Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.07.2012


BPatG 12.07.2012 - 10 ZA (pat) 3/11

Patentnichtigkeitsklageverfahren – Kostenfestsetzung - Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren – zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen eines zeitgleich anhängigen Verletzungsverfahrens


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
12.07.2012
Aktenzeichen:
10 ZA (pat) 3/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 18. Dezember 2012, Az: X ZB 11/12, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 15. Februar 2011 dahin abgeändert, dass die von dem Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 85.752,66 € festgesetzt werden.

2. Der zu erstattende Betrag ist vom 1. Oktober 2010 an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

4. Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt 22.665, 33 €.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 23. September 2010 hat der Senat auf die Nichtigkeitsklage das europäische Patent … mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland antragsgemäß teilweise für nichtig erklärt und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Streitwert für das Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht ist auf 2.500.000 € festgesetzt worden. Während des Nichtigkeitsverfahrens ist ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig gewesen.

2

Die Klägerin hat in ihrem Kostenfestsetzungsantrag, der am 1. Oktober 2010 eingegangen ist, u. a. Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 22.665, 33 € geltend gemacht, nämlich eine 1,3 Verfahrensgebühr (11.694,80 €), und eine 1,2 Terminsgebühr (10.795,20 €), daneben eine Post- und Telekommunikationspauschale (20 €), Tage- und Abwesenheitsgeld (60 €) und Übernachtungskosten (95,33 €). Hierzu hat sie sich auf Entscheidungen des Bundespatentgerichts bezogen, wonach die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig i. S. v. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen seien, wenn zeitgleich ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig sei. Das sei hier der Fall gewesen, wobei auf Klägerseite des Verletzungsverfahrens vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth nicht der Patentinhaber, sondern die zur ausschließlichen Nutzung des Patents berechtigte Firma C… S.A. aufgetreten sei.

3

Der Beklagte hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin hinsichtlich der Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts widersprochen, da die Doppelvertretung durch einen Patent- und Rechtsanwalt vorliegend nicht nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO erforderlich gewesen sei; jedenfalls erfordere die Billigkeit nach § 82 Abs. 2 Satz 2 PatG die Nichtanerkennung der durch die nicht erforderliche Doppelvertretung verursachten Rechtsanwaltskosten. Da vorliegend keine schwierigen rechtlichen Fragen relevant gewesen seien, hätte der Patentanwalt das Verfahren auch ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts führen können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass parallel eine Verletzungsklage anhängig sei.

4

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Februar 2011 hat die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts die der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 63.087,33 € festgesetzt und den weitergehenden Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen, wobei die geltend gemachten Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts als nicht erstattungsfähig angesehen worden sind. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin insoweit im Wesentlichen ausgeführt, die Kosten der Doppelvertretung, die u. a. mit dem Erfordernis der Koordinierung des Nichtigkeitsverfahrens mit einem Verletzungsverfahren begründet worden seien, gehörten nicht zu den Kosten des Nichtigkeitsrechtstreits und seien daher nicht zu erstatten. Zwar seien nach der mehrheitlich von den Senaten des Bundespatentgerichts vertretenen Meinung die Kosten der Doppelvertretung aufgrund der erforderlichen koordinierenden Tätigkeit hinsichtlich eines anhängigen parallelen Verletzungsstreits wegen der engen Verzahnung beider Prozesse den Kosten des Nichtigkeitsstreits zuzurechnen. Doch diese Rechtsprechung auch auf Fälle auszudehnen, in denen die Parteien der beiden Verfahren nicht identisch seien, widerspreche dem Grundsatz, dass die unterlegene Partei der Gegenseite nur die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten habe. Hierzu gehörten nur Kosten, die unmittelbar im Verhältnis der Prozessparteien zueinander entstanden seien.

