr. L 229/1) verstoßen habe, dass sie mit den § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 ein System zur Wiederverwendung von Verpackungen für Produkte eingeführt habe, die nach der Richtlinie 80/777/EWG an der Quelle abzuführen seien (Rs. C-463/01, Kommission/Deutschland, Slg. 2004, S. I-11705 Rn. 84). Die in § 9 Abs. 2 VerpackV 1998 vorgesehene Frist von sechs Monaten zwischen der Bekanntmachung, dass ein Pfand- und Rücknahmesystem einzuführen sei, und dem Inkrafttreten dieses Systems reiche nicht aus, um es den Herstellern natürlicher Mineralwässer zu ermöglichen, ihre Produktion und ihre Bewirtschaftung der Einwegverpackungsabfälle an das neue System anzupassen, da dieses System sofort einzuführen sei (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004, Rs. C-463/01, a.a.O., Rn. 78 ff.).
4. Im Ausgangsverfahren machten die Beschwerdeführerinnen geltend, die Inkraftsetzung der Pflichtpfandregelung zum 1. Januar 2003 habe "offenkundig und erheblich" gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Art. 7 Abs. 1 der Verpackungsrichtlinie, verstoßen. Ihnen sei ein erheblicher Schaden entstanden, da sie einerseits wegen der Verwendung von Einwegverpackungen in beträchtlichem Ausmaß von der Auslistung ihrer Produkte durch den deutschen Handel betroffen gewesen seien und es ihnen andererseits mangels eines flächendeckenden Systems zur Erfüllung der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht nicht möglich gewesen sei, sich an einem solchen System zu beteiligen. Die zuletzt auf Zahlung von 1.857.107,50 € für die Beschwerdeführerin zu I. und von 7.677.999 € für die Beschwerdeführerin zu II. jeweils mit Zinsen gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Die gegen das Urteil des Oberlandesgericht Köln vom 9. August 2007 (7 U 147/06, NVwZ 2008, S. 468 ff.) gerichteten Revisionen der Beschwerdeführerinnen wies der Bundesgerichtshof mit dem durch die Verfassungsbeschwerden angegriffenen Urteil vom 22. Januar 2009 (NJW 2009, S. 2534 ff.) als unbegründet zurück.
a) Das Oberlandesgericht gehe zutreffend davon aus, dass vorliegend eine einfache Verletzung des Gemeinschaftsrechts zur Annahme eines hinreichend qualifizierten Verstoßes nicht ausreiche. Der Bundesrepublik Deutschland sei bei der Wahl der Mittel, um ihr richtlinienkonformes Ziel der Förderung von wiederverwendbaren Verpackungen im Sinne des Art. 5 der Verpackungsrichtlinie zu erreichen, ein weiter Gestaltungsspielraum verblieben. Die Verpackungsrichtlinie treffe keine näheren Regelungen über die Organisation oder Ausgestaltung von Systemen zur Förderung von wiederverwendbaren Verpackungen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004, Rs. C-309/02, a.a.O., Rn. 55).
b) Es sei weiter nicht rechtsfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht einen erheblichen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen das Gemeinschaftsrecht verneint habe. Soweit der Europäische Gerichtshof seine Entscheidungen auf die Notwendigkeit einer angemessenen Übergangsfrist und der Sicherstellung eines arbeitsfähigen Systems im Zeitpunkt der Umstellung des bisherigen Systems der Bewirtschaftung von Verpackungsabfall stütze, sei nicht ersichtlich, dass diese Gesichtspunkte in den vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzungen eine Rolle gespielt hätten. Der Senat trete der Wertung des Oberlandesgerichts bei, dass der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Übergangsfrist, die bis zu den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs nicht thematisiert worden sei, nur ein geringer Vorwurf zu machen sei. Dass die Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung von Bürokratie und zusätzlichen Kosten auf die Selbstregulierung der betroffenen Wirtschaftskreise vertraut habe, könne nicht als erheblicher Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet werden. Auch wenn sich die Bundesrepublik Deutschland damit ihrer Erfüllungsverantwortlichkeit nicht habe entledigen können, sei es doch gemeinschaftsrechtlich unbedenklich gewesen, Herstellern und Vertreibern die Einführung eines funktionierenden Systems zu überlassen, so dass diese die Rücknahme der Verpackungen, die Erstattung des Pfandes und den eventuellen Ausgleich der Beträge unter den Vertreibern organisieren sollten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004, Rs. C-309/02, a.a.O., Rn. 80).
