Entscheidungsdatum: 09.10.2014
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 - III - Ws 359/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine oberlandesgerichtliche Entscheidung, mit der ein Antrag auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in einem Verfahren zur Aussetzung einer Reststrafe zur Bewährung zurückgewiesen wurde.
1. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Köln vom 13. März 2007 wegen erpresserischen Menschenraubs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zwei Drittel der Strafe waren am 1. Juli 2009 verbüßt.
Bereits am 23. Dezember 2008 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die zur Hälfte verbüßte Strafe die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung.
Nach Ablehnung dieses Antrags durch das Landgericht Krefeld mit Beschluss vom 15. April 2009 und Aufhebung dieser Entscheidung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 15. Juni 2009, ordnete das Landgericht Krefeld - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 an, wobei eine Entlassung jedoch nicht vor dem 19. Oktober 2009 erfolgen sollte. Der Beschwerdeführer wurde am 20. Oktober 2009 aus der Strafhaft entlassen.
2. Die durch den Beschwerdeführer sodann begehrte Feststellung sachwidriger Verzögerung des Verfahrens der Strafaussetzung zur Bewährung wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2010 erstmals abgelehnt. Auf die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde stellte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG fest, hob den Beschluss vom 25. Januar 2010 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurück (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris).
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf sich zwar mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen befasst, aber nicht alle Gesichtspunkte, die zu einer Verfahrensverzögerung hätten führen können, gewürdigt und in seine Abwägung einbezogen habe. Dadurch habe das Oberlandesgericht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Insbesondere sei die Annahme des Oberlandesgerichts, das Strafaussetzungsverfahren sei allenfalls um die zwei Monate verzögert worden, die zwischen der ersten ablehnenden Entscheidung des Landgerichts Krefeld vom 15. April 2009 und dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 gelegen hätten, fehlerhaft. Nachdem dem Landgericht eine positive Stellungnahme zur Strafaussetzung durch die Justizvollzugsanstalt bereits am 2. März 2009 vorgelegen habe, hätte das Gericht in unmittelbarem Anschluss daran ein Sachverständigengutachten gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO in Auftrag geben müssen. Es sei davon auszugehen, dass in diesem Fall zu einem erheblich früheren Zeitpunkt - wohl bereits zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt am 1. Juli 2009 - über die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung hätte entschieden werden können, so dass durch die erst am 14. Juli 2009 erfolgte Beauftragung des Sachverständigen und die Haftentlassung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2009 eine fast viermonatige, vermeidbare Verzögerung eingetreten sein könne. Ob darüber hinaus weitere vermeidbare Verfahrensverzögerungen, insbesondere wegen der fehlenden Fristsetzung für die Erstellung des Gutachtens (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StPO), eingetreten seien, habe das Oberlandesgericht nicht geprüft und insoweit die gebotene Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers auf unzureichender Grundlage vorgenommen.
3. Mit seiner nunmehr angegriffenen Entscheidung vom 4. November 2010 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf den Antrag auf Feststellung sachwidriger Verzögerung des Verfahrens zur Strafaussetzung erneut zurück. Die Überschreitung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts um ca. 16 Wochen schränke den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht nicht unangemessen ein. Nicht nachvollziehbare Verfahrensverzögerungen seien nicht eingetreten. Insbesondere verstoße der Verzicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO im März 2009 nicht gegen den Beschleunigungsgrundsatz, da das Landgericht zu diesem Zeitpunkt eine Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt nicht erwogen und insoweit auch nicht grob fehlerhaft gehandelt habe. Auch nach der Aufhebung der Ablehnungsentscheidung des Landgerichts durch den Beschluss vom 15. Juni 2009 sei das Verfahren mit der gehörigen Beschleunigung betrieben worden. Soweit sich Verzögerungen ergeben hätten, seien diese geringfügig oder entsprächen der üblichen Praxis. Dass trotz des Verzichts des Beschwerdeführers ein Termin zur mündlichen Anhörung durchgeführt worden sei, sei nicht zu beanstanden.
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er trägt vor, dass die Zurückweisung seines Antrags eine erneute Verletzung seines Freiheitsgrundrechts darstelle und darüber hinaus die Ausführungen des Oberlandesgerichts die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung über die vorangegangene Verfassungsbeschwerde missachteten sowie schlechthin objektiv nicht mehr vertretbar, mithin willkürlich, seien.
1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von der Abgabe einer Stellungnahme abgesehen.
