Entscheidungsdatum: 22.01.2015
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Beschlüsse des Landgerichts Zwickau vom 12. Juli 2013 - 1 StVK 77/13 - und 11. Juli 2014 - 1 StVK 64/14 -, letzterer in der Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Zwickau vom 19. August 2014 - 1 StVK 64/14 -, sowie die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. August 2013 - 2 Ws 433/13 - und 4. September 2014 - 2 Ws 395/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.
3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. September 2014 - 2 Ws 395/14 - wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.
4. Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu ersetzen.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.
1. Gegen den Beschwerdeführer wurde im März 2006 im Rahmen eines Sicherungsverfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nrn. 2, 5 StGB) durch das Landgericht Chemnitz die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet, weil er unter einer paranoiden Psychose leidend im Zustand der Schuldunfähigkeit einer ihm unbekannten älteren Frau ohne erkennbares Motiv ein Messer etwa fünf Zentimeter tief in den Rücken gestochen hatte.
2. Im Verlauf der Unterbringung entband der Beschwerdeführer die psychiatrische Klinik für die zur jährlichen Überprüfung der Fortdauer der Maßregel angeforderten Stellungnahmen regelmäßig nicht von der ärztlichen Schweigepflicht. In den Stellungnahmen der Jahre 2007 bis 2012 betonte die Klinik daher jeweils vorab, man könne keine "ausführlichen Äußerungen zur Vorgeschichte, zur diagnostischen Zuordnung und zum Unterbringungsverlauf" machen. Die Aussagekraft der Stellungnahme sei als "etwas eingeschränkt" einzuschätzen. Allerdings wurde regelmäßig über die vollständige Therapieverweigerung des Beschwerdeführers berichtet und der Unterbringungsverlauf des jeweils letzten Jahres - insbesondere Konflikte zwischen dem Beschwerdeführer und Mitpatienten sowie sein soziales Rückzugsverhalten - detailliert geschildert. Die Fortdauer der Unterbringung wurde jeweils befürwortet.
3. a) Mit Stellungnahme vom 10. April 2013 befürwortete die psychiatrische Klinik erneut die Fortdauer der Unterbringung. Mangels Entbindung von der Schweigepflicht könne man keine Stellungnahme zum Unterbringungs- und Behandlungsverlauf abgeben. Stattdessen verweise man auf die Stellungnahme aus dem Jahr 2012 und das letzte externe Gutachten aus dem Jahr 2010.
b) Mit angegriffenem Beschluss vom 12. Juli 2013 ordnete das Landgericht Zwickau die Fortdauer der Unterbringung an. Im letzten externen Gutachten vom 14. August 2010 sei eine schizophrene Psychose mit ausgeprägtem Residualsyndrom und ausgeprägtem autistischem Rückzug diagnostiziert worden. Da der Beschwerdeführer nach wie vor eine medikamentöse Behandlung sowie jede therapeutische Zusammenarbeit ablehne, stelle er ein "nicht zu kalkulierendes Risiko" dar. Im Hinblick auf die Schwere der Anlasstat stünden Verhältnismäßigkeitsgründe der Fortdauer der Unterbringung nicht entgegen.
c) Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde vom 18. Juli 2013 verwarf das Oberlandesgericht Dresden mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 19. August 2013 unter Verweis auf einen oberlandesgerichtlichen Beschluss aus dem August 2011. Die dortigen Ausführungen - insbesondere war dort von der Verweigerung einer Medikation durch den Beschwerdeführer sowie von seiner deshalb bestehenden chronifizierten krankheitsbedingten Gefährlichkeit die Rede - hätten "angesichts der unveränderten Sachlage" nach wie vor Gültigkeit. Wegen der angesichts der Therapieverweigerung bestehenden Gefährdung der bedrohten Rechtsgüter Leben und Gesundheit sei eine Aussetzung der Maßregel nicht zu verantworten.
4. a) Auch mit ihrer nachfolgenden Stellungnahme vom 2. April 2014 befürwortete die psychiatrische Klinik die Fortdauer der Unterbringung. Da eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nach wie vor nicht erfolgt sei, sei eine Darstellung der Diagnose, des Unterbringungsverlaufs sowie des Behandlungsergebnisses allerdings weiterhin nicht möglich.
b) Mit angegriffenem Beschluss vom 11. Juli 2014 ordnete das Landgericht Zwickau erneut die Fortdauer der Unterbringung an.
