Entscheidungsdatum: 20.08.2013
Gegenstand des Vorlagebeschlusses ist die Frage, ob § 14 Abs. 3 Insolvenzordnung (InsO) verfassungsgemäß ist.
(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. War in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden, so wird der Antrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. In diesem Fall hat der Gläubiger auch die vorherige Antragstellung glaubhaft zu machen.
(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.
(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird.
Absatz 3 (und Absatz 1 Sätze 2 und 3) der Vorschrift wurden durch Art. 3 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 9. Dezember 2010 (BGBl I S. 1885) eingefügt. Durch den neuen Absatz 3 würden, so der Bericht des Haushaltsausschusses (BTDrucks 17/3452, S. 6), Sozialkassen von Kosten entlastet, wenn sich der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zwar zulässig, aber unbegründet erweise, weil kein Insolvenzgrund vorliege, also wenn etwa der Schuldner nicht zahlungsunfähig sei. Damit solle eine frühzeitige Antragstellung gefördert werden, ohne das Kostenrisiko der antragstellenden Sozialkasse zu erhöhen, weil die Kosten nicht mehr gemäß § 4 InsO in Verbindung mit § 91 ZPO dem Antragsteller anheimfielen.
1. In dem Ausgangsverfahren beantragte die Gläubigerin, eine gesetzliche Krankenkasse, im April 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, weil diese ihrer Verpflichtung zur fristgerechten und vollständigen Beitragszahlung als Arbeitgeberin nicht nachgekommen sei. In der Folgezeit erfüllte die Schuldnerin die dem Insolvenzantrag zugrundeliegende Forderung. Die Gläubigerin hielt ihren Antrag aufrecht unter Hinweis auf einen vorangegangenen Insolvenzantrag aus dem Jahr 2010, auf den hin die Schuldnerin ebenfalls einen Beitragsrückstand beglichen hatte. Das Amtsgericht lehnte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, weil die Schuldnerin nach einem vom Gericht eingeholten Gutachten nicht zahlungsunfähig sei. Die Kosten erlegte es der Gläubigerin auf, wogegen diese unter Hinweis auf § 14 Abs. 3 InsO Beschwerde einlegte.
2. Das Amtsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Entscheidung vorgelegt.
Es hält § 14 Abs. 3 InsO für verfassungswidrig. Hiervon hänge es ab, ob der Beschwerde stattzugeben sei. Die Vorschrift stelle einen krassen Verstoß gegen das aus Art. 3 GG resultierende Willkürverbot dar. Während bei einer in vergleichbaren Sachverhalten abgegebenen Erledigungserklärung dem entscheidenden Gericht ein Ermessensspielraum bezüglich der zu treffenden Kostenentscheidung zugebilligt werde, beinhalte § 14 Abs. 3 InsO eine völlige Ausschaltung des gerichtlichen Ermessens, wofür es keine sachlich und rechtlich tragfähige Begründung gebe. Es entspreche vielmehr der Gesetzeslage in der sonstigen Gesetzgebung und dem allgemeinen Rechtsempfinden, dass bei Einreichung eines unbegründeten Antrags, einer unbegründeten Klage, eines unbegründeten Rechtsmittels und ähnlichen Sachverhalten immer die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens trage. Warum dies im vorliegenden Fall anders sein solle, sei nicht ersichtlich. Auch wenn man bei Zugrundelegung der Gesetzesbegründung davon ausgehen müsse, dass die Sozialkassen von Kosten entlastet werden sollten, sei dieses Motiv im Gesetzeswortlaut nicht erkennbar. Nach dem Wortlaut komme die Kostenregelung vielmehr jedem Antragsteller zugute. Insofern handle es sich aber um eine willkürliche Besserstellung eines Gläubigers, der das Insolvenzverfahren letztlich - obwohl sein Antrag unbegründet sei - ohne Kostenrisiko betreiben könne. Eine Kostenregelung, nach der der "Gewinner" eines gerichtlichen Verfahrens die angefallenen Verfahrenskosten trage, sei jedoch willkürlich und widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden.
Die Vorlage ist unzulässig.
Ein Gericht kann eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Vorschriften nach Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nur einholen, wenn es zuvor sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschriften als auch ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft hat (vgl. BVerfGE 86, 71 <76>). Ferner muss es seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Normen näher darlegen und deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie einer eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darstellung der Rechtslage (vgl. BVerfGE 86, 71 <77>; 88, 198 <201>; 89, 329 <336 f.>; 97, 49 <60>; 121, 241 <253>). Die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nicht nur benennen, sondern auch die für die Überzeugung des Gerichts maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. BVerfGE 86, 71 <77 f.>).
Diesen Anforderungen wird der (in ZInsO 2011, S. 1801, veröffentlichte) Vorlagebeschluss nicht gerecht.
Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage wird in dem Beschluss zwar behauptet, aber nicht begründet. Ausführungen zur Statthaftigkeit einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung (§ 4 InsO i.V.m. § 99 Abs. 1 ZPO) fehlen ebenso wie solche zum Umfang der Entscheidungszuständigkeit des Amtsgerichts im Beschwerdeverfahren (§ 4 InsO in Verbindung mit § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO). In der Sache enthält die sehr knapp gehaltene Begründung des Vorlagebeschlusses nicht einmal ansatzweise eine nähere Darstellung der einfachrechtlichen Rechtslage. Das Amtsgericht erwähnt zwar - ohne Angabe einer Fundstelle - die Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 3 InsO, setzt sich aber nicht vertieft mit den für die Änderung der Vorschriften zur Kostentragung maßgeblichen Gründen auseinander, wobei die Einbeziehung der Änderungen in § 14 Abs. 1 InsO und in § 23 Abs. 1 GKG durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 nahegelegen hätte. Welche Kostenregelung vor Einführung von § 14 Abs. 3 InsO galt und auf welcher Grundlage es im Falle der Nichtigkeit dieser Vorschrift entscheiden würde, legt es nicht dar.
Entsprechendes gilt für die Erörterung der angenommenen Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm. Zwar wird ausgeführt, dass Prüfungsmaßstab Art. 3 GG und das aus dieser Verfassungsnorm resultierende Willkürverbot sein soll. Die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen werden jedoch in keiner Weise konkretisiert. Die pauschale Berufung auf die abweichende "Gesetzeslage in der sonstigen Gesetzgebung" und das "allgemeine Rechtsempfinden" sowie der lediglich behauptete Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip und "allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden" beinhalten nicht die gebotenen eingehenden, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darlegungen zu den verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Hinweis auf zwei Aufsätze in einer Fachzeitschrift mit dem Zusatz "vgl. auch" am Ende des Vorlagebeschlusses vermag die geforderte Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung und Literatur nicht zu ersetzen (vgl. BVerfGE 65, 308 <316>).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.