Entscheidungsdatum: 20.12.2011
Der Kläger war hauptamtlicher Bürgermeister der beklagten Stadt. Er wendet sich gegen die Verpflichtung zur Ablieferung von Vergütungen aus Nebentätigkeiten in der Zeit von 1990 bis 2001. Der Kläger war unter anderem Geschäftsführer der ... Wohnbau GmbH, an der die Beklagte zu 92 % beteiligt war. Die weiteren 8 % entfielen auf die Sparkasse Z., eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Dem Kläger ist die Tätigkeit nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und damit in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mit Rücksicht auf seine dienstliche Stellung übertragen worden, da die Stellung als Bürgermeister der Beklagten aufgrund von § 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags zwingend mit derjenigen des Geschäftsführers der Wohnbau GmbH verbunden war. Gegenstand des insoweit erfolglosen Berufungsverfahrens war unter anderem noch ein Betrag von 9 151,88 € für die "Übernahme eines Pkw der ... Wohnbau GmbH". Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde hält die Frage,
handelt es sich bei der Verpflichtung auf Ablieferung von Vergütungen aus Nebentätigkeiten nach § 5 Abs. 3 LNTVO BW um zwingendes Recht in dem Sinne, dass eine Ausnahme von dieser Verpflichtung rechtlich auch bei gewichtigen Gründen schlicht nicht denkbar und absolut ausgeschlossen ist,
für grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG. Nach Ansicht der Beschwerde müsse von der Ablieferungspflicht abgesehen werden, wenn die Beklagte hierauf - im Vorhinein - verzichtet habe. Dann stehe ihrem Anspruch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Es solle geklärt werden, ob es trotz gesetzlich vorgesehener ausnahmsloser Ablieferungspflicht aus übergeordneten rechtlichen bzw. rechtsstaatlichen Grundsätzen und unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei, dass die Ablieferungspflicht entfalle oder nicht mehr durchgesetzt werden könne. Der Kläger habe die Tätigkeit auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten aufgenommen, die Vergütung sei bekannt gewesen und gutgeheißen worden.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (stRspr, vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen bereits geklärt sind oder sich anhand der bisherigen Rechtsprechung unter Zuhilfenahme des Gesetzestextes ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantworten lassen. So verhält es sich hier.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LNTVO BW in der hier anzuwendenden und bis zum 12. Mai 2005 gültigen Fassung sind Vergütungen für im öffentlichen oder diesem gleichstehenden Dienst ausgeübte Nebentätigkeiten von dem Beamten insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als die Vergütungen für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Nebentätigkeiten bestimmte Beträge, beim Kläger 9 600 DM, übersteigen. Sieht eine Norm wie § 5 Abs. 3 LNTVO BW eine Ablieferungspflicht für eine Vergütung aus einer Nebentätigkeit aus einer öffentlichen Kasse vor, ohne hiervon eine Ausnahme vorzusehen, so handelt es sich hierbei um zwingendes Recht mit der Folge, dass der Dienstherr auf den Ablieferungsanspruch nicht verzichten kann. Ein solcher Verzicht stünde im Widerspruch zu dem Zweck solcher Vorschriften. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht die dadurch zum Ausdruck kommende Einschränkung solcher Nebenverdienstmöglichkeiten des Beamten im öffentlichen Dienst dem Alimentationsprinzip und der einheitlichen und umfassenden Dienstleistungspflicht des Beamten. Für die ihm im öffentlichen Dienst insgesamt obliegende Pflichterfüllung hat der Beamte nur einmal Anspruch auf angemessenen Unterhalt in Gestalt der Dienstbezüge. Er soll öffentliche Kassen nicht doppelt in Anspruch nehmen. Insoweit haben die Ablieferungsvorschriften die gleiche Zielrichtung und Funktion wie die Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst auf die Versorgungsbezüge. Der Dienstherr genügt seiner Alimentationspflicht gegenüber dem Beamten, wenn er diesem die ihm zustehende Besoldung zahlt und andere Bezüge, die die öffentliche Hand aufgrund eines zweiten Beschäftigungsverhältnisses an den Beamten leistet, bis zu den Höchstgrenzen der Nebentätigkeitsverordnung zur Entlastung seines öffentlichen Haushalts einfordert (Urteile vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 17.02 - Buchholz 237.8 § 72 RhPLBG Nr. 1 S. 3 m.w.N. und vom 31. März 2011 - BVerwG 2 C 12.09 - NVwZ-RR 2011, 739 