c) Der Senat trete dem Oberlandesgericht auch darin bei, dass es an einem offenkundigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht fehle. Es sei nicht ersichtlich, dass die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs offenkundig verkannt habe. Es sei ein Sachgebiet betroffen, auf dem klare gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Form einer eindeutigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bis zu seinen Entscheidungen vom 14. Dezember 2004 gefehlt hätten. Unter diesen Gesichtspunkten sei ein qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht regelmäßig zu verneinen. Gegen einen offenkundigen Verstoß spreche auch der Umstand, dass nationale Gerichte vor und nach Einführung des Pfand- und Rücknahmesystems wiederholt die Gemeinschaftskonformität der beanstandeten Regelungen bekräftigt hätten.
d) Die Klage habe auch hinsichtlich der im Jahre 2005 entstandenen Schäden keinen Erfolg. Zwar sei ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dann als offenkundig zu qualifizieren, wenn er trotz eines Urteils, aus dem sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergebe, fortbestanden habe. Ein solcher Fall liege indes nicht vor. Feststellungen über die Gemeinschaftsrechtskonformität der im Zeitpunkt der Urteile etablierten Rücknahmesysteme seien den Urteilen ebenso wenig zu entnehmen wie eine eindeutige Festlegung, ob das System der Insellösungen allein oder gemeinsam mit den parallel operierenden offenen Rücknahmesystemen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt habe.
Die Beschwerdeführerinnen sehen sich durch das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Beschwerdeführerin zu I. behauptet, dass der Bundesgerichtshof nicht ansatzweise in Erwägung gezogen habe, die entscheidungserhebliche Frage, ob der Verstoß gegen Art. 28 EGV und Art. 7 der Verpackungsrichtlinie "hinreichend qualifiziert" sei, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, obwohl er bei der Auslegung und Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Tatbestandsmerkmale grundsätzlich zur Vorlage verpflichtet sei.
Beide Beschwerdeführerinnen machen außerdem geltend, dass der Bundesgerichtshof bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur entscheidungserheblichen Frage abgewichen sei. Es sei ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert sei, wenn der Mitgliedstaat innerhalb der Umsetzungsfrist keine Maßnahmen zur Umsetzung der einschlägigen Richtlinienbestimmung treffe und wenn der Ermessenspielraum des Staates erheblich oder gar auf Null reduziert sei. Der Bundesgerichtshof weiche auch von der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab, dass ein Verstoß immer hinreichend qualifiziert sei, wenn der Gerichtshof die einschlägigen Fragen - wie vorliegend - bereits entschieden habe. Schließlich bringen die Beschwerdeführerinnen vor, der Bundesgerichtshof habe seinen Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten. Die Auffassung, die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission gegen Deutschland genüge nicht, um die unstreitige Verletzung von Art. 28 EGV und Art. 7 der Verpackungsrichtlinie als hinreichend qualifiziert zu beurteilen, sei offenkundig unrichtig.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Den Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die Frage der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch unterbliebene Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 ff.>; 126, 286 <315 ff.>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist - mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg - auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Obwohl die Beschwerdeführerinnen die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens im Revisionsverfahren nicht ausdrücklich angeregt haben, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen.
a) Nach diesem Grundsatz müssen die Beschwerdeführerinnen zwar über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verletzungen von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten zu erwirken oder eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten zu verhindern (vgl. BVerfGE 73, 322 <325>; 81, 22 <27>; 95, 163 <171>). Eine Abhilfemöglichkeit im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes besteht nicht nur dann, wenn der Erfolg vorher feststeht; vielmehr ist jede Möglichkeit, der Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Verfahren abzuhelfen, zu nutzen, wenn ihr Erfolg zumindest möglich erscheint (vgl. BVerfGE 68, 376 <380 f.>; 70, 180 <185 f.>).
b) Die Beschwerdeführerinnen waren vorliegend jedoch nicht gehalten, im Revisionsverfahren eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof anzuregen.
