Entscheidungsdatum: 12.12.2013
Der Beschluss des Landgerichts München I vom 2. Mai 2013 - 3 StVK 172/12 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 - 1 Ws 543, 544/13 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 - 1 Ws 543, 544/13 - wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu ersetzen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.
1. a) Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts München I vom 21. Februar 2011 wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Im Übrigen wurde er freigesprochen. Darüber hinaus wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Das Urteil ist seit dem 28. März 2011 rechtskräftig.
b) Der Beschwerdeführer befand sich vom 16. August 2010 bis zum 21. Februar 2011 in Untersuchungshaft und ist seitdem - zunächst aufgrund einer vorläufigen Unterbringung gemäß § 126a StPO - im Isar-Amper-Klinikum München Ost untergebracht.
2. a) Mit angegriffenem Beschluss vom 5. Februar 2013 wies das Landgericht München I einen Antrag auf Beiordnung eines nicht ortsansässigen Pflichtverteidigers zurück, da das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und dem Beschwerdeführer nicht dargelegt worden sei.
b) Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht München mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 27. Februar 2013 als unbegründet.
3. Mit angegriffenem Beschluss vom 2. Mai 2013 ordnete das Landgericht München I - nach Anhörung des Beschwerdeführers - die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Eine Aussetzung der Unterbringung komme nicht in Betracht, da noch nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde (§ 67d Abs. 2 StGB). Das Ziel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei noch nicht erreicht. Zur Verbesserung der Täterprognose bedürfe es weiterer therapeutischer Einwirkungen im Rahmen einer gesicherten Unterbringung. Der Beschwerdeführer werde derzeit in der Lockerungsstufe "C" geführt. Eine Erprobung in dieser und der höheren Freizügigkeitsstufe "D" stehe noch aus.
Der Beschwerdeführer habe im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 2. Mai 2013 angegeben, dass er eine Berufsausbildung zum Koch zum 1. August 2013 in einem Hotel beginnen könne. Seinen künftigen Arbeitgeber habe er über seine derzeitige forensische Unterbringung und das zugrundeliegende Delikt wahrheitsgemäß informiert. Diese Angaben seien jedoch nicht zutreffend gewesen, wie der Beschwerdeführer zwischenzeitlich selbst einräume.
Die weitere Unterbringung stehe noch in einem angemessenen Verhältnis zu Anlass und Zweck ihrer Anordnung.
4. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht München mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 28. Juni 2013 als unbegründet.
Das Landgericht München I habe zu Recht die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
In der Stellungnahme der behandelnden Klinik vom 20. Dezember 2012 werde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer mitten in einem Therapieprozess befinde. Unabdingbare Voraussetzung für seine Entlassung sei der Abschluss der deliktsspezifischen Gruppentherapie, seine erfolgreiche Erprobung auf weiteren Lockerungsstufen und die Schaffung eines sozialen Empfangsraumes. Diese Voraussetzungen hätten innerhalb von nur vier Monaten nicht geschaffen werden können.
Die Tatsache, dass eine Lüge des Beschwerdeführers in der mündlichen Anhörung aufgedeckt worden sei, begründe berechtigte Zweifel an dessen Absprachefähigkeit und Zuverlässigkeit.
Bei dem Beschwerdeführer sei nach wie vor von einer bestehenden Gefährlichkeit im Hinblick auf die Begehung erheblicher Sexualstraftaten auszugehen. Bereits nach dem im Erkenntnisverfahren eingeholten Gutachten bestehe eine erhebliche Wiederholungsgefahr dahingehend, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft gleiche oder ähnliche Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern begehen könne. Darüber hinaus sei eine Steigerung der sexuellen Delinquenz durch "Hands-on"-Delikte nicht auszuschließen. Diese Prognose werde durch die nunmehr den Beschwerdeführer behandelnden Ärzte geteilt, die aus forensisch psychiatrischer Sicht eine weitere stationäre Behandlung zur Erreichung des Unterbringungszwecks für erforderlich hielten.
Der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren rechtswidrigen Taten des Beschwerdeführers von erheblichem Gewicht sei auf andere Weise nicht zu gewährleisten. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht erkennbar.
Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.
1. Das durch das Oberlandesgericht München herangezogene Gutachten aus dem Erkenntnisverfahren sei bereits zweieinhalb Jahre alt und lasse daher keine verlässliche Prognose im Hinblick auf die aktuelle Situation des Beschwerdeführers zu. Zudem beruhe es auf falschen Umständen.
