Entscheidungsdatum: 28.01.2015
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Dezember 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO, § 69 BDG und § 41 des Disziplinargesetzes Berlin - DiszG Be - an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil kann auf dem vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmangel der unzureichenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beruhen.
1. Der 1964 geborene Beklagte stand bis zu seiner antragsgemäßen Versetzung in den Ruhestand wegen Polizei- und allgemeiner Dienstunfähigkeit zum 1. April 2009 als Polizeihauptmeister im Dienst des Klägers. Seit Ende Februar 2005 war der Beklagte dienstunfähig erkrankt gewesen. Seit dem August 2007 ist ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Im Jahr 2007 wurde der Beklagte wegen des Vortäuschens einer Straftat und wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Beklagte hatte im Mai 2003 Anzeige gegen Unbekannt wegen des angeblichen Diebstahls seines Motorrads erstattet. Tatsächlich hatte er das Motorrad zuvor einem Dritten mit der Maßgabe übergeben, dieses auseinanderbauen zu lassen, um die Einzelteile weiterverkaufen zu können. Ferner zeigte der Beklagte den angeblichen Diebstahl seines Motorrads seiner Versicherung an, die ihm die Versicherungssumme von 8 000 € auszahlte. Eine erste im sachgleichen Disziplinarverfahren erhobene Disziplinarklage hatte das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei nicht von der dafür zuständigen Stelle erhoben worden. Auf die zweite Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der erneuten Disziplinarklage stehe die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die erste Disziplinarklage abgewiesen worden sei, nicht als Prozesshindernis entgegen. Denn die Abweisung sei ausschließlich auf die Unzulässigkeit der Klage gestützt worden, weil diese nicht von der zuständigen Stelle erhoben worden sei. Vor der Erhebung der Disziplinarklage sei die Beteiligung des Personalrats nicht erforderlich gewesen, weil der Beklagte vor Erhebung der Klage in den Ruhestand versetzt worden sei. Bei der Erhebung der Klage gegen Ruhestandsbeamte müsse der Personalrat nicht mitwirken. Das außerdienstliche Dienstvergehen des Beklagten sei disziplinarwürdig. Es erfordere unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände die Aberkennung des Ruhegehalts. Der Beklagte könne sich weder auf den anerkannten Milderungsgrund des Handelns in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Notlage berufen noch lägen greifbare Anhaltspunkte für die Annahme vor, der Beklagte habe die Pflichtverletzungen in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen.
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG und § 41 DiszG Be).
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.
a) Die Beschwerde sieht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage, unter welchen allgemeinen Bedingungen eine "existentielle, wirtschaftliche Notlage" im Sinne des anerkannten Milderungsgrundes angenommen werden kann. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil dieser Begriff in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, soweit möglich, rechtsgrundsätzlich geklärt ist.
Nach der ständigen Praxis des Bundesverwaltungsgerichts ist der anerkannte Milderungsgrund des Handels in einer unverschuldet entstandenen, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage gegeben, wenn es sich um ein zeitlich begrenztes Fehlverhalten des Beamten handelt und dieser die veruntreuten Gelder oder Güter zur Milderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat, d.h. er ohne die pflichtwidrige Verwertung der Gelder oder Güter von den für den Lebensbedarf notwendigen Leistungen abgeschnitten wäre (BVerwG, Urteile vom 5. Oktober 1994 - 1 D 31.94 - BVerwGE 103, 177 <179>, vom 27. September 2000 - 1 D 24.98 - juris Rn. 13 und vom 6. Juni 2007 - 1 D 2.06 - Rn. 28 ff.).
Eine weitergehende generelle Bestimmung des Begriffs der existenziellen, wirtschaftlichen Notlage wäre in einem Revisionsverfahren nicht möglich. Ob das Oberverwaltungsgericht diese Grundsätze auf den konkreten Einzelfall richtig angewendet hat, ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.
b) Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnet die Beschwerde ferner die Frage, ob das Berliner Personalvertretungsrecht die Mitwirkung der behördlichen Personalvertretung bei der Erhebung der Disziplinarklage gegen Ruhestandsbeamte vorschreibt. Auch diese Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu rechtfertigen. Sie ist aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Urteils des Oberverwaltungsgerichts dahingehend zu beantworten, dass Ruhestandsbeamte nicht erfasst sind.
