Entscheidungsdatum: 23.01.2014
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Juni 2013 - 2 Sa 252/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung.
Die 1957 geborene Klägerin war seit 1977 bei der Universität des beklagten Landes als Sachbearbeiterin beschäftigt. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten haushälterische, kaufmännische und Sekretariatsaufgaben. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Anwendung.
Im Jahr 2009 erhielt die Klägerin den Auftrag, die Mülltonnen für zwei Universitätsgebäude bei der Stadt „abzumelden“. Ob sie dem nachgekommen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 23. Februar 2010 fand ein Mitarbeitergespräch zwischen der Klägerin und ihrer Referatsleiterin statt. Gegenstand war die nicht zufriedenstellende Arbeitsorganisation der Klägerin. Ihr wurde ein Fortbildungsangebot zum Stress- und Zeitmanagement unterbreitet. Dieses nahm sie nicht wahr.
Im Laufe des Jahres erhielt die Universität alle drei Monate Abfallgebührenbescheide und später entsprechende Mahnungen, welche die fraglichen Mülltonnen betrafen. Es handelte sich um insgesamt 16 Schreiben. Diese wurden von der Klägerin nicht bearbeitet. Mit Schreiben vom 31. Januar 2011 übersandte die Stadt der Universität entsprechende Zahlungsaufforderungen über insgesamt 4.936,70 Euro; die Summe wurde aus Kulanz auf 4.632,84 Euro reduziert.
Am 3. Februar 2011 bat die Referatsleiterin die Klägerin zu einem Gespräch. Die Klägerin teilte mit, dass sie die Mülltonnen im November 2009 auftragsgemäß abgemeldet habe. Gegen den ersten Gebührenbescheid habe sie am 5. Februar, gegen den zweiten im Mai 2010 Widerspruch eingelegt. Kopien der Schreiben befanden sich bei den Akten. Es war jedoch weder deren Versand im Postausgangsbuch vermerkt noch ihr Zugang - auf Nachfrage - vom Empfänger bestätigt worden. Die Referatsleiterin äußerte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Schilderungen und bat die Klägerin, noch einmal über den Vorgang nachzudenken. Am darauf folgenden Morgen räumte die Klägerin ein, die beiden Widersprüche nicht zu dem darin angegebenen Datum verfasst, sondern nachträglich gefertigt und zu den Unterlagen genommen zu haben. Die Abmeldung der Mülltonnen sei aber tatsächlich erfolgt.
Im März 2011 beantragte das beklagte Land beim Personalrat die Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung. Nachdem der Personalrat seine Zustimmung verweigert hatte, leitete es das Einigungsstellenverfahren ein. Dieses wurde aus formellen Gründen ohne Entscheidung beendet. Im Mai 2011 wurde die Klägerin vorübergehend in die Bibliothek versetzt.
Am 21. Oktober 2011 ersuchte das beklagte Land den Personalrat (erneut) um Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung. Dieser verweigerte seine Zustimmung abermals. Nachdem auch eine Einigung zwischen der obersten Dienstbehörde und dem Hauptpersonalrat nicht zustande gekommen war, wurde die Zustimmung auf Antrag des beklagten Landes am 26. Januar 2012 durch die Einigungsstelle ersetzt. Wann der begründete und vom Vorsitzenden der Einigungsstelle unterschriebene Beschluss den Beteiligten zuging, ist nicht festgestellt.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2012 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2012.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Sie hat behauptet, sie habe im November 2009 die Müllentsorgungsverträge gekündigt. Der Umstand, dass sie die Gebührenbescheide und Mahnungen nicht bearbeitet habe, sei auf das hohe Arbeitsaufkommen zurückzuführen. Nach Eingang der Zahlungsaufforderungen im Januar 2011 sei sie in Panik geraten und habe die rückdatierten Widersprüche verfasst. Die Beklagte könne sie zumindest auf einem anderen Arbeitsplatz - etwa in der Universitätsbibliothek - weiterbeschäftigen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil eine ordnungsgemäße Zustimmung des Personalrats nicht vorliege. Dieser sei schon nicht ausreichend unterrichtet worden. Das beklagte Land habe ihm nicht mitgeteilt, dass sie wiederholt die Begleichung des Schadens angeboten habe. Die Kündigung sei außerdem erklärt worden, bevor dem beklagten Land der Beschluss der Einigungsstelle mit beigefügter Begründung und Unterschrift des Vorsitzenden zugestellt worden sei.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung vom 20. Februar 2012 zum 30. September 2012 beendet worden ist. |
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, die Kündigung sei wirksam. Es hat bestritten, dass die Klägerin die Mülltonnen abgemeldet habe. Auch in der Vergangenheit habe die Klägerin Rechnungen nicht zuverlässig bearbeitet. In den Jahren 2004 und 2005 sei sie entsprechend ermahnt worden. Im Februar 2011 habe sie nicht nur Rechnungen und Mahnungen nachlässig bearbeitet, sondern habe die Akten manipuliert und dadurch ihre Vorgesetzte aktiv getäuscht. Damit habe sie das Vertrauensverhältnis der Parteien unwiederbringlich zerstört. Ein anderweitiger Arbeitsplatz sei nicht vorhanden. Die Stelle der Klägerin könne nicht dauerhaft der Bibliothek zugeordnet werden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 20. Februar 2012 mit Ablauf des 30. September 2012 aufgelöst worden.
I. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin bedingt.
1. Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - etwa eine Abmahnung oder eine Versetzung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 16 mwN; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34 mwN). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35).
2. Die Klägerin hat ihre vertraglichen Pflichten - die tatsächliche Abmeldung der Mülltonnen zu ihren Gunsten unterstellt - dadurch erheblich und schuldhaft verletzt, dass sie innerhalb der Zeitspanne von etwa einem Jahr auf insgesamt 16 Schreiben der Stadt nicht reagiert und anschließend zwei in Wahrheit nicht versandte Widerspruchsschreiben unter falschem Datum erstellt und zu den Akten genommen hat. Damit ist sie nicht nur ihren Hauptleistungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Sie hat darüber hinaus durch Manipulation der Akten versucht, ihre Pflichtverstöße zu verschleiern und eine korrekte Aufgabenerfüllung vorzutäuschen. Auf diese Weise hat sie das in sie gesetzte Vertrauen des beklagten Landes zerstört.
3. Eine auf diese Pflichtverletzungen gestützte ordentliche Kündigung ist nicht unverhältnismäßig. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht.
a) Hätte die Klägerin die Gebührenbescheide und Mahnungen lediglich nicht bearbeitet, wäre zwar auch dies pflichtwidrig gewesen: Gerade auf der Grundlage ihrer Behauptung, sie habe die fraglichen Mülltonnen im November 2009 in Wirklichkeit abgemeldet, hätte sie sich bei der Stadt um Aufklärung des Sachverhalts und ggf. Rücknahme der Bescheide bemühen müssen; auch unter Berücksichtigung eines - behaupteten - hohen Arbeitsaufkommens ist nicht zu erkennen, dass es ihr unmöglich gewesen wäre, bei Vorgesetzten oder Kollegen Abhilfe zumindest zu initiieren. Der Vorwurf hätte sich dann aber auf bloße Leistungsmängel beschränkt. Selbst wenn sie es - entgegen ihrer Behauptung - versäumt haben sollte, die Mülltonnen bei der Stadt rechtzeitig abzumelden, sie sich dazu aber bei Eingang des ersten oder der späteren Gebührenbescheide bekannt und gegenüber Vorgesetzten offenbart hätte, wäre ihre Pflichtwidrigkeit auf den Leistungsbereich beschränkt und nicht „unverzeihlich“ gewesen. In beiden Fällen spräche vieles dafür, dass eine Kündigung mangels Abmahnung als unverhältnismäßig anzusehen wäre. So indessen hat es die Klägerin nicht beim Untätigbleiben bewenden lassen, sondern hat durch ihre manipulative Ergänzung der Akten um zwei vermeintliche Widerspruchsschreiben den Versuch einer aktiven Täuschung ihrer Vorgesetzten unternommen. Darin liegt eine nicht hinnehmbare Grenzüberschreitung. Es ist dem beklagten Land objektiv nicht zuzumuten, eine Mitarbeiterin - wenn es sich dazu denn von sich aus nicht in der Lage sieht - weiterzubeschäftigen, die bereit ist, um der Vertuschung eigener Fehler willen Akten zu manipulieren.
b) Dem Umstand, dass die Klägerin die Erstellung der in Wahrheit nicht versandten Widerspruchsschreiben eingeräumt sowie nachträglich die Wiedergutmachung des Schadens angeboten hat, kommt - wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat - keine entlastende Bedeutung zu. Die Vorgesetzte der Klägerin hatte bereits vor deren „Geständnis“ festgestellt, dass die Widerspruchsschreiben weder im Postausgangsbuch vermerkt noch dem Empfänger zugegangen waren - ebenso wenig wie eine Kündigung der Müllentsorgungsverträge. Damit hatte sie die Klägerin konfrontiert. Angesichts dessen kann nicht die Rede davon sein, die Offenbarung der Klägerin sei „freiwillig“ erfolgt. Sie ist deshalb - ebenso wenig wie das spätere Angebot eines Schadensausgleichs - nicht geeignet, einen Verlust des Vertrauens in die Lauterkeit der Klägerin zu verhindern.
