Entscheidungsdatum: 08.11.2018
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der 1953 geborene Kläger stand als Bundesbahnobersekretär (Besoldungsgruppe A7 BBesO) im Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Am 31. Januar 2000 erlitt der Kläger bei einem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatgemeinde einen Unfall. Mit Ablauf des 31. März 2008 versetzte der Beklagte den Kläger wegen der infolge dieses Unfalls eingetretenen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Der Kläger erhielt Versorgungsbezüge, sein Antrag auf Gewährung von Leistungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge blieb auch im Klageverfahren erfolglos. Aufgrund der durch den Unfall eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers zahlte die Unfallkasse zunächst eine Rente nach Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie Mehrleistungen nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 21 ihrer Satzung. Die Unfallkasse erkannte den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 i.V.m. § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dem Grunde nach an. Zur Berechnung der Vollrente des Klägers bat die Unfallkasse den Beklagten um Feststellung der tatsächlich gezahlten Regelversorgung sowie der Höhe der fiktiven Unfallversorgung. Der Beklagte teilte die aus seiner Sicht maßgeblichen Werte für den Zeitraum ab dem 1. April 2008 mit. Daraufhin setzte die Unfallkasse rückwirkend ab dem 1. April 2008 Erhöhungsbeträge fest und schrieb diese abhängig von den Mitteilungen des Beklagten über die gezahlte Regelversorgung und die Höhe der fiktiven Unfallversorgung fort.
Anfang Dezember 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Feststellung der fiktiven Unfallversorgung für den Zeitraum ab 1. April 2008 unter Berücksichtigung eines (fiktiven) Unfallruhegehalts mit einem Ruhegehaltssatz von 75 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sowie eines (fiktiven) Unfallausgleichs nach § 35 Abs. 1 BeamtVG in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG. Das Verwaltungsgericht hat die entsprechende Untätigkeitsklage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei zulässig, sie sei jedoch mangels einer Anspruchsgrundlage unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Es handele sich nicht um eine Verpflichtungs-, sondern um eine allgemeine Leistungsklage. Die Feststellung der Höhe der fiktiven Unfallversorgung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII sei mangels einer Rechtswirkung nach außen kein Verwaltungsakt. Die statthafte Leistungsklage sei aber unzulässig. Denn dem Kläger fehle die Klagebefugnis. Weder § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII noch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht begründe den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Feststellung einer höheren (fiktiven) Unfallversorgung. Zudem stehe der Zulässigkeit der Klage der Rechtsgedanke des § 44a VwGO entgegen. Bei der Feststellung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII handele sich um eine unselbstständige Verfahrenshandlung, die nach § 44a VwGO und dem gleichlautenden § 56a SGG nur gleichzeitig mit der Sachentscheidung angegriffen werden könne. Die Feststellung der Höhe der Versorgungsbezüge nach § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII sei eine bloße Mitwirkungshandlung einer anderen Behörde im Rahmen des Verfahrens der Bewilligung einer Unfallrente gemäß §§ 56 f. SGB VII, die nur der Vorbereitung der abschließenden Sachentscheidung diene, die allein der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu treffen habe. Im sozialgerichtlichen Verfahren gegen den Rentenbescheid habe das Sozialgericht auch die Feststellungen des Beklagten im Wege einer Inzidentkontrolle inhaltlich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde des Klägers beimisst.
Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,
"ob das Fürsorgeprinzip aus § 78 BBG einem Beamten einen eigenen Anspruch gegenüber dem Dienstherrn auf Feststellung seiner fiktiven Versorgungsbezüge zur Ermittlung einer Rente eines Sozialversicherungsträgers gewährt, ohne dass der Rechtsgedanke des § 44a VwGO entgegensteht."
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.
Zwar entspricht die Beschwerdebegründung der Vorgabe, dass bei einer auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützten Berufungsentscheidung gegen jede der Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend zu machen ist. Denn die Fragestellung umfasst - formal - sowohl die Frage der Anspruchsgrundlage und damit den Aspekt der Klagebefugnis als auch die ebenfalls zur Unzulässigkeit der Leistungsklage führende Annahme des Berufungsurteils, bei der Feststellung nach § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII handele es sich um eine unselbstständige Verfahrenshandlung i.S.v. § 44a VwGO oder § 56a SGG. Für die Entscheidung über die Beschwerde ist dabei unerheblich, dass sich der erste Teil der einheitlichen Fragestellung auf das Bestehen eines materiellen Anspruchs bezieht, während der zweite Teil nicht auf das Bestehen des Anspruchs, sondern auf den Gesichtspunkt seiner prozessualen Durchsetzung bezogen ist.
Die vom Kläger als Einheit aufgeworfene Frage vermag die Zulassung der Revision aber nicht zu rechtfertigen, weil sie bereits im Hinblick auf den Teilaspekt des Umfangs der Fürsorgepflicht nach dem Gesetzeswortlaut mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Urteils des Berufungsgerichts beantwortet werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 28. November 2017 - 2 B 53.17 - Buchholz 240 § 42 BBesG Nr. 32 Rn. 5).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Wirkungsbereich der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 78 BBG im Verhältnis zu speziellen gesetzlichen Regelungen eingeschränkt ist. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.). Hat der Gesetzgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, beurteilt sich die Frage nach Ansprüchen eines Betroffenen nach Maßgabe dieser gesetzlichen Regelung. Das Ergebnis der Auslegung der speziellen gesetzlichen Regelung darf nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 1 S. 3, vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.>, vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - Buchholz 232.01 § 48 BeamtStG Nr. 1 Rn. 22 und vom 17. November 2017 - 2 A 3.17 - NVwZ-RR 2018, 193 Rn. 27).
Für Renten für Beamte hat der Gesetzgeber in § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB VII geregelt, dass, sofern das Dienstverhältnis wegen Dienstunfähigkeit infolge des Versicherungsfalls endet, Vollrente insoweit gezahlt wird, als sie zusammen mit den Versorgungsbezügen aus dem Dienstverhältnis die Versorgungsbezüge, auf die der Beamte bei Vorliegen eines Dienstunfalls Anspruch hätte, nicht übersteigt. In Satz 3 hat der Gesetzgeber die Verpflichtung der Dienstbehörde begründet, die Höhe dieser fiktiven Versorgungsbezüge festzustellen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob der Kläger beim Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Beklagten als Dienstbehörde zur Festsetzung der (fiktiven) Unfallversorgung rückwirkend ab dem 1. April 2008 unter Berücksichtigung eines (fiktiven) Unfallruhegehalts mit einem Ruhegehaltssatz von 75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sowie eines (fiktiven) Unfallausgleichs nach § 35 Abs. 1 BeamtVG in Höhe der Grundrente nach § 31 BVG beanspruchen kann, richtet sich entsprechend dem dargestellten Verhältnis nach der Auslegung von § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII, nicht nach der allgemeinen Fürsorgepflicht. Diese gesetzliche Regelung - § 61 Abs. 1 Satz 3 SGB VII - wird aber nach der Beschwerdebegründung ausdrücklich nicht zur rechtsgrundsätzlichen Klärung gestellt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG. Die genaue Höhe der finanziellen Folgen der vom Kläger angestrebten Verurteilung des Beklagten steht derzeit noch nicht fest.