Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 20.10.2016


BVerwG 20.10.2016 - 2 A 2/16, 2 A 2/16 (2 A 9/14, 20 F 1/16)

Beweislast des Einstellungsbewerbers nach rechtmäßig verweigerter Aktenvorlage zu angenommenem Sicherheitsrisiko


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
20.10.2016
Aktenzeichen:
2 A 2/16, 2 A 2/16 (2 A 9/14, 20 F 1/16)
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2016:201016U2A2.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Kann ein Bewerber, dessen Einstellung beim Bundesnachrichtendienst wegen eines Sicherheitsrisikos i.S.v. § 5 Abs. 1 SÜG abgelehnt wurde, die gegen ihn vorhandenen Bedenken nach im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2, § 189 VwGO festgestellter (aus Gründen des Geheimnisschutzes) rechtmäßig verweigerter Akteneinsicht nicht ausräumen, unterliegt sein Einstellungsbegehren wegen der den Bewerber treffenden materiellen Beweislast für seine sicherheitsrechtliche Eignung der Abweisung.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt seine Ernennung zum Regierungsinspektoranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf und seine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes im Bundesnachrichtendienst (BND).

2

Nachdem der Kläger das Auswahlverfahren für eine Zulassung zum Vorbereitungsdienst auf einem vorderen Listenplatz erfolgreich absolviert hatte, teilte ihm der Personalbereich des BND unter dem 2. April 2014 mit, dass - vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen - seine Einstellung beabsichtigt sei. Eine vom Fachbereich "Personelle Sicherheit" des BND durchgeführte Sicherheitsüberprüfung führte nach dessen Schlussbericht zu dem Ergebnis, dass einer Einstellung des Klägers ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) entgegenstehe. Daraufhin erhielt der Kläger unter dem 27. August 2014 die Mitteilung des Personalbereichs des BND, dass nicht alle am Verfahren beteiligten Stellen im BND seiner Einstellung zugestimmt hätten. Auf zunächst telefonische, dann schriftliche Nachfrage wurde ihm - ohne nähere Begründung - bedeutet, dass gegen ihn Sicherheitsbedenken i.S.v. § 5 SÜG bestünden.

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Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben, mit der er sein Einstellungsbegehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er vor: Die Ablehnung seiner Bewerbung sei bereits wegen der unterbliebenen Anhörung sowie wegen der fehlenden Begründung des vom BND angenommenen Sicherheitsrisikos rechtswidrig. Aufgrund des gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgten effektiven Rechtsschutzes müsse es einem Bewerber beim BND möglich sein, eine ablehnende Einstellungsentscheidung wenigstens im Großen und Ganzen so überprüfen zu können, dass er über die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes sachgerecht entscheiden könne.

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Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn zum nächstmöglichen Termin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsinspektoranwärter zu ernennen und in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst im Bundesnachrichtendienst einzustellen.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und trägt vor: Sie sei gegenüber Einstellungsbewerbern beim BND nicht verpflichtet, eine ablehnende Entscheidung zu begründen und das angenommene Sicherheitsrisiko näher zu erläutern. Sie sei zum Schutz der Auskunftspersonen und Erkenntnisquellen sowie aus prinzipiellen Gründen des Schutzes des Verfahrens der Erkenntnisgewinnung des BND nicht bereit, die Anhaltspunkte offenzulegen, aufgrund derer sie ein Sicherheitsrisiko in einer Tätigkeit des Klägers beim BND sehe.

6

Die Beklagte hat dem Senat Verwaltungsvorgänge vorgelegt, in denen Unterlagen zur Sicherheitsüberprüfung des Klägers teilweise geweißt sind. Daraufhin hat der Senat mit Beschluss vom 17. September 2015 - 2 A 9.14 - (BVerwGE 153, 36) der Beklagten aufgegeben, diejenigen Aktenbestandteile vorzulegen, aus denen sich die von ihr gesehenen tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 SÜG bei einer Tätigkeit des Klägers beim Bundesnachrichtendienst ergeben. Mit Sperrerklärung vom 15. Dezember 2015 gemäß § 99 Abs. 2 VwGO hat das Bundeskanzleramt dies abgelehnt. Der gemäß § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Antrag des Klägers festzustellen, dass die Weigerung der Beklagten, die Akten vollständig vorzulegen, rechtswidrig sei, mit Beschluss vom 4. März 2016 - 20 F 1.16 - abgelehnt.