Einem Beschwerdeführer obliegt es nicht grundsätzlich, sondern nur in bestimmten Verfahrenskonstellationen, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens anzuregen. So muss ein Beschwerdeführer in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde darauf hinweisen, dass sich aus seiner Sicht die Notwendigkeit einer Rechtsmittelzulassung aus der Pflicht des letztinstanzlichen Rechtsmittelgerichts ergibt, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorzulegen (BVerfGK 13, 418 <426>; offenlassend noch BVerfGK 8, 280 <282>). Denn eine Rechtssache hat immer dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in Rede steht (vgl. BVerfGK 13, 418 <425> m.w.N.). Vorliegend befanden sich die Beschwerdeführerinnen jedoch bereits vor dem letztinstanzlichen Gericht, das bei entscheidungserheblichen Gültigkeits- oder Auslegungszweifeln nach Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts wegen zur Vorlage verpflichtet ist.
2. Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet. Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs hat die Beschwerdeführerinnen nicht entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichem Richter entzogen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Europäische Gerichtshof gesetzlicher Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Unterlässt es ein deutsches Gericht, ein Vorabentscheidungsverfahren an den Europäischen Gerichtshof zu stellen, obwohl es unionsrechtlich dazu verpflichtet ist, werden die Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsverfahrens ihrem gesetzlichen Richter entzogen (BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233 ff.>; 82, 159 <192 ff.>; 126, 286 <315 ff.>). Allerdings stellt nicht jede Verletzung der sich aus Art. 267 Abs. 3 AEUV ergebenden Vorlagepflicht einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen oder offensichtlich unhaltbar sind. Dieser Willkürmaßstab wird auch angelegt, wenn eine Verletzung von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Rede steht (BVerfGE 82, 159 <194 f.>; 126, 286 <316>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, NJW 2011, S. 1427 <1431>).
Im Rahmen dieser Willkürkontrolle haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, in denen die Vorlagepflichtverletzung zu einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter führt. Die Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV wird danach insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (Fallgruppe der grundsätzlichen Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (Fallgruppe des bewussten Abweichens ohne Vorlagebereitschaft).
Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Fallgruppe der Unvollständigkeit der Rechtsprechung) (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 -, NJW 2011, S. 1427 <1431>). Letzteres kann nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 126, 286 <317>) insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind. Zu verneinen ist in Fällen der Unvollständigkeit der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb bereits dann, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Frage in zumindest vertretbarer Weise beantwortet hat.
b) Gemessen an diesem Maßstab liegt keine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch das angegriffene Urteil vor.
aa) Der Bundesgerichtshof hat die Vorlagepflicht nicht grundsätzlich verkannt.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu I. sind die letztinstanzlichen Hauptsachegerichte der Mitgliedstaaten bei der Auslegung und Anwendung unionsrechtlicher Tatbestandsmerkmale des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs nicht grundsätzlich zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet. Sie sind vielmehr zunächst verpflichtet, in den bei ihnen anhängigen Verfahren das vorrangige Unionsrecht in eigener Verantwortung auszulegen und anzuwenden (vgl. für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nur EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-302/97, Konle, Slg. 1999, S. I-3099 Rn. 59). Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur dann, wenn die im Ausgangsverfahren aufgeworfenen Auslegungsfragen nicht bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen sind, wenn nicht bereits eine gesicherte Rechtsprechung vorliegt, durch die die Rechtsfragen gelöst sind, oder wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Fragen bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. 283/81, CILFIT, Slg. 1982, S. 3415 Rn. 13 ff.).
Die Beschwerdeführerin zu I. legt nicht dar, dass der Bundesgerichtshof Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Auslegung und Anwendung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs hatte, so dass die Fallgruppe der grundsätzlichen Verkennung der Vorlagepflicht aus diesem Grund nicht erfüllt ist.
bb) Darüber hinaus ist der Bundesgerichtshof auch nicht bewusst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen, ohne vorzulegen.
