Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.01.2014


BPatG 23.01.2014 - 15 W (pat) 13/11

Patentbeschwerdeverfahren – „Schmiermittelzusammensetzung“ – zur Patentfähigkeit – keine erfinderische Tätigkeit – bekannte Verwendungen von bekannten Stoffen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsdatum:
23.01.2014
Aktenzeichen:
15 W (pat) 13/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 027 344.6-43

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein und der Richter Dr. Egerer, Kätker und Dr. Wismeth

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin reichte am 14. Juni 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt in englischer Sprache die Patentanmeldung mit der Bezeichnung

2

„Lubricant Compositions“

3

ein. Die am 21. August 2007 eingereichte deutsche Übersetzung wurde am 17. Januar 2008 in Form der DE 10 2007 027 344 A1 offengelegt. Sie trägt die Bezeichnung „Schmiermittelzusammensetzungen“. Die Patentanmeldung nimmt die Unionspriorität der US-amerikanischen Patentanmeldungen mit den Nummern 11/457 613 vom 14. Juli 2006 und 11/457 608 vom 8. Juni 2007 in Anspruch.

4

Die Anmeldung umfasst 31 Patentansprüche von denen die unabhängigen ursprünglichen Patentansprüche 1, 22, 25, 26, 27, 28 und 29 lauten:

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5

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ermittelte die Prüfungsstelle für Klasse C 10 M des Deutschen Patent- und Markenamts folgenden Stand der Technik:

6

(D1) WO 2005/066314 A1

7

(D2) KLAMANN, Dieter: Schmierstoffe und verwandte Produkte. Weinheim: Verlag Chemie, 1982, S. 81-101. – ISBN 3-527-25966-X

8

(D3) EP 1 661 971 A1

9

(D4) US 2005/0261145 A1

10

(D5) EP 1 657 293 A2.

11

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2010 beantragte die Anmelderin eine Patenterteilung auf Grundlage der neu eingereichten Patentansprüche 1 bis 24 nach Hauptantrag (entsprechend dem geltenden Hauptantrag), hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 25 nach Hilfsantrag 1 (entsprechend dem geltenden Hilfsantrag 2), hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 24 nach Hilfsantrag 2 (entsprechend dem geltenden Hilfsantrag 3) und hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 23 nach Hilfsantrag 3 (entsprechend dem geltenden Hilfsantrag 4).

12

Durch in der Anhörung verkündeten Beschluss vom 24. Februar 2011, zugestellt mittels Empfangsbekenntnis mit Datum vom 25. März 2011, erfolgte die Zurückweisung der Patentanmeldung.

13

Gemäß der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses erkennt die Prüfungsstelle zwar die Neuheit der Gegenstände der Hauptansprüche nach Hauptantrag und nach Hilfsanträgen 1 und 2 an, jedoch beruhten sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

14

Die Druckschrift D5 beschreibe Schmiermittelzusammensetzungen für Motoren und Getriebe, welche gemäß den Beispielen aus Ölgrundlagen (von Prüfungstelle und Vertreter der Anmelderin auch Basisöle bzw. Grundöle genannt) der Gruppe II bestünden, die Tetracycloparaffingehalte zwischen 0,8 und 2,8 Gew.-% bezogen auf die Ölgrundlage enthielten. Auch könnten Schmiermittelzusammensetzungen wenigstens ein Additiv, wie Antioxidantien, Metalldesaktivatoren oder Detergenzien enthalten. Ein hierfür nahe liegender Ausgangspunkt seien Fachbücher. Bezüglich der Additive finde der Fachmann im Lehrbuch D2, dass insbesondere Metallsalze von Thiophosphorsäure-Verbindungen als Oxidationsinhibitoren für Motoröle verwendet würden und Zinkdialkyldithiophosphate die größte Verbreitung hätten. Auch seien aus der D2 als Detergenzien mit P2S5 behandelte Polyisobutene für hoch beanspruchte Motoren bekannt, welche weiter reichende thermische Stabilität aufwiesen. Es sei daher naheliegend, den Zusammensetzungen der D5 auch Phosphor enthaltende Verbindungen beizugeben.

15

Der Gegenstand des Hauptanspruchs nach Hilfsantrag 3 sei nicht neu. Entsprechend der Entscheidung „Kaffeefiltertüte“ des Bundespatentgerichts (BPatGE 41, 202) könne eine erstmalige Formulierung einer weiteren Wirkung eines bekannten Erzeugnisses, die nicht zugleich eine neue Brauchbarkeit aufzeige, nicht als Funktions- oder Verwendungserfindung schutzfähig sein. Die Verwendung der aus der D5 bekannten Schmiermittel zur Verringerung der Dünnfilmreibung stellten aber keine neue Brauchbarkeit, also keine neue Funktion, sondern lediglich eine gegenüber der D5 erstmalige Formulierung einer weiteren Wirkung, also einen in der D5 nicht beschriebenen Effekt, dar. Dieser Effekt lege lediglich die naturgesetzliche Begründung der Wirkung der Zusammensetzung bei der Verwendung als Motor- und Getriebeschmiermittel dar.

16

Die Anmelderin legte daraufhin mit Schriftsatz vom 19. April 2011, eingegangen am selben Tag, Beschwerde ein. Zugleich mit der Beschwerdeschrift hat sie Patentansprüche 1 bis 24 nach Hauptantrag, Patentansprüche 1 bis 22 nach Hilfsantrag 1, Patentansprüche 1 bis 25 nach Hilfsantrag 2, Patentansprüche 1 bis 24 nach Hilfsantrag 3, Patentansprüche 1 bis 23 nach Hilfsantrag 4 und mit der Beschwerdebegründung vom 18. September 2012 Patentansprüche 1 bis 22 nach Hilfsantrag 5 vorgelegt.

17

Die jeweils unabhängigen Patentansprüche der Anträge lauten:

18

Hauptantrag: (Patentansprüche 1, 21, 22, 23, 24)

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19

Hilfsantrag 1: (Patentansprüche 1, 19, 20, 21, 22)

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20

Hilfsantrag 2: (Patentansprüche 1, 21, 22, 23, 24, 25)

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21

Hilfsantrag 3: (Patentansprüche 1, 21, 22, 23, 24)

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22

Hilfsantrag 4: (Patentansprüche 1, 23)

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23

Hilfsantrag 5: (Patentansprüche 1, 22)

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24

Die Prüfungsstelle hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

25

Aus Sicht der Anmelderin träten in geschmierten mechanischen Vorrichtungen wie beispielsweise Motoren, Getrieben, Transmissionsgetrieben, Kupplungsgetrieben, hydraulischen Systemen verschiedene deutlich voneinander zu unterscheidende Arten von Reibung auf, die je nach typischen Arbeitsbedingungen der Vorrichtung (Temperatur, Last, Geschwindigkeit usw.) einen unterschiedlichen Einfluss auf den Gesamtenergieverlust hätten. Zu diesen Reibungsarten zählten die Grenzflächenreibung, die Dünnfilmreibung und die Viskosität. Die Dünnfilmreibung trete auf, wenn Oberflächen durch einen etwa 50 bis 200 nm dicken Ölfilm voneinander getrennt seien und die Oberflächen durch Druck oder eine Kraft gegeneinander gedrückt würden. Im Unterschied zu Viskositätsmessungen unter Hochscher oder Niedrigscherbedingungen stehe das Fluid hier unter dem Einfluss von Druck. Moleküle hielten sich hier in einem Fluid auf, das lediglich 20 bis 50 Molekularschichten umfasse. Die Reibung hänge somit in hohem Maße davon ab, wie die Moleküle sich in diesem gedrängten Raum unter Druck anordneten. Zur Illustration verweist sie auf eine Veröffentlichung von einem der Erfinder:

26

(AC-1) DEVLIN, Mark T. KUO, Cheng C.; PIETRAS, John M.; YUN, Zhang: Bench Test Modeling for Current and Future PCMO Fuel Economy Requirements. Presented at PetroChina 2007. Ohne Jahr, 11 Seiten – Druckschrift unbekannter Herkunft.