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Der Kläger hält an seinem Klagebegehren fest.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist unbegründet.

9

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zur Entscheidung über das Klagebegehren erstinstanzlich zuständig. Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung.

10

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihn zum nächstmöglichen Termin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsinspektoranwärter zu ernennen und in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst im Bundesnachrichtendienst einzustellen. Der Kläger hat auch - was in dem Verpflichtungsbegehren als "Minus" mitumfasst ist - keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seine vorstehende Bewerbung unter Berücksichtigung der (den bisherigen Rechtsstandpunkt der Beklagten ggf. korrigierenden) Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts erneut entscheidet. Denn die Ablehnung seines Ernennungs- und Einstellungsbegehrens durch die Beklagte ist gerichtlich nicht zu beanstanden.

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1. Zu den rechtlichen Grundlagen des klägerischen Begehrens hat der Senat bereits in seinem vorangegangen Beschluss vom 17. September 2015 - 2 A 9.14 - (BVerwGE 153, 36 Rn. 10 ff.) ausgeführt, dass der Kläger aus Art. 33 Abs. 2 GG beanspruchen kann, dass über seine vorstehende Bewerbung nur unter Beachtung der in dieser Vorschrift für allein maßgeblich erklärten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung entschieden wird (stRspr, vgl. etwa Urteile vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 10 und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - BVerwGE 151, 14 Rn. 15 m.w.N.). Zur Eignung in diesem Sinne zählt auch die sicherheitsrechtliche Eignung (BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 27).

12

Der BND als eine im Kernbereich nachrichtendienstlicher Tätigkeiten operierende Behörde ist durch Gesetz insgesamt zum Sicherheitsbereich erklärt worden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 und § 10 Nr. 3 SÜG; dazu BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 2 A 1.12 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 4 Rn. 33). Daher ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn durch das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes - Sicherheitsüberprüfungsgesetz - (SÜG) - vom 20. April 1994 (BGBl. I S. 867), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 3. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2161), im Einzelnen näher bestimmt wird, dass mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nur Personen betraut werden dürfen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 SÜG), die sich erfolgreich einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen haben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG), d.h. bei denen kein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 Abs. 1 SÜG festgestellt worden ist (BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1989 - 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258 <260 ff.> und vom 31. März 2011 - 2 A 3.09 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 24 Rn. 24 ff.). Da somit beim BND eine Verwendung von Personen ohne erfolgreiche Sicherheitsüberprüfung ausgeschlossen ist, bewirkt die Feststellung eines Sicherheitsrisikos bei Einstellungsbewerbern für eine Tätigkeit beim BND einen generellen Eignungsmangel.

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Ein Sicherheitsrisiko liegt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 SÜG vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen (Nr. 1), eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen (Nr. 2) oder Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen (Nr. 3).

14

Die Beklagte hat die Einstellung des Klägers abgelehnt, weil sie aufgrund der im Fall des Klägers gemäß § 10 i.V.m. § 12 Abs. 3 SÜG durchgeführten erweiterten Sicherheitsüberprüfung ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 SÜG für gegeben hält. Diese Entscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden.

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2. Die Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos i.S.d. §§ 5 und 14 SÜG unterliegt gerichtlicher Kontrolle. Diese erfolgt jedoch wegen des der Beklagten insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums nur in eingeschränktem Umfang (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff und vom 17. September 2015 - 2 A 9.14 - BVerwGE 153, 36 Rn. 21 ff., jeweils m.w.N.). Die gerichtliche Kontrolle ist auf das auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannte Prüfprogramm beschränkt, nämlich ob die zuständige Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. und vom 21. Mai 2015 - 1 WB 54.14 - BVerwGE 152, 152 Rn. 31).

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Gemessen an diesem Prüfprogramm ist die Ablehnung der Einstellung des Klägers durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Näher einzugehen ist im Streitfall lediglich auf die folgenden Aspekte:

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a) Entgegen der Ansicht des Klägers leidet die ablehnende Entscheidung der Beklagten verfahrensrechtlich weder an einem Anhörungs- noch an einem Begründungsmangel. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 SÜG durfte die Beklagte von einer Anhörung des Klägers vor Ablehnung seiner Zulassung zu der von ihm angestrebten sicherheitsempfindlichen Tätigkeit absehen; die Beklagte war auch nicht verpflichtet, ihre Entscheidung gemäß § 14 Abs. 3 und 4 SÜG, dass sie in der Person des Klägers ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 SÜG sieht, näher zu begründen. Dies hat der Senat in seinem vorangegangenen Beschluss vom 17. September 2015 - 2 A 9.14 - (BVerwGE 153, 36 Rn. 32 ff. und Rn. 35 ff.) eingehend ausgeführt; darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

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b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei der Annahme eines Sicherheitsrisikos im Falle des Klägers von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist.

19

Der Kläger - dies ist der Kern des Streitfalls - macht geltend, dass es an "tatsächlichen Anhaltspunkten" i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG fehle, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen könnten. Er kann hierzu aber nicht substantiiert vortragen, geschweige denn die Annahme der Beklagten widerlegen, weil ihm nicht bekannt ist, welches die "tatsächlichen Anhaltspunkte" sind, aufgrund derer die Beklagte zu ihrer Einschätzung gelangt ist. Dass dem Kläger diese Tatsachengrundlage nicht bekannt ist und sie ihm auch weiterhin nicht offenbart werden muss, ist Konsequenz der in dieser Sache ergangenen Entscheidung des Fachsenats im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2, § 189 VwGO (sog. "in camera"-Verfahren). Aufgrund des Beschlusses des Fachsenats vom 4. März 2016 - 20 F 1.16 - steht fest, dass die Weigerung der Beklagten, im Streitfall ihre Akten vollständig vorzulegen und damit zu offenbaren, welches die in Rede stehenden "tatsächlichen Anhaltspunkte" sind, aus Gründen des Geheimnisschutzes, namentlich zum Schutz der Erkenntnisquellen des BND (vgl. ebenda Rn. 10), rechtmäßig ist.

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aa) Werden entscheidungserhebliche Unterlagen von der Behörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO aus Gründen der Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht vorgelegt und unterbleibt die Vorlage auch als Ergebnis des gerichtlichen Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO, ist die Möglichkeit des Gerichts der Hauptsache, sich seine Überzeugung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und vollständiger Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu bilden, aus gesetzlichen Gründen eingeschränkt, ohne dass dies der Behörde im Sinne einer Beweisvereitelung nachteilig angerechnet werden darf. Denn die Nichtvorlage der Akten und die dadurch entstandene Beweislage ist durch § 99 VwGO ausdrücklich gedeckt. Andererseits enthält § 99 VwGO auch keine gesetzliche Beweisregel zugunsten der Behörde (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 - BVerwGE 131, 171 Rn. 29). Wird durch die - nach dem Ergebnis des Zwischenverfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO - rechtmäßige Verweigerung der Aktenvorlage ein Beweisnotstand verursacht und bleiben hiernach bestimmte Umstände unaufklärbar, ist dem auf der Ebene der konkreten Beweiswürdigung Rechnung zu tragen. Das Gericht der Hauptsache hat die ihm verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vollständig auszuschöpfen, sämtliche ihm zugänglichen Tatsachen in seine Sachwürdigung einzubeziehen und diese unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verteilung der materiellen Beweislast angemessen zu würdigen (BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 - 20 F 8.03 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 34 S. 20 f.; Urteile vom 27. September 2006 - 3 C 34.05 - BVerwGE 126, 365 Rn. 30, vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 - BVerwGE 131, 171 Rn. 30 und vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 78 Rn. 22 ff.). Dabei hat das Gericht der Hauptsache dem Ergebnis des Zwischenverfahrens dadurch Rechnung zu tragen, dass es der Entscheidung des Fachsenats präjudizielle Wirkung jedenfalls dann beimisst, wenn - wie hier - die fachgesetzlichen Versagungsgründe für die Geheimhaltung von Informationen (vgl. § 23 Abs. 1, 3 und 4 SÜG, siehe auch § 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 SÜG) sich von den Gründen, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, in der Sache nicht unterscheiden (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 78 Rn. 24).

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bb) Entgegen der Ansicht des Klägers sind diese prozessuale Rechtslage und die Konsequenzen eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind sie mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar.

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Die Rechtsschutzgarantie schließt ein, dass die Verwaltungsvorgänge, die einer behördlichen Entscheidung zugrunde liegen, dem Gericht zur Verfügung stehen, soweit sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Verhaltens von Bedeutung sein können (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <122>). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG schließt allerdings, obwohl er vorbehaltlos formuliert ist, Einschränkungen nicht von vornherein aus. Es ist anerkannt, dass Ansprüche auf Aktenvorlage, die sich dem Grunde nach aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergeben, eingeschränkt werden können, wenn das Bekanntwerden der Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Hierzu gehört auch der Schutz nachrichtendienstlicher Informationen, Informationsquellen und Arbeitsweisen sowie die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen an Informanten (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <124 f.>).

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§ 99 VwGO stellt eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Gesetzesgrundlage für die Einschränkung von Verfahrensansprüchen auf Aktenvorlage, Auskunft usw. dar. Namentlich lässt sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, dass gemäß § 99 Abs. 2 VwGO die erforderliche Abwägung zwischen dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen und dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung im Prozess auf der einen und den öffentlichen Geheimschutzbelangen auf der anderen Seite nicht in dem Rechtsschutzverfahren selbst, sondern abschließend in einem gesonderten Zwischenverfahren erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <234 f.>). Daraus folgt im Gegenschluss, dass dem Gericht im Hauptsacheverfahren eine eigenständige - ggf. abweichende - Bewertung der öffentlichen Geheimschutzbelange und deren Abwägung mit dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen verwehrt ist. Wird im Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtmäßig ist, so steht damit für das Hauptsacheverfahren bindend fest, dass die Aktenvorlage oder Auskunftserteilung aus Rechtsgründen nicht möglich ist, ohne dass es auf die Gründe hierfür noch ankäme.

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Die Ansprüche aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dürfen aber auch dann nur unter Wahrung derjenigen Anforderungen eingeschränkt werden, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <127 f.>). Das Hauptsachegericht muss - wie oben (Rn. 20) dargestellt - die ihm verbleibenden Möglichkeiten der Sachaufklärung vollständig ausschöpfen und sämtliche ihm zugänglichen Tatsachen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verteilung der materiellen Beweislast angemessen würdigen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet allerdings nicht - lässt nicht einmal zu -, die jeweilige gesetzliche Verteilung der Beweislast zu verändern (zum Ganzen bereits BVerwG, Urteile vom 27. September 2006 - 3 C 34.05 - BVerwGE 126, 365 Rn. 27 ff. und vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 78 Rn. 28 ff.).

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cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich für den Streitfall:

Andere Erkenntnismittel, mit denen der Kläger die Annahme der Beklagten, in seiner Person bestehe ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 SÜG, angreifen könnte, werden von ihm selbst nicht vorgetragen und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Das geltende Prozessrecht sieht eine Beweisaufnahme "in camera" vor dem Gericht der Hauptsache nicht vor (BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 - 20 F 3.03 - BVerwGE 118, 352 <356>; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <239>). Die Frage, ob in der Person des Klägers ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 SÜG vorliegt und ob er deswegen nicht über die für seine Einstellung erforderliche sicherheitsrechtliche Eignung verfügt, ist für den Senat nicht weiter aufklärbar; der Senat sieht auch keinen Ansatz, im Rahmen der konkreten Beweiswürdigung zu einer dem Kläger günstigen Beurteilung zu gelangen.

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Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts wäre zwar - theoretisch - in zweierlei Hinsicht denkbar: Eine Sperrerklärung gemäß § 99 Abs. 2 VwGO verwehrt dem Gericht der Hauptsache (nur) die Kenntnis der fraglichen Akten(-bestandteile), nicht aber eine zulässige Sachaufklärung durch andere Beweismittel. Von daher käme zum einen in Betracht, die Bediensteten des BND, die im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens die vom Kläger benannten Referenzpersonen befragt haben, als Zeugen dazu zu vernehmen, was sie seinerzeit über den Kläger bekundet haben. Ungeachtet dessen, ob die Befrager (Interviewer) von der Beklagten die dafür erforderliche Aussagegenehmigung erhalten würden, unterläge eine solche Zeugenvernehmung einem Beweiserhebungsverbot. Denn es liegt auf der Hand, dass der mit der rechtmäßig verweigerten Aktenvorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO und mit dem "in camera"-Verfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO bezweckte Geheimnisschutz nicht dadurch unterlaufen werden darf, dass die Verfasser der in Rede stehenden Aktenbestandteile über den Inhalt dessen befragt werden, was sie in den Akten niedergelegt haben.