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Mit ihrer gegen diesen Beschluss eingelegten Erinnerung verfolgt die Klägerin die Erstattung ihrer Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt weiter und beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung der Senate des Bundespatentgerichts, wonach die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Rahmen des Patentnichtigkeitsverfahrens jedenfalls dann für notwendig erachtet worden ist, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist. Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth sei unter dem Aktenzeichen  … seit April 2006 ein paralleles Verletzungsverfahren anhängig gewe- sen, wobei es sich um ein äußerst umfangreiches Verfahren gehandelt habe, das in mehrfacher Hinsicht mit dem Nichtigkeitsverfahren eng verzahnt gewesen sei, so dass es erforderlich gewesen sei, das Vorgehen in beiden Verfahren aufeinander abzustimmen. Sowohl im Verletzungsverfahren als auch im Nichtigkeitsverfahren sei es um die Auslegung und den Inhalt des angegriffenen Patentanspruchs gegangen. Nach Erhebung der Nichtigkeitsklage seien zwischen den Prozessbevollmächtigten des Verletzungsverfahrens umfangreiche Vergleichsverhandlungen geführt worden, um sowohl das Nichtigkeitsverfahren als auch das Verletzungsverfahren vergleichsweise zu beenden. Allein die Personenverschiedenheit der im Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren beteiligten Personen könne aus den Gründen, die der 4. Nichtigkeitssenat in seiner Entscheidung 4 ZA (pat) 50/10 ausgeführt habe, nicht zum Ausschluss der Anerkennung der Doppelvertretungskosten führen. Im parallelen Verletzungsverfahren habe der Patentinhaber die Verletzungsklägerin ermächtigt, die aus einer etwaigen Verletzung des Patents resultierenden Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, die Nichtigkeitsklage könne der Verletzungsbeklagte aber nur gegen den eingetragenen Inhaber des Patents erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 2 PatG).

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Die Klägerin und Erinnerungsführerin beantragt,

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den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Februar 2011 abzuändern und die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 85.752, 66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 1. Oktober 20120 festzusetzen, sowie der Beklagten die Kosten des Erinnerungsverfahren aufzuerlegen.

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Der Beklagte und Erinnerungsgegner beantragt,

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die Erinnerung kostenpflichtig zurückzuweisen.

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Er hält die Erinnerung für unbegründet, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts Doppelvertretungskosten nur dann erstattungsfähig seien, soweit sie tatsächlich zur entsprechenden Rechtsverfolgung notwendig seien. Die Notwendigkeit einer Mitwirkung des Rechtsanwalts im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren werde ausdrücklich bestritten, die Klägerin habe hierzu nichts dargetan. Die genannte Entscheidung des 4. Nichtigkeitssenats 4 ZA (pat) 50/10 bestätige gerade, dass eine notwendige Erstattung der Doppelvertretungskosten im vorliegenden Fall nicht geboten sei. Nachdem der prozessbevollmächtigte Patentanwalt der Klägerin auch im Verletzungsverfahren tätig gewesen sei, sei kein Grund ersichtlich, warum eine Notwendigkeit bestehe, die Koordinierung beider Verfahren in die Hand eines Rechtsanwalts zu geben, der nur im Verletzungsverfahren beteiligt sei. Auch die Formulierung und Verhandlung von Vergleichen zur Beilegung beider Angelegenheiten führe nicht dazu, dass die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren notwendigerweise auch zu einer Kostenerstattung führe. Im übrigen sei die Erstattung der Doppelvertretungskosten zu Recht deswegen abgelehnt worden, weil im vorliegenden Fall eine Parteienidentität in beiden Verfahren (Nichtigkeit und Verletzung) nicht bestehe.

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Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

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Die Erinnerung der Klägerin ist zulässig (§ 23 Abs. 2 RPflG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO, § 84 Abs. 2 PatG) und begründet. Die in Ansatz gebrachten Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts in Höhe von 22.665, 33 € sind erstattungsfähig.

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1. Nach § 84 Abs. 2 PatG sind für die Entscheidung über die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kosten entsprechend anzuwenden. Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.

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a) Um die notwendigen Kosten zu bestimmen, kommt es in jedem Einzelfall darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Trotz der erforderlichen Einzelfallprüfung ist aber bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme für geeignete Fallkonstellationen eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall - wie hier - mit Fug darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. zu Fällen der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts bzw. Unterbevollmächtigten z. B. BGH NJW-RR 2008, 1378; GRUR 2005, 1072 - Auswärtiger Rechtsanwalt V; GRUR 2005, 271 - Unterbevollmächtigter III; NJW 2003, 901 - Auswärtiger Rechtsanwalt I).