Das externe Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2010 gelange zu dem Ergebnis, dass das Ausmaß der krankheitsbedingten Verweigerung einer adäquaten psychiatrischen Therapie bei dem Beschwerdeführer tragischer Weise extrem ausgeprägt sei. Die schizophrene Psychose und damit ein gravierender Faktor für die gezeigte Delinquenz des Beschwerdeführers bestünde daher fort. Eine Behandlungs- und/oder Krankheitseinsicht habe zu keiner Zeit bestanden, weshalb der Beschwerdeführer sowohl eine medikamentöse Therapie mit Neuroleptika als auch die Teilnahme an einzelnen Therapiemodulen einschließlich der Einzelgespräche ablehne. Eine Entlassung aus dem Maßregelvollzug sei daher auch durch die behandelnde Klinik nicht empfohlen worden.
Eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB komme somit weiterhin nicht in Betracht. Die Gefahr der Begehung von Straftaten, hierbei auch mittelschwerer bis schwerer Straftaten, insbesondere gefährlicher Körperverletzungen bis hin zu Tötungsdelikten, sei außerhalb des Maßregelvollzugs ohne dessen beschützendes Umfeld und die dort gewährleisteten Kontrollmaßnahmen weiterhin erheblich. Der Beschwerdeführer stelle infolge der Ablehnung medikamentöser Behandlung und therapeutischer Zusammenarbeit bei fortbestehender chronifizierter Psychopathologie "ein nicht zu kalkulierendes erhebliches Risiko für die Allgemeinheit" dar.
Im Hinblick auf die Schwere der Anlasstat sowie den Verlauf und die bisherige Dauer der Unterbringung sei die Fortdauer derselben noch nicht unverhältnismäßig. Andere, weniger einschneidende Maßnahmen im Rahmen der Bewährungs- und Führungsaufsicht reichten derzeit noch nicht aus, um die Allgemeinheit ausreichend zu schützen.
c) Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 19. August 2014 nahm das Landgericht Zwickau wegen eines offensichtlichen Schreibversehens sowohl hinsichtlich des Protokolls der mündlichen Anhörung vom 4. Juli 2014 als auch des Fortdauerbeschlusses vom 11. Juli 2014 eine Berichtigung vor.
d) Die gegen den Beschluss des Landgerichts Zwickau vom 11. Juli 2014 gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht Dresden mit angegriffenem Beschluss vom 4. September 2014 "aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung" als unbegründet. Eine Beendigung der Maßregel komme auch weiterhin nicht in Betracht. Zur Begründung der Entscheidung werde auf den oberlandesgerichtlichen Beschluss vom 19. August 2013 Bezug genommen.
e) Mit Beschluss vom 11. September 2014 verwarf das Oberlandesgericht Dresden schließlich die einfache Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Berichtigungsbeschluss des Landgerichts Zwickau vom 19. August 2014 "aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung" als unbegründet.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seinen Grundrechten "auf Freiheit, Resozialisierung und Gleichbehandlung" verletzt. Es sei merkwürdig, dass die Klinik sich mangels Entbindung von der Schweigepflicht an jeglicher Berichterstattung gehindert gesehen habe. Noch 2012 habe sie in der gleichen Situation eine umfängliche Stellungnahme abgegeben. Es sei auch nicht anzunehmen, dass die Klinik ohne Entbindung gar nichts mehr mitteilen dürfe. Der Gesetzgeber habe das Gericht hinsichtlich der Fortdauerentscheidungen wohl kaum vor eine unlösbare Aufgabe stellen wollen. Das Gericht habe mangels einer gutachterlichen Stellungnahme nichts über den Unterbringungsverlauf seit der jeweils letzten Fortdauerentscheidung gewusst und daher lediglich vermutet, dass der Beschwerdeführer nach wie vor eine medikamentöse Behandlung sowie eine therapeutische Zusammenarbeit ablehne und dass er noch psychisch krank sei. Aus diesem Grund fehle es im Hinblick auf beide Jahre an der gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Überprüfung der Fortdauer. Da der Beschwerdeführer auch künftig keine Entbindungserklärungen abgeben werde, sei anzunehmen, dass sich dieser Fehler künftig fortsetze. Zudem fehle es an einer Rechtsgüterabwägung.
Schließlich genügten die angegriffenen Beschlüsse auch nicht den an entsprechende Fortdauerentscheidungen zu stellenden Begründungserfordernissen.