27

Zum anderen käme in Betracht, die im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens vom Kläger benannten Referenzpersonen als Zeugen dazu zu vernehmen, welche Bekundungen sie gegenüber dem BND gemacht haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob einer solchen Zeugenvernehmung ebenfalls ein Beweiserhebungsverbot entgegenstünde (aus denselben Gründen wie zuvor). Denn selbst wenn eine Zeugenvernehmung dieser Referenzpersonen zu dem (Zwischen-)Ergebnis führen sollte, dass diese gegenüber dem BND keine Angaben gemacht haben, die auf ein Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 SÜG hindeuten, würde sich dadurch an der Beweislage nichts Wesentliches ändern. Denn auch dann bliebe dem Gericht weiterhin unbekannt, welche Erkenntnisse die Beklagte von den weiteren Auskunftspersonen bzw. Erkenntnisquellen erlangt hat, die sie zur Annahme eines in der Person des Klägers liegenden Sicherheitsrisikos hat gelangen lassen. Dass solche weiteren Erkenntnisse eingeholt wurden, ergibt sich aus den (teil-)geweißten Seiten der Akten des BND, die dem Senat vorliegen. Eine Vernehmung der Referenzpersonen könnte diese Erkenntnislücke nicht schließen und wäre deshalb für einen Erfolg des Klagebegehrens unbehelflich. Dies ist keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung, sondern beruht auf dem normativen Prüfprogramm gemäß den §§ 5, 14 SÜG, das darauf abstellt, ob der BND (intern: der dortige Sicherheitsbereich) Sicherheitsbedenken hat, und ist Konsequenz der rechtmäßig verweigerten Aktenvorlage. Welchen Inhalts die gegen den Kläger bestehenden Sicherheitsbedenken sind (d.h. welche weiteren Personen oder Stellen welche Angaben gemacht haben), ist aufgrund der rechtmäßig verweigerten Aktenvorlage unaufklärbar und bliebe es auch nach einer Vernehmung der Referenzpersonen als Zeugen.

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dd) Der Senat kann somit im Streitfall nur nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast entscheiden.

29

Mit der materiellen Beweislast ist die Frage angesprochen, zu wessen Ungunsten - jenseits der Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und nach Ausschöpfung aller ihm dazu möglichen Erkenntnismittel - die Unaufklärbarkeit einer bestimmten Tatsache geht. Das entscheidet sich in erster Linie nach dem anzuwendenden materiellen Recht. Fehlen ausdrückliche Regeln, gilt der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit zulasten des Beteiligten geht, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. August 1988 - 9 B 257.88 - Buchholz 412.6 § 1 HHG Nr. 28 S. 1 und vom 1. November 1993 - 7 B 190.93 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 11; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 2a).

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Für seine Behauptung, dass der Kläger die eingangs erwähnten Einstellungs- und Ernennungsvoraussetzungen erfülle, mithin auch über die für eine Tätigkeit beim BND erforderliche sicherheitsrechtliche Eignung verfüge, trägt der Kläger die materielle Beweislast. Dies gilt sowohl nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen als auch für die hier gegebene besondere Situation der Bewerbung um eine Stelle in einem sicherheitsempfindlichen Bereich, für den der Gesetzgeber gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG eine vorherige Sicherheitsüberprüfung vorgeschrieben hat. Diese gesetzgeberische Entscheidung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn die unter Berufung auf den Geheimnisschutz rechtmäßig verweigerte Aktenvorlage auf der Ebene der Beweislast der Beklagten zum Nachteil gereichen würde mit der Folge, dass sie aus Gründen des Prozesserfolgs im Streitfall eben diese geheimzuhaltenden Erkenntnisse (und damit auch die Art ihrer Gewinnung) offenbaren müsste. Dass dem Kläger diese Tatsachengrundlage nicht bekannt ist und ihm auch weiterhin - rechtmäßig - nicht offenbart werden muss, ist Konsequenz der in dieser Sache ergangenen Entscheidung des Fachsenats gemäß § 99 Abs. 2, § 189 VwGO. Dass dem Kläger damit der Beweis für das Nichtvorliegen eines Umstandes (einer sog. Negativtatsache) obliegt, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert die Verteilung der materiellen Beweislast nicht (BVerwG, Urteile vom 30. Januar 1997 - 2 C 10.96 - BVerwGE 104, 55 <58> und vom 27. September 2006 - 3 C 34.05 - BVerwGE 126, 365 Rn. 22 m.w.N., auch zur Rspr. des BGH).

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Kann der Kläger die gegen ihn angeführten Sicherheitsbedenken hiernach nicht widerlegen, bleibt er für das Vorliegen seiner sicherheitsrechtlichen Eignung beweispflichtig, so dass sein Klagebegehren abzuweisen ist.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.