27

Für die Anwendungen, an die sich die vorliegende Erfindung hauptsächlich richte, nämlich Getriebe und Motorschmierung, könne Dünnfilmreibungsverringerung von besonderem Interesse sein, während in anderen Anwendungen beispielsweise die Verringerung (oder Erhöhung) der Hochtemperatur-Hochscherviskosität bzw. der Grenzflächenreibung im Vordergrund stehe. Dem Fachmann stelle sich somit das Problem, geeignete Ölgrundlagen zu finden, um eine Schmiermittelzusammensetzung, die Phosphorenthaltende Verbindungen enthält, mit einer möglichst niedrigen Dünnfilmreibung bereitzustellen.

28

Die Druckschrift D5 betreffe ein völlig anderes technisches Problem. Tatsächlich dienten die Beispiele der D5 ausschließlich dazu, Oxidationsstabilität über 32.000 Zyklen zu zeigen. Die D5 enthalte keine vergleichenden Daten zur Oxidationsstabilität abhängig vom Cycloparaffin oder gar Tetracycloparaffingehalt der Ölgrundlage. Dünnfilmreibung oder deren Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Ölgrundlage würden nicht erwähnt.

29

In der Kombination der Druckschrift D5 mit dem Lehrbuch D2 verkenne die Prüfungsstelle, dass die D2 keine eindeutigen Aufforderungen an den Fachmann enthalte, Phosphorenthaltende Verbindungen in Ölgrundlagen der Gruppe-II einzusetzen, welche weniger als etwa 3 Gew.% Tetracycloparaffine umfassten. Schon gar nicht sei der D2 entnehmbar, Phosphorenthaltende Verbindungen in einer Schmiermittelzusammensetzung einzusetzen in der Hoffnung, dass ein eventueller negativer Effekt auf die Dünnfilmreibung durch die Phosphorenthaltende Verbindung mittels eines möglichst geringen (kleiner als 3 Gew.%) Anteils an Tetracycloparaffinen in der Ölgrundlage kompensiert werden könne. Gerade in letzterer Erkenntnis liege das Verdienst der Erfinder der vorliegenden Erfindung. Der Fachmann entnehme der D5 keinen Hinweis, ausgerechnet solche Additive einzusetzen, die möglicherweise einen schädlichen Einfluss auf die Dünnfilmreibung haben können, nämlich Phosphor-enthaltende Verbindungen. Dem Fachmann habe vielmehr aus seinem allgemeinen Fachwissen und auch aus dem Lehrbuch D2 eine Vielzahl weiterer möglicher nicht Phosphor-enthaltender Alternativen als Additive zur Verfügung gestanden. Eine „Einbahnstraßen-Situation“ sei somit ausgeschlossen.

30

Die vorliegende Anmeldung zeige weiter, dass die Zugabe von Phosphor-enthaltenden Verbindungen zu Schmiermittelzusammensetzungen einen Einfluss auf die Dünnfilmreibung habe. Unter Verwendung einer Ölgrundlage der Gruppe II mit weniger als 3 Gew.-% Tetracycloparaffin (Ölgrundlage C) würden bessere (verringerte) Dünnfilmreibungen der Schmiermittelzusammensetzung erzielt als mit Ölgrundlagen der Gruppe II mit über 3 Gew.-% Tetracycloparaffin (Ölgrundlage A), siehe Beispiel 2, Tabelle 2 der ursprünglichen Beschreibung. Die vorliegende Erfindung gebe darüber hinaus dem Fachmann die Möglichkeit, unter Wahl einer Ölgrundlage mit niedrigem Tetracycloparaffingehalt und einer geeigneten Phosphor-enthaltenden Verbindung die Dünnfilmreibung noch weiter zu reduzieren.

31

Durch die Beschränkung auf Ölgrundlagen der Gruppe II sei zudem ein großer Abstand zu den Dokumenten D1, D3 und D4 geschaffen, welche Fischer-Tropsch-Grundöle beschrieben.

32

Keine der Entgegenhaltungen könne auch den in den Verwendungsansprüchen entsprechend der Hilfsanträge 4 und 5 genannten Effekt der Verringerung der Dünnfilmreibung eines Fluids nahelegen oder gar offenbaren. Gemäß ständiger Rechtsprechung des Europäischen Patentamts (G2/88 und G6/88) sowie des Bundesgerichtshofs (BGH Liedl 1961/62, 618, 636 - „Holzzerspanvorrichtung“) werde eine Erfindung dann als patentwürdig angesehen, wenn die Verwendung für einen ganz neuen technischen Zweck erschlossen werde oder ein bisher nur zufällig oder unbewusst erzielter Erfolg nunmehr bewusst und planmäßig erreicht werden könne. Nach BGH-Holzzerspanvorrichtung mit Verweis auf BGH-Rödeldraht könne unter bestimmten Voraussetzungen auch in der erstmaligen Entdeckung einer neuen Brauchbarkeit eine patentwürdige Erfindung gesehen werden. Die neue Brauchbarkeit ergebe sich aus der erstmaligen Entdeckung der Abhängigkeit der Dünnfilmreibung vom Tetracycloparaffingehalt, der dazu verwendet werden könne, den negativen Einfluss von Phosphorenthaltenden Verbindungen zu kompensieren. Dabei beschränke sich die Brauchbarkeit (Funktion) der Schmiermittelzusammensetzungen nicht auf die ledigliche Verwendung als Schmiermittel als solches. Verschiedene Verwendungen stellten verschiedenste Ansprüche an das jeweilige Schmiermittel. So verlangten manche Schmiermittel eine besonders hohe Oxidationsstabilität, die z. B. lange Wechselzyklen zulasse, während andere Schmiermittel niedrige Hochtemperatur-Hochscherviskositäten oder etwa hohe Grenzflächenreibung verlangten. Schließlich gebe es Schmiermittel, die eine besonders hohe oder - wie hier - niedrige Dünnfilmreibung erforderten. Die Verwendung eines Grundöls zur Erzielung geringer Dünnfilmreibung sei somit neu gegenüber beispielsweise der Offenbarung der Verwendung eines Grundöls zur Erzielung verbesserter Oxidationsstabilität, da sie die planmäßige und bewusste Formulierung für andere spezifische Schmiermittel-Anwendungen ermögliche. Vor diesem Hintergrund halte daher die Auslegung der Prüfungsstelle unter Berufung auf BPatG-Kaffeefiltertüte einer Prüfung nicht stand.

33

Zudem gebe es keine Rechtfertigung dafür, die absolute Neuheit von medizinischen Verwendungen anders zu beurteilen als die absolute Neuheit nichtmedizinischer Verwendungen. Für den Fall, dass der Senat den Anträgen auf Erteilung des Patents auch auf Grundlage der Hilfsanträge 4 oder 5 nicht stattgibt regt die Anmelderin die Zulassung der Rechtsbeschwerde an, da die Möglichkeit der Beanspruchung einer sogenannten „zweiten nichtmedizinischen Verwendung“ angesichts der betagten höchstrichterlichen Entscheidung „Holzzerspanvorrichtung“ und der Rechtskonvergenz mit der etablierten Entscheidungspraxis am Europäischen Patentamt eine höchstrichterliche Klärung notwendig mache.

34

In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat der Senat auf die Druckschrift D6 hingewiesen.

35

(D6) MOORE, A.J.: The behaviour of lubricants in elastohydrodynamic contacts. In: Proc. Instn. Mech. Engrs., Part J, 1997, Vol. 211, S. 91-106.

36

In der mündlichen Verhandlung ist der Vertreter der Anmelderin auf Bedenken des Senats gegen die Neuheit und teilweise auch gegen die ausreichende Offenbarung des jeweiligen Hauptanspruchs der Haupt- und Hilfsanträge hingewiesen worden.