ff.). Deshalb kann über die Ablieferung auch nicht gemäß anderen beamtenrechtlichen Vorschriften, die andere Zahlungen des Dienstherrn erfassen, unter Billigkeitsgesichtspunkten entschieden werden. Härten, die sich insoweit ergeben können, sind in Anwendung der allgemeinen Vorschriften zu berücksichtigen (Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O.). Zwar kommt es im Rahmen einer Grundsatzrüge nicht darauf an, ob das Berufungsgericht diese Rechtssätze auch richtig angewandt hat, dies ist indes der Fall: Das Berufungsgericht hat im Einklang hiermit entschieden, dass der Ablieferungspflicht aus § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LNTVO BW nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung mit der Begründung entgegengehalten werden könne, die Gemeinderatsmitglieder hätten Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen gehabt und mit dem Landratsamt sei abgeklärt worden, dass die getroffene Vergütungsregelung nebentätigkeitsrechtlich unbedenklich sei. Es handele sich bei der Ablieferungspflicht nach § 5 Abs. 3 LNTVO BW um zwingendes Recht, sodass die Beklagte hierauf nicht verzichten könne. Daher habe auch das zunächst - während der Amtszeit des Klägers - als Rechtsaufsichtsbehörde handelnde Landratsamt nicht für die Beklagte auf die Ablieferungspflicht verzichten können. Auf die dortige Kenntnis der maßgeblichen Umstände komme es insoweit nicht an. Eine Möglichkeit zum Absehen von der Rückforderung sei nicht normiert.
Das Berufungsgericht hat einen Verzicht für nicht möglich erachtet. Es hat aber andere, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder Vorschriften zu beachtende Ausnahmen dadurch nicht zugleich ausgeschlossen. Dies zeigt sich daran, dass es eine Verjährung für möglich hielt, jedoch im vorliegenden Fall für nicht gegeben ansah.
2. Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 127 Nr. 1 BRRG, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Dezember 2002 - 2 A 11104/02 - (NVwZ 2003, 889 ff.) und dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. März 2010 - 2 A 145/09 - (juris) rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht, weil die Entscheidungen zur rheinland-pfälzischen Nebentätigkeitsverordnung und dem entsprechenden Landesbeamtenrecht sowie zum Einigungsvertrag bzw. § 69 BBG a.F und den Vorschriften der Bundesnebentätigkeitsverordnung und damit zu anderen Rechtsvorschriften ergangen sind. Es ist unerheblich, ob die Rechtsfrage, die von den Obergerichten bei der Auslegung und Anwendung von sich im Wortlaut nur wenig voneinander unterscheidenden Vorschriften zu beantworten waren, gleichartig ist. Denn auch die Divergenzrevision nach § 127 Nr. 1 BRRG beruht - nicht anders als die Divergenzrevision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO - auf dem Grundgedanken, dass nicht allgemeine auf mehreren Rechtsgebieten oder in mehreren Gesetzen auftretende Rechtsfragen übereinstimmend beantwortet werden sollen, sondern dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Auslegung ein und derselben Rechtsvorschrift gesichert werden soll (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 10. April 1963 - BVerwG 8 B 16.62 - BVerwGE 16, 53 m.w.N., vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 5 und vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302).
Unabhängig davon gilt: Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Sächsische Oberverwaltungsgericht die Möglichkeit einer Verjährung des Ablieferungsanspruchs der Beklagten nicht generell verneint. Es hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats angenommen, dass Nebentätigkeitsvergütungen als regelmäßig wiederkehrende Leistungen den hierfür geltenden Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs unterliegen (vgl. Urteil vom 31. Oktober 2001 - BVerwG 2 C 61.00 - BVerwGE 115, 218 = Buchholz 237.6 § 75a BNdsLBG Nr. 1) Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung für nicht gegeben erachtet, weil ein Verzicht auf den Ablieferungsanspruch ausgeschlossen sei. Damit befasst sich weder die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts noch diejenige des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Letzteres hat ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände einen Vertrauensschutz bei unklarer Rechtslage und einer Gesetzesänderung im Hinblick auf davor liegende Tatbestände angenommen. Hierzu hat das Berufungsgericht keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt.