Entscheidungsdatum: 16.04.2015
1. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. sind als Projektentwickler im Immobilienbereich tätig und gründeten zur Planung und Realisierung von Bauvorhaben jeweils bauvorhabenbezogene Projektgesellschaften, die zusammen eine Unternehmensgruppe bilden. Die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. sind Teil der Unternehmensgruppe. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. sind Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu 3. und halten diese über eine jeweils in ihrem Alleineigentum stehende Untergesellschaft. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. sind zu je ½ Gesellschafter der Beschwerdeführerin zu 4.
Gegen die Beschwerdeführer zu 1. und 2. ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist der Verdacht der Hinterziehung von Gewerbesteuer durch Abgabe unrichtiger Gewerbesteuererklärungen für Gesellschaften der Unternehmensgruppe.
2. Mit angegriffenem Beschluss ordnete das Amtsgericht unter anderem die Durchsuchung sämtlicher von Gesellschaften der Unternehmensgruppe, zu denen auch die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. gehörten, genutzter Geschäftsräume in einem Gebäude in A. und in der R. Straße in E. an. Das Amtsgericht führte aus, dass die Beschwerdeführer zu 1. und 2. die Unternehmensgruppe führten und einzelne Projekte regelmäßig von einer gesonderten Projektgesellschaft durchgeführt würden. Eine solche sei die F. B. GmbH & Co. KG gewesen. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. seien die Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär GmbH gewesen, welche im Jahr 2003 eine Verlegung des Sitzes der F. B. GmbH & Co. KG beschlossen und dem Handelsregister mitgeteilt habe. Faktisch sei der Sitz der Gesellschaft jedoch nicht verlegt worden, sondern unter dem angeblichen Sitz nur eine Briefkastenfirma betrieben worden. Anfang 2004 sei anstelle der Beschwerdeführer zu 1. und 2. Frau L. als Geschäftsführerin bestellt worden. Es bestehe der Verdacht, dass mit anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe ebenso verfahren worden sei. Das Amtsgericht führte aus, die Durchsuchung diene dem Auffinden sämtlicher Unterlagen in schriftlicher oder digitaler Form, die Auskunft geben könnten, welche Überlegungen und Erwägungen unter anderem von den Beschuldigten zur Verlegung und Begründung verschiedener Geschäftssitze angestellt worden seien, wie die Beschuldigten ihr Vorgehen selbst eingeschätzt, insbesondere ob sie es selbst als noch steuerehrlich angesehen hätten und welche betrieblichen Tätigkeiten welcher der Gesellschaften von welchen Personen wo tatsächlich ausgeführt worden seien.
3. Nach Durchführung der Durchsuchung erhoben die Beschwerdeführer zu 1. und 2. Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Die Darstellung des Tatverdachts in tatsächlicher Sicht sei nicht zu beanstanden, da dieser die Umstände, aus denen sich der Tatverdacht ergeben solle, ausführlich darstelle. Es sei jedoch nicht erkennbar, warum die Beschwerdeführer zu 1. und 2., die keine Geschäftsführerfunktion innegehabt hätten, einem Anfangsverdacht ausgesetzt seien. Der Durchsuchungsbeschluss weise an keiner Stelle die gesetzlichen Grundlagen für den Tatvorwurf auf, so dass es dem Beschuldigten überlassen bleibe, diese mittels anwaltlicher Hilfe zu ermitteln. Der Tatzeitraum sei zudem nicht hinreichend umgrenzt. Auch Zweck und Umfang der Durchsuchung seien nicht hinreichend bezeichnet. Der Beschluss beziehe sich auf sämtliche Unterlagen aller Gesellschaften mit aktuellem oder ehemaligem Sitz in den Gemeinden P., G., P. und A., unabhängig davon, ob diese Gewerbesteuererklärungen abgegeben hätten, und führe zu einer uferlosen Weite der zu suchenden Unterlagen. Der Durchsuchungsbeschluss sei auf eine Suche ins Blaue hinein hinausgelaufen.
4. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab. Die Rüge der Beschwerdeführer, der Beschluss lasse nicht erkennen, warum die Beschwerdeführer, die keine Geschäftsführungsfunktion innegehabt hätten, einem Anfangsverdacht ausgesetzt seien, verkenne, dass Mittäter schon im Vorfeld der Tatbestandserfüllung ihren Tatbeitrag leisten könnten. Zudem führe der Beschluss aus, dass der Verdacht bestehe, dass die Verlegung zahlreicher Scheingeschäftssitze auf Anweisung und unter Mitwirkung der Beschwerdeführer geschehen sei, was sich angesichts der beherrschenden Stellung der Beschwerdeführer in der Unternehmensgruppe aufdränge. Eine Mitteilung der strafbarkeitskonstituierenden Vorschriften möge das Bundesverfassungsgericht für selbstverständlich halten, sie sei jedoch weder einfach- noch verfassungsrechtlich geboten. Aufgabe des Durchsuchungsbeschlusses sei es, dem Beschuldigten darzulegen, welcher konkrete Verdacht gegen ihn aufgrund welcher Umstände gehegt werde, und das Ziel und die Grenzen der deshalb gestatteten Durchsuchung aufzuzeigen. Der Beschuldigte werde in der Regel allein daran interessiert sein, zu erfahren, welche konkrete Handlung ihm vorgeworfen werde. Deshalb sei neben der konkreten Bezeichnung, hier der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall, ein konkretes Verhalten darzustellen, was sich unter die einschlägige Strafnorm subsumieren lasse. Weder die Subsumtion, noch eine Anleitung zu dieser durch die Mitteilung der strafbarkeitskonstituierenden Vorschriften, welche ohne eine gewisse Fachkenntnis ohnehin nicht glücken könne, sei Aufgabe des Durchsuchungsbeschlusses. Für den nicht juristisch gebildeten Beschuldigten wäre die Mitteilung gerade während der Durchsuchung ohne jeglichen Erkenntnisgewinn, für den juristisch gebildeten Beschuldigten entbehrlich. Das Gericht sehe deshalb schon seit Jahren bewusst davon ab, die strafbarkeitskonstituierenden Vorschriften anzugeben. Der Beschluss mache deutlich, dass zwar eine Sichtung der gesamten Unternehmensunterlagen für die notwendigen Feststellungen zum tatsächlichen Geschäftssitz erforderlich sei, jedoch das Ziel lediglich das Auffinden bestimmter, aussagekräftiger Unterlagen gewesen sei. Der Beschluss gebe zu erkennen, dass nicht die gesamten Unterlagen als beweisrelevant angesehen würden, sondern mache anhand der Beschreibung die gesuchten Beweismittel deutlich. Zudem sei der Beschluss auch nicht unverhältnismäßig.
5. Das Landgericht wies die Beschwerde zurück und schloss sich ohne weitere eigene Ausführungen den Gründen der Anordnung und der Nichtabhilfeverfügung des Amtsgerichts an.
6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, da die Beschwerdeführer zu 1. und 2. als Gesellschafter respektive Geschäftsführer auch für die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt hätten. Der Durchsuchungsbeschluss habe sich gegen insgesamt 26 Gesellschaften der Unternehmensgruppe gerichtet, und die Beschwerdeführer zu 1. und 2. seien aus Sicht der Ermittlungsbehörden als wirtschaftliche Inhaber aller Gesellschaften anzusehen. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. seien auch hinsichtlich der Durchsuchungsmaßnahmen in den Objekten der Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. beschwerdebefugt, da Grundrechtsträger von Art. 13 Abs. 1 GG jeder Inhaber oder Bewohner eines Wohn-, Arbeits- oder Geschäftsraums sei, unabhängig davon auf welchem Rechtsverhältnis die Nutzung beruhe.
Eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG läge vor, da Ziel und Ausmaß der Durchsuchung nicht hinreichend bestimmt umschrieben, der rechtsstaatliche Gehalt des Richtervorbehalts verkannt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt worden sei. Der Tatvorwurf sei nicht hinreichend präzise beschrieben, da an keiner Stelle die gesetzlichen Grundlagen für den erhobenen Tatvorwurf bezeichnet würden. Obwohl diese unproblematisch hätten genannt werden können, verzichte das Amtsgericht bewusst auf die Mitteilung. Diese sei jedoch nicht entbehrlich, sondern diene insbesondere auch dem nicht juristisch gebildeten Beschuldigten dazu, einen ersten Ansatzpunkt zur Nachvollziehung der erhobenen Vorwürfe zu erhalten und stelle ein rechtsstaatliches Minimum zur Ermöglichung der Kontrolle des Durchsuchungsbeschlusses dar. Durch die bewusste Nichtnennung der Normen werde die Messbarkeit und Kontrollierbarkeit der Eingriffsmaßnahme willkürlich verkürzt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG); auch ist ihre Annahme nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
Zwar genügt der Beschluss des Amtsgerichts nicht den Anforderungen an Art. 13 Abs. 2 GG (1.), jedoch haben die Beschwerdeführer zu 1. und 2. nicht hinreichend dargelegt, beschwerdebefugt zu sein (2.). Die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. haben den Rechtsweg nicht erschöpft (3.).
1. Beschlüsse nach Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 StPO müssen den gesetzlichen Tatbestand, auf dessen Verwirklichung sich der Verdacht richtet, selbst benennen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene Richter sich den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt, für die die Strafdrohung von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. BVerfGK 8, 349 <354>; 9, 149 <154>; 19, 148 <154>). Diesen Anforderungen wird der Beschluss nicht gerecht. Das Amtsgericht hat weder die strafbarkeitskonstituierenden Normen noch den gesetzlichen Tatbestand benannt.
2. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. haben jedoch nicht dargelegt, durch den Durchsuchungsbeschluss in ihren Rechten aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt zu sein (§ 90 Abs. 1 BVerfGG).
Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Dem Schutz unterfallen auch beruflich genutzte Räume (vgl. BVerfGE 32, 54 <69 ff.>; 42, 212 <219>; 96, 44 <51>).
Eine Beschwerdebefugnis von Privatpersonen bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen besteht nur, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (vgl. BVerfGE 103, 142 <150 f.>). Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. haben nicht dargelegt, dass der Durchsuchungsbeschluss Räumlichkeiten betrifft, die ihrer persönlichen Privatsphäre zuzuordnen sind. Das Vorhandensein von der Privatsphäre zugeordneten Räumlichkeiten kann zwar bei einem Geschäftsführer einer Ein-Personen-Gesellschaft unterstellt werden, für Geschäftsführer oder Gesellschafter einer Unternehmensgruppe mit einer Vielzahl von Gesellschaften und verschiedenen Geschäftssitzen gilt dies jedoch nicht.
Allein aus einer Gesellschafterstellung ergibt sich keine Grundrechtsträgerschaft des Art. 13 GG. Art. 13 GG dient dem Schutz der räumlichen Privatsphäre. Wirtschaftliche Eigentümer sind, soweit sie keine weiteren Funktionen inne- und lediglich ein wirtschaftliches Interesse haben, durch eine Durchsuchung von Geschäftsräumen in ihrer Privatsphäre nicht tangiert.
3. Die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. haben den Rechtsweg nicht erschöpft. Zwar sind juristische Personen bei einer Durchsuchung ihrer Räumlichkeiten gemäß Art. 19 Abs. 3 GG beschwerdebefugt und können, vertreten durch ihre gesetzlichen Vertreter, Verfassungsbeschwerde erheben (vgl. BVerfGK 19, 167 <173>). Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. haben jedoch nur in ihrem Namen Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung, dass die Beschwerdeführer zu 1. und 2. die Beschwerde auch im Namen der Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. eingelegt haben. Vielmehr schließt die Angabe der Beschwerdeführer zu 1. und 2. in ihrer Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss, keine Geschäftsführerfunktion innegehabt zu haben, eine solche Auslegung aus.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.