37

Der Vertreter der Anmelderin ist der Auffassung, dass die Gegenstände der Anspruchsfassungen nach Hauptantrag und Hilfsanträgen ursprünglich offenbart sowie gegenüber dem Stand der Technik neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

38

Der Vertreter der Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2014 den Antrag gestellt,

39

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Februar 2011 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

40

Patentansprüche 1 bis 24 gemäß Hauptantrag, eingereicht am 19. April 2011, und mit den ursprünglichen Beschreibungsseiten 1 bis 33, eingereicht am 21. August 2008,

41

hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 22 gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht am 19. April 2011,

42

weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 25 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht am 19. April 2011,

43

weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 24 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht am 19. April 2011,

44

weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 23 gemäß Hilfsantrag 4, eingereicht am 19. April 2011,

45

weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 22 gemäß Hilfsantrag 5, eingereicht am 18. September 2012.

46

Weiter hat der Vertreter der Anmelderin die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.

47

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

48

1. Die Beschwerde der Anmelderin ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie hat jedoch aus nachfolgenden Gründen keinen Erfolg.

49

2. Als Fachmann ist ein diplomierter Chemiker zu sehen, welcher mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung von Schmierstoffen für Maschinenteile besitzt.

50

Merkmalsanalyse

51

3. Die folgende Merkmalsanalyse strukturiert und gliedert die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge. Wenn nicht anders angegeben, sind die Änderungen zum Hauptantrag kursiv hervorgehoben. Die hochgestellten Ziffern geben die Nummer des jeweiligen Hilfsantrags an, ab dem eine Änderung erstmals in die Patentansprüche aufgenommen wird. Die insgesamt geänderten Merkmale sind unterstrichen.

52

4. Das Erzeugnis (A) von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gliedert sich in die folgenden Merkmale.

53

A1 Schmiermittelzusammensetzung, umfassend:

54

A2 eine Ölgrundlage

55

A2.1 der Gruppe-II,

56

A2.1.1 welche weniger als 3 Gew.-% Tetracycloparaffine umfasst; und

57

A3 eine Phosphor-enthaltende Verbindung.

58

Die Verwendungen entsprechend der Patentansprüche 21 bis 24 nach Hauptantrag sind auf den Patentanspruch 1 bezogen und beschreiben Verwendungen (B) der Schmiermittelzusammensetzung des Hauptanspruchs. Zur Vereinfachung werden die Verwendungsarten der Patentansprüche 21 bis 24 mit kleinen Buchstaben bezeichnet (21 mit a, 22, mit b, 23 mit c, 24 mit d).

59

B1 Verwendung einer Schmiermittelzusammensetzung nach einem der vorhergehenden Patentansprüche der Schmiermittelzusammensetzung wahlweise

60

Ba2 zur Verringerung von Dünnfilmreibung eines Fluids zwischen Oberflächen.

61

Bb2 zur Erhöhung von Kraftstoffeffizienz in einem Fahrzeug.

62

Bc2 zum Schmieren von Motor, Getriebe oder Sammelgetriebe.

63

Bd2 zum Schmieren einer Maschine.

64

5. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag in den Merkmalen A2.1.1 und A3.

65

A2 eine Ölgrundlage

66

A2.1 der Gruppe-II,

67

A2.1.1 1 welche weniger als etwa 3 Gew.-% Tetracycloparaffine umfasst; und

68

A3 eine Phosphor-enthaltende Verbindung,

69

A3.1 1 welche zudem eine Metall-enthaltende ist.

70

Die nebengeordneten Patentansprüche 19 bis 22 entsprechen den Patentansprüchen 21 bis 24 des Hauptantrags.

71

6. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich in Merkmalsgruppe A2 vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag.

72

A2 2 eine einzige Ölgrundlage

73

A2.1 der Gruppe-II,

74

A2.1.1 welche weniger als 3 Gew.-% Tetracycloparaffine aufweisen;

75

Der Patentanspruch 21 ist identisch mit dem Patentanspruch 21 des Hauptantrags und der Patentanspruch 22 ist identisch mit dem Patentanspruch 22 des Hauptantrags, jeweils mit der Maßgabe, dass die Merkmale von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag explizit genannt sind, weshalb kein Bezug mehr auf einen anderen Patentanspruch erfolgt. Der Patentanspruch 23 entspricht dem Patentanspruch 23 des Hauptantrags, der Patentanspruch 24 dem Patentanspruch 24 des Hauptantrags.

76

Der Patentanspruch 25 lautet im Unterschied zum Hauptantrag wie folgt

77

B1 Verwendung einer Schmiermittelzusammensetzung nach einem der vorhergehenden Patentansprüche der Schmiermittelzusammensetzung

78

Ba2 2 zur Verringerung der Dünnfilmreibung eines Fluids zwischen Oberflächen.

79

7. Die Anspruchsfassung des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags 3 ist identisch mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2. Die Patentansprüche 21 bis 24 nach Hilfsantrag 3 entsprechen den Patentansprüchen 21 bis 24 nach Hauptantrag.

80

8. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 gliedert sich in die folgenden Merkmale. Dieser Verwendungsanspruch (C) ist im Vergleich zu den Verwendungsansprüchen (B) neu formuliert.

81

C1 Verwendung einer Ölgrundlage

82

C1.1 der Gruppe-II,

83

C1.1.1 welche weniger als 3 Gew.-% Tetracycloparaffine umfasst,

84

C2 in einer Schmiermittelzusammensetzung

85

C3 zur Verringerung der Dünnfilmreibung eines Fluids zwischen Oberflächen,

86

C4 wobei das Fluid von Merkmal C3 die Schmiermittelzusammensetzung umfasst.

87

Der Patentanspruch 23 nach Hilfsantrag 4 gliedert sich in die folgenden Merkmale. Auch dieser Verwendungsanspruch (D) ist neu formuliert.

88

D1 Verwendung einer Ölgrundlage nach einem der vorhergehenden Patentansprüche in einer Schmiermittelzusammensetzung

89

D2 zur Erhöhung von Kraftstoffeffizienz in einem Fahrzeug.

90

9. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 wie folgt:

91

C1 Verwendung einer Ölgrundlage;

92

C1.1 der Gruppe-II,

93

C1.1.1 5 welche weniger als etwa 3 Gew.-% Tetracycloparaffine umfasst;

94

C2 in einer Schmiermittelzusammensetzung,

95

C2.1 5 welche eine Phosphor-enthaltende Verbindung enthält,

96

C3 zur Verringerung der Dünnfilmreibung eines Fluids zwischen Oberflächen,

97

C4 wobei das Fluid von Merkmal C2 die Schmiermittelzusammensetzung umfasst.

98

Der Patentanspruch 22 nach Hilfsantrag 5 entspricht dem Patentanspruch 23 nach Hilfsantrag 4.

99

Zur Zulässigkeit der Änderungen

100

10. a) Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag geht hervor aus dem ursprünglichen Patentanspruch 1 in Verbindung mit Abs. [0015] der Beschreibung (Merkmal A2.1) und dem ursprünglichen Patentanspruch 2 (Merkmal A3). Die Patentansprüche 2 bis 20 entsprechen den ursprünglichen Patentansprüchen 3 bis 21.

101

b) In Patentanspruch 2 wurde der ursprünglich offenbarte Begriff „Amylsäurephosphat“ auf Vorschlag der Prüfungsstelle in „Amylalkoholphosphat“ geändert. In Abs. [0027] der ursprünglichen Beschreibung werden in Verbindung mit Abs. [0025] und [0026] Phosphorsäureester offenbart, welche aus der Reaktion von P2X5 (X = O, S) mit einer Hydroxyverbindung, u. a. Amylalkohol (1-Pentanol), hergestellt werden. In den englischsprachigen Anmeldeunterlagen wird ursprünglich die Bezeichnung „amyl acid phosphate“ (entsprechend dem „phosphoric acid pentyl ester“) verwendet, welche nach Kenntnis des Senats fachüblich ist. Die hierfür fachübliche deutschsprachige Bezeichnung ist aus Sicht des Senats „Phosphorsäure-amylester“, „Phosphorsäure-pentylester“, „Pentyldihydrogenphosphat“, „Amylphosphat“ oder auch „Amylsäurephosphat“. Die jetzige Bezeichnung „Amylalkoholphosphat“ kann zwar unter Rückgriff auf die Beschreibung ausgelegt werden, wird jedoch nach Kenntnis des Senats weder als „Amylalkoholphosphat“ noch als „amyl alcohol phosphate“ in der Fachliteratur verwendet.