Indem die Beschwerdeführerinnen behaupten, dass der Bundesgerichtshof die Leitlinien, die der Europäische Gerichtshof zur Bestimmung eines "hinreichend qualifizierten" Verstoßes festgelegt habe, nicht hinreichend berücksichtigt habe, verkennen sie, dass der Bundesgerichtshof die von den Beschwerdeführerinnen angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs angewendet hat. Der Umstand allein, dass der Bundesgerichtshof bei der Subsumtion des Sachverhalts unter die in diesen Entscheidungen enthaltenen Leitlinien zu einem anderen Ergebnis als die Beschwerdeführerinnen gekommen ist, begründet noch kein Abweichen von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Hinzukommen müsste vielmehr, dass die Erwägungen, die der Bundesgerichtshof dabei angestellt hat, nicht mehr vertretbar sind. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
(1) Soweit die Beschwerdeführerin zu I. geltend macht, die Bundesrepublik Deutschland habe innerhalb der Umsetzungsfrist keine Maßnahmen getroffen, um das durch die Verpackungsrichtlinie verfolgte Ziel zu erreichen, vermag sie bereits nicht darzulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland untätig geblieben ist. Der Bundesgerichtshof stellt darauf ab, dass die Bundesrepublik Deutschland zunächst auf die Selbstregulierung der betroffenen Wirtschaftskreise habe vertrauen dürfen. Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Herstellern und Vertreibern die Einführung eines Pfand- und Rücknahmesystems nur überlassen kann, wenn er gleichzeitig sicherstellt, dass sich zum Zeitpunkt der Umstellung des Systems alle betroffenen Hersteller und Vertreiber tatsächlich an einem arbeitsfähigen System beteiligen können (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2004, Rs. C-309/02, a.a.O., Rn. 80), lässt allenfalls den Schluss zu, dass die Bundesrepublik Deutschland eine fehlerhafte Maßnahme getroffen hat, nicht aber, dass sie untätig geblieben ist.
(2) Soweit beide Beschwerdeführerinnen darauf abstellen, dass Art. 7 der Verpackungsrichtlinie hinsichtlich der zeitlichen Komponente klar und eindeutig gewesen sei und für die Frage der zeitgleichen Einrichtung eines arbeitsfähigen Rücknahmesystems mit der Pfandpflicht und der Gewährung einer ausreichenden Übergangsfrist eine Ermessensreduzierung auf Null bestanden habe, verkennen sie, dass die Vereinbarkeit der in der VerpackV 1998 normierten Pfandpflicht auf Einwegverpackungen mit dem Unionsrecht vor Erlass der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02, a.a.O.; Rs. C-463/01, a.a.O.) in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert wurde (vgl. Fischer/ Arndt, Kommentar zur Verpackungsverordnung, 2. Aufl. 2007, § 8 Rn. 121 m.w.N.). Erst mit Erlass des Urteils vom 14. Dezember 2004 in der Rechtssache C-463/01 stand fest, dass sechs Monate nicht genügen, damit sich die betroffenen Hersteller und Vertreiber auf ein neues Pfand- und Rücknahmesystem einstellen und dieses errichten können (a.a.O., Rn. 78 ff.). Es ist vertretbar, die Offenkundigkeit eines Verstoßes gegen Unionsrecht zu verneinen, wenn die Anforderungen einer Richtlinie erst durch den Europäischen Gerichtshof festgestellt werden müssen (vgl. Frenz/Götzkes, EuR 2009, S. 622 <630> unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 30. September 2003, Rs. C-224/01, Köbler, Slg. 2003, S. I-10239 Rn. 121; anders Koenig, EWS 2009, S. 249 <250 f.>).
(3) Soweit beide Beschwerdeführerinnen vorbringen, dass der Bundesgerichtshof insoweit von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen sei, indem er den Verstoß gegen Unionsrecht selbst ab dem Zeitpunkt der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02, a.a.O.; Rs. C-463/01, a.a.O.) nicht als hinreichend qualifiziert angesehen habe, setzen sie sich nicht hinreichend mit der Argumentation des Bundesgerichtshofs auseinander. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein Verstoß gegen Unionsrecht als offenkundig zu qualifizieren sei, wenn er trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs, aus dem sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergebe, fortbestanden habe, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Der nicht von vornherein willkürlichen Argumentation des Bundesgerichtshofs, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2004 (Rs. C-309/02, a.a.O.; Rs. C-463/01, a.a.O.) hätten keine Feststellungen über die Unionsrechtskonformität der im Zeitpunkt ihres Erlasses etablierten, parallel operierenden offenen Rücknahmesysteme getroffen, setzen die Beschwerdeführerinnen nichts entgegen.
cc) Schließlich hätte der Bundesgerichtshof auch nicht wegen Unvollständigkeit der Rechtsprechung eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeiführen müssen. Wie bereits dargelegt, hat er sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Voraussetzungen des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs auseinandergesetzt und diese auf den vorliegenden Fall übertragen. Unter der Annahme, dass der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Übergangsfrist nur ein geringer Vorwurf zu machen sei, hat er die entscheidungserhebliche Frage, ob der mögliche Verstoß gegen Art. 7 der Ver-packungsrichtlinie und Art. 28 EGV hinreichend qualifiziert war, in vertretbarer Weise verneint.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.