Entscheidungsdatum: 18.04.2018
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts H. G. , , gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 4. September 2017 - 1 ARs 18/17 - wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer, der den Angeklagten M. in dem vor dem Amtsgericht L. anhängigen Strafverfahrens 6c Cs 110 Js 1668/16 (11293/16) wegen vorsätzlich unerlaubten Umgangs mit Abfällen (§§ 326 Abs. 1 Nr. 1 und 4a, 52 StGB) als Wahlverteidiger vertritt, gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
1. Das Amtsgericht L. führt gegen den Beschuldigten M. ein Strafverfahren wegen Verdachts des vorsätzlichen unerlaubten Umgangs mit Abfällen (§§ 326 Abs. 1 Nr. 2 und 4a, 52 StGB). Ihm liegt zur Last, am 19. April 2016 auf dem Grundstück B. in W. unerlaubt ein Kraftfahrzeug-Wrack gelagert zu haben, in welchem sich noch umweltgefährdende Betriebsflüssigkeiten befunden haben sollen. Darüber hinaus soll er unerlaubt rund 20 alte und asbesthaltige Eternitplatten auf ungeschütztem Boden gelagert und der Witterung ausgesetzt haben, obwohl er gewusst habe, dass es sich um Sondermüll handele.
a) Der Ursprung des Ermittlungsverfahrens beruhte auf den Wahrnehmungen zweier Polizeibeamter, die sich am 23. Februar 2015 in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zur Ermittlung eines Fahrzeughalters auf das Grundstück B. begeben und dort festgestellt hatten, dass auf dem Grundstück mehrere abgemeldete Schrottfahrzeuge abgestellt waren, von denen mindestens ein Fahrzeug noch Betriebsstoffe enthalten hatte. Die Polizeibeamten hatten auf dem Hausgrundstück zwei männliche Personen angetroffen, von denen eine auf die Frage, ob es sich bei ihm um den Fahrzeughalter handele, angegeben hatte, dass er auf dem Hausgrundstück lediglich arbeite, während die zweite männliche Person, die aus dem Haus getreten war, sich auf entsprechende Frage der Beamten geweigert hatte, ihre Personalien anzugeben.
Die weiteren polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass das Hausgrundstück B. im Eigentum von Rechtsanwalt J. G. , dem Sohn von Rechtsanwalt H. G. , steht, und dass unter der angegebenen Anschrift allein M. gemeldet ist. Als Halterin des in abfallrechtlicher Hinsicht verdächtigen Kraftfahrzeugs – eines seit 2013 stillgelegten Suzuki Vitara – wurde Frau A. B. ermittelt. Einer Ladung zur Vernehmung am 23. April 2015 kam sie nicht nach; für sie meldete sich telefonisch Rechtsanwalt H. G. und fragte nach dem Grund für die Vorladung der Zeugin. Auch einer weiteren auf den 19. Januar 2016 anberaumten Zeugenvernehmung leistete sie keine Folge, vielmehr meldete sich wenige Tage vor dem Vernehmungstermin erneut Rechtsanwalt H. G. und bat um Verlegung des Vernehmungstermins unter Hinweis auf das Erfordernis der Bestellung eines Zeugenbeistands. Die Staatsanwaltschaft sah daraufhin von einer Vernehmung der Zeugin ab, leitete das bisher gegen unbekannt geführte Ermittlungsverfahren in ein Verfahren gegen den Beschuldigten M. über und erwirkte beim Amtsgericht A. einen Durchsuchungsbeschluss für das Hausgrundstück, der am 19. Januar 2016 erlassen und am 19. April 2016 vollzogen wurde.
b) Im Rahmen der Durchsuchung des Hausgrundstücks wurden auf dem Gelände unter anderem drei – abfallrechtlich unbedenkliche – Schlepper festgestellt, die auf Rechtsanwalt H. G. zugelassen waren (Bl. 47 und 48); außerdem wurde – neben verschiedenen weiteren Fahrzeugen – ein in abfallrechtlicher Hinsicht bedenklich anmutender Fiat Ducato aufgefunden, dessen Halter nicht ermittelt werden konnte. Darüber hinaus wurden drei Fahrzeuge sowie ein Viehanhänger aufgefunden, die auf eine Firma „L. - und B. “ zugelassen waren, deren Geschäftsführer und zugleich persönlich haftender Gesellschafter Rechtsanwalt H. G. ist; darüber hinaus ergaben die weiteren Ermittlungen, dass die Zeugin A. B. Kommanditistin der L. - und B. ist. Hinter dem Viehanhänger wurden rund 20 asbesthaltige Wellzementplatten auf unbefestigtem Boden aufgefunden (vgl. Lichtbild Bl. 94).
c) Rechtsanwalt H. G. legte für den Beschuldigten M. Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein und begründete diese – nach erfolgter Einsichtnahme in die Ermittlungsakten – dahin, dass ein Anfangsverdacht nicht bestehe. Es fehle sowohl im Hinblick auf das Fahrzeug und im Hinblick auf das Grundstück an Anhaltpunkten dafür, dass diese im Eigentum des Beschuldigten M. stehen könnten (Bl. 68).
d) Nachdem die Staatsanwaltschaft Kenntnis davon erlangt hatte, dass Rechtsanwalt H. G. in einem gegen ihn geführten Bußgeldverfahren am 11. August 2016 vor dem Amtsgericht L. angegeben hatte, überwiegend im B. in W. wohnhaft zu sein, und eine Zeugin angegeben hatte, ihn mehrfach dort angetroffen zu haben, leitete sie mit Verfügung vom 21. November 2016 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Lagerung von asbesthaltigen Eternitplatten gegen ihn ein, das sie zugleich im Hinblick auf ein gegen ihn geführtes Strafverfahren wegen unbefugten Führens eines akademischen Grades gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig einstellte.
e) Nachdem Rechtsanwalt H. G. für den Angeklagten M. Einspruch gegen den mittlerweile gegen diesen erlassenen Strafbefehl eingelegt hatte, wurde er durch den nunmehr angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg von der weiteren Mitwirkung in diesem Verfahren ausgeschlossen.
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht als Verteidiger in dem gegen den Beschuldigten M. geführten Strafverfahren wegen unbefugter Abfallbeseitigung ausgeschlossen.
a) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grad verdächtig ist, dass er an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist (§ 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Es besteht in diesen Fällen die Gefahr, dass im Strafverfahren ein Verteidiger mitwirkt, der wegen seiner mutmaßlichen Tatbeteiligung außerstande ist, seine Verteidigeraufgabe so wahrzunehmen, wie dies seine Stellung als Beistand des Beschuldigten und als unabhängiges Organ der Rechtspflege erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 1991 – AnwSt (B) 2/91, BGHSt 37, 395, 396). Der Begriff der Beteiligung im Sinne des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm jedenfalls insoweit zu verstehen, dass grundsätzlich sämtliche Formen der Täterschaft und Teilnahme umfasst sind (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 138a Rn. 5; KK StPO/Laufhütte/Willnow, § 138a Rn. 7; vgl. SSW/Beulke, 3. Aufl. § 138c Rn. 19 mwN).
b) Gemessen hieran ist der Ausschluss von Rechtsanwalt H. G. zu Recht erfolgt.
aa) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts genügt grundsätzlich die Annahme eines (nur) hinreichenden Verdachts der Beteiligung, um einen Rechtsanwalt auf der Grundlage des § 138c Abs. 1 Nr. 1 StPO von der weiteren Verteidigung auszuschließen. Es ist nicht erforderlich, dass wegen des in Rede stehenden Vorwurfs ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und dieses Ermittlungsverfahren bis zur Anklagereife gediehen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 3. März 1989 – 2 ARs 54/89, BGHSt 36, 133, 137; siehe auch KG NStZ-RR 2016, 18). Insoweit ist es auch unschädlich, dass das gegen H. G. eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist.
bb) Ein solcher hinreichender Tatverdacht liegt vor (§ 203 StPO). Auf der Grundlage des dem Senat vorliegenden Akteninhalts besteht hinreichender Grund zu der Annahme, dass Rechtsanwalt H. G. an der auch dem Beschuldigten M. vorgeworfenen und den Gegenstand der Untersuchung bildenden Tat – der auf dem Grundstück B. , W. , erfolgten Lagerung von krebserzeugenden und sonstigen Abfällen, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, nachhaltig den Boden zu verunreinigen – beteiligt ist.
Es bestehen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass er zum Tatzeitpunkt tatsächlicher Nutzer des Grundstücks B. gewesen ist, das im Eigentum seines Sohnes, Rechtsanwalt J. G. , steht. So hat Rechtsanwalt H. G. in einem gegen ihn wegen Verstoßes gegen melderechtliche Vorschriften geführten Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht L. als ladungsfähige Anschrift diese Adresse angegeben; erläuternd hat er darauf verwiesen, dass er fünf Tage in der Woche in W. und zwei Tage bei seiner Familie in R. wohne. Seine Angaben werden bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin H. , die sich gemeinsam mit ihrem Ehemann nach vorheriger Terminvereinbarung mit Rechtsanwalt H. G. in der Küche des Hauses B. traf und sich dort in einer Nachlassangelegenheit anwaltlich von ihm beraten ließ. Die Zeugin H. hat insoweit angegeben, dass Rechtsanwalt G. ihrem Eindruck zufolge dort tatsächlich gewohnt habe, und hat zudem bekundet, dass sie Rechtsanwalt G. rund einen Monat später – unangemeldet – erneut im B. aufgesucht und dort erneut seine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen habe.
Darüber hinaus haben die Ermittlungen ergeben, dass auf dem Hausgrundstück mehrere Fahrzeuge abgestellt waren, die entweder auf Rechtsanwalt H. G. persönlich oder auf eine KG, deren Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter er ist, zugelassen sind. Diese Umstände bieten hinreichenden Grund für die Annahme, dass Rechtsanwalt H. G. nicht nur auf dem Grundstück gewohnt, sondern dieses auch zum Abstellen verschiedener Kraftfahrzeuge genutzt hat.
Aus diesen Umständen ergibt sich der hinreichende Tatverdacht, dass Rechtsanwalt H. G. das Wrack des Fiat-Ducato, in dem sich noch umweltgefährdende Betriebsflüssigkeiten befanden, sowie asbesthaltige Wellzementplatten als krebsgefährdende Stoffe auf dem Grundstück B. vorsätzlich gelagert oder es jedenfalls vorsätzlich als verantwortlicher Abfallbesitzer unterlassen hat, diese Abfälle ordnungsgemäß zu entsorgen (vgl. MK-Alt, StGB, 2. Aufl. § 326, Rn. 121). Dies gilt auch hinsichtlich der asbesthaltigen Wellzementplatten, die hinter einem Fahrzeug aufgefunden worden sind, dessen Halter ein Unternehmen war, dessen Geschäftsführer er gewesen ist. Es liegt auf der Hand, dass ihm insoweit bewusst war, dass sich alte Wellzementplatten auf dem Grundstück befanden, von denen allgemein bekannt ist, dass sie krebserregende Stoffe enthalten.
Damit besteht – wie auch hinsichtlich des Beschuldigten M. – ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines Vergehens nach § 326 Abs. 1 Nr. 2 und 4a StGB. Dies rechtfertigt den Ausschluss von Rechtsanwalt H. G. , auch wenn sich aufgrund des Akteninhalts nicht feststellen lässt, dass er an der Tat des Beschuldigten M. beteiligt gewesen ist. Anhaltspunkte dafür, dass beide Abfälle im Sinne von § 326 Abs. 1 Nr. 2 und 4a StGB gemeinsam gelagert oder sich bei deren Lagerung (gegenseitig) unterstützt hätten, haben die Ermittlungen nicht ergeben. Ebenso fehlt es an Umständen, die belegen könnten, dass ein möglicher Unterlassungstäter den anderen hierbei unterstützt haben könnte. Lässt sich so zwar eine Mitwirkung an einer Tat des Beschuldigten M. im Sinne von §§ 25 bis 27 StGB nicht feststellen, so ist doch festzuhalten, dass der gegen Rechtsanwalt H. G. gerichtete Tatvorwurf sich auf denselben Prozessgegenstand, die Lagerung bestimmter Abfälle auf einem Grundstück, richtet, wie bei dem Beschuldigten M. ; insoweit handelt es sich letztlich um dieselbe Tat, an der im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts beide unabhängig voneinander „beteiligt“ gewesen sind. Bei dieser Sachlage ist die Anwendung des Ausschließungsgrundes des § 138c Abs. 1 Nr. 1 StPO gerechtfertigt. Der Wortlaut der Norm steht einer auch die „Nebentäterschaft“ umfassenden Auslegung nicht entgegen; denn ihr Zweck, Konflikte des Verteidigers zu vermeiden, der einerseits das Interesse haben könnte, sich selbst zu entlasten, andererseits aber die ihm auch als Organ der Rechtspflege obliegende Aufgabe hat, seinen Mandanten bestmöglich zu vertreten (vgl. SSW-Beulke, aaO, Rn. 17), lassen es in der gegebenen Konstellation geboten erscheinen, Rechtsanwalt H. G. vom Verfahren auszuschließen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Krehl Schmidt Bartel