c) Etwas anderes gilt nicht mit Blick auf die Betriebszugehörigkeit der Klägerin von mehr als dreißig Jahren. Die Klägerin hat gezeigt, dass sie bereit ist, ein sich im Laufe von gut einem Jahr im Durchschnitt alle vier bis fünf Wochen bemerkbar machendes, sich dabei insbesondere finanziell ständig verstärkendes Problem vor sich her zu „schieben“, um schließlich mit Hilfe von Aktenmanipulationen ein korrektes Verhalten vorzutäuschen und von eigenen Verantwortlichkeiten und Fehlern abzulenken. Ein solcher, mit möglichst großer Heimlichkeit einhergehender Täuschungsversuch wird auch durch jahrzehntelange pflichtgemäße Aufgabenerfüllung nicht aufgewogen. Es kommt hinzu, dass die Klägerin noch im Februar 2010 zum wiederholten Male auf ihre nicht zufriedenstellende Arbeitsorganisation hingewiesen worden war und das ihr unterbreitete Fortbildungsangebot zum Stress- und Zeitmanagement abgelehnt hat.
d) Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, das Landesarbeitsgericht habe zu ihren Gunsten berücksichtigen müssen, dass sie nicht vorsätzlich zu Lasten des beklagten Landes gehandelt habe und diesem kein Schaden entstanden sei. Die Annahmen der Klägerin treffen bereits in der Sache nicht zu. Zumindest mit der Erstellung der rückdatierten Widerspruchsschreiben hat sie vorsätzlich zu Lasten des beklagten Landes gehandelt. Ihr Verhalten diente dabei nicht nur der Verschleierung von Arbeitsversäumnissen. Es war überdies geeignet, die Erhebung von Regressansprüchen gegen sie wenn nicht zu vereiteln, so doch zu erschweren. Dem beklagten Land ist auch ein Schaden entstanden. Der Umstand, dass die offenbar nicht mehr benötigten Mülltonnen möglicherweise dennoch geleert wurden, ändert nichts daran, dass Universität und Land die betreffenden Kosten gerade einsparen wollten.
e) Die Kündigung ist nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Klägerin auf einem anderen Arbeitsplatz zu Bedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können, unter denen sich die eingetretene Vertragsstörung nicht mehr, zumindest nicht mehr in erheblicher Weise ausgewirkt hätte (vgl. dazu BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 19 ff.; 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 15). Das Landesarbeitsgericht hat mit Bezug auf das Urteil des Arbeitsgerichts angenommen, ein anderweitiger Arbeitsplatz sei nicht frei gewesen. Dem ist die Klägerin in der Revision nicht entgegengetreten. Ob dem beklagten Land eine Weiterbeschäftigung andernfalls zumutbar gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung.
4. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil das beklagte Land von der Vertragspflichtverletzung der Klägerin bei Zugang der Kündigung schon etwa ein Jahr Kenntnis hatte.
a) Allerdings kann ein Kündigungssachverhalt durch Zeitablauf in einem Maß an Bedeutung verlieren, dass selbst eine ordentliche, dh. nicht fristgebundene Kündigung nicht mehr gerechtfertigt ist. Der Schutz des Arbeitnehmers wird insoweit durch die Grundsätze der Verwirkung gewährleistet (BAG 15. August 2002 - 2 AZR 514/01 - zu B I 3 c der Gründe mwN). Der Arbeitgeber hat das Recht zur ordentlichen Kündigung verwirkt, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, dh. die Kündigung nicht erklärt, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre (Zeitmoment), und er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde auch künftig unterbleiben (Umstandsmoment; BAG 15. August 2002 - 2 AZR 514/01 - zu B I 2 a der Gründe; 20. August 1998 - 2 AZR 736/97 - zu II 1 der Gründe).
b) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar hat das beklagte Land die Kündigung erst im Februar 2012 ausgesprochen, obwohl es bereits im Februar 2011 von dem aus seiner Sicht kündigungsrelevanten Sachverhalt Kenntnis erhalten hatte. Es fehlt jedoch am erforderlichen Umstandsmoment. Das beklagte Land hatte bereits im März 2011 den Personalrat um Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung ersucht und nach deren Verweigerung die Einigungsstelle angerufen. Dieses Verfahren wurde nur aufgrund von Bedenken des Vorsitzenden der Einigungsstelle an der Einhaltung von Fristen nicht fortgeführt. Im Mai 2011 hat das Land die Klägerin zudem - vorübergehend - auf einen Arbeitsplatz in der Bibliothek versetzt. Am 21. Oktober 2011 hat es sodann den Personalrat um Zustimmung zur streitgegenständlichen Kündigung gebeten. Angesichts dieser Aktivitäten durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, das Land werde aus dem fraglichen Sachverhalt auch künftig keine weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen ziehen.
II. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Durchführung des personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahrens unwirksam.
1. Gem. § 68 Abs. 1 Nr. 2 PersVG MV unterliegen Kündigungen der Mitbestimmung des Personalrats. Sie bedürfen seiner Zustimmung (§ 62 Abs. 1 PersVG MV). Nach § 68 Abs. 7 PersVG MV ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist.
2. Das Zustimmungsersuchen selbst ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 PersVG MV unterrichtet der Leiter der Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt seine Zustimmung. Die erforderliche Unterrichtung soll dem Personalrat die Möglichkeit eröffnen, sachgerecht zur Kündigungsabsicht Stellung zu nehmen. Dazu ist es notwendig, dass der Leiter dem Personalrat die für die Dienststelle maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilt. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet, wenn ihm der Leiter die aus der subjektiven Sicht der Dienststelle tragenden Umstände unterbreitet hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46; zu § 102 BetrVG: BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13 mwN). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es bei der Unterrichtung nicht an. Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet oder einen für dessen Entschließung wesentlichen, insbesondere einen den Arbeitnehmer entlastenden Umstand verschwiegen hat. Enthält der Dienstherr dem Personalrat bewusst ihm bekannte und seinen Kündigungsentschluss bestimmende Tatsachen vor, die nicht nur eine Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts darstellen, sondern diesem erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes verleihen, ist die Unterrichtung fehlerhaft und die Kündigung unwirksam (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46).
b) Danach hat das beklagte Land den Personalrat ordnungsgemäß unterrichtet. Es hat den aus seiner Sicht relevanten Kündigungssachverhalt, die Auswirkungen auf die betrieblichen Belange sowie seine der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrunde liegenden Erwägungen im Einzelnen dargestellt. Die Unterrichtung ist nicht deshalb unvollständig, weil das beklagte Land nicht mitgeteilt hat, dass sich die Klägerin, falls ihr Arbeitsverhältnis nicht gekündigt würde, zur Rückzahlung des entstandenen Schadens bereit erklärt hatte. Darauf kam es dem Land ersichtlich nicht an. Die - ohnehin nur bedingte - Bereitschaft zur Wiedergutmachung des Schadens war aus seiner Sicht nicht geeignet, das durch die Manipulation der Akten zerstörte Vertrauen wiederherzustellen.
3. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert nicht daran, dass der Beschluss der Einigungsstelle bei Zugang der Kündigung - möglicherweise - noch nicht mit einer Begründung versehen, vom Vorsitzenden unterschrieben und den Beteiligten zugeleitet worden war.
a) Der Leiter der Dienststelle hat die Angelegenheit nach Verweigerung der Zustimmung durch den Personalrat gem. § 62 Abs. 3 PersVG MV der übergeordneten Behörde - dem zuständigen Ministerium - vorgelegt. Dieses hat gem. § 62 Abs. 5 PersVG MV den Hauptpersonalrat beteiligt und nach dessen Weigerung, der Kündigung zuzustimmen, die Einigungsstelle angerufen. Diese hat mit Beschluss vom 26. Januar 2012 die Zustimmung ersetzt. Mängel im Verfahren sind weder gerügt noch objektiv erkennbar.
b) Mit der Beschlussfassung durch die Einigungsstelle hat das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren sein Ende gefunden. Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es nicht darauf an, ob der Beschluss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 20. Februar 2012 bereits schriftlich begründet, vom Vorsitzenden unterschrieben und den Beteiligten übersandt worden war.
aa) Gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 PersVG MV entscheidet die Einigungsstelle nach mündlicher Beratung durch Beschluss. Nach Abs. 3 Satz 1 der Regelung ist dieser schriftlich abzufassen, zu begründen und von dem Vorsitzenden zu unterzeichnen.
bb) Die Bestimmungen verlangen nicht, dass das beklagte Land vor einer Erklärung der Kündigung die Zuleitung des schriftlich begründeten und unterschriebenen Beschlusses abwartet (vgl. zur Rechtslage nach § 72 Abs. 3, Abs. 4 PersVG Brandenburg: BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 37 ff.; zur Rechtslage nach §§ 58 ff. BremPersVG: BAG 26. September 2013 - 2 AZR 843/12 - Rn. 28 ff.).
