Entscheidungsdatum: 28.04.2016
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2011 102 229.9
…
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein und der Richter Dr. Egerer, Heimen und Dr. Freudenreich |
beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. April 2013 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Patentanmeldung 10 2011 102 229.9 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
I.
Der Anmelder hat am 23. Mai 2011 die die Priorität des deutschen Gebrauchsmusters 20 2010 007 092.9 in Anspruch nehmende streitgegenständliche Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Grillspießanordnung“
zum Patent angemeldet, die am 22. Dezember 2011 als DE 10 2011 102 229 A1 offengelegt worden ist. Die Anmeldungsunterlagen umfassen 2 Seiten mit 13 Patentansprüchen, 10 Seiten Beschreibung sowie 14 Seiten Zeichnungen mit den Figuren 1 bis 14.
Mit Zwischenbescheid vom 13. Oktober 2011 hat die Prüfungsstelle 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes dem Vertreter des Anmelders mitgeteilt, dass die eingereichte Patentanmeldung wegen nicht publikationsfähiger Figuren formal nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Die Figuren müssten gemäß § 12, Anlage 2 der dieser Mitteilung als Anlage beigefügten Patentverordnung PatV (Formular P 2790, 1.05) abgehalten werden und dürften keine Erläuterungen enthalten, denn diese gehörten in die Beschreibung. Die Figuren müssten auch in schwarz-weiß abgehalten sein unter Einbehaltung des vorgeschriebenen Seitenabstandes. Genauere Angaben seien dem – ebenfalls – beigefügten Merkblatt für Patentanmelder (Formular P 2791, 10.06) zu entnehmen. Zur Behebung der angesprochenen Mängel ist dem Anmelder eine Frist von einem Monat gewährt worden.
Nach fruchtlosem Ablauf der vorgenannten Frist hat die Prüfungsstelle 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes dem Vertreter des Anmelders mit Schriftsatz vom 3. April 2012 mitgeteilt, dass bisher keine Eingabe zum Bescheid vom 13. Oktober 2011 zur Amtsakte gelangt sei und dem Anmelder eine weitere Frist von einem Monat gewährt. Sie hat den Anmelder darauf hingewiesen, dass nach ergebnislosem Ablauf der Frist eine Entscheidung getroffen werden könne, die u.a. auf Zurückweisung des Antrags lauten könne. Das Schreiben ging dem Vertreter des Anmelders nach Postzustellungsurkunde am 10. November 2012 zu.
Mit Beschluss vom 12. April 2013, dem Vertreter des Anmelders gemäß Empfangsbekenntnis zugegangen am 15. April 2013, hat die Prüfungsstelle 16 die Patentanmeldung aus Gründen des Bescheids vom 13. Oktober 2011 gemäß § 42 Abs. 3 PatG zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 13. Mai 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, mit der er geltend macht, dass die Zurückweisung aufgrund nicht ausgeräumter Beanstandungen der Zeichnungen erfolgt sei und entsprechend überarbeitete Zeichnungen kurzfristig in Verbindung mit einer kurzen Beschwerdebegründung nachgereicht würden.
Er hat beantragt,
den die vorliegende Anmeldung zurückweisenden Beschluss aufzuheben und das Anmeldeverfahren fortzusetzen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg, denn entgegen der Ansicht des Deutschen Patent- und Markenamtes kann die streitgegenständliche Zusatzanmeldung nicht bereits aus formalen Gründen zurückgewiesen werden.
1. Nach § 42 Abs. 1 und 3 PatG kommt zwar eine Zurückweisung aus formellen Gründen in Betracht, wenn der Anmelder die nach § 42 Abs. 1 PatG zulässigerweise gerügten Mängel nicht beseitigt. Da § 42 Abs. 3 PatG nur auf die Nichtbeseitigung abstellt, darf die Zurückweisung nicht allein wegen Überschreitens der in § 42 Abs. 1 PatG genannten Frist erfolgen. Vielmehr sind der Zurückweisung sämtliche bis zum Eintritt der Bestandskraft des zurückweisenden Beschlusses - das ist im Falle des Beschwerdeverfahrens erst mit Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung - vorgelegten Unterlagen in die Beurteilung einzubeziehen. Soweit der angefochtene Beschluss auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen abgestellt hat, ist er schon deshalb fehlerhaft.