102

c) Die Patentansprüche 21 bis 24 nach Hauptantrag basieren auf den ursprünglichen Patentansprüchen 26 bis 29 und sind jeweils in Verwendungsansprüche umformuliert.

103

11. a) Das Merkmal A3.1 1 von Hilfsantrag 1 entspricht dem ursprünglichen Unteranspruch 4.

104

b) Das Merkmal A2 2 von Hilfsantrag 2 und Hilfsantrag 3 soll sich auf Abs. [0015] der Beschreibung stützen (Schriftsatz vom 22. Oktober 2010, S. 2, Abs. 1). In diesem Absatz wird offenbart, dass „die Ölgrundlage […] jedwede in die Gruppen I bis V kategorisierte Ölgrundlage sein [kann]“ und „in einer Ausführungsform […] die Ölgrundlage eine Ölgrundlage der Gruppe II [ist]“. Nun sollen aber nach Abs. [0120] der Beschreibung Einzahlformen – wie „ein“ oder „die“ – Mehrzahlbezugnahmen einschließen. Dementsprechend wäre Abs. [0015] der Beschreibung keineswegs ausschließlich so zu interpretieren, dass die einzige Ölgrundlage eine der Gruppe II sei. Vielmehr muss dieser Absatz auch in dem Sinn verstanden werden, dass neben der Ölgrundlage der Gruppe II auch weitere Ölgrundlagen vorhanden sein können. Zwar sollen in Beispiel 1 (Abs. [0107]-[0110]) und den anderen Beispielen Ölgrundlagen der Gruppe II verwendet werden, jedoch ist es dem Erfinder zum Zeitpunkt der Anmeldung offensichtlich nicht auf eine „einzige“ Ölgrundlage angekommen, sonst wäre die in Abs. [0120] bewusst genannte Relativierung nicht erfolgt. Der Senat sieht daher das Merkmal „einzige Ölgrundlage“ als nicht offenbart an.

105

Wegen der offenen Anspruchsfassung bezieht sich aus Sicht des Senats das Merkmal des Gehalts der Tetracycloparaffine nicht ausschließlich auf Ölgrundlagen der Gruppe II. Der Gehalt an Tetracycloparaffinen kann sich auch auf die Ölgrundlage als solche beziehen, welche (unter anderem) eine Ölgrundlage der Gruppe II enthält.

106

c) Der Verwendungsanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 entspricht in den Merkmalen C1, C1.1.1, C2, C3 und C4 der sinnkorrekten Umformulierung des ursprünglichen Verfahrensanspruchs 26 (mit der in Abschnitt II.11.c genannten Einschränkung zu Merkmal C1.1.1). Das Merkmal C1.1 entspricht dem Merkmal A2.1.

107

Patentanspruch 23 nach Hilfsantrag 4 leitet sich ab vom ursprünglichen Patentanspruch 27.

108

d) Das Merkmal C2.1 5 nach Hilfsantrag 5 entspricht Merkmal A3 und ist mit dem ursprünglichen Patentanspruch 2 offenbart.

109

Die Kombination der Merkmale C1.1.1 5 , C2.1 5 und C3 sieht der Senat als nicht ursprünglich offenbart an. Die Tabelle 2 auf S. 30 der Beschreibung, auf welche sich die Anmelderin in diesem Zusammenhang beruft, zeigt aus Sicht des Senats nicht zwingend, dass der negative Einfluss durch eine Phosphor-enthaltende Verbindung in Gruppe-II Grundölen auf die Dünnfilmreibung durch den geringen Anteil von Tetracyloparaffinen kompensiert wird (vgl. Schriftsatz vom 18. September 2012, S. 8 auf 9). So weist die Ölgrundlage A mit 3,33 Gew.-% Tetracyloparaffinen einen Dünnfilmreibungskoeffizienten von 0,066 auf. Nach Zusatz von 0,4 Gew.-% Phosphonat verringert sich dieser auf 0,055. Dagegen ist der Dünnfilmreibungskoeffizient der Ölgrundlage C mit 1,57 Gew.-% Tetracyloparaffinen bei 0,030. Nach Zusatz von 0,4 Gew.-% Phosphonat erhöht sich der Dünnfilmreibungskoeffizient auf 0,035. Sinngemäßes ist bei dem nicht näher spezifizierten Zusatz „AAP“ zu beobachten. Es erfolgt also aus Sicht des Senats eine gegenseitige Beeinflussung zwischen den Phosphor-enthaltenden Verbindungen und den Tetracycloparaffinen, welche bei einem Zusatz von mehr als 0,4 % AAP bzw. mehr als 0,4 % Phosphonat auch dazu führen mag, dass die absoluten Dünnfilmreibungskoeffizienten der Ölgrundlage C höher sind als diejenigen der Ölgrundlage A, bei gleicher Konzentration an Phosphor-enthaltender Verbindung. Die positive Beeinflussung eines niedrigen Gehalts an Tetracycloparaffinen, egal welche Phosphor-enthaltende Verbindung in welcher Menge zugesetzt wird, vermag der Senat aus diesen Messdaten nicht abzuleiten.

110

Auslegung verschiedener Begriffe

111

12. Der Begriff „Dünnfilmreibung zwischen Oberflächen“ lässt zunächst offen, wie dick der Film ist. Hierzu gibt auch die Beschreibung keinen Hinweis. Lediglich der nachveröffentlichten Druckschrift AC-1 sind die von der Anmelderin behaupteten Unterschiede zwischen Grenzflächenreibung („Boundary Friction Coefficient“), Dünnfilmreibung („Thin-Film Friction Coefficient“) und Viskosität bzw. Dickfilmreibung („High Temperature High Shear Viscosity“) zu entnehmen. Die Dicke des dünnen Films wird in AC-1 ein Mal mit 118 nm angegeben (AC-1: S. 4, vorletzter Absatz). Nach Angaben der Anmelderin soll die anmeldungsgemäße Dicke im Bereich von etwa 50 bis 200 nm liegen (Schriftsatz vom 19. April 2011, S. 4, Z. 2), was jedoch nicht aus den Anmeldeunterlagen zu entnehmen ist.

112

Entsprechend der ursprünglichen Unterlagen lassen sich die erfindungsgemäßen Schmiermittelzusammensetzungen in Motoren, Getrieben, Sammelgetrieben oder beliebigen Maschinen einsetzen (vgl. ursprüngliche Patentansprüche 28 und 29 sowie Abs. [0104] und [0105]). Die erfindungsgemäßen Schmiermittelzusammensetzungen werden also nicht ausschließlich zu dem Zweck der „verringerte[n] Dünnfilmreibung und erhöhte[n] Kraftstoffwirtschaftlichkeit“ eingesetzt (vgl. Abs. [0006]). Sofern jedoch erfindungsgemäße Zusammensetzungen in passgenau gefertigten Maschinenteilen zum Schmieren und zur Verringerung der Reibung eingesetzt werden, werden sie aus Sicht des Senats in einer „dünnen“ Schicht zwischen zwei Oberflächen verwendet. Werden im Stand der Technik dann gleiche Schmiermittel in gleicher Weise verwendet, erfolgt diese Verwendung zwangsläufig ebenso in einer „dünnen“ Schicht. Gleich formulierte Schmiermittelzusammensetzungen führen bei gleicher Verwendung jedenfalls zu einer gleichen Wirkung.

