Entscheidungsdatum: 16.10.2014
Die Verfassungsbeschwerde des strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft die fachgerichtliche Behandlung eines auf Nichtvornahme einer Durchsuchung gerichteten Eilantrages.
I.
1. Am 6. September 2011 wurde der in der Justizvollzugsanstalt Mannheim untergebrachte Beschwerdeführer für eine Zeugenvernehmung in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Altenburg in die Justizvollzugsanstalt Gera überstellt. Während seines Aufenthalts dort erhielt er Besuch von seiner Großmutter. Kurz vor Beginn der Besuchsdurchführung und auch vor der Vorführung bei Gericht wurde von Beamten der Justizvollzugsanstalt Gera eine Durchsuchung durchgeführt, deren nähere Umstände streitig sind.
2. Mit Schreiben vom 6. September 2011 beanstandete der Beschwerdeführer bei der Justizvollzugsanstalt Gera, ohne nähere Darstellung des Vorgangs, dass er vor der Besuchsdurchführung vom selben Tage einer mit Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung unterzogen worden sei. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt teilte dem Beschwerdeführer daraufhin mit, dass er das Schreiben im Wege der Dienstaufsicht geprüft habe. Der Umkleidungsvorgang vor einem Besuch und vor einer Aus- oder Vorführung in Anwesenheit eines Bediensteten stelle noch keine Durchsuchung im Sinne von § 84 Abs. 2 StVollzG dar. Es seien lediglich die Sachen des Beschwerdeführers durchsucht worden. Eine weitergehende Kontrolle - insbesondere die vom Beschwerdeführer behauptete körperliche Durchsuchung - sei nach schriftlicher Einlassung des zuständigen Beamten nicht erfolgt.
3. Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2011 stellte der Beschwerdeführer Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Landgericht Gera. Er habe sich der Durchsuchungsprozedur (Entkleiden, Heben der Arme, Herunterziehen der Unterhose sowie Inaugenscheinnahme seiner entblößten Genitalien und seiner unverdeckten Rückenansicht) nicht nur vor dem Besuchstermin, sondern auch danach unterziehen müssen. Anlässlich eines Zeugentermins beim Amtsgericht Altenburg sei am darauffolgenden Tag ebenfalls vor und nach der Vorführung eine derartige Durchsuchung erfolgt. Zwar könne der Anstaltsleiter eine Maßnahme nach § 84 Abs. 1 StVollzG allgemein anordnen, dabei handele es sich jedoch um eine Durchsuchung ohne Entkleidung. Die Kontrolle der Person beschränke sich auf das Abtasten der Kleidung sowie auf die Suche in den Taschen oder die Überprüfung mittels elektronischer Geräte. Für den 9. November 2011 habe ihn das Landgericht Gera erneut als Zeugen geladen, so dass Wiederholungsgefahr bestehe.
Das Antragsschreiben ging am 20. Oktober 2011 beim Landgericht Gera ein. Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2011, eingegangen beim Landgericht Gera am 29. Dezember 2011, teilte der Beschwerdeführer dem Landgericht mit, dass er auf seinen Antrag vom 17. Oktober 2011 bisher keine Antwort erhalten habe. Daher sei er am 8. und 22. November 2011 erneut rechtswidrig durchsucht worden. Da eine weitere Ladung nicht ausgeschlossen sei, bestehe auch weiterhin die Gefahr, dass er rechtswidrig behandelt werde. Daher bitte er um Bearbeitung seines Antrags.
II.
1. Mit seiner am 24. Februar 2012 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer bei sachdienlicher Auslegung seines Antrags gegen das Unterlassen des Landgerichts Gera, den Antrag auf Erlass einer einst-weiligen Anordnung seiner Dringlichkeit entsprechend zu behandeln. Das Landgericht habe auf seinen Eilantrag nicht reagiert, obwohl die mit Entkleidung verbundene Durchsuchung nach § 84 Abs. 2 und 3 StVollzG offenkundig rechtswidrig erfolgt sei und er sich zwischenzeitlich auch nach dem Verbleib seines Antrags erkundigt habe.
2. Das Justizministerium des Freistaats Thüringen hat zur Nichtbehandlung des Eilantrages durch das Landgericht Gera ausgeführt, dass der Antrag des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2011 beim Landgericht eingegangen sei. Soweit habe ermittelt werden können, sei die Akte versehentlich unter die Prozessaufzeichnungen des Berichterstatters in dem Verfahren geraten, in dem der Beschwerdeführer als Zeuge geladen worden sei. Der Antrag des Beschwerdeführers und der mit dem Antrag zusammenhängende Schriftverkehr sei deshalb übersehen und nicht weiter bearbeitet worden. Die Akte sei erst im Zusammen-hang mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren aufgefunden worden. Zwischenzeitlich habe das Landgericht den Antrag abgewiesen.
3. Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2013 hat Rechtsanwalt O. angezeigt, mit der Vertretung des Beschwerdeführers beauftragt worden zu sein und beantragt, dem Beschwerdeführer unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
4. Die Akte des fachgerichtlichen Verfahrens wurde beigezogen. Daraus ergibt sich, dass der Eilantrag des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2011 beim Landgericht eingegangen und mit richterlicher Verfügung vom 3. November 2011 der Justizvollzugsanstalt zur Stellungnahme übersandt worden ist. Mit Schriftsatz vom 7. November 2011 nahm die Justizvollzugsanstalt zu dem Antrag Stellung, indem sie auf ein Schreiben vom 18. Oktober 2011 verwies, mit dem dem Beschwerdeführer ein Besuchsschein für seine Großmutter übersandt worden war. Auf der Rückseite des der Stellungnahme beigefügten Antragsschreibens des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Besuchstermins befindet sich die richterliche Verfügung: "Weglegen". Der Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 18. Dezember 2011, eingegangen beim Landgericht am 29. Dezember 2011, mit dem sich der Beschwerdeführer nach dem Verbleib seines Antrags erkundigt hatte, trägt den Vermerk: "Akte bei Kostenbeamtin angefordert"; das Zustellungsschreiben des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 2012 trägt den Vermerk "Akte im Archiv - im Hause - angefordert". Mit Vermerk vom 8. Oktober 2012 wurde festgestellt, dass sich die Akte noch in den Prozessaufzeichnungen zu dem Verfahren befunden habe, in dem der Beschwerdeführer als Zeuge geladen worden war. Dort sei die Akte irrtümlich verblieben und erst heute wieder aufgefunden worden.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
Zwar dürfte das Unterlassen des Landgerichts, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seiner Dringlichkeit entsprechend zu behandeln, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes verletzt haben (1.); jedoch ist die Verfassungsbeschwerde aus Gründen der materiellen Subsidiarität unzulässig (2.).
1. a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem Rechtsschutzsuchenden Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 37, 150 <153>; 101, 397 <407>; stRspr). Wirksam ist nur ein Rechtsschutz, der innerhalb angemessener Zeit gewährt wird. Namentlich der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist (vgl. BVerfGE 37, 150 <153>; 65, 1 <70>).
b) Dadurch, dass das Landgericht weder auf den Eilantrag des Beschwerdeführers noch auf die seinen Eilantrag betreffende Nachfrage reagiert hat und spätestens auf die Nachfrage des Beschwerdeführers auch hätte bemerken müssen, dass über den gestellten Eilantrag, wohl versehentlich, wenn auch mit dem abschließenden Vermerk "Weglegen", nicht entschieden worden ist, ist es den sich hieraus für die Gerichte ergebenden Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 49, 220 <226>; 77, 275 <284>; 93, 1 <13 f.>; stRspr) nicht gerecht geworden. Auch wenn es sich dabei um ein bloßes Versehen gehandelt hat und Versehen dieser Art auch in einem geordneten Justizbetrieb und bei pflichtbewusst arbeitenden Richtern vorkommen können, ändert dies nichts daran, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz durch die Nichtbehandlung seines Eilantrags verletzt worden sein dürfte (vgl. BVerfGK 19, 25 <32>).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch aus Gründen der materiellen Subsidiarität unzulässig. Zwar hat sich der Beschwerdeführer darum bemüht, sich durch Nachfrage beim Landgericht über den Verbleib seines Eilantrags zu informieren, wobei die Nachfrage bei verständiger Würdigung als Verzögerungsrüge ausgelegt werden muss, die nach § 198 Abs. 3 und Abs. 6 Nr. 1 GVG auch bei einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2013 - 2 BvQ 26/13 -, juris).
Allerdings hat der Beschwerdeführer es versäumt, beim zuständigen Oberlandesgericht eine Klage auf angemessene Entschädigung für infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens erlittene Nachteile gemäß § 198 Abs. 1, § 201 GVG zu erheben (zu diesem Erfordernis vgl. BVerfGK 19, 424 <426 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12 -, juris, Rn. 4, und vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 1565/11 -, juris, Rn. 11 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. September 2013 - 1 BvR 2447/11 -, juris, Rn. 12 ff.). Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das diese Rechtsschutzmöglichkeit geschaffen hat, ist zwar erst am 3. Dezember 2011 - und damit nachdem der Beschwerdeführer seinen Antrag bei dem Landgericht anhängig gemacht hatte - in Kraft getreten. Allerdings findet das Gesetz nach Art. 23 Satz 1 auch auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits anhängige Verfahren Anwendung.
3. Da die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), ist auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts O. abzulehnen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.