2. Verstöße gegen DPMAV, PatV sind nach den Prüfungsrichtlinien nur dann zu rügen, wenn sie den Druck der Offenlegungsschrift wegen mangelhafter Qualität oder Nichteinhaltung des Formats oder weiterer Anforderungen der PatV behindern oder gänzlich unmöglich machen (vgl. Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 42 Rn. 11).
Soweit die PatV fordert, dass die Zeichnungen mit ausreichendem Kontrast, in dauerhaften, schwarzen, ausreichend festen und dunklen, in sich gleichmäßigen und scharf begrenzten Linien und Strichen ohne Farben auszuführen sind und der Maßstab der Zeichnungen und die Klarheit der zeichnerischen Ausführung gewährleisten müssen, dass nach elektronischer Erfassung (scannen) auch bei Verkleinerungen auf zwei Drittel alle Einzelheiten noch ohne Schwierigkeiten erkennbar sind (Anlage 2 zu § 12, Pkt. 2 und 4 PatV) kann anhand der aus den Anmeldungsunterlagen reproduzierten Figuren in der Offenlegungsschrift DE 10 2011 102 229 A1 jedenfalls nicht festgestellt werden, dass die formellen Erfordernisse des § 34 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 PatG nicht erfüllt seien, denn sie sind mit einer einzigen Ausnahme (erläuternder Titel in Fig. 10a-10b) ohne Weiteres lesbar. Gleichermaßen steht der PatV nicht entgegen, dass die vom Anmelder vorgelegten Figuren Erläuterungen enthalten. Vielmehr ist es Aufgabe der Sachprüfung, entbehrliche von unentbehrlichen Erläuterungen zu trennen (vgl. Anlage 2 zu § 12 Punkt 8 PatV). Damit scheidet eine Zurückweisung der Patentanmeldung nach § 42 Abs. 1 und 3 PatG aus.
3. Selbst wenn die Figuren in den Anmeldungsunterlagen nur bedingt oder nur teilweise lesbar wären, kann die Zurückweisung der Patentanmeldung nicht darauf gestützt werden, weil auch die wegen fehlender oder teilweise fehlender Lesbarkeit mit Mängeln behaftete Vorlage von Zeichnungen (bzw. die fehlende Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz PatG) lediglich zur Folge hat, dass die Bezugnahme auf diese Teile der Zeichnungen in der Beschreibung oder in den Patentansprüchen als nicht erfolgt gilt. Dies bedeutet aber nur, dass die ggfls. unleserlichen oder teilweise unleserlichen Zeichnungen im Prüfungsverfahren nicht zu berücksichtigen sind. Zwar kann dies letztlich dazu führen, dass die angemeldete angebliche Erfindung mangels Erkennbarkeit einer technischen Lehre und damit wegen fehlender Patentfähigkeit der angemeldeten Erfindung zurückzuweisen ist, hierbei handelt es sich dann aber um eine Zurückweisung nicht aus formalen, sondern aus sachlichen Gründen.