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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt bei der Einleitung eines Patentnichtigkeitsverfahrens bzw. bei der Verteidigung im Patentnichtigkeitsverfahren typischerweise jedenfalls dann als notwendig anzusehen sein, wenn - so wie hier - zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist (vgl. die Senatsentscheidungen vom 31. März 2010, 10 ZA (pat) 5/08, BPatGE 51, 225, 231 = BlPMZ 2010, 371 ff. - Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren III, sowie vom 22. September 2011, 10 ZA (pat) 8/11, und vom 10. Oktober 2011, 10 ZA (pat) 8/10, mit denen sich der 10. Senat den Entscheidungen des 1. Senats des BPatG angeschlossen hat, BPatGE 51, 67, 72 = GRUR 2009, 706, 707 - Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren I und II; ebenso der 2., 3. und 5. Senat des Bundespatentgerichts: 2. Senat, Entscheidungen vom 13. März 2012, 2 ZA (pat) 76/11, und vom 12. März 2009, 2 ZA (pat) 82/07; 3. Senat BPatGE 52, 159 - Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren V; 5. Senat BPatGE 52, 154 - Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren IV; a. A. 4. Senat, aktuell Entscheidungen vom 16. April 2012, 4 ZA (pat) 35/11 - Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren, und vom 7. Mai 2012, 4 ZA (pat) 13/12 - Mitwirkender Rechtsanwalt III). Denn das Patentnichtigkeitsverfahren hat entscheidende Bedeutung für den Ausgang eines korrespondierenden oder auch erst noch beabsichtigten Verletzungsprozesses. In diesen Fällen ist regelmäßig das Vorgehen in beiden Verfahren aufeinander abzustimmen, beispielsweise im Hinblick auf die Beurteilung der Tragweite einer beschränkten Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren. Unabhängig von einer möglichen Nichtigerklärung oder Beschränkung des Patents kann selbst im Fall der Abweisung der Nichtigkeitsklage eine vom Nichtigkeitssenat in den Entscheidungsgründen vorgenommene Auslegung des Patentanspruchs von wesentlichem Einfluss für die vom Verletzungsgericht vorzunehmende Ermittlung des Schutzbereichs des Streitpatents und damit für die Verletzungsfrage sein (vgl. BGH GRUR 1988, 757, 760 f. - Düngerstreuer). In solchen Fällen eines parallelen Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahrens geht es somit weniger um die Frage, ob ein Patentanwalt kraft seiner Ausbildung zur alleinigen Führung eines Nichtigkeitsverfahrens imstande ist. Es geht hier vielmehr um die enge Verzahnung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren, wegen der es für eine effektive Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung regelmäßig sachdienlich erscheint, dass der Rechtsanwalt, der die Partei im Verletzungsverfahren vertritt, auch zu der Vertretung im Nichtigkeitsverfahren hinzugezogen wird. Dies gilt auch im Hinblick auf eine erschöpfende gütliche Beilegung der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsstreitigkeiten, auf die das Gericht in jeder Lage des Verfahrens hinwirken soll (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 278 Abs. 1 ZPO). Auch insofern ist eine enge Abstimmung zwischen beiden Verfahren und damit eine Beteiligung von Patentanwalt und Rechtsanwalt erforderlich und sinnvoll.

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c) Vor diesem Hintergrund kann die fehlende Identität der im Verletzungsstreit bzw. im Nichtigkeitsverfahren beteiligten Parteien nicht zum Ausschluss der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Doppelvertretung führen. Die Personenverschiedenheit in beiden Verfahren ergibt sich zwangsläufig in Fällen, in denen statt des Patentinhabers selbst sein Lizenznehmer das Schutzrecht gegen den Verletzer geltend macht oder wie hier ein von dem Patentinhaber mit der exklusiven Verwertung des Streitpatents beauftragter und ermächtigter Dritter als Prozessstandschafter. Erhebt der Verletzungsbeklagte seinerseits Nichtigkeitsklage, muss er diese wegen § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG gegen den im Patentregister Eingetragenen richten, so dass sich die Parteiverschiedenheit lediglich aus rein formalen Gründen ergibt (vgl. z.B. BGH Mitt. 2009, 30 Tz. 8 - Multiplexsystem). Entscheidendes Kriterium für die Erstattungsfähigkeit der Doppelvertretungskosten ist demgegenüber aber die Verzahnung beider Verfahren, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Verletzungsklage auf Basis des mit der anschließenden Nichtigkeitsklage angegriffenen Streitpatents erhoben wurde (vgl. 3. Senat BPatGE 52, 233 - Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren VI; ebenso die Entscheidungen des 5. Senats vom 24. August 2011, 5 ZA (pat) 16/11, und vom 27. Februar 2012, 5 ZA (pat) 55/11). Anderenfalls hätte es ein Patentinhaber durch eine entsprechende Lizenzgewährung in der Hand, seine Kostentragungspflicht auch im Fall einer notwendigen Doppelvertretung von vornherein ausschließen zu können (vgl. auch 4. Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2010, 4 ZA (pat) 50/10, BPatGE 52, 146 - Mitwirkender Rechtsanwalt II).

