Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.03.2010


BPatG 23.03.2010 - 15 W (pat) 25/08

Patentbeschwerdeverfahren - "Hylan A und Hylan B" – CE-Kennzeichnung eines Medizinproduktes – kein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsdatum:
23.03.2010
Aktenzeichen:
15 W (pat) 25/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 2 EGV 469/2009
Art 3 Buchst b EGV 469/2009
Art 17 Abs 1 EWGRL 42/93

Leitsätze

Hylan A und Hylan B

Die CE-Kennzeichnung eines Medizinproduktes nach der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 ist weder ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009, noch kann sie einem solchen gleichgestellt werden.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 196 75 009.1- 43

für das Grundpatent DE 38 52 992 (EP 0 320 164)

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2010 in der Sitzung vom 8. März 2010 unter Mitwirkung...

beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Tatbestand

1

I. Sachverhalt

2

Die Antragstellerin begehrt die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel. Bei dem betreffenden Erzeugnis handelt es sich um ein Medizinprodukt.

3

Die Antragstellerin ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 320 164, DE 38 52 992 (Grundpatent) mit der Bezeichnung "Method for preparing hylan and novel hylan product". Anmeldetag war der 29. November 1988. Die Patentinhaberin hat am 2. Mai 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel beantragt und diesen Antrag zunächst auf das Erzeugnis "SYNVISC" und im Verlauf des Verfahrens auf die Wirkstoffkombination "Hylan A und Hylan B" gerichtet. Als Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Gemeinschaft und in der Bundesrepublik Deutschland hat sie den 2. November 1995 genannt. Mit diesem Datum hat die Firma "m… m… d… c… d… o… D… M…-L… GmbH, M…" der Rechtsvorgängerin der Anmelderin, der Firma B…, Inc. R… U…, ein "certificate" ausgestellt, in dem erklärt wird, dass die Produkte Hylan A und Hylan B und Kombinationen hieraus einen Qualitätstest nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG durchlaufen hätten.

4

Die Antragstellerin weist darauf hin, dass ihr in Großbritannien und Frankreich jeweils ein ergänzendes Schutzzertifikat für diese Wirkstoffe zuerkannt wurde.

5

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluss vom 9. April 2008 die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, es fehle an einer gültigen Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels im Sinne des Art. 2 bzw. Art. 3 b) der Verordnung (EWG) 1768/92 (diese Verordnung wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel mit Wirkung vom 6. Juli 2009 im Wege der Kodifikation ohne inhaltliche Änderung ersetzt). Die Anmelderin sei in Besitz einer Genehmigung nach der Richtlinie 93/42/EWG für das Inverkehrbringen eines Medizinproduktes, die Schutzzertifikats-Verordnung hingegen gelte ausdrücklich nur für Arzneimittel. Hätte der Verordnungsgeber eine Ausweitung dieser Verordnung auf Medizinprodukte gewollt, so hätte er dies unschwer in einer der zahlreichen Anpassungen tun können.

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Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht wegen der im Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG vorgeschriebenen EG Konformitätserklärung (Vollständiges Qualitätssicherungssystem) so wie den dort niedergelegten grundlegenden Anforderungen sei eine Genehmigung für Medizinprodukte nach der Richtlinie 93/42/EWG als funktionales Äquivalent zu der Genehmigung nach der Richtlinie 65/65/EWG über Arzneispezialitäten (diese Richtlinie wurde zusammen mit weiteren Richtlinien über Arzneimittel zur Anwendung am Menschen durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlament und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 kodifiziert) zu betrachten, sodass eine Genehmigung nach der Medizinprodukte-Richtlinie einer solchen nach der Arzneimittel-Richtlinie gleichzusetzen sei. Zumindest aber erfordere die Tatsache, dass die Hersteller von Medizinprodukten ein ebenso zeitlich aufwendiges Genehmigungsverfahren zu durchlaufen hätten wie die Hersteller von Arzneimitteln eine analoge Anwendung der Schutzzertifikats-Verordnung auch auf Medizinprodukte. Im Übrigen handle es sich bei dem Erzeugnis in Wirklichkeit um ein Arzneimittel, auch wenn keine arzneimittelrechtliche Genehmigung vorliege. Auch aus diesem Grund habe sie einen Anspruch auf Erteilung eines Schutzzertifikats.

Entscheidungsgründe

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II. Gründe

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Die Entscheidung der Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes ist zu Recht ergangen, denn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Schutzzertifikates für Arzneimittel nach der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 liegen nicht vor. Eine analoge Anwendung dieser Verordnung auf Medizinprodukte scheidet aus.