113

Grundsätzlich ist der Einfluss der Dicke eines Films auf das rheologische Verhalten einer Flüssigkeit bekannt. So beschreibt die D6, dass aus dem Verhalten von dünnen Filmen (D6: < 100 nm, Abschnitt 4.2, S. 102) am besten Rückschlüsse auf das tatsächliche Verhalten von Schmiermitteln in Motoren gezogen werden können (vgl. D6: Abstract i. V. m. S. 92, linke Sp., Abs. 2 sowie Abschnitt 4.2, S. 102).

114

13. Ölgrundlagen der Gruppe II weisen entsprechend der Anmeldung (Abs. [0005]) mehr als 90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe, weniger als 0,03 % Schwefel und einen Viskositätsindex im Bereich von 80 bis ≤ 120 auf. Diese Angaben stimmen überein mit der Definition des American Petroleum Institute (API). Entsprechend dieser Definition werden Gruppe II Grundöle hergestellt durch „hydrocracking and solvent or catalytic dewaxing processes“.

115

Die vom American Petroleum Institute vorgenommene Einteilung der Ölgrundlagen erfordert eine Erläuterung zu den Zusammensetzungen der Ölgrundlagen anderer Gruppen. Ölgrundlagen der Gruppe I weisen weniger als 90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe und/oder mehr als 0,03 % Schwefel sowie einen Viskositätsindex zwischen 80 und 120 auf. Ölgrundlagen der Gruppe III weisen mehr als 90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe, weniger als 0,03 % Schwefel sowie einen Viskositätsindex über 120 auf. Bei Ölgrundlagen der Gruppe IV handelt es sich um Polyalphaolefine (PAO; vgl. Abs. [0108], Tabelle 1 der ursprünglichen Beschreibung). Der Viskositätsindex beschreibt die Temperaturabhängigkeit der kinematischen Viskosität (m2 s−1) eines Schmieröls, aber nicht dessen tatsächliche Viskosität. Öle mit einem niedrigen Viskositätsindex zeigen eine stärkere temperaturabhängige Viskositätsänderung als solche mit einem hohen Viskositätsindex.

116

Zur Patentfähigkeit der Gegenstände der Patentansprüche

117

14. Da es Merkmal A2 2 an der ursprünglichen Offenbarung mangelt (vgl. Abschnitt II.11.b), ist jeweils der Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 2 und 3 nicht patentfähig.

118

15. Über die vorstehend aufgezeigten Formalmängel hinaus sind die Patentansprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen nicht gewährbar, da ihre Gegenstände entweder nicht neu sind oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

119

16. Die Aufgabe soll gemäß Beschreibung darin liegen, ein Schmiermittel bereitzustellen, welches nicht teuer ist und eine verringerte Dünnfilmreibung hat und/oder zu einer erhöhten Kraftstoffwirtschaftlichkeit führt (Abs. [0006]).

120

Laut Schriftsatz des Vertreters der Anmelderin vom 18. September 2012 und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung bestehe die Aufgabe darin, geeignete Grundöle zu finden, um eine Schmiermittelzusammensetzung, die eine Phosphorenthaltende Verbindungen enthält, mit einer möglichst niedrigen Dünnfilmreibung für die Anwendung als beispielsweise Motor, Getriebe oder Transmissionsgetriebeschmiermittel bereitzustellen (S. 7, Abs. 2). Aufgrund der von den Erfindern der vorliegenden Anmeldung erstmals aufgefundenen Korrelation zwischen Tetracycloparaffingehalt des Grundöls und Dünnfilmreibung, auch in Schmiermittelzusammensetzungen, die Phosphorenthaltende Verbindungen enthalten, könne diese Aufgabe erstmals gezielt gelöst werden (S. 7, Abs. 2).

121

Wie bereits in Abschnitt II.11.d ausgeführt sieht der Senat die Offenbarung der mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 vorgenommenen Kombination der Merkmale C1.1.1 5 , C2.1 5 und C3 als nicht ursprünglich offenbart an. Der Zusatz einer Phosphor-enthaltenden Verbindung ist jedenfalls – schon nach eigenem Bekunden der Anmelderin (vgl. Abs. [0112], Satz 3 der ursprünglichen Beschreibung) – eine fachübliche Maßnahme, welche aus Sicht des Senats damit im Belieben des Fachmanns liegt, so dass sich eine erfinderische Tätigkeit mit Hilfe der offenbarten experimentellen Daten daraus nicht ableiten lässt.

122

Zum Hauptantrag

123

17. Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 23 und 24 nach Hauptantrag sind nicht neu gegenüber der Schmiermittelzusammensetzung der D1.

124

Die Druckschrift D1 beschreibt die Herstellung eines Schmiermittels durch Fischer-Tropsch-Synthese unter Verwendung von Synthesegas (CO und H2) welche zu einem Produktstrom („product stream“) führt, d. h. zu den üblichen aus der Fischer-Tropsch-Synthese führenden Produkten (Alkane, Alkene, Alkohole, Oxoprodukte). Aus dem Produktstrom werden Paraffin-Wachse isoliert, welche weniger als 30 ppm Stickstoff und Schwefel zusammen und weniger als 1 % Sauerstoff aufweisen. Diese Paraffine werden einem Wachsausschmelzen (Wachsentfernen) unterzogen („dewaxing“), im Speziellen einem Wachsausschmelzen unter Hydroisomerisierung („hydroisomerization dewaxing“), wodurch ein isomerisiertes Öl entsteht. Dieses isomerisierte Öl wird dem Prozess des „Hydrofinishings“ unterzogen. Das heißt, das Produkt wird mit Wasserstoff behandelt, um es abzusättigen. Abschließend wird das Öl mit mindestens einem Schmieröladditiv geblendet. Das Öl weist dementsprechend einen geringen Anteil an Molekülen mit einer aromatischen Funktion auf. Der Anteil an Monocycloparaffinen ist hoch, derjenige an Multicycloparaffinen niedrig (vgl. D1: S. 1, Z. 7-23). Damit sind die Merkmale A1 und A2 sowie die Merkmale C1 und C2 aus der D1 bekannt.

125

Mit anderen Worten entsteht aus diesem Prozess ein hochgesättigtes Öl (Sättigungsgrad über 95 %; vgl. D1: S. 24, Z. 30-32), welches einen Schwefel-Gehalt kleiner als 30 ppm (0,003 %) hat. Sein Viskositätsindex ist hoch (D1: S. 1, Z. 28) und liegt bei größer als 137 bzw. 147 (vgl. D1: S. 33, Z. 5-12). Es dürfte sich demnach um eine Ölgrundlage der Gruppe III handeln (mehr als 90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe, weniger als 0,03 % Schwefel und einen Viskositätsindex im Bereich > 120, hergestellt z. B. durch Hydroisomerisierung).

126

Multicycloparaffine sind nicht erwünscht, da sie den Viskositätsindex erniedrigen, die Oxidationsstabilität verringern und die Noack Volatilität erhöhen (zur Definition der Noack Volatilität vgl. D1: S. 35, Z. 6-20). Bevorzugt enthalten die Ölgrundlagen der D1 mehr als 10 Gew.-% Monocycloparaffine und weniger als 0,1 Gew.-% Multicycloparaffine (D1: S. 30, Z. 8-12), also auch weniger als 0,1 Gew.-% Tetracycloparaffine, welche explizit genannt sind (D1: S. 29, Z. 26-32).

127

Die fertigen Produkte können mit anderen Ölgrundlagen, u. a. konventionellen Ölgrundlagen der Gruppe II, verschnitten werden (S. 14, Z. 1-10 // Merkmale A2.1, C1.1). Über deren Gehalt an Multicycloparaffinen wird keine Aussage getroffen. Da sich aus Sicht des Senats die Merkmale A2.1.1 bzw. A2.1.1 1 und C1.1.1 bzw. C1.1.1 5 auch auf die Ölgrundlage als solche beziehen können (vgl. Abschnitt II.11.b), ist auch Merkmal A2.1.1 bzw. C1.1.1 durch die D1 vorbeschrieben. Zumindest aber lag nahe, durch die Zugabe von Ölgrundlagen der Gruppe II den Gehalt an Multicycloparaffinen nicht zu erhöhen. Auch die Zugabe von u. a. Phosphatestern wird zur Modifizierung der Eigenschaften des Schmiermittels angeregt (S. 14, Z. 1-10 // Merkmale A3, C2.1 5 ).