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d) Nach alledem ist hier die Erstattungsfähigkeit der Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts aufgrund der zeitgleich anhängigen Verletzungsklage als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzuerkennen. Es gibt keinen Anhalt, dass die typischerweise zwischen den beiden Verfahren bestehenden Berührungspunkte hier entfallen wären und deshalb eine vom Regelfall abweichende Bewertung geboten wäre. Es kann auch nicht bezweifelt werden, dass es sich hier bei den Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts um die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens und nicht um die des Verletzungsrechtsstreits handelt, da der Rechtsanwalt im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren tätig geworden ist (Terminsteilnahme u. a). Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Kosten für die Mitwirkung des Rechtsanwalts, nämlich die 1,3 Verfahrensgebühr (11.694,80 €), die 1,2 Terminsgebühr (10.795,20 €), die Post- und Telekommunikationspauschale (20 €), das Tage- und Abwesenheitsgeld (60 €) und Übernachtungskosten (95,33 €), insgesamt 22.665,33 €- sind daher erstattungsfähig. Die Verzinsung des festgesetzten Betrages ab 1. Oktober 2010, dem Tag des Eingangs des Festsetzungsgesuchs beim Bundespatentgericht, ergibt sich aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 104 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 ZPO.

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2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren dem Erinnerungsgegner und Nichtigkeitsbeklagten aufzuerlegen, da sein Begehren erfolglos war (§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO). Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem von der Klägerin geltend gemachten Betrag.

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3. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Rechtsbeschwerde nach § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassen, da die Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts zur Berücksichtigung von Doppelvertretungskosten im Patentnichtigkeitsverfahren uneinheitlich ist.

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Zur Statthaftigkeit der Zulassung einer solchen Rechtsbeschwerde im Verfahren vor dem Bundespatentgericht schließt sich der erkennende Senat der Entscheidung des 4. Senats des Bundespatentgerichts vom 16. April 2012, 4 ZA (pat) 35/11 zu 4 Ni 82/08 (EU) - Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren (abrufbar unter www.bundespatentgericht.de, ebenso in juris) - an. Danach handelt es sich um keinen Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100 PatG, sondern um die Zulassung einer Rechtsbeschwerde in entsprechender Anwendung des § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, da § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren für entsprechend anwendbar erklärt und diese Generalverweisung auch ohne ausdrückliche Erwähnung des § 574 ZPO das insoweit eigenständige Rechtsmittelrecht der Zivilprozessordnung im Kostenfestsetzungsverfahren umfasst (so auch für das Kostenfestsetzungsverfahren in Markenbeschwerdesachen Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 83 Rdn. 13). Die Kostenfestsetzung wird in den Vorschriften des Patentgesetzes nur durch Verweisung auf die ZPO geregelt (§§ 62 Abs. 2 Satz 3, 80 Abs. 5, 84 Abs. 2 Satz 2). Zum Umfang der Verweisung wird in der Entscheidung "Transportbehälter" des Bundesgerichtshofs (GRUR 1986, 453) ausgeführt, der Gesetzgeber habe damit, dass er in § 62 Abs. 2 Satz 3 PatG die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenfestsetzung für entsprechend anwendbar erklärt habe, "sämtliche Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren unter Einschluss derjenigen, die sich auf die Rechtsmittel beziehen", in seine Verweisung einbezogen (so BGH a. a. O. - Transportbehälter, unter II.3). Da nach damaliger Rechtslage in Kostenfestsetzungssachen der ZPO nach einer Beschwerdeentscheidung eine weitere Beschwerde nicht eröffnet war (§§ 567 Abs. 2 und 3, 568 Abs. 3 ZPO a. F.), vielmehr dem Zivilprozessrecht die revisionsmäßige Überprüfung von Entscheidungen über vom Gegner zu erstattende Kosten fremd war, wurde kein Grund gesehen, den zivilprozessualen Grundsatz der beschränkten Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Kostenfestsetzung im Rahmen des Patentgesetzes zu durchbrechen (BGH a. a. O. - Transportbehälter). Diese beschränkte Anfechtbarkeit ist jedoch mit der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887, 1902 f.) und der damit verbundenen Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse in Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 104 Rdn. 52) entfallen, wobei diese Neuregelung ausdrücklich auch den Zweck hat, die bis dahin unterschiedliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Kostenrechts zu vereinheitlichen (BT-Drucks. 14/4722, S. 116). Ist danach die in § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG enthaltene Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren auch als Verweisung auf die im Kostenfestsetzungsverfahren der ZPO geltenden Rechtsmittel zu verstehen, ist es auch in einem patentgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren für zulässig zu erachten, die Rechtsbeschwerde durch Zulassung nach § 574 ZPO zu eröffnen (vgl. 4. Senat, Beschluss vom 16. April 2012, 4 ZA (pat) 35/11 zu 4 Ni 82/08 (EU) - Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren; Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl.. § 83 Rdn. 14).