9

Nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 kann für jedes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates durch ein Patent geschütztes Erzeugnis, das vor seinem Inverkehrbringen als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel ist, ein Zertifikat erteilt werden. Damit wird der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 unzweideutig auf solche Erzeugnisse beschränkt, die als Arzneimittel ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren durchlaufen haben.

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Ein Verwaltungsverfahren ist nach deutschem Recht die nach außen wirkende Tätigkeit einer Behörde, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist (§ 9 VwVfG). Bei dem Zulassungsverfahren für ein Arzneimittel handelt es sich um ein solches verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren, denn für die nach Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG erforderliche Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ist entweder ein Verfahren vor den jeweiligen Verwaltungsbehörden der Mitgliedsstaaten oder das Gemeinschaftsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 notwendig. Wird das nationale Zulassungsverfahren durchgeführt (§ 21 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 AMG), so sind als Bundesoberbehörden das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das Paul-Ehrlich-Institut oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (§ 77 Abs. 1 AMG) für die Entscheidung zuständig. Diese Behörden entscheiden auch bei dem dezentralisierten Zulassungsverfahren und dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 27 bis Art. 39 der Richtlinie 2001/83/EG (§ 25 b AMG). Bei dem zentralisierten europäischen Verfahren wird die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 durch die Europäische Kommission erteilt. Am Ende dieser vor den jeweiligen Bundesoberbehörden bzw. dem Gemeinschaftsorgan durchgeführten Verwaltungsverfahren steht als abschließende Entscheidung der Bescheid über die Zulassung des Arzneimittels oder die Ablehnung dieser Zulassung. Diese Entscheidung ist ein Verwaltungsakt, denn mit seinem Erlass regelt die staatliche Behörde (bzw. das Gemeinschaftsorgan) einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Rahmen eines Über-Unterordnungs-Verhältnisses (§ 35 VwVfG). Die Verfügung ist abschließend und hat unmittelbare Rechtswirkung nach außen; bleibt die Entscheidung hinter dem Rechtsbegehren des Antragstellers zurück, so kann er gegen sie rechtlich vorgehen. Bei einem die Zulassung versagenden Bescheid ist in Deutschland der Weg zum Verwaltungsgericht eröffnet, gegen eine negative Entscheidung der Kommission kann nach Art. 263 Abs. 4 AEUV Klage zum Gerichtshof der Europäischen Union erhoben werden. Geschieht dies nicht, so erwächst der Bescheid in Bestandskraft.

11

Die CE-Kennzeichnung eines Medizinproduktes hingegen ist weder ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009, noch kann sie einem solchen gleichgestellt werden. Das gilt auch dann, wenn eine Medizinprodukt-Arzneimittel-Kombination zertifiziert wurde oder wenn es sich bei dem Medizinprodukt um ein Arzneimittel im Sinne von Art. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 handelt.

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Medizinprodukte können nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer Zertifizierung gemäß Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG (§ 6 Abs. 1 MPG) versehen sind. Diese CE Kennzeichnung darf vom Hersteller angebracht werden, wenn das Medizinprodukt die grundlegenden Anforderungen erfüllt (§ 7 MPG) und wenn das vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist (§ 6 Abs. 2 MPG). Die grundlegenden Anforderungen sind jeweils in Anhang I der Richtlinie 90/385/EWG (für aktive implantierbare Medizinprodukte), der Richtlinie 98/79/EG (für In-vitro-Diagnostika) und der Richtlinie 93/42/EWG (für sonstige Medizinprodukte) festgelegt. Welches Konformitätsverfahren durchzuführen ist und in welchem Umfang dabei eine unabhängige Prüf- und Zertifizierungsstelle (benannte Stelle) zu beteiligen ist, hängt vom potentiellen Risiko des Produkts ab. Bei Medizinprodukten der Risikoklasse I nach Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG und bei bestimmten In-Vitro-Diagnostika kann der Hersteller das Konformitätsbewertungsverfahren selbst durchführen (sog. Selbstzertifizierung). Bei den Produkten der übrigen Risikoklassen ist die Beteiligung einer benannten Stelle erforderlich (Anhang II bis VI der Richtlinien 93/42/EWG und 98/79/EG sowie Anhang 2 bis 6 der Richtlinie 90/385/EWG). Diese führt im Benehmen mit dem Hersteller die Konformitätsbewertung durch und erstellt gegebenenfalls eine positive Prüfungsbescheinigung, die sodann Grundlage der jeweiligen CE-Kennzeichnung ist. Bei den benannten Stellen handelt es sich um neutrale, unabhängige Prüf- und  Zertifizierungsstellen, die von dem jeweilige Mitgliedstaates ausgewählt und akkreditiert werden (§ 15 MPG). In Deutschland wird diese Aufgabe von technischen Überwachungsvereinen, technischen Universitäten und vor allem von privaten Firmen wahrgenommen. Die benannten Stellen sind jedoch nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet und sie werden nicht im Rahmen eines Über-Unterordnungsverhältnisses tätig (Rehmann Wagner, Medizinproduktegesetz, 3. Auflage, Einführung Rdz. 30, § 15 Rdz. 1). Der Hersteller hat die freie Wahl, welche benannte Stelle er beauftragt; deren Entscheidung erwächst weder in Bestandskraft noch kann sie Bindungswirkung für Gerichte oder Behörden entfalten. Zwischen dem Hersteller und der benannten Stelle besteht vielmehr ein privatrechtliches Schuldverhältnis in Form eines Dienstleistungsvertrages oder Gutachtervertrages (Edelhäuser in Anhalt/Dieners Handbuch des Medizinprodukterechts, 2003, § 5 Rdz. 52; Rehmann Wagner, Medizinproduktegesetz a. a. O., Einführung Rdz. 33, 46, § 15 Rdz. 1). Die Verantwortung und die Gewähr dafür, dass das Medizinprodukt den Anforderungen der Richtlinien entspricht und die entsprechenden Verfahren durchgeführt werden, verbleibt allein beim Hersteller (Langner, in Schorn, Aktive implantierbare Medizinprodukte 1992, S. 34).