2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 41 Js 296/06 V der Staatsanwaltschaft Köln vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Strafsachen zu beachtenden Umstände - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 55, 349 <369>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503), und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers ist nicht durch die Reststrafenaussetzung zur Bewährung am 15. Oktober 2009 und die Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 20. Oktober 2009 entfallen. Der Beschwerdeführer sieht in der behaupteten Verletzung des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebots in Haftsachen eine Verletzung seines Freiheitsgrundrechts. Es würde der Bedeutung des Schutzes der Freiheit der Person durch das Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht entsprechen, wenn das Recht auf verfassungsrechtliche Klärung einer behaupteten Freiheitsverletzung nach deren Beendigung ohne Weiteres entfiele (BVerfGE 10, 302 <308>; 74, 102 <115>; 76, 363 <381>). Angesichts des mit der Freiheitsentziehung erlittenen Eingriffs in dieses besonders bedeutsame Grundrecht besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch nach deren Erledigung fort. Diesem Interesse haben mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde vorrangig die zuständigen Fachgerichte zu genügen. Das Oberlandesgericht hat hier mit der erneuten Ablehnung des Antrags, festzustellen, dass ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot vorliege, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bis zur Entlassung des Beschwerdeführers am 20. Oktober 2009 bestätigt. Der Beschwerdeführer hat ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob ihn diese Entscheidung in seinen Grundrechten verletzt (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>).
Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Er befasst sich zwar mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen, hat aber die herangezogenen Gesichtspunkte, die zu einer Verfahrensverzögerung geführt haben könnten, einer verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbaren Würdigung zugeführt.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 13. September 2010 ausgeführt, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip die angemessene Beschleunigung des mit einer Freiheitsentziehung verbundenen gerichtlichen Verfahrens gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris, Rn. 28; so auch BVerfGE 20, 45 <49 f.>; 21, 184 <187>; 21, 220 <222>; 21, 223 <225 f.>; 36, 264 <273>; 46, 194 <195>). Im Verfahren über die Aussetzung des Rests einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kommt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Betracht, wenn das Freiheitsrecht nach den Umständen des Einzelfalls gerade durch eine sachwidrige Verzögerung der Entscheidung unangemessen weiter beschränkt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707 und vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, juris).
a) Dabei ist die Frage, ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen (vgl. BVerfGE 55, 349 <369>). Bei dieser Beurteilung sind insbesondere der Zeitraum der Verfahrensverzögerung, die Gesamtdauer der Strafvollstreckung und des Verfahrens über die Reststrafenaussetzung zur Bewährung, die Bedeutung dieses Verfahrens im Blick auf die abgeurteilte Tat und die verhängte Strafe, der Umfang und die Schwierigkeit des Entscheidungsgegenstandes sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens verbundenen Belastung des Verurteilten zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind ferner das Prozessverhalten des Verurteilten (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Juni 2001 - 2 BvR 828/01 -, NJW 2001, S. 2707 und vom 19. Januar 2004 - 2 BvR 1904/03, 2 BvR 32/04 -, juris) und die Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris).
b) Eine Beschleunigung ist auch bei solchen Verfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen, in denen das Gericht bei der Entscheidungsfindung auf die Mitwirkung von Sachverständigen angewiesen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>). Beispielsweise kann das Vollstreckungsgericht bei der Auswahl und Beauftragung eines Sachverständigen die besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit berücksichtigen und der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer bei der Auswahl des Sachverständigen entscheidendes Gewicht beimessen. Während der Bearbeitung des Gutachtens ist der Zeitfaktor durch zeitnahe Überwachung der gutachterlichen Tätigkeit und durch das Setzen von Bearbeitungsfristen im Blick zu behalten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, S. 214 <215>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503 <504>). Es kann unzureichend sein, den Sachverständigen nur an die Abgabe seiner Stellungnahme zu erinnern und sodann darauf zu vertrauen, dass das Gutachten zeitnah erstellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. April 2006 - 2 BvR 619/06 -, juris, Rn. 4).
c) Mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtet sich die mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes verbundene Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um die Beschleunigung und den Abschluss des Verfahrens zu bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 -, NJW 2008, S. 503 <504>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris, Rn. 14), sowie die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung. Dem verfahrensrechtlichen Gebot einer zureichenden richterlichen Sachaufklärung kommt gerade im Fall des Freiheitsentzugs die Bedeutung eines Verfassungsgebotes zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juli 2009 - 2 BvR 328/09 -, juris, Rn. 15).
d) Die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, muss erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, ist eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet (vgl. BVerfGK 8, 1 <8>).