4. Soweit die Prüfungsstelle im Hinblick auf die PatV sonstige formelle Mängel, welche bislang noch nicht beseitigt sind, geltend macht, können diese eine Zurückweisung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht tragen. Die Ermächtigungsnorm des § 34 Abs. 6 PatG, auf deren Grundlage die vorgenannten formalen Anforderungen erlassen worden sind, vermag eine solche weitreichende Übertragung der dem Gesetzesvorbehalt unterliegenden Befugnisse nach § 42 PatG auf das Deutsche Patent- und Markenamt wegen fehlender Bestimmtheit nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu tragen. Denn nach dem in der letztgenannten Verfassungsnorm enthaltenen Bestimmtheitsgebot müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung in dem zugrundeliegenden Gesetz enthalten sein. Im Zusammenwirken mit § 42 PatG würde eine Berücksichtigung aller formellen Erfordernisse der PatV bei der Zurückweisung der Anmeldung aber im Ergebnis bedeuten, dass das Deutsche Patent- und Markenamt ohne jede parlamentarische Kontrolle selbst bestimmen kann, wann es dem durch das PatG eingeräumten subjektiv-öffentlichen, dem Grundrechtsschutz des Art. 14 GG unterfallenden Recht auf Patenterteilung (soweit die sachlichen Voraussetzungen der §§ 1 bis 5 PatG erfüllt sind) nicht stattgibt, ohne zuvor eine Sachprüfung hinsichtlich der sachlichen Schutzvoraussetzungen überhaupt vorzunehmen. Dies wäre durch die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 PatG nicht mehr gedeckt. Die Vorschrift des § 42 PatG i. V. m. § 34 Abs. 6, § 1 Abs. 2 DPMAV und §§ 1 ff. PatV ist somit verfassungskonform so auszulegen, dass nur die Verletzung solcher Formvorschriften eine Zurückweisung aus formellen Gründen tragen können, die entweder im Gesetz ausdrücklich bestimmt sind oder zu deren Normierung durch den Verordnungsgeber das Gesetz ausdrücklich ermächtigt oder die für die Gewährung des staatlichen Schutzes der angemeldeten Erfindung, also für die Sachprüfung und die Patenterteilung, unumgänglich sind (vgl. BPatG B. v. 17. März 2010 – 7 W (pat) 33/04). Da die ersten beiden Alternativen vorliegend ausscheiden, kommt hier nur eine Schutzversagung aus solchen formellen Gründen in Betracht, welche für die Aufnahme der Sachprüfung erforderlich sind.
Auf die Frage der Gestaltung der Figuren in schwarz-weiss unter Einbehaltung des vorgeschriebenen Seitenabstands angewendet bedeutet dies, dass die Nichteinhaltung der in § 12 i. V. m. Anlage 2 der PatV genannten Erfordernisse allenfalls dann eine Zurückweisung der Anmeldung rechtfertigen kann, wenn die vorgelegten Figuren die einzige Grundlage für das Verständnis der Erfindung bilden, jedoch eine Betrachtung ohne Hilfsmittel ausschließen, insbesondere wenn sie überhaupt nicht oder nur unter Inanspruchnahme von Hilfsmitteln (wie etwa einer Lupe) erst lesbar wären, weil sie eine diese Figuren berücksichtigende Sachprüfung - auf welche der Anmelder ja ein subjektiv-öffentliches Recht hat - ausschließen oder jedenfalls unzumutbar erschweren würden.
Alle anderen Formvorschriften wie das vom Anmelder nicht beachtete Erfordernis des Weglassens von Erläuterungen können eine Schutzrechtsversagung nach § 42 PatG - ebenso wie im Prüfungsverfahren nach §§ 45, 48 PatG - aus formellen Gründen nicht tragen.
5. Da sonstige Gründe, welche die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Zurückweisung der Patentanmeldung aus formellen Gründen tragen könnten, weder von der Prüfungsstelle dargelegt noch im Übrigen für den Senat erkennbar sind, kann die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene, allein auf formale Gründe gestützte Zurückweisung der Patentanmeldung keinen Bestand haben.
6. Da die Prüfungsstelle die, soweit eine zulässige Zurückweisung aus formalen Gründen nicht möglich ist, erforderliche Sachprüfung bislang nicht vorgenommen hat, hat der Senat davon abgesehen, über die Patentfähigkeit der angemeldeten Erfindung abschließend zu befinden. Stattdessen ist nach § 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG die Sache nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Deutsche Patent- und Markenamt zur erneuten Entscheidung über die Patentanmeldung zurückzuverweisen.