128

Das Schmiermittel kann u. a. für Automobile, Diesel-Motoren, Erdgas-Motoren, Achsen oder Getrieben verwendet werden (D1: S. 2, Z. 3-6 // Merkmale B1, Bc2, Bd2).

129

Damit sind alle Merkmale (A1, A2, A2.1, A2.1.1, A3, B1, Bc2, Bd2) der Gegenstände der Patentansprüche 1, 23 und 24 nach Hauptantrag aus der D1 bekannt. Zumindest aber lag es bei der Bereitstellung eines Blends mit Ölgrundlagen der Gruppe II nahe, solche mit einem geringen Gehalt an Monocycloparaffinen zu verwenden und fachübliche Phosphatester hinzuzugeben, so dass die Gegenstände der Patentansprüche 1, 23 und 24 nach Hauptantrag gegenüber der D1 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

130

Darüber hinaus sind die Merkmale A2.1.1 1 , C1, C1.1.1, C1.1.1 5 , C2 und C2.1 5 der Hilfsanträge aus der D1 bekannt.

131

Zu den Hilfsanträgen

132

18. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit der Hilfsanträge sind neben der Druckschrift D1 die Druckschriften D2, D4 und D5 wesentlich.

133

19. Entsprechend dem Lehrbuch D2 werden in hohem Maße insbesondere Zinkdialkydithiophosphate als Oxidationsinhibitoren für Motoröle verwendet (vgl. D2: S. 83, linke Sp., Abschnitt „Schwefel-Phosphor-Verbindungen“). Zinkdialkyldithiophosphate spielen auch entsprechend dem Übersichtsartikel D6 bei Schmiermittelzusammensetzungen eine entscheidende Rolle im Oberflächenschutz (D6: S. 103, Abschnitt 5). Phosphate und Thiophosphate werden in verschiedensten Variationen und Kombinationen auch als Detergentien verwendet (vgl. D2: S. 92, rechte Sp., Abschnitt „Phosphate, Thiophosphate, Phosphonate, Thiophosphonate“). Auch wirken organische Phosphorverbindungen als Hochdruckadditive (vgl. D2: S. 96, rechte Sp., Abschnitt „Phosphorverbindungen“). Insgesamt ist der Einsatz von Phosphor-enthaltenden Verbindungen in der Formulierung von Schmiermitteln fachüblich (Merkmale A3 und A3.1 1 sowie C2.1 5 ).

134

20. Die Druckschrift D4 beschreibt Schmiermittel welche aus einem Blend bestehen von 10 bis 80 Gew.-% Fischer-Tropsch Grundöl (üblicherweise Ölgrundlagen der Gruppe III; vgl. D4: [0115]) und 20 bis 90 Gew.-% Petroleum-basiertes Grundöl ausgewählt aus Ölgrundlagen der Gruppe II oder Gruppe III oder Mischungen davon (D4: [0008], [0118] // Merkmale A1, A2, A2.1 sowie C1, C1.1, C2). In der Schmiermittelmischung soll der Gehalt an Multicycloparaffinen im Fischer-Tropsch Grundöl – und damit auch an Tetracycloparaffinen (vgl. D4: [0109]) – kleiner als 0,1 Gew.-% und derjenige an Monocycloparaffinen größer als 10 Gew.-% sein (D1: [0110] und Patentanspruch 9 // Merkmale A2.1.1 bzw. A2.1.1 1 sowie C1.1.1, C1.1.1 5 – zumindest nahe gelegt). Dies soll das Schmiermittel stabiler gegenüber Oxidation machen (D4: [0107]). Es wird insbesondere als Getriebeöl eingesetzt (D4: [0001] // Merkmale B1, Bc2, Bd2).

135

Damit sind die Merkmale A1, A2, A2.1, A2.1.1, A2.1.1 1 , B1, Bc2, Bd2, C1, C1.1, C1.1.1, C1.1.1 5 , C2 aus der D4 bekannt. Es fehlt jedoch in der D4 die Erwähnung einer Phosphor-enthaltenden Verbindung (Merkmal A3), wobei jedoch übliche Additive zusätzlich zu einem „pour point depressant“ (Pourpoint-Erniedriger; der Pourpoint ist die Temperatur eines Mineralöles, bei der eine Probe beim Abkühlen unter bestimmten Bedingungen eben noch fließt) verwendet werden (D4: [0139]).

136

21. Die Druckschrift D5 beschreibt eine Schmiermittelzusammensetzung, welche eine Hauptmenge an Grundöl aufweist, welches weniger als 40 Gew.-% Alkylcycloparaffine enthält und eine geringfügige Menge an mindestens einem Diarylamin (D5: [0001] // Merkmal A1, C2). Gemäß den Beispielen von Abschnitt [0042] der D5 enthält das Schmiermittel eine Ölgrundlage der Gruppe I oder II. Die Beispiele C bis H betreffen ausschließlich Gruppe-II Grundöle (Merkmale A2, A2 2 , A2.1 sowie C1, C1.1), welche mit 0,25 bis 0,50 Gew.-% Diphenylamin (DPA) gemischt wurden. Deren Tetracycloparaffingehalt liegt maximal bei 2,8 Gew.-% (Merkmal A2.1.1 sowie C1.1.1, C1.1.1 5 ). Zudem zeigt das Vergleichsbeispiel F, dass bei einem Tetracycloparaffingehalt über etwa 2 Gew.-% die Schmiermittel höhere dTAN-Werte im GMOT-Test haben (D5: [0043]. Der dTAN-Wert bezeichnet den Unterschied der „Total Acid Number“ (TAN, Gesamtsäurezahl) zwischen einem frischen Schmiermittel und einem Schmiermittel nach 32.000 Schalt-Zyklen vom ersten in den vierten Gang eines Automatikgetriebes (D5: [0038]). Dies zeigt, dass die Oxidationsstabilität gemessen als Gesamtsäurezahl bei einem Schmiermittel besser ist, je weniger Tetracycloparaffine dieses aufweist (vgl. auch D5: [0021]).

137

Die Schmiermittelzusammensetzung kann zudem mindestens ein Additiv enthalten (D5: [0030]). Sie wird z. B. eingesetzt für Automatikgetriebe, Handgetriebe, als Getriebeöl oder Motoröl (D5: [0001] // Merkmale B1, Bc2, Bd2).

138

Es sind daher die Merkmale A1, A2, A2 2 , A2.1, A2.1.1, A2.1.1 1 , B1, Bc2, Bd2, C1, C1.1, C1.1.1, C1.1.1 5 , C2 aus der D5 bekannt.

139

22. Ein Fachmann, der ausgehend von der D5 vor die objektive Aufgabe gestellt ist, das dort beschriebene Schmiermittel bereitzustellen, welches entweder zusätzlich zu dem dort beschriebenen Aminen als Antioxidationsmittel (D5: [0024] oder anstelle dieser Amine ein anderes Antioxidationsmittel verwendet, wird zumindest ein fachübliches, aus Lehrbüchern bekanntes Metallsalz von Thiophosphorsäureester-Verbindungen, insbesondere Zinkdialkyldithiophosphat, einsetzen (vgl. D2: S. 83, linke Sp., Abschnitt „Schwefel-Phosphor-Verbindungen“ // D6: S. 103, linke Sp., Abschnitt 5). Zinkdialkyldithiophosphat ist entsprechend der Offenbarung der Anmelderin, die häufigste in Motorölen gefundene Phosphorverbindung (vgl. ursprüngliche Beschreibung, Abs. [0112]).