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Das Zertifizierungsverfahren für Medizinprodukte ist somit kein "verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren" im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009. Es kann diesem auch dann nicht gleichgestellt werden, wenn es sich um ein Medizinprodukt der höchsten Risikoklasse handelt und somit erhöhte Prüfungsanforderungen gestellt werden, wie z. B. die Durchführung des Verfahrens des Qualitätssicherungssystems inklusive EG-Auslegungsprüfung nach Anhang II Abschnitt 4 der Richtlinie 93/42/EWG. Denn der Umfang der inhaltlichen Prüfung eines Zertifizierungsverfahrens ändert nichts an dessen Rechtsnatur.

14

Eine Gleichstellung scheidet auch für den Fall aus, dass das Medizinprodukt als festen Bestandteil einen Stoff enthält, der - gesondert verwendet - als Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 65/65/EWG betrachtet werden kann. In derartigen Fällen ist das Medizinprodukt nach Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 93/42/EWG nach dieser Richtlinie zu bewerten und zuzulassen. Nach Anhang I Abschnitt 7.4 der Richtlinie 93/42/EWG ist dieser Stoff jedoch in Hinblick auf seine Sicherheit, seine Qualität und seinem Nutzen unter der Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Produktes mit dem "geeigneten Verfahren der Richtlinie 75/318/EWG" zu überprüfen (die Richtlinie 75/318/EWG ist in der Richtlinie 2001/83/EG aufgegangen). In Anhang II Abschnitt 4.3 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 93/42/EWG ist festgelegt wie diese Überprüfung stattzufinden hat. Hiernach "konsultiert" die benannte Stelle in Bezug auf den oben genannten Prüfungsumfang "eine der zuständigen Stellen, die die Mitgliedstaaten gemäß Richtlinie 65/65/EWG geschaffen haben", mithin also das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder eine der anderen Bundesoberbehörden. Die benannte Stelle "trägt bei ihrer Entscheidung den im Rahmen der Konsultation ergangenen Stellungnahmen gebührend Rechnung". Im deutschen Medizinproduktegesetz ist der Ablauf dieses Konsultationsverfahrens nicht ausdrücklich geregelt, es gibt nur eine Festlegung der Gebühren für diese Stellungnahme in der Medizinprodukte-Kostenverordnung (§ 4 BKostV-MPG). Die Durchführung des Konsultationsverfahrens für die Medizinprodukt-Arzneimittel-Kombinationen beinhaltet aber keine Zulassung des Arzneimittels, sondern sie ist nichts anderes als eine Begutachtung des Arzneimittels durch die Bundesoberbehörde unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Medizinprodukts. Ein Rechtsmittel gegen eine negative Begutachtung gibt es nicht. Anders als die Anmelderin meint, stellt dieses Verfahren somit kein funktionales Äquivalent zum Verfahren nach der Richtlinie 65/65/EWG dar.