1. a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme im Verfahren 2 BvR 2049/13 bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde geäußert. Diese sei nicht hinreichend substantiiert, da der Beschwerdeführer den - im oberlandesgerichtlichen Beschluss aus dem August 2011 in Bezug genommenen - landgerichtlichen Fortdauerbeschluss aus dem Juli 2010, das externe Sachverständigengutachten vom 14. August 2010, die Stellungnahme der Klinik aus dem April 2012 und das Ausgangsurteil nicht eingereicht habe.
Abgesehen davon sei im Verfahren 2 BvR 2049/13 auch sonst kein Verstoß gegen Verfassungsrecht ersichtlich. Die Klinik habe durch die in ihrer Stellungnahme vom 10. April 2013 erfolgten Verweise auf die Stellungnahme aus dem April 2012 und auf das externe Sachverständigengutachten vom 14. August 2010 deutlich gemacht, dass es keinerlei relevante Änderungen gegeben habe.
b) Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2445/14 sei jedenfalls unbegründet. Die knappen Ausführungen des Landgerichts, welche das Oberlandesgericht in Bezug genommen habe, legten jedenfalls in ihrem Zusammenhang noch hinreichend konkret dar, welche Gefahren von dem Beschwerdeführer drohten und welcher Grad an Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer Rechtsgutverletzungen bestehe. Die Feststellungen beruhten zudem auf einer zureichenden Tatsachengrundlage. Ein Verstoß gegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung sei nicht zu erkennen. Mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers, insbesondere der Verweigerung von Erklärungen zur Entbindung der behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht, sei nicht ersichtlich, wie die Fachgerichte weitergehende Erkenntnisse hätten gewinnen sollen.
2. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat in beiden Verfahren von einer Stellungnahme abgesehen.
3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 200 Js 10588/05 der Staatsanwaltschaft Chemnitz vorgelegen.
Die Kammer nimmt die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an und gibt ihnen statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere zur Geltung des "Gebotes bestmöglicher Sachaufklärung" im Rahmen der Strafvollstreckung - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297 <309>), und die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2049/13 steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer einige Dokumente nicht eingereicht hat. Zwar gehört es zu einer hinreichenden Substantiierung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, dass diejenigen Dokumente vorgelegt werden, die erforderlich sind, um dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verfassungsbeschwerde ohne weitere Ermittlungen zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>). Dem ist vorliegend aber Genüge getan. Denn ein möglicher Verfassungsverstoß durch die vom Beschwerdeführer als unzureichend bemängelte Sachaufklärung ist bereits aufgrund der Vorlage der angegriffenen Beschlüsse sowie der Stellungnahme der Klinik vom 10. April 2013 feststellbar.
2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2049/13 steht zudem nicht entgegen, dass die dort angegriffenen Beschlüsse nicht mehr die aktuelle Grundlage der Vollstreckung bilden und daher keine belastenden Wirkungen mehr entfalten. Denn die angegriffenen Beschlüsse waren Grundlage eines schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).
Die Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Die Gerichte haben das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung nicht hinreichend beachtet.
1. a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als unverletzlich bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).
Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>).
b) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>; 70, 297 <308>; BVerfGK 15, 287 <294 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 28 m.w.N.).
Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gilt auch für den Straf- und Maßregelvollzug (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>; BVerfGK 15, 287 <295>). Im Rahmen dieses Gebotes besteht bei Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt insbesondere dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist; denn die Umstände, die diese bestimmen, sind für den Richter oft schwer erkennbar und abzuwägen (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 29). Daraus folgt zwar noch nicht, dass bei jeder nach § 67e Abs. 2 StGB vorzunehmenden Überprüfung der Unterbringung von Verfassungs wegen zwingend ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen wäre (vgl. BVerfGK 15, 287 <295>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Juni 2008 - 2 BvR 598/08 -, juris, Rn. 4). Nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung muss der gleiche Aufwand veranlasst sein (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>). Bestehen keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben, hängt es von dem sich nach den Umständen des einzelnen Falles bestimmenden pflichtgemäßen Ermessen des Richters ab, in welcher Weise er die Aussetzungsreife prüft. Immer ist allerdings eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit für die Entscheidungsfindung zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 70, 297 <309 f.>; BVerfGK 15, 287 <295>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 29).
