Entscheidungsdatum: 22.12.2011
1. Der Kläger, ein Oberstudienrat im Dienst des Beklagten, begehrt die Verpflichtung des Beklagten, das bei ihm bestehende Krankheitsbild als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG bzw. als Berufskrankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen. Der Kläger macht geltend, der bei ihm festgestellte Zustand nach Schadstoffbelastung mit Gleichgewichtsstörungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Ekzemen, Schwindelgefühlen, Sehkraftschwankungen, Ermüdbarkeit, Leistungsminderung, erheblichem Erschöpfungssyndrom und toxischer Polyneuropathie sei darauf zurückzuführen, dass er sich in der Zeit vom 7. bis 16. November 2005 mehrfach jeweils für 3 bis 10 Minuten in Klassenräumen aufgehalten habe, in denen die Raumluft wegen unsachgemäß verarbeiteter Silikonfugen beeinträchtigt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Zurückverweisung und Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers erneut mit der Begründung zurückgewiesen, es stehe nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit fest, dass die beim Aushärten der Silikonfugen in die Raumluft abgegebenen Schadstoffe beim Kläger einen dienstunfallrechtlich erheblichen Körperschaden verursacht hätten. Zwar hätten die in der Raumluft im Schulgebäude enthaltenen Schadstoffe die beim Kläger aufgetretenen Schleimhautirritationen und ggf. auch kurzfristige weitere Beschwerden wie Schwindel und Übelkeit verursacht, nicht jedoch die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen, unter denen er leide. Der Anerkennung als Berufskrankheit nach § 31 Abs. 3 BeamtVG stehe zum einen entgegen, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Krankheitsbild des Klägers und der Schadstoffexposition nicht gegeben sei. Zum anderen zählten die beim Kläger festgestellten Erkrankungen nicht zu den Berufskrankheiten.
2. Die allein auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat keinen Erfolg.
a) Soweit der Kläger den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2011 unmittelbar angreift, mit dem es sein Ablehnungsgesuch gegen den vom Gericht bestellten Sachverständigen erneut abgelehnt hat, ist die Verfahrensrüge unzulässig (Beschluss vom 16. Februar 1988 - BVerwG 5 B 13.88 - Buchholz 303 § 548 ZPO Nr. 4). Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts könnte insoweit einer Überprüfung im Revisionsverfahren nicht unterzogen werden. Nach § 557 Abs. 2 ZPO, der nach § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts, wenn sie unanfechtbar sind. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Oberverwaltungsgericht nach § 98 VwGO i.V.m. § 406 ZPO die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt. Denn eine solche Vorentscheidung kann nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
b) Unbegründet ist die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es seinem Urteil lediglich das Gutachten und die mündlichen Erläuterungen des von ihm bestellten Gutachters zugrunde gelegt und kein weiteres Gutachten eingeholt hat.
In der Berufungsverhandlung vom 25. Februar 2011 hat der Kläger nicht den Antrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO gestellt, seinen behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen zu hören oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Der dort von ihm hilfsweise gestellte Antrag, zu den entscheidungserheblichen medizinischen Fragestellungen ein weiteres Gutachten einzuholen, regt lediglich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO an.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet das Tatsachengericht über die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten nach seinem Ermessen (z.B. Urteil vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Das gilt auch dann, wenn eine solche Maßnahme der Sachverhaltsermittlung von einer der Parteien angeregt worden ist. Die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten und die mündlichen Erläuterungen durch den Gutachter in der mündlichen Verhandlung ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht ( vgl. u.a. Urteile vom 19. Dezember 1968 - BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156> und vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> m.w.N. sowie Beschluss vom 19. Februar 2007 - BVerwG 2 B 19.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49). Danach musste sich hier dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung eines weiteren Gutachtens nicht aufdrängen.
Das Gericht hat dem von ihm bestellten Gutachter die Stellungnahme des den Kläger behandelnden Arztes vom 2. Februar 2011 übermittelt und ihn aufgefordert, die dort angesprochenen Gesichtspunkte bei seiner Vorbereitung für die erneute Berufungsverhandlung zu berücksichtigen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2011 hat der Sachverständige bei der Erläuterung seiner Gutachten auch die von dem behandelnden Arzt diskutierten Aspekte erörtert. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung hatten die Vertreter der Beteiligten im Anschluss an die Darlegungen des Gutachters keine weiteren Fragen.
Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu dem vom Kläger gegen den Sachverständigen gestellten Befangenheitsantrag geben keinen Anlass, an dessen Unparteilichkeit zu zweifeln. Die Behauptung, der Sachverständige sei ein langjähriger Gegner des den Kläger behandelnden Arztes und habe diesem gegenüber eine negative Grundeinstellung, reicht hierfür nicht aus. Auch begründen die Behauptungen, vor mehr als zehn Jahren hätten mehr als 20 Personen Strafanzeigen gegen den Gutachter wegen Erstellung von Falschgutachten erstattet und es habe der Vorwurf im Raum gestanden, Gutachten seien "am Fließband" und ohne sachliche Beschäftigung mit dem Thema erstellt worden, keine Zweifel an der Sachkunde des Gutachters, die die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 86 Abs. 1 VwGO hätten erforderlich erscheinen lassen.
Im Übrigen ist das Tatsachengericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung vorzunehmen, die eine anwaltlich vertretene Partei - entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts - nicht beantragt hat (z.B. Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4). Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der anwaltlich vertretene Kläger entsprechende Beweisanträge nicht gestellt. Gründe, aus denen sich hier die von der Beschwerde vermisste Beweiserhebung dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung - auf die es hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aufklärungspflicht ankommt - von sich aus hätten aufdrängen müssen, sind von der Beschwerde nicht vorgetragen.
c) Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO). Denn das Oberverwaltungsgericht hat die vom Kläger gegen die Gutachten des Sachverständigen erhobenen Einwände zur Kenntnis genommen. Die vom Kläger gegen das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 16. Dezember 2010 erhobenen Bedenken wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht erörtert und in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils eingehend gewürdigt.