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Die Erteilung eines Schutzzertifikats kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil es sich bei dem Produkt, wie die Antragstellerin vorträgt, in Wirklichkeit um ein Arzneimittel handelt, ein Zulassungsverfahren aber nicht durchgeführt worden sei. Medizinprodukte unterscheiden sich von den Arzneimitteln dadurch, dass ihre Zweckbestimmung vorwiegend auf physikalischem und nicht auf pharmakologischem, immunologischem oder metabolischem Weg erreicht wird. Die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Medizinprodukt ist gerade bei den Medizinprodukt-Arzneimittel-Kombinationen schwierig. Sie ist zwar objektiv vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2010, 169 - CE-Kennzeichnung), wird aber auch dadurch mitbestimmt, welchem Bestandteil der Hersteller die bestimmungsgemäße Hauptwirkung zuschreibt. Für die Frage, ob ein Schutzzertifikat nach der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 erteilt werden kann, kommt es aber nicht darauf an, ob das betreffende patentgeschützte Erzeugnis rein stofflich ein Arzneimittel ist oder wegen seiner Hauptwirkung in Verbindung mit einem Medizinprodukt als Arzneimittel anzusehen ist, entscheidend ist vielmehr, ob das Erzeugnis als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens im Sinn des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 gewesen ist. Denn nur dann ist es gerechtfertigt dem Inhaber des Patents durch die Zuerkennung eines Schutzzertifikats eine Kompensation für die lange Dauer des arzneimittelrechtlichen Genehmigungsverfahrens zu gewähren (Verordnung (EG) Nr. 469/2009 Erwägungsgründe 4 und 9).

16

Eine analoge Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 auf Medizinprodukte, die einen arzneilichen Bestandteil mit ergänzender Wirkung enthalten und für die ein Konsultationsverfahren vor einer Arzneimittel-Zulassungsbehörde durchzuführen ist, ist nicht möglich. Eine Analogie kann vorgenommen werden, wenn für einen bestimmten Sachverhalt keine Rechtsnorm existiert und sich das Fehlen einer Rechtsnorm als planwidrige Regelungslücke darstellt (BGH a. a. O. Rdz. 21). Eine solche Regelungslücke ist nicht erkennbar. Die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung des ergänzenden Schutzzertifikates wurde mehrfach und erheblich geändert, so dass sie aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit durch die Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 kodifiziert wurde (siehe Verordnung (EG) Nr. 469/2009 Erwägungsgrund 1). Bei keiner dieser Änderungen sollten Medizinprodukte mit erhöhten Prüfungsanforderungen in den Schutzbereich einbezogen werden. Von einer Planwidrigkeit kann nicht gesprochen werden, denn Medizinprodukte mit einem Arzneimittelzusatz sind seit Jahren in Gebrauch, wie die Beispiele Katheter mit Heparinbeschichtung, Insulinpumpen, Asthmaspray, Wärme-Therapie-Pad, Wundverband mit Silberzusatz, Knochenzement mit Antibiotikazusatz oder medikamentenbeschichteter Stent zeigen. Es ist daher davon auszugehen, dass der eindeutige Wortlaut der Verordnung, wonach nur Arzneimittel erfasst werden, für die ein verwaltungsrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde, dem Willen des Verordnungsgebers entspricht und eine Ausdehnung der Schutzzertifikate auf Medizinprodukte mit einem arzneiliche Bestandteil nicht gewollt ist. Darüber hinaus fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit der jeweiligen Interessenlage. Während bei den Richtlinien für die Medizinprodukte deren durch die CE Kennzeichnung ermöglichte EU-weite Verkehrsfähigkeit im Vordergrund steht (siehe Richtlinie 93/42/EWG Erwägungsgrund 1 und 2), ist bei den Arzneimitteln der wirksame Schutz der öffentlichen Gesundheit von überragender Bedeutung (siehe Richtlinie 2001/83/EG Erwägungsgrund 2).

17

Die Rechtsbeschwerde war nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zur Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. In seinem Beschluss vom 26. Januar 2010 (14 W (pat) 12/07) hat der 14. Senat des Bundespatentgerichts entschieden, dass zwei auf der Grundlage der Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte erteilte Zertifikate einer Genehmigung nach Art. 3b) der Verordnung (EG) 469/2009 gemäß der Richtlinie 2001/83/EG gleichzusetzen sind. Es handelte sich dabei um ein medizinisches Gerät, zu dessen Bestandteilen ein Stoff gehört, der bei gesonderter Verwendung als Arzneimittel angesehen werden kann (Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 90/385/EWG). Für ein derartiges Gerät muss nach Anhang 1 Abschnitt 10 der Richtlinie 90/385/EWG in Hinblick auf den arzneilichen Stoff ein geeignetes Verfahren nach der Richtlinie 75/318/EWG durchgeführt werden. Diese Vorschrift entspricht der hier behandelten Bestimmung in Anhang I Abschnitt 7.4 der Richtlinie 93/42/EWG.