140

Damit gelangt der Fachmann ausgehend von der in der D5 beschriebenen Lehre, auf niedrige Tetracycloparaffingehalte zu achten (am besten Gehalte unterhalb von 2 Gew.-%; vgl. D5: [0043], Satz 3), allein schon dann, wenn er ein dort beschriebenes Schmiermittel fachüblicherweise mit Additiven bereitstellt, zu einer Schmiermittelzusammensetzung mit allen Merkmalen A1, A2, A2 2 , A2.1, A2.1.1, A2.1.1 1 , A3, A3.1 1 , allen Merkmalen B1, Bc2, Bd2 sowie allen Merkmalen C1, C1.1, C1.1.1, C1.1.1 5 , C2, C2.1 5 , ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

141

Folglich beruhen die Gegenstände der Patentansprüche 1, 21 und 22 nach Hilfsantrag 1, die Gegenstände der Patentansprüche 1, 23 und 24 nach Hilfsantrag 2 und die Gegenstände der Patentansprüche 1, 23 und 34 nach Hilfsantrag 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

142

23. Die unabhängigen Patentansprüche nach Hilfsanträgen 4 und 5 sowie die Patentansprüche 21 und 22 nach Hauptantrag beschreiben die Verwendung einer Ölgrundlage in einer Schmiermittelzusammensetzung mit der Wirkung einer Verringerung der Dünnfilmreibung (jeweils Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 5 bzw. Patentanspruch 21 nach Hauptantrag) bzw. einer Erhöhung von Kraftstoffeffizienz (nebengeordnete Patentansprüche 23 bzw. 22 der Hilfsanträge 4 und 5 bzw. Patentanspruch 22 nach Hauptantrag).

143

Aus Sicht des Senats führt der Einsatz der aus der D1, D4 oder D5 bekannten Schmiermittelzusammensetzungen (Merkmale B1, C1, C1.1, C1.1.1, C1.1.1 5 , C2) zwangsläufig zu den Merkmalen Ba2 bzw. C3 (Verringerung der Dünnfilmreibung) und Bb2, C4 bzw. D2 (Erhöhung von Kraftstoffeffizienz). Die dort beschriebenen Öle sollen explizit auch als Motoröle eingesetzt werden. Ziel der Verringerung des Gehalts an Tetracycloparaffinen ist zwar eine erhöhte Oxidationsstabilität. In Motoren herrschen aber an vielen Stellen, z. B. zwischen Kolben und Zylinder, sehr geringe – also dünne – Abstände. Wird dort ein aus der D1, D4 oder D5 bekanntes Schmiermittel eingesetzt, führt dies zwangsläufig zu einer Verringerung der Dünnfilmreibung (Merkmal C3), zu einer Erhöhung der Kraftstoffeffizienz (Merkmal D2) oder zu weiteren vom Fachmann noch nicht erkannten Vorteilen.

144

Die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche des Hilfsantrags 4 sind daher nicht neu jeweils gegenüber den Druckschriften D1, D4 oder D5. Die Gegenstände der Patentansprüche 21 und 22 nach Hauptantrag sowie die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche nach Hilfsantrag 5 sind nicht neu gegenüber der Druckschrift D1. Ferner beruhen die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche nach Hilfsantrag 5 bzw. die Gegenstände der Patentansprüche 21 und 22 nach Hauptantrag gegenüber der D5 in Verbindung mit der D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da – wie in Abschnitt II.22 gezeigt – die Merkmale A3 bzw. C2.1 5 für einen Fachmann nahegelegen haben, zumal mit ihm kein weitergehender technischer Effekt belegt ist (vgl. Abschnitt II.15).

145

Das nachträgliche Auffinden der technischen (physikalischen) Zusammenhänge, die der Wirkung eines Schmiermittels zugrunde liegen, offenbart keine neue Lehre zum technischen Handeln, wenn die (bekannten) Zusammensetzungen in der bekannten, hier sogar üblichen Art und Weise, als Schmiermittel eingesetzt werden (vgl. zu Arzneimittelerfindungen: BGH GRUR 2014, 54 – Fettsäuren). Dies entspricht dann keiner neuen Verwendung eines bekannten Gegenstandes für einen neuen Zweck, sondern der bekannten Verwendung eines bekannten Gegenstandes. Die erstmalige Formulierung einer (weiteren) Wirkung eines bekannten Erzeugnisses, die nicht zugleich eine weitere Brauchbarkeit (Funktion) des Erzeugnisses aufzeigt, sondern gerade die bekannte Brauchbarkeit betrifft, kann nicht unter dem Gesichtspunkt der Funktions- oder Verwendungserfindung schutzfähig sein (vgl. BPatGE 41, 202 – Kaffeefiltertüte; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 1, Rn. 135).

146

Die Ausführungen der Anmelderin, die meint, eine neue Verwendung aufgezeigt zu haben, vermögen den Senat hingegen nicht zu überzeugen. Zwar werden an Schmiermittel unterschiedliche Anforderungen gestellt, wobei Schmiermittelprodukte nicht nur z. B. nach der Art ihrer Zusammensetzung oder Gewinnung (z. B. Mineralöl, Teilsynthetiköl und Synthetiköl) und ihren eigentlichen Verwendungen (Motoröl, Getriebeöl, Kettenöl, etc.) sondern auch nach ihren Eigenschaften bzw. Wirkungen in verschiedene Arten oder Kategorien eingeteilt werden können (z. B. Leichtlauföle, Longlife-Öle, oxidationshemmende Schmiermittel, Schmiermittel zur Drehmomentübertragung). Dabei mögen die letztgenannten Schmieröl-„Arten“ zwar unterschiedliche Eigenschaften haben und sich dementsprechend für bestimmte „Einsatzzwecke“ besser oder schlechter eignen. Innerhalb dieser Einsatzzwecke werden sie aber stets nur im Rahmen der gleichen und längst bekannten Verwendung (bzw. Funktion) eingesetzt, nämlich z. B. als Motorschmiermittel.

147

Der Verwender wird die oben genannten verschiedenen Eigenschaften zwar bei der Auswahl des Produkts berücksichtigen und möglicherweise eine Auswahl zugunsten eines bekannten Motoröls treffen, dem neuerdings nach den Erkenntnissen der Anmelderin besonders gute Dünnfilmeigenschaften zugeschrieben werden. Er wird es jedoch nach wie vor nur in der bekannten Weise als Motorschmiermittel verwenden, d. h. beim Ölwechsel in den Motor einfüllen und sodann das Fahrzeug in Betrieb nehmen. Die eigentliche Verwendung eines “Schmiermittels zur Verringerung der Dünnfilmreibung“ unterscheidet sich in nichts von der bekannten Verwendung. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Erkenntnis einer neuen positiven Eigenschaft (hier: besonders gute Dünnfilmschmierung) eine variierte Verwendungsweise nahelegt, z. B. häufigere Kaltstartfahrten, zügige Bergfahrten oder Ähnliches. Denn auch diese „Verwendungsweisen“ liegen nur innerhalb der bekannten typischen Verwendung eines Motorschmiermittels. Die Argumentation der Anmelderin würde dagegen darauf hinaus laufen, aus jeder (positiven) Eigenschaft eines bekannten Produkts eine eigene Verwendungsart zu folgern, was zu einer Zersplitterung des Begriffs „Verwendung“ und damit zur Entwertung der Patentkategorie der Verwendungserfindung führen würde.