2. Mit diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist auch der neuerliche Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 nicht zu vereinbaren.
a) Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts den Feststellungen in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 2010 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2010 - 2 BvR 449/10 -, juris, Rn. 26 ff.) nicht Rechnung trägt. Das Oberlandesgericht geht in seinem Beschluss davon aus, dass die Entscheidung des Landgerichts Krefeld, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO abzusehen, jedenfalls nicht grob fehlerhaft und daher vertretbar gewesen sei. Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz komme daher nicht in Betracht. Dies steht im Gegensatz zu der Feststellung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 2010, wonach mit Zugang der positiven Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zur Bewährungsaussetzung am 2. März 2009 ein Sachverständigengutachten gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO hätte eingeholt werden müssen (BVerfG, a.a.O., juris, Rn. 36). Warum angesichts dieser Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt es nicht grob fehlerhaft gewesen sein soll, eine Bewährungsaussetzung überhaupt nicht in Betracht zu ziehen, erschließt sich nicht. Dem steht auch der Verweis auf ein weiteres gegen den Beschwerdeführer gerichtetes Ermittlungsverfahren nicht entgegen. Da dieses Ermittlungsverfahren eine Tat betrifft, die bereits vor der Tat begangen wurde, die Grundlage des vorliegenden Strafvollstreckungsverfahrens ist, wird das Gewicht der hinreichend positiven Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt hierdurch nicht relativiert und die dadurch begründete Notwendigkeit, ein Prognosegutachten gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO einzuholen, nicht in Frage gestellt.
b) Unabhängig davon verkennt der angegriffene Beschluss, dass das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot auch dadurch verletzt wurde, dass das Verfahren der Strafaussetzung auch nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Juni 2009 nicht mit der gebotenen Intensität betrieben worden ist.
aa) So erscheint es unter Berücksichtigung der dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht vertretbar, dass das Landgericht Krefeld nach dem Ergehen der oberlandesgerichtlichen Entscheidung vom 15. Juni 2009 erst am 14. Juli 2009 ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben hat. Dem Beschleunigungsgebot wird es nicht gerecht, wenn sowohl das Oberlandesgericht als zur Entscheidung berufene Beschwerdeinstanz als auch das Landgericht als nach der Aufhebung einer mit der (sofortigen) Beschwerde angegriffenen Entscheidung erneut befasste Instanz eine rund vierwöchige Pause bis zum Fortgang des Aussetzungsverfahrens nach der Beschwerdeentscheidung entstehen lassen, zumal vorliegend das Erreichen des Zwei-Drittel-Zeitpunkts bei Erlass der Entscheidung vom 15. Juni 2009 zeitnah bevorstand. Jedenfalls im Kontext freiheitsentziehender Maßnahmen kann dem Einzelnen nicht zugemutet werden, durch die Berufung auf den "üblichen Geschäftsgang" Tage oder, wie hier, sogar Wochen auf eine ihm zustehende Überprüfung der ihm seine persönliche Freiheit entziehenden Maßnahmen warten und damit gegebenenfalls eine entsprechende, nicht notwendige Verlängerung seines Freiheitsentzugs hinnehmen zu müssen. Der Versuch des Oberlandesgerichts in dem angegriffenen Beschluss, eine solche rechtsstaatswidrige Verzögerung als geringfügig und in Bezug auf die Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Verurteilten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit als nicht sachwidrig darzustellen, ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar.
bb) Warum erst nach Eingang des Sachverständigengutachtens am 22. September 2009 und nicht parallel zur Erstellung desselben eine erneute Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt eingeholt wurde, erschließt sich nicht. Auch insoweit hätte die Möglichkeit erheblicher Beschleunigung des Verfahrens bestanden. Daneben wäre angesichts des wiederholt erklärten Verzichts des Beschwerdeführers die Möglichkeit des Absehens von einer (erneuten) mündlichen Anhörung zu erwägen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2000 - 2 StE 9/91 -, NJW 2000, S. 1663, m.w.N.).
cc) Als nicht vertretbar erweist sich schließlich die Anordnung einer (bedingten) Entlassung erst vier Tage nach Ergehen der Aussetzungsentscheidung durch das Landgericht und die Verneinung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf mit der schlichten Begründung, dass es sich um eine "übliche Praxis" handele. Eine Abwägung des Freiheitsgrundrechts des Verurteilten mit dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit findet nur statt bei der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung als solche, nicht hingegen bei der Festlegung des tatsächlichen Entlassungstermins.
c) Aufgrund der dargelegten Mängel kann die Behauptung des Oberlandesgerichts, die Überschreitung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts um 16 Wochen schränke das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers nicht unangemessen ein, verfassungsrechtlich keinen Bestand haben. Ein nachhaltiges Bemühen um Beschleunigung und Abschluss des Verfahrens zur Aussetzung der Reststrafe des Beschwerdeführers ist nicht erkennbar. Vielmehr ist das Verfahren in mehrfacher Hinsicht sachwidrig verzögert und die Dauer der Freiheitsentziehung für den Beschwerdeführer dadurch unter Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG unangemessen verlängert worden.
3. Ob in der Ablehnung der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in dem angegriffenen Beschluss zudem ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet liegt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. Mit der entsprechenden Rüge verfolgt der Beschwerdeführer kein weitergehendes Anfechtungsziel.
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. November 2010 ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.