Nach § 90 Nr. 8 des Personalvertretungsgesetzes Berlin in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1974 (- PersVG Be - GVBl. S. 337) wirkt die Personalvertretung bei der Erhebung der Disziplinarklage gegen Beamte mit. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 PersVG Be bestimmen die Beamtengesetze, wer Beamter ist. Die für die Statusrechte und -pflichten der Beamten des Klägers maßgebliche Vorschrift des § 21 Nr. 4 BeamtStG regelt, dass das Beamtenverhältnis durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand endet. Daraus folgt, dass das Beamtenstatusgesetz, wenn es von Beamten und Beamtenverhältnis spricht, den aktiven Beamten und dessen Rechte und Pflichten und nicht den Ruhestandsbeamten und dessen sich an das aktive Beamtenverhältnis anschließende Ruhestandsbeamtenverhältnis meint (Plog/Wiedow, BeamtStG, § 21 Rn. 2 sowie BBG 2009 § 30 Rn. 7; Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, BPersVG, 8. Aufl. 2013 § 78 Rn. 33). Dass das Berliner Personalvertretungsgesetz die Mitwirkung des Personalrats bei der Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten nicht auch auf Ruhestandsbeamten erstreckt, folgt auch aus der gesetzlichen Aufgabenstellung der Personalvertretung. Nach § 2 Abs. 1 PersVG Be arbeiten die Personalvertretungen mit den Dienststellen, den Dienstbehörden und den obersten Dienstbehörden zum Wohle der Dienstkräfte und zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zusammen. Ruhestandsbeamte dagegen sind - mangels Dienstleistungspflicht - keine Dienstkräfte mehr, sie wirken auch nicht mehr an der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der Beschäftigungsbehörden mit und sind deshalb vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht mehr erfasst.
3. Die vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach § 133 Abs. 6 VwGO.
a) Allerdings ist die Verfahrensrüge, das Oberverwaltungsgericht habe mit seinem Urteil die Rechtskraft seines die erste Disziplinarklage abweisenden Beschlusses missachtet (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 BDG und § 41 DiszG Be), unbegründet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 2 B 99.13 - juris). Denn der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 17. April 2012 entfaltet keine Rechtskraftwirkung dahingehend, dass er die erneute Erhebung der Disziplinarklage und eine Verurteilung des Beklagten im gerichtlichen Disziplinarverfahren ausschließt.
Nach § 59 Abs. 2 BDG und § 41 DiszG Be steht der rechtskräftige Beschluss nach § 59 Abs. 1 BDG einem rechtskräftigen Urteil im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG gleich. Gemäß § 121 Nr. 1 VwGO, § 3 BDG und § 3 DiszG Be werden die Beteiligten durch rechtskräftige Urteile gebunden, "soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist". Die Rechtskraft eines Urteils soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird. Das Gericht ist im Folgeverfahren an einer erneuten Sachprüfung gehindert (BVerwG, Urteile vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258>, vom 10. Mai 1994 - 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <26> m.w.N. und vom 25. Oktober 2012 - 2 C 41.11 - NVwZ-RR 2013, 320 Rn. 24; BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - NJW 1983, 2032).
Der Inhalt des formell rechtskräftigen Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft ist der Entscheidung im Ganzen zu entnehmen. Maßgebend ist in erster Linie die Urteilsformel. Lässt die Urteilsformel den Inhalt der Entscheidung nicht mit Sicherheit erkennen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen ergänzend heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 1963 - 2 C 20.63 - BVerwGE 17, 293 <299> und vom 21. September 1984 - 8 C 4.82 - BVerwGE 70, 159 <161>; BGH, Urteile vom 27. Februar 1961 - III ZR 16/60 - BGHZ 34, 337 <339>, vom 3. Juli 1961 - III ZR 19/60 - BGHZ 35, 338 <340> und vom 17. Februar 1983 - III ZR 174/81 - NJW 1983, 2032).
Das Oberverwaltungsgericht hat mit seinem rechtskräftigen Beschluss vom 17. April 2012 das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Disziplinarklage abgewiesen. Diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht damit begründet, dass die diesem Verfahren zugrunde liegende Disziplinarklage nicht von der nach § 34 Abs. 2 Satz 1 DiszG Be zuständigen Stelle erhoben worden ist. Nach den ergänzend heranzuziehenden Entscheidungsgründen des Beschlusses erstreckt sich dessen Rechtskraftwirkung lediglich auf die Zuständigkeitsfrage. Eine Sachentscheidung über eine Disziplinarmaßnahme, die in materielle Rechtskraft hätte erwachsen und damit zum Verbrauch der Disziplinargewalt des Klägers hätte führen können, hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Dass dieser Beschluss zugleich die entgegenstehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert hat, macht ihn nicht zu einer Sachentscheidung. Damit steht die Rechtskraft des Beschlusses vom 17. April 2012 der erneuten Erhebung der Disziplinarklage nicht entgegen.
b) Demgegenüber ist die weitere Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die aus § 86 Abs. 1 VwGO, § 58 Abs. 1 BDG und § 41 DiszG Be folgende Pflicht zur Erhebung der erforderlichen Beweise begründet.
Nach diesen Vorschriften obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies nach ihrem materiellrechtlichen Rechtsstandpunkt für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> und vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 1).
Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, so darf das Verwaltungsgericht diesen Aspekt nicht ohne Sachaufklärung zu Gunsten des Beamten unterstellen, ihm aber bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme kein Gewicht beimessen. Vielmehr muss es die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären.
Hat der Beamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 29 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 2 B 61.10 - juris Rn. 9).
