Bundesverfassungsgericht

Entscheidungsdatum: 14.12.2018


BVerfG 14.12.2018 - 2 BvR 1594/17

Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei Unterlassen einer Anhörungsrüge (hier: gem § 152a VwGO) im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren - bloße Behauptung der Perpetuierung eines Gehörsverstoßes genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der Rechtswegerschöpfung


Gericht:
Bundesverfassungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat 1. Kammer
Entscheidungsdatum:
14.12.2018
Aktenzeichen:
2 BvR 1594/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20181214.2bvr159417
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 12. Juni 2017, Az: 6 A 2262/16, Beschlussvorgehend VG Arnsberg, 5. Oktober 2016, Az: 2 K 1950/14, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer ist beamteter Lehrer im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Er hatte sich in der Vergangenheit erfolglos auf eine Beförderungsstelle beworben. Die hierfür gefertigten Beurteilungen wurden jeweils durch die Fachgerichte beanstandet. Im Oktober 2013 wurde das Land verurteilt, den Beschwerdeführer dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als wäre er im März 2011 in ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 befördert worden.

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Im Frühjahr 2013 war der Beschwerdeführer mehrere Wochen dienstunfähig erkrankt, wobei die jeweiligen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine Diagnose enthielten. Der Beschwerdeführer lehnte das Angebot der Einleitung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ab. Nachdem der Beschwerdeführer seit Anfang Juli 2013 wiederum "bis auf weiteres" dienstunfähig erkrankt war, ordnete das Land die amtsärztliche Untersuchung seiner Dienstfähigkeit an. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchung sei innerhalb der nächsten sechs Monate mit der Wiederherstellung seiner uneingeschränkten Dienstfähigkeit zu rechnen. Bis Mitte Februar 2014 verrichtete der Beschwerdeführer krankheitsbedingt keinen Dienst.

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2. Im Januar 2013 bewarb sich der Beschwerdeführer auf Beförderungsstellen als Studiendirektor an mehreren Berufskollegs. Mit Schreiben vom 18. Juli 2013 teilte ihm das Land mit, gegenwärtig sei keine verlässliche Prognose über die Wiederherstellung seiner uneingeschränkten Dienstfähigkeit und damit seiner gesundheitlichen Eignung möglich. Da aufgrund der andauernden Dienstunfähigkeit derzeit keine dienstliche Beurteilung erstellt werden könne, werde eine mögliche Beförderung zunächst "zurückgestellt". Die in den Stellenbesetzungsverfahren ausgewählten Mitbewerber wurden befördert. Über die Auswahlentscheidungen wurde der Beschwerdeführer nicht informiert.

4

Die Klagen des Beschwerdeführers, mit denen er die Aufhebung der Ernennungen von Mitbewerbern begehrt hatte, wurden durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht hielten die "Zurückstellung" vom 18. Juli 2013 im Ergebnis für rechtmäßig.

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3. Der Beschwerdeführer beantragte, ihn dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als sei er im Juli 2013 zum Studiendirektor ernannt worden. Nachdem das Land den Antrag abgelehnt hatte, erhob der Beschwerdeführer Klage zum Verwaltungsgericht. Mit hier angegriffenem Urteil vom 5. Oktober 2016 wies das Verwaltungsgericht Arnsberg die Klage ab (Az. 2 K 1950/14). Einen Schadensersatzanspruch infolge unterbliebener Beförderung habe der Beschwerdeführer nicht, da im Ergebnis eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG durch die "Zurückstellung" ausscheide. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil wurde mit ebenfalls angegriffenem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 2017 abgelehnt (Az. 6 A 2262/16).

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4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das Urteil vom 5. Oktober 2016 und den Beschluss vom 12. Juni 2017. Das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es sein Argument, wonach das - unterstellte - Beförderungshindernis der mangelnden gesundheitlichen Eignung vom Land verursacht worden sei mit der Folge einer Schadensersatzpflicht, weder zur Kenntnis genommen noch gewürdigt habe.

II.

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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Rechte angezeigt.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer legt bereits die Erschöpfung des Rechtswegs nicht in einer den Begründungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 92 BVerfGG genügenden Weise dar.

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1. Ein Beschwerdeführer muss nach diesen Vorschriften hinreichend substantiiert und schlüssig darlegen, dass eine unmittelbare und gegenwärtige Verletzung in einem verfassungsbeschwerdefähigen Recht möglich erscheint (BVerfGE 89, 155 <171>; 123, 267 <329>), was eine Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen und deren konkreter Begründung notwendig macht (vgl. BVerfGE 101, 331 <345>; 130, 1 <21>). Darzulegen ist dabei auch die Erschöpfung des Rechtswegs durch den Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>). Ob dieser Grundsatz gewahrt wurde, muss aus der Beschwerdeschrift und den beigefügten Anlagen ohne Weiteres ersichtlich sein. Unklarheiten gehen zulasten des Beschwerdeführers, denn es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, sich aus einer unzureichenden Begründung die tatsächliche Grundlage für seine verfassungsrechtliche Prüfung selbst herauszusuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 <263>; 83, 216 <228>; BVerfGK 19, 362 <363>).

