Entscheidungsdatum: 12.03.2012
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die dienstliche Weisung, ihre Dienstgeschäfte unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur zu verrichten.
I.
1. Die Beschwerdeführer stehen als Regierungsdirektoren im Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Als Patentprüfer beim Deutschen Patent- und Markenamt - DPMA - unterschreiben sie im Patentprüfungsverfahren ergehende Beschlüsse. Im Rahmen der Einführung der elektronischen Aktenführung wies die Präsidentin des DPMA die Beschwerdeführer an, Beschlüsse fortan nicht mehr eigenhändig zu unterschreiben, sondern elektronisch zu signieren und sich die hierzu erforderliche Signaturkarte ausstellen zu lassen. Das DPMA wählte einen bestimmten Zertifizierungsdiensteanbieter aus. Die Ausstellung der Signaturkarte setzt gemäß den organisatorischen Vorgaben des DPMA voraus, dass die Beschwerdeführer ein Vertragsverhältnis mit dem ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter begründen. Hierzu haben die Beschwerdeführer dem Zertifizierungsdiensteanbieter ihren Namen, ihre Adresse, Personalausweis- oder Reisepassnummer und weitere Daten mitzuteilen. Die dem Vertragsverhältnis zwischen dem Signaturkarteninhaber und dem ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen statuieren Sorgfaltspflichten des Karteninhabers im Umgang mit der Signaturkarte sowie ein an näher bestimmte Voraussetzungen geknüpftes Einstehenmüssen für Dritte.
Die Beschwerdeführer legten Widerspruch gegen die dienstliche Weisung ein und remonstrierten. Zudem ersuchten die Beschwerdeführer das Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz und beantragten die Feststellung, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Weisung nicht befolgen zu müssen.
Mit Beschlüssen vom 1. Juni 2011 lehnte das Verwaltungsgericht die Anträge ab.Die auch die subjektive Rechtsstellung der Beschwerdeführer berührende gemischt dienstlich-persönliche Weisung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Das Grundrecht der Beschwerdeführer auf informationelle Selbstbestimmung werde in verhältnismäßiger Weise beschränkt. Zwar bestimme § 5 Abs. 2 der Verordnung über die elektronische Aktenführung bei dem Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof - EAPatV -, dass eine fortgeschrittene elektronische Signatur (§ 2 Nr. 2 Signaturgesetz - SigG -) zu verwenden sei und nicht eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 2Nr. 3 SigG), welche zu verwenden die Beschwerdeführer angewiesen worden seien. Mit der Abweichung von § 5 Abs. 2 EAPatV sei für die Beschwerdeführer aber kein zusätzlicher Eingriff in ihre Rechte verbunden. Soweit den Beschwerdeführern im Verhältnis zum Zertifizierungsdiensteanbieter Haftungsrisiken aufgebürdet würden, sei dies insbesondere aufgrund einer im Innenverhältnis zum DPMA geltenden Haftungsfreistellung zumutbar. Auch erhöhe sich für die Beschwerdeführer die Gefahr, Opfer von Internetkriminalität zu werden, nicht dadurch, dass sie einen Vertrag mit dem ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter abzuschließen hätten.
Die gegen die Entscheidungen gerichteten Beschwerden wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 2. November 2011 zurück. Nach Aktenlage gebe es kein milderes Mittel als die in Streit stehende Weisung, um den vom Dienstherrn mit der Einführung der elektronischen Aktenführung beabsichtigten Zweck zu erreichen.
2. Mit ihren im Wesentlichen textidentischen Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden stehe die fehlende Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nicht entgegen. Dem Widerspruch gegen die Weisung komme keine aufschiebende Wirkung zu. Die Möglichkeit des Missbrauchs entstehe bereits ab dem Moment der Antragstellung gegenüber dem ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter und der Entgegennahme der Signaturkarte. Eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses könne nicht mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, denn qualifizierte Zeitstempel fänden beim DPMA keine Verwendung.
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, da Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerden haben weder grundsätzliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer angezeigt. Sie sind unzulässig, weil ihnen der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht.
1. Sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene Entscheidungen Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, verlangt § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zwar nicht ohne weiteres, dass der Rechtsweg auch im Verfahren der Hauptsache erschöpft wird (vgl. BVerfGE 69, 315<339 f.>; 79, 275 <278 f.>). Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert jedoch, dass der Beschwerdeführer alle Maßnahmen ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen. Dieser Grundsatz soll sicherstellen, dass dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere auch der obersten Bundesgerichte, vermittelt wird (vgl. BVerfGE 77, 381 <401>). Dies bedeutet, dass die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein kann, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; 104,65 <71>). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auch auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGK 12, 280 <282>).
Ausnahmen vom Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz sind dann anzuerkennen, wenn es für den Beschwerdeführer unzumutbar ist, auf die Hauptsache verwiesen zu werden (vgl. BVerfGK 12, 206 <209 f.>; 12, 280 <282 f.>).Dies kann der Fall sein, wenn die Durchführung des Verfahrens von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>) oder wenn die Entscheidung in der Hauptsache von keiner weiteren tatsächlichen oder rechtlichen Klärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sofort entscheiden kann (vgl. BVerfGE 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>).
2. Die Beschwerdeführer sind auf den Rechtsweg in der Hauptsache zu verweisen. Das Hauptsacheverfahren eröffnet die Möglichkeit, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen. Die geltend gemachten Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Vertragsfreiheit beziehen sich nicht spezifisch auf das Verfahren des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes. Vielmehr eröffnet ein Hauptsacheverfahren die Möglichkeit, die - bisher nur summarisch und nach Aktenlage erfassten - Unterschiede zwischen der fortgeschrittenen und der qualifizierten elektronischen Signatur zu würdigen, soweit diese für die Beurteilung etwa von Erforderlichkeit und Angemessenheit der mit der Einführung der qualifizierten elektronischen Signatur beim DPMA verbundenen Grundrechtseingriffe von Belang sind.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführer im Zeitpunkt einer Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise bereits weisungsgemäß Anträge bei dem ausgewählten Zertifizierungsdiensteanbieter gestellt und Signaturkarten entgegengenommen haben werden, rechtfertigt kein Abrücken vom Grundsatz der Subsidiarität. Ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG trifft die Beschwerdeführer durch die Befolgung der Weisung nicht. Im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführer in der Hauptsache ist es möglich, die Nutzung qualifizierter elektronischer Signaturen mit Wirkung für die Zukunft zu beenden. Bis zu jenem Zeitpunkt - im Falle einer Rückdatierung des Signiervorgangs auch darüber hinaus - besteht zwar eine Gefahr des Missbrauchs zum Nachteil der Beschwerdeführer. Diese Gefahr entspricht derjenigen, die mit dem elektronischen Rechtsverkehr unter Nutzung qualifizierter elektronischer Signaturen allgemein verbunden ist. Dass sie verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar sei, wird von den Beschwerdeführern nicht dargelegt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.