Befindet sich der Untergebrachte seit langer Zeit in ein und demselben psychiatrischen Krankenhaus, ist es in der Regel geboten, von Zeit zu Zeit einen anstaltsfremden Sachverständigen hinzuzuziehen, um der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen vorzubeugen (vgl. BVerfGE 70, 297 <311, 316>; 109, 133 <162>; 117, 71 <105, 106>; BVerfGK 5, 40 <43>; 15, 287 <295>) und um auszuschließen, dass Belange der Anstalt oder die Beziehung zwischen Untergebrachtem und Therapeuten das Gutachten beeinflussen (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>; BVerfGK 15, 287 <295>). Aus denselben Gründen kann es bei langdauernder Unterbringung weitergehend angezeigt sein, den Untergebrachten von einem solchen externen Sachverständigen begutachten zu lassen, der im Laufe des Vollstreckungsverfahrens noch überhaupt nicht mit dem Untergebrachten befasst war (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>; BVerfGK 15, 287 <295 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. März 2014 - 2 BvR 1020/13 -, juris, Rn. 30).
Dabei hat der Strafvollstreckungsrichter die Aussagen oder Gutachten des Sachverständigen selbstständig zu beurteilen. Er darf die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen, sondern hat diese selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 208 <223>; 70, 297 <310>). Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das ärztliche Gutachten hinreichend substantiiert ist und den Richter in den Stand setzt, sich die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Entscheidung zu erarbeiten (vgl. BVerfGE 70, 297 <310>).
c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Einzelnen und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312 f.>). Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und bislang von ihm begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf das Vollzugsverhalten und die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.>; BVerfGK 16, 501 <506>).
2. Nach diesen Maßstäben verletzen die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Die Gerichte haben dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung nicht Rechnung getragen und nicht hinreichend auf die Schaffung einer für ihre Prognoseentscheidung ausreichenden tatsächlichen Grundlage hingewirkt.
a) Den angegriffenen Beschlüssen lagen keine Feststellungen über das Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers in dem Zeitraum seit der jeweils vorangegangenen Fortdauerentscheidung zugrunde.
Das Landgericht bezieht sich in seinem Beschluss vom 12. Juli 2013 auf das externe Sachverständigengutachten vom 14. August 2010 und die "Stellungnahmen" der Unterbringungseinrichtung vom 10. April 2013 und 25. April 2012. Die Unterbringungseinrichtung hatte aber am 10. April 2013 lediglich mitgeteilt, dass die Abgabe einer Stellungnahme zum Unterbringungs- und Behandlungsverlauf wegen fehlender Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Untergebrachten nicht möglich sei. Das Oberlandesgericht hat sich in seinem Beschluss vom 19. August 2013 auf die Bezugnahme auf seinen vorangegangenen Beschluss vom 18. August 2011 beschränkt.
In seinem Beschluss vom 11. Juli 2014 bezieht sich das Landgericht Zwickau erneut auf das externe Sachverständigengutachten vom 14. August 2010 sowie die "Stellungnahmen" der behandelnden Klinik vom 2. April 2014 und 25. April 2012. Auch am 2. April 2014 hat die Unterbringungseinrichtung allerdings nur mitgeteilt, dass eine Darstellung der Diagnose, des Unterbringungsverlaufs und des Behandlungsergebnisses aufgrund der nach wie vor verweigerten Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht weiterhin nicht möglich sei. Das Oberlandesgericht Dresden hat sich in seinem Beschluss vom 4. September 2014 weitgehend auf eine Bezugnahme auf den Vorjahresbeschluss vom 19. August 2013 beschränkt.
Damit fehlt es jeweils an verwertbaren Erkenntnissen zu dem im Rahmen der anzustellenden Gefahrenprognose zu berücksichtigenden aktuellen Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers. Dass dieses sich gegenüber der Vergangenheit nicht verändert hat, kann auch dem in den Mitteilungen der Unterbringungseinrichtung vom 10. April 2013 und 2. April 2014 jeweils enthaltenen bloßen Verweis auf frühere Stellungnahmen nicht entnommen werden. Die damit verbundene Reduktion der tatsächlichen Grundlage für die anzustellende Gefahrenprognose hätte von den Gerichten aufgrund des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung nicht hingenommen werden dürfen.
b) Dem steht auch der Hinweis der Unterbringungseinrichtung auf die fehlende Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht nicht entgegen. Hierdurch kann der vollständige Verzicht auf eine Stellungnahme zum Unterbringungsverlauf nicht gerechtfertigt werden.