Daran gemessen muss geklärt werden, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierfür bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzung für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten des Beamten hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab. Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 30).
Aufgrund des Vorbringens des Beklagten auch im Berufungsverfahren bestand hinreichender Anlass, der entscheidungserheblichen Frage der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten zum Tatzeitpunkt (Mai 2003) nachzugehen. Auch hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung für den Fall, dass sein Antrag auf Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und Abweisung der Klage erfolglos bleibt, beantragt, ein Gutachten eines forensischen Psychiaters zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass er sich im Zeitpunkt der Tat aufgrund starken Alkohol- und Drogenkonsums im Verbund mit einer Depression in einem Zustand zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit befand.
Ob das Oberverwaltungsgericht den erwähnten Hilfsbeweisantrag verfahrensfehlerfrei mit der Begründung hätte ablehnen können, dass es sich - jedenfalls bei den erstmals in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten behaupteten Cannabis-Konsum (vgl. Sitzungsprotokoll S. 5) - um gesteigertes, daher unglaubhaftes Vorbringen handelte und deshalb keine hinreichenden Anhaltspunkte für den behaupteten Entlastungsgrund vorlagen, kann dahinstehen. Diesen Weg ist das Oberverwaltungsgericht nicht gegangen. Es hat vielmehr seiner rechtlichen Würdigung die Angaben des Beklagten zu dem von ihm behaupteten Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum zugrunde gelegt (UA S. 28 ff.). Nach diesen tatsächlichen Annahmen des Oberverwaltungsgerichts hat der Beklagte während eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Tatzeitpunkt regelmäßig täglich Bier und Kräuterlikör sowie Cannabis konsumiert. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, es sei auszuschließen, dass der damit vom Beklagten beschriebene Missbrauch in Gestalt des Alkohol- und Betäubungsmittelkonsums während dieser vergleichsweise kurzen Zeitspanne eine schwere psychische Persönlichkeitsveränderung nach sich gezogen haben könnte. Für eine solche Bewertung der Folgen eines regelmäßigen Cannabiskonsums sowie eines regelmäßigen Parallelkonsums von Alkohol und Cannabis bedarf es medizinischer Sachkunde, über die ein Gericht nicht verfügt. Dementsprechend muss das Gericht zur Bewertung der Auswirkungen in aller Regel sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen. Glaubt das Gericht, die erforderliche medizinische Sachkunde ausnahmsweise selbst zu besitzen und auf sachverständige Hilfestellung verzichten zu können, muss es dies darlegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2014 - 2 B 24.12 - IÖD 2014, 100 Rn. 10 und vom 26. Mai 2014 - 2 B 69.12 - NJW 2014, 2971 Rn. 10 m.w.N.). Dem Berufungsurteil ist aber nicht zu entnehmen, woraus sich dieser vom Oberverwaltungsgericht für sich in Anspruch genommene Sachverstand - ausnahmsweise - ergibt. Auch hat das Oberverwaltungsgericht nicht ermittelt, welche Mengen Alkohol und Cannabis der Beklagte, der in der Zeit vom 25. April bis zum 26. Mai 2003 dienstunfähig erkrankt war, täglich konsumiert hat. Es hat sich ferner nicht mit der allgemeinkundigen wissenschaftlichen Erkenntnis auseinandergesetzt, dass der kombinierte Konsum von Cannabis und Alkohol zu einer Potenzierung der Wirkungen beider Stoffe führt und deshalb psychotische Störungen oder Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems zur Folge haben kann (VGH München, Urteil vom 12. März 2012 - 11 B 10.955 - SVR 2012, 396 Rn. 54 m.w.N. und VGH Mannheim, Beschluss vom 19. August 2013 - 10 S 206/13 - NJW 2014, 410 Rn. 6 m.w.N.).
Ferner ergibt sich aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, dass dem Attest des den Beklagten im Tatzeitraum behandelnden Facharztes Hinweise darauf zu entnehmen sind, dass der Beklagte bereits im April 2003 an einem Burnout-Syndrom gelitten habe, welches durch eine deutlich depressive Stimmung dominiert gewesen sei. Auch dieser Diagnose hat das Oberverwaltungsgericht jegliche Bedeutung für die forensische Bewertung des psychischen Zustands des Beklagten im Mai 2003 abgesprochen, ohne seine für eine solche Bewertung erforderliche medizinische Sachkunde darzulegen.
Soweit das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Frage einer schweren psychischen Persönlichkeitsveränderung auf die dienstliche Beurteilung des Beklagten vom 10. September 2003 abgestellt hat, nach der beim Beklagten keinerlei Einschränkungen bei der Dienstausübung festzustellen seien, ist zu beachten, dass der Beklagte zum Tatzeitpunkt Ende Mai 2003 bereits seit einem Monat dienstunfähig erkrankt war. Damit können aus der unauffälligen Dienstausübung des Beklagten nur eingeschränkt Rückschlüsse auf seinen gesundheitlichen Zustand zum Zeitpunkt der Taten gezogen werden.