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2. Diesen Anforderungen genügt der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer nicht.

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a) Er rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde ausdrücklich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das zur Entscheidung über den Berufungszulassungsantrag angerufene Oberverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer wirft diesem vor, seine Ausführungen zur Verursachung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung durch das beklagte Land und zu den daraus folgenden Konsequenzen für den allein streitgegenständlichen beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und mit keinem Wort gewürdigt zu haben. Sodann führt er abschließend aus:

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"Mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster wird der Verfassungsverstoß perpetuiert, wenn die mangelnde gesundheitliche Eignung, die noch bei der Rückbeförderung zum Misserfolg der Klage des Beschwerdeführers geführt hätte, nunmehr auch im Amtshaftungsprozess gleichermaßen anspruchsausschließend ins Feld geführt wird. siehe auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 06. August 2002 - 2 BvR 2357/00 -, juris".

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b) Wird mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so zählt die Anhörungsrüge an das Fachgericht zum Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; BVerfGK 5, 337 <338>; 9, 28 <33>). Der Beschwerdeführer rügt hier ausdrücklich und der Sache nach eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, hat aber keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben.

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c) Eine Anhörungsrüge war hier nicht deswegen entbehrlich, weil sie offensichtlich aussichtslos gewesen wäre (vgl. BVerfGK 7, 115 <116>; 7, 403 <407>; 9, 390 <394>). Der entsprechende, nur rudimentäre Vortrag des Beschwerdeführers bezieht sich auf den zentralen Punkt der gesundheitlichen Eignung. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte zwar nicht, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Wie der Beschwerdeführer aber zutreffend erkennt, ist der Gehörsgrundsatz dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 47, 182 <187 f.>; stRspr). Gründe, warum ein solcher Verstoß von vornherein ausgeschlossen erschiene, fallen nicht ins Auge; die offensichtliche Aussichtslosigkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs des § 152a VwGO kann daher auf Grundlage der Darlegungen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris, Rn. 11).

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d) Aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde ergibt sich ferner nicht, dass die Erhebung einer Anhörungsrüge aus anderen Gründen unstatthaft und damit entbehrlich gewesen wäre, namentlich, weil mit der Verfassungsbeschwerde nur eine Perpetuierung des Gehörsverstoßes durch das Oberverwaltungsgericht geltend gemacht würde. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (keine "sekundäre Anhörungsrüge", vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>; 133, 143 <155 f. Rn. 33>).

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Der Beschwerdeführer rügt ausdrücklich mehrfach die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch das Oberverwaltungsgericht und erwähnt in seinem Vorbringen hierzu die erstinstanzliche Entscheidung mit keinem Wort, obwohl dieses Urteil zum eigenständigen Verfahrensgegenstand gemacht wurde. Soweit der Beschwerdeführer von einer "Perpetuierung" eines Verfassungsverstoßes spricht, bleibt der damit verbundene Sinngehalt nach Urheber und Inhalt rechtserheblich unklar. Wer einen Verfassungsverstoß begangen haben soll, bleibt genauso dunkel wie die Frage, ob sich der Perpetuierungsvorwurf inhaltlich sogar auf ein gänzlich anderes fachgerichtliches Verfahren bezieht. Die bloße "schlagwortartige" Behauptung einer Perpetuierung eines Gehörsverstoßes genügt in aller Regel und so auch hier nicht den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung der Rechtswegerschöpfung.

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Es spricht im Übrigen viel dafür, dass sich der Beschwerdeführer hier gegen einen eigenständigen Gehörsverstoß des Rechtsmittelgerichts durch Nichtberücksichtigung im Berufungszulassungsverfahren wendet. Er zitiert einen stattgebenden Kammerbeschluss (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 6. August 2002 - 2 BvR 2357/00 -, juris, Rn. 27 ff.), der einen Gehörsverstoß durch ein Oberverwaltungsgericht durch Nichtberücksichtigung von Vorbringen zu einem Berufungszulassungsantrag annimmt und damit gerade keinen Fall der bloßen Perpetuierung eines Gehörsverstoßes durch das Rechtsmittelgericht, die den heutigen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO ausschließt (vgl. Schübel-Pfister, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 152a Rn. 27 m.w.N.).

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e) Die weiteren gerügten Grundrechtsverletzungen betreffen denselben Streitgegenstand wie die behauptete Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Dass der Beschwerdeführer den - hier gerade nicht von vornherein entbehrlichen - Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO nicht erhoben hat, hat daher zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf den geltend gemachten Gehörsverstoß, sondern insgesamt unzulässig ist (vgl. BVerfGE 134, 106 <113 Rn. 22>; BVerfGK 19, 23 <25>).

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.