aa) Dabei mag dahinstehen, ob und inwieweit die ärztliche Schweigepflicht im Maßregelvollzug auch gegenüber den Vollstreckungsgerichten besteht. Selbst wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass im Rahmen der Anhörung der Maßregelvollzugseinrichtung gemäß § 463 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 454 Abs. 1 Satz 2 StPO die ärztliche Schweigepflicht zu beachten ist (vgl. Waider, Ärztliche Schweigepflicht im psychiatrischen Krankenhaus, R & P, 2006, S. 65 <73>; ders. in: Pollähne/Rode, Schweigepflicht und Datenschutz, 2010, S. 99 <111>; a.A. Schöch, in: Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber, 2003, S. 437 <446>), hat das Vollstreckungsgericht der Maßregelvollzugseinrichtung jedenfalls eine substantiierte Stellungnahme zum Vollzugsverhalten des Untergebrachten insoweit abzuverlangen, wie dem die ärztliche Schweigepflicht nicht entgegensteht.
bb) Gegenständlich bezieht sich die ärztliche Schweigepflicht auf den Schutz von Patientengeheimnissen. Wer sich in ärztliche Behandlung begibt, muss und darf erwarten, dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Nur so kann zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zählt (vgl. BVerfGE 32, 373 <379 f.>; 44, 353 <372 f.>; BVerfGK 8, 183 <191>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt daher grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand (Anamnese, Diagnose und therapeutische Betreuung), die seelische Verfassung und den Charakter des ärztlich Betreuten (vgl. BVerfGK 8, 183 <190, 191> m.w.N.).
Demgegenüber reicht der freiheitsentziehende Maßregelvollzug über die therapeutische Betreuung des Untergebrachten hinaus. Im Verlauf des Vollzugs ergeben sich Tatsachen, die im Rahmen der Wahrnehmung von Ordnungs- und Verwaltungsfunktionen auch für nicht mit therapeutischen Aufgaben betraute Dritte erkennbar sind. Dabei handelt es sich insbesondere um den Unterbringungsverlauf, das Vollzugs- und Sozialverhalten des Untergebrachten jenseits seiner therapeutischen Betreuung und den Umgang in Konfliktsituationen mit anderen Untergebrachten oder dem Betreuungspersonal. Da insoweit ein innerer Zusammenhang mit der ärztlichen Berufsausübung nicht besteht und schutzwürdiges Vertrauen auf eine Nichtweitergabe nicht entstehen kann, unterfallen derartige Tatsachen nicht der ärztlichen Schweigepflicht und sind im Rahmen einer Stellungnahme der Vollzugseinrichtung gemäß § 463 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 454 Abs. 1 Satz 2 StPO mitzuteilen (vgl. Grünebaum/Volckart, Maßregelvollzug, 7. Aufl. 2009, S. 253 f., Rn. 418 f.; Waider, in: Pollähne/Rode, Schweigepflicht und Datenschutz, 2010, S. 103; ders., Ärztliche Schweigepflicht im psychiatrischen Krankenhaus, R & P 2006, S. 65 <67>).
cc) Dem hat vorliegend die Vollzugseinrichtung - im Unterschied zu früheren Stellungnahmen - durch die Mitteilung vom 10. April 2013 und 2. April 2014, aufgrund der fehlenden Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht an einer Stellungnahme gehindert zu sein, nicht Rechnung getragen. Damit fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des im Rahmen der Gefahrenprognose zu berücksichtigenden Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers. Aufgrund des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung wären die Gerichte gehalten gewesen, eine substantiierte Darlegung der Unterbringungseinrichtung zum Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers seit der vorangegangenen Stellungnahme vom 25. April 2012 beziehungsweise 10. April 2013 einzufordern. Gegebenenfalls wäre auf dieser Grundlage zu entscheiden gewesen, ob zur Schaffung einer ausreichenden tatsächlichen Basis für die zu treffende Fortdauerentscheidung auch vor Ablauf der Höchstfrist von fünf Jahren gemäß § 463 Abs. 4 StPO die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens geboten gewesen oder andere geeignete Mittel der Sachaufklärung in Betracht zu ziehen gewesen wären.
3. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die angegriffenen Beschlüsse den im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an die Bestimmung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit künftiger rechtswidriger Taten des Beschwerdeführers Rechnung tragen oder insoweit ein weiterer Grundrechtsverstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG begründet ist.
1. Es wird festgestellt, dass die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Zwickau vom 12. Juli 2013 und 11. Juli 2014, letzterer in Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Zwickau vom 19. August 2014, sowie des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. August 2013 und 4. September 2014 den Beschwerdeführer jeweils in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzen.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. September 2014 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. August 2013 ist hingegen nicht aufzuheben, da er - ebenso wie der diesem zugrundeliegende Beschluss des Landgerichts Zwickau vom 12. Juli 2013 - durch die Fortdauerentscheidung des Landgerichts Zwickau vom 11. Juli 2014 und die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. September 2014 mittlerweile prozessual überholt ist.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.