2. Die Gerichte hätten ihre Entscheidungen überdies nicht ausreichend begründet. Insbesondere eine fortbestehende Gefährlichkeit könne nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Beschwerdeführer seinen zukünftigen Arbeitgeber nicht über seine forensische Unterbringung informiert und insofern falsche Angaben im Rahmen der mündlichen Anhörung gemacht habe, zumal die im Übrigen sehr positive Entwicklung des Beschwerdeführers im Maßregelvollzug einer negativen Gefährlichkeitsprognose entgegenstehe. Dem Beschwerdeführer seien bereits nach wenigen Monaten in der Unterbringung Lockerungen gewährt worden, die er bislang unbeanstandet durchgestanden habe.
Die zu erwartenden Taten (Besitz von kinderpornographischen Schriften) seien zudem nicht "erheblich" im Sinne von § 63 StGB. Die durch die Gerichte angenommene Steigerung der Deliktsschwere beruhe allein auf dem Sachverständigengutachten aus dem Erkenntnisverfahren, welches nicht als Entscheidungsgrundlage habe herangezogen werden dürfen.
Jedenfalls aber sei die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus im Hinblick auf die Anlasstaten nicht mehr verhältnismäßig. Die Taten seien dem Bereich der Bagatellkriminalität zuzuordnen.
3. Zudem sei die Fortdauerentscheidung nicht wie gesetzlich vorgeschrieben nach Ablauf eines Jahres erfolgt, sondern erst zehn Wochen später, was ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG begründe.
4. Schließlich sei der durch den Beschwerdeführer benannte Rechtsanwalt seines Vertrauens rechtswidrig wegen Ortsferne nicht zum Pflichtverteidiger bestellt worden.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof haben zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.
1. a) Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält die Verfassungsbeschwerde für zulässig, aber unbegründet. Weder das Landgericht München I noch das Oberlandesgericht München hätten im Rahmen der angegriffenen Beschlüsse Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers verkannt. Insbesondere genügten die in den angegriffenen Beschlüssen aufgeführten Gründe unter Berücksichtigung der Unterbringungsdauer von bislang etwas mehr als zweieinhalb Jahren den verfassungsrechtlichen Begründungserfordernissen.
Das Oberlandesgericht setze sich sowohl mit der Entwicklung des Beschwerdeführers in der Therapie auseinander, indem es ausführlich die letzte Stellungnahme der Klinik würdige, als auch mit der konkret von diesem ausgehenden Gefahr. Unter Bezugnahme auf die Vorverurteilungen und das Eingangsgutachten komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Wiederholungsgefahr für gleiche oder ähnliche Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern bestehe und auch eine Steigerung der sexuellen Delinquenz nicht auszuschließen sei. Abschließend habe das Oberlandesgericht den Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gegenübergestellt und sei zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt, dass ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vorliege. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung seien gerade nicht nur die abgeurteilten, sondern auch die zu erwartenden Taten in die Abwägung einzustellen. Die insofern bereits nach den Feststellungen des Ausgangsgerichts zu erwartenden Delikte des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 StGB) sähen Strafrahmen von teilweise bis zu zehn Jahren vor. Demgegenüber sei die bisherige Unterbringungsdauer von etwas mehr als zweieinhalb Jahren nicht unverhältnismäßig.
b) Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 2. Mai 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 richtet, für aussichtsreich. Die Begründung der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung werde den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Darlegungs- und Begründungsanforderungen nicht gerecht.
aa) Es fehle bereits an einer hinreichenden Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr künftiger rechtswidriger Taten. Das Landgericht München I beschränke sich auf die Feststellung, dass die Unterbringungsvoraussetzungen nach wie vor gegeben seien und der Beschwerdeführer weiterer therapeutischer Einwirkung bedürfe. Das Oberlandesgericht führe darüber hinaus lediglich aus, dass nach dem im Erkenntnisverfahren erstatteten Sachverständigengutachten die Gefahr bestehe, der Beschwerdeführer "könne" Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern begehen und eine Steigerung der sexuellen Delinquenz durch "Hands-on"-Delikte sei "nicht auszuschließen". Nähere Eingrenzungen zum Grad der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Begehung erheblicher Straftaten seien hieraus nicht ersichtlich.
bb) Zudem hätten die Fachgerichte die Art der zu erwartenden Straftaten nicht hinreichend konkretisiert. Die Formulierung "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern" umfasse ebenso wie die Beschreibung "Hands-on"-Delikte ein breites Spektrum von Straftatbeständen, deren Gewicht im Einzelfall sehr unterschiedlich sein könne. Dies werde den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Feststellung der Art der zu befürchtenden Straftaten nicht gerecht.
cc) Schließlich seien die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung unzureichend. Aufgrund der fehlenden Konkretisierung des Grades der Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten und deren Deliktscharakters fehle es bereits an der unverzichtbaren Grundlage für die vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung. Darüber hinaus genüge die bloß pauschale Feststellung der Verhältnismäßigkeit nicht den verfassungsrechtlichen Darlegungsanforderungen, zumal vorliegend besondere Umstände des Einzelfalls, wie die bereits gewährten Lockerungen, zu berücksichtigen gewesen seien.
2. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 465 Js 315933/09 der Staatsanwaltschaft München I vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 2. Mai 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 richtet, zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 70, 297) und die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts München I vom 2. Mai 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, weil sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ergeben, nicht genügen.
1. a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann "die Freiheit der Person" und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).
Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 45, 187 <223>; 58, 208 <224 f.>); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen. Das gilt auch für die Regelung der Unterbringung eines schuldunfähigen oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>).
b) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG hat auch verfahrensrechtliche Bedeutung. Unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 <222>) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 <230>).
c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <311>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in die Prüfung der Aussetzungsreife der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB einzubeziehen (integrative Betrachtung). Die darauf aufbauende Gesamtwürdigung hat die von dem Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312 f.>).
Abzustellen ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein.
Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten sind zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles einzugehen. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Abzuheben ist aber auch auf die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, die für die künftige Entwicklung bestimmend sind (vgl. BVerfGE 70, 297 <314 f.>; BVerfGK 16, 501 <506>).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es zudem, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es daher auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Aussetzung der Maßregelvollstreckung zur Bewährung kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 3 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (vgl. §§ 68a, 68b StGB), insbesondere also die Tätigkeit eines Bewährungshelfers und die Möglichkeit bestimmter Weisungen, ankommen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313 f.>).
Da es sich bei der Gesamtwürdigung der für die Frage der Aussetzung (§ 67d Abs. 2 StGB) maßgeblichen Umstände um eine wertende Entscheidung unter Prognosegesichtspunkten handelt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrundegelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen (vgl. BVerfGE 70, 297 <314, 315>).
d) Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges. Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus (vgl. BVerfGE 70, 297 <315 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 -, NStZ-RR 2013, S. 72).
Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus diesen Maßstäben nicht, so führt dies dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 <316 f.>).
2. Mit diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben sind die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts München I vom 2. Mai 2013 sowie des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 nicht zu vereinbaren. Die in den Beschlüssen aufgeführten Gründe genügen nicht, um die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers zu rechtfertigen. Es fehlt bereits an der im Rahmen des verfassungsrechtlich Gebotenen ausreichenden Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr künftiger erheblicher rechtswidriger Taten (a). Daneben wird in den angegriffenen Beschlüssen nicht ausreichend dargelegt, dass die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das angesichts der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag (b). Schließlich fehlt auch eine Befassung mit der Frage, ob dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit nicht auch durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen Rechnung hätte getragen werden können (c).
a) Die angegriffenen Beschlüsse genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine nachvollziehbare Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten nicht.
aa) Das Landgericht macht im Rahmen des angegriffenen Beschlusses vom 2. Mai 2013 keine Angaben dazu, welche konkreten rechtswidrigen Taten zukünftig von dem Beschwerdeführer zu erwarten sind. Das Landgericht beschränkt sich darauf, festzustellen, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne, da noch nicht zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Neben dieser bloßen Wiederholung des Gesetzeswortlauts (§ 67d Abs. 2 StGB) nimmt das Landgericht eine auf den Einzelfall bezogene Subsumtion in keiner Weise vor. Es fehlt sowohl an der Bestimmung der Art als auch an einer Darlegung der Schwere künftig zu erwartender Straftaten. Zu der Frage, ob es sich hierbei um "erhebliche Straftaten" im Sinne des § 63 StGB handelt, verhält der Beschluss des Landgerichts sich nicht. Der Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten wird nicht erörtert.
bb) Das Oberlandesgericht München beschränkt sich im Rahmen des angegriffenen Beschlusses vom 28. Juni 2013 auf die Feststellung, dass bei dem Beschwerdeführer nach wie vor von einer bestehenden Gefährlichkeit im Hinblick auf die Begehung erheblicher Sexualstraftaten im Falle seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug auszugehen sei. Nach dem Gutachten des Sachverständigen bestehe eine erhebliche Wiederholungsgefahr dahingehend, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft "gleiche oder ähnliche Sexualstraftaten" zum Nachteil von Kindern begehen könne. Es sei zudem eine Steigerung der sexuellen Delinquenz durch "Hands-on"-Delikte nicht auszuschließen. Dem Erfordernis, die Art und den Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger erheblicher rechtswidriger Taten und deren Deliktstypus eigenständig zu bestimmen und nachvollziehbar darzulegen, ist damit ebenfalls nicht Rechnung getragen.
(1) Die durch das Oberlandesgericht München vorgenommene pauschale Feststellung, dass weiterhin den Anlasstaten gleiche oder ähnliche Taten zu erwarten seien, ohne diese zu erwartenden Taten näher durch eine tatsächliche Umschreibung derselben oder die Benennung des betroffenen Straftatbestandes zu konkretisieren, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen ebenso wenig wie die Ausführungen, dass der Beschwerdeführer "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern" begehen könne oder "Hands-on"-Delikte nicht auszuschließen seien. Das Oberlandesgericht beschreibt damit ein breites Spektrum möglicher Straftatbestände, deren Gewicht im Einzelfall erheblich variieren kann. Eine hinreichende Konkretisierung der Straftaten, deren Begehung künftig vom Beschwerdeführer zu erwarten ist, liegt damit nicht vor.
(2) Das Gericht setzt sich zudem in keiner Weise mit dem Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" im Sinne von § 63 StGB auseinander. Gemäß § 63 StGB müssen die von dem Untergebrachten zu erwartenden rechtswidrigen Taten erheblich sein, wobei dieses Erfordernis auch für die Anordnung der Fortdauer der Maßregel gilt. Angesichts des äußerst belastenden Charakters der Maßregel nach § 63 StGB ist die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung daher nur bei der Gefahr von solchen Störungen des Rechtsfriedens verhältnismäßig, die mindestens in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinragen (vgl. BVerfGE 70, 297 <312>). Dass dies bei dem Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 StGB) der Fall ist, der im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedroht ist, ergibt sich jedenfalls nicht aus der bloßen Bezeichnung der Straftat als solcher. Weitere Ausführungen, insbesondere zu der konkreten Tatausführung, tätigt das Oberlandesgericht allerdings nicht. Soweit es unter pauschaler Bezugnahme auf das im Erkenntnisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten zudem ausführt, dass eine "Steigerung der Delinquenz" durch "Hands-on"-Delikte nicht auszuschließen sei, bezeichnet es die zu erwartenden Delikte nicht konkret durch die Benennung des Straftatbestandes, so dass auch insofern - unabhängig von der unzureichenden Bezeichnung des Deliktstypus - nicht nachvollziehbar ist, ob es sich dabei um Delikte handelt, welche die Schwelle der Erheblichkeit im Sinne von § 63 StGB überschreiten.
(3) Schließlich macht das Oberlandesgericht auch keine hinreichend konkreten Ausführungen zum Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts zukünftiger rechtswidriger Taten. Erforderlich für die erstmalige Anordnung aber auch die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 63 StGB. Soweit das Oberlandesgericht München insoweit - ebenfalls unter pauschaler Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten des Erkenntnisverfahrens - ausführt, dass der Beschwerdeführer Taten im Sinne der Anlasstaten begehen "könne" und eine Steigerung der Deliktsintensität "nicht auszuschließen" sei, genügen diese Ausführungen den Anforderungen an die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten nicht. Soweit das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang darauf verweist, der Beschwerdeführer habe durch die unrichtigen Angaben gegenüber seinem künftigen Arbeitgeber Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründet, erschließt sich nicht, welche Bedeutung diesem Umstand hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten zukommen soll.
b) Damit fehlt es bereits an einer ausreichenden Grundlage für die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gebotene Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers und den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit. Daneben genügen die angegriffenen Beschlüsse den verfassungsrechtlichen Anforderungen an diese Abwägung auch deshalb nicht, weil die gebotene Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles unterbleibt. Insbesondere setzen die Gerichte sich nicht damit auseinander, dass der Beschwerdeführer während der Unterbringung mehrere Lockerungsstufen beanstandungsfrei durchlaufen hat. Darüber hinaus fehlt es an einer Gegenüberstellung der bereits durch den Beschwerdeführer im Maßregelvollzug verbrachten Zeiten mit dem Strafrahmen des der Anlassverurteilung zugrundeliegenden Delikts des Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 StGB). Die Dauer der Unterbringung übersteigt sowohl die Dauer der ausgeurteilten Freiheitsstrafe als auch deren gemäß § 184b StGB gesetzlich zulässiges Höchstmaß. Auch hierzu verhalten sich die angegriffenen Beschlüsse nicht. Dass vorliegend die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr das aufgrund der Dauer der Unterbringung zunehmende Gewicht seines Freiheitsanspruchs aufzuwiegen vermag, kann ihnen daher nicht entnommen werden.
c) Schließlich fehlt es in den angegriffenen Beschlüssen auch an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob im Falle einer Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit durch Maßnahmen der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (§§ 68a, 68b StGB) hinreichend hätte Rechnung getragen werden können. Eine Auseinandersetzung hiermit wäre insbesondere im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer bereits seit längerer Zeit gewährten Lockerungen erforderlich gewesen. Dem steht auch der Hinweis, der Beschwerdeführer bedürfe weiterer therapeutischer Betreuung, nicht entgegen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese nur unter der Voraussetzung einer Unterbringung stattfinden kann.
1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 5. Februar 2013 und des Oberlandesgerichts München vom 27. Februar 2013 richtet, weil der Beschwerdeführer insoweit bereits die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht eingehalten hat.
2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 28. Juni 2013 ist daher aufzuheben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht München zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).