(1) § 64 PersVG MV differenziert zwischen der Entscheidung der Einigungsstelle durch Beschluss mit Stimmenmehrheit als solcher (§ 64 Abs. 2) und der schriftlichen Abfassung, Begründung und Übersendung des Beschlusses an die Beteiligten (§ 64 Abs. 3). Wortlaut und Systematik der Regelungen ist nicht zu entnehmen, dass personelle Maßnahmen, die nach der abschließenden Beratung und Entscheidung der Einigungsstelle, aber vor Zuleitung des begründeten Beschlusses getroffen werden, unwirksam wären. Die Beteiligung des Personalrats in Form des Austausches der für und gegen die Kündigung sprechenden Argumente ist in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Einigungsstelle ihren Beschluss gefasst hat (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 843/12 - Rn. 29; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 39). Das gilt, sofern das Landespersonalvertretungsgesetz - wie hier - keine abweichende Regelung enthält, auch dann, wenn der Beschlusstenor als solcher nicht unterschrieben ist. Seine mit Unterschrift des Vorsitzenden versehene Begründung und Zuleitung an die Beteiligten können das Ergebnis des Einigungsstellenverfahrens nicht mehr beeinflussen. Hat die Einigungsstelle die Zustimmung des Personalrats durch Beschluss ersetzt, erfolgt eine anschließend erklärte Kündigung nicht ohne das erforderliche Einvernehmen.
(2) Auch Sinn und Zweck des Begründungszwangs sprechen für dieses Verständnis. Die Begründung soll den Beteiligten die maßgebenden Erwägungen der Einigungsstelle erläutern. Durch sie sollen Transparenz hergestellt, die Überzeugungskraft des Beschlusses verstärkt und die gerichtliche Kontrolle der Entscheidung der Einigungsstelle erleichtert werden (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 843/12 - Rn. 30). Für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers und die materielle Berechtigung der Kündigung hat die Begründung der Einigungsstelle hingegen keine maßgebende Bedeutung, wenn er - wie hier - dem Beschluss folgt. Auch für die nicht erzwungene Zustimmung des Personalrats schreibt das Gesetz keine Begründung vor. Eine Verpflichtung, die schriftliche Begründung des Einigungsstellenspruchs abzuwarten, hätte lediglich ein Hinausschieben der Kündigungserklärung zur Folge. Das ohnehin zeitaufwendige Mitbestimmungsverfahren dient nicht dem zeitlichen Aufschub der Maßnahme, sondern ihrer Beratung. Hat diese ihren Abschluss gefunden, besteht kein sachlicher Grund für ein weiteres Zuwarten (vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 843/12 - Rn. 30; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 39).
(3) Diesem Ergebnis steht - anders als die Klägerin meint - die Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 14. September 2010 - 1 ABR 30/09 - BAGE 135, 285; 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - BAGE 135, 377) nicht entgegen. Danach ist ein Spruch der Einigungsstelle nur wirksam, wenn er schriftlich niedergelegt und mit der Unterschrift des Vorsitzenden versehen beiden Betriebsparteien zugeleitet worden ist. Die Entscheidungen betreffen einen Spruch der betrieblichen Einigungsstelle nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG. Die in ihnen aufgestellten Grundsätze lassen sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Gegenstand der Einigungsstellenverfahren in den vom Ersten Senat entschiedenen Fällen war der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Deren normative Wirkung kann aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erst mit der Zuleitung eines formwirksamen Beschlusses der Einigungsstelle eintreten (BAG 14. September 2010 - 1 ABR 30/09 - Rn. 19, aaO; vgl. für eine Dienstvereinbarung: BVerwG 20. Dezember 1988 - 6 P 34.85 -). Ein solches Formerfordernis besteht für die Zustimmungsersetzung durch die Einigungsstelle in personellen Angelegenheiten nicht. Hier ersetzt der Beschluss der Einigungsstelle nicht etwa die dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB unterliegende Kündigungserklärung, sondern die Zustimmung der zuständigen Personalvertretung. Diese unterliegt keinem Formzwang (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 843/12 - Rn. 33).
III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Kreft |
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Beckerle |
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B. Schipp |