148

24. Auf die echten Unteransprüche der jeweiligen Anträge brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden; sie teilen das Schicksal des Patentanspruchs 1, auf den sie rückbezogen sind, da die Anmelderin die Erteilung eines Patents erkennbar nur im Umfang der vorliegenden Patentanspruchsätze begehrt hat (vgl. BGH v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH v. 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

149

Zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde

150

25. Der Senat sieht davon ab, die von der Anmelderin angeregte Rechtsbeschwerde zuzulassen. Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 PatG liegt nicht vor. Insbesondere betrifft die von der Anmelderin aufgeworfene und vom Senat entschiedene Frage, ob hier eine patentfähige neue Verwendung im Sinne einer sogenannten Verwendungs- bzw. Funktionserfindung (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 1 Rn. 240, § 4 Rn. 155; Busse, PatG, 7. Auflage, § 1 Rn. 135) vorliegt, keine offene oder sonst klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder eine Frage, die zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

151

Mit seiner Auffassung, dass die Verwendung bereits bekannter Schmiermittelzusammensetzungen zum Zwecke der Verringerung der Dünnfilmreibung keine neue Verwendung darstellt und mit den diese Auffassung tragenden Erwägungen hält sich der Senat ihm Rahmen der zu Verwendungserfindungen ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts, im Übrigen auch im Rahmen der Spruchpraxis der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts.

152

Nach der von der Anmelderin angeführten älteren Entscheidung BGH Liedl 1961/62, 618, 636 – Holzzerspanvorrichtung kann „unter bestimmten Voraussetzungen“ auch in der erstmaligen Entdeckung einer neuen Brauchbarkeit eine patentwürdige Erfindung gesehen werden, etwa, wenn die neue Erkenntnis die Verwendung einer schon bekannten Vorrichtung oder eines solchen Verfahrens für einen „ganz neuen“ technischen Zweck erschließt oder wenn sie es ermöglicht, einen bisher nur zufällig und unbewusst erzielten Erfolg nunmehr bewusst und planmäßig zu erreichen (BGH, a. a. O., S. 636, 3. Abs.). Direkt im Anschluss an diese Passage, auf deren letzten Teil vorliegend die Anmelderin besonders abhebt, hat der Bundesgerichtshof jedoch weiter ausgeführt, dass die Anerkennung einer solchen schutzwürdigen Funktionserfindung neben einer deutlichen Offenbarung der neuen Brauchbarkeit auch voraussetze, dass sich die Auffindung der neuen Funktion nicht in der Entdeckung naturgesetzlicher Zusammenhänge oder in einer vom Gegenstand losgelösten theoretischen Erkenntnis erschöpfe, sie vielmehr in einer neuen technischen Lehre Gestalt gewinne, was z. B. in Form einer vom Erfinder an die gesteigerte Funktion angepassten wirksameren Gestaltung geschehen könne.

153

Diese Ausführungen lassen erkennen, dass der Bundesgerichtshof bereits damals nicht zu niedrige Anforderungen an die „Funktion“ bzw. „Verwendung“ stellen und eine deutliche Abgrenzung gegenüber bloßen Entdeckungen naturgesetzlicher Zusammenhänge oder theoretischen Erkenntnissen bzw. Feststellungen schaffen wollte. Im Fall „Holzzerspanvorrichtung“ hatte der Erfinder eine Umgestaltung bekannter Vorrichtungen zum Zerkleinern von Körnern, Rinden und Borken unter Ersatz der für diese Vorrichtungen verwendeten Zuführungsorgane durch ein (wenn auch wiederum vorbekanntes) Schlagkreuz vorgenommen (vgl. a. BGH, a. a. O., S. 637, vorletzter Absatz), so dass das Vorliegen einer neuen Verwendung bzw. Funktion vorbekannter Vorrichtungen – anders als im vorliegenden Fall – kaum zweifelhaft sein konnte.

154

An dieser Linie hat der Bundesgerichtshof bis heute festgehalten. Insbesondere zum Arzneimittelbereich hat er in der jüngeren Entscheidung BGH GRUR 2011, 999, (LS) – Memantin festgestellt, die Entdeckung, dass ein bestimmter Wirkstoff einem pathologischen Zustand entgegenwirkt, könne keine neue Lehre zum technischen Handeln begründen, wenn die Behandlung von Patienten mit dem Wirkstoff im Stand der Technik bekannt war, und weder eine neue Art der Wirkstoffgabe gelehrt noch eine Patientengruppe als erfolgreich behandelbar aufgezeigt werde, die bisher noch nicht mit dem Wirkstoff behandelt worden ist.

155

Ähnlich hat der Bundesgerichtshof in der erst kürzlich ergangenen Entscheidung BGH GRUR 2014, 54 – Fettsäuren festgestellt, das dass nachträgliche Auffinden der biologischen Zusammenhänge, die der Wirkung eines Arzneimittels zugrunde liegen, keine neue Lehre zum technischen Handeln offenbare, sofern der verabreichte Wirkstoff, die Indikation, die Dosierung und die sonstige Art und Weise, in der der Wirkstoff verwendet werde, mit einer bereits beschriebenen Verwendung eines Wirkstoffs zur Behandlung einer Krankheit übereinstimme (BGH, a. a. O., LS u. Rn. 47).

156

Dies entspricht im Übrigen auch der von der Prüfungsstelle zitierten Entscheidung BPatGE 41, 202. LS 2 – Kaffeefiltertüte, wonach die erstmalige Formulierung einer (weiteren) Wirkung eines bekannten Erzeugnisses, die nicht zugleich eine weitere Brauchbarkeit (Funktion) des Erzeugnisses aufzeigt, sondern gerade die bekannte Brauchbarkeit betreffe, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Funktions- oder Verwendungserfindung schutzfähig sein könne.

157

Die beiden oben genannten Entscheidungen (BGH-Memantin und BGH-Fettsäuren) zeigen im Übrigen, dass die Anmelderin auch aus einem Vergleich mit der Rechtslage bei Arzneimittelerfindungen keine offene Rechtsfrage herleiten könnte.

158

Im Übrigen lässt sich auch aus den von der Anmelderin zitierten Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (G 2/88, Abl. 1990, 93; G 6/88, Abl. 1990, 410) nichts Gegenteiliges entnehmen. Die Große Beschwerdekammer hat dort auf Vorlagefragen, von denen eine zu einem Fall eines reibungsverringernden Zusatzes erging, nur weitgehend abstrakt zur rechtlichen Natur und zur Neuheit von Verwendungsansprüchen Stellung genommen. Dabei hat sie in der Entscheidung G 2/88 unter Ziff. 7.1 ausgeführt, dass der Patentanspruch dann kein neues technisches Merkmal enthalte, wenn der neue Zweck durch ein Ausführungsmittel erzielt werde, das bereits Teil des Standes der Technik in Verbindung mit dem bekannten Gegenstand sei und wenn die einzigen technischen Merkmale im Patentanspruch der (bekannte) Gegenstand in Verbindung mit dem (alten) Ausführungsmittel seien.

159

Als einziges Beispiel für einen Verwendungsanspruch hat sie den der Entscheidung T 231/85 (ABl. EPA 1989, 74) zugrunde liegenden Fall angeführt, in dem die Verwendung eines Stoffs zur Bekämpfung von Pilzen beansprucht wurde, wobei der fragliche Stoff im Stand der Technik als Wachstumsregulator beschrieben war (vgl. G2/88, unter Ziff. 9.1 der Entscheidungsgründe; identisch: G 6/88 unter 7.1 der Entscheidungsgründe). Die Nennung eines solchen Beispiels, bei dem ein bekannter Stoff auch außerhalb seines bekannten Anwendungsgebiets (Wachstumsbeschleunigung) zusätzlich in einer besonderen Situation (Auftritt einer Pilzkrankheit) angewendet werden kann, entspricht nicht der hier zu beurteilenden Fallgestaltung, in der eine bekannte Schmiermittelzusammensetzung nur im Rahmen eines für Schmiermittel typischen, gattungsmäßigen Gebrauchs verwendet werden kann. Der vorliegende Fall entspricht vielmehr eher denjenigen der oben genannten BGH- und BPatG-Entscheidungen. Ob vorliegend eine neue Verwendung vorlag oder nicht, war dann eine Frage des Einzelfalls, deren Klärung keine Befassung durch den Bundesgerichtshof erforderte.

160

26. Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

161

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

162

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

163

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

164

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

165

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder

166

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

167

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.