Entscheidungsdatum: 26.01.2010
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent EP 1 165 284
( DE 500 01 171 )
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richter Voit und Dipl.-Ing. Rippel, die Richterin Dr.-Ing. Prasch und den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass Anspruch 1 des Streitpatents folgende Fassung erhält:
„Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft (14) aufweisenden Werkzeugen (16) in einer Werkzeugaufnahme (10), die eine an ihrem freien Ende (24) offene Hülsenpartie (12) aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts (14) aufweist, mit einer die Hülsenpartie (12) der Werkzeugaufnahme (10) umfassenden, mit einem vorzugsweise hochfrequenten Wechselstrom beaufschlagbaren, als Ring- oder Zylinderspule ausgebildeten Induktionsspule (26) zum Erwärmen der Hülsenpartie (12), dadurch gekennzeichnet, dass die Induktionsspule (26) an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie (12) benachbarten Stirnseite durch einen eine zentrale Durchtrittsöffnung (36) für das Werkzeug (16) aufweisenden Polschuh (34) aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff abgeschlossen ist, wobei diese Maßnahme dazu bestimmt und geeignet ist, den über die Werkzeugaufnahme überstehenden Teil des Werkzeugs im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie gegenüber elektromagnetischen Streufeldern der Induktionsspule wirksam abzuschirmen und sich Patentansprüche 2 bis 24 in der Fassung des erteilten Patents auf den geänderten Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbeziehen.“
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten sind eingetragene Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 165 284 (Streitpatent), das auf die internationale Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 00/59676 (hier vorgelegt als Anlage NK3) zurückgeht und am 10. März 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 199 15 412 A1 (Anlage NK2) vom 6. April 1999 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 500 01 171 geführt. Es betrifft eine Vorrichtung zum Spannen von Werkzeugen und umfasst 24 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet:
Wegen des Wortlauts der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 24 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 165 284 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit und zudem gehe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus.
Hierzu beruft sie sich insbesondere auf folgende Dokumente:
NK9 DE 39 25 641 A1
NK11 US 5 311 654
NK12 Rudnev , V. I., Cook, R. L., Loveless, D. L., Black, M. R., in: Steel Heat Treatment Handbook, hrsg. von Totten, G. E und Howes M. A. H., Kapitel 11A: „Induction Heat Treatment“, Seiten 765-767 und 857-871, New York, Basel, 1997
NK13 JP 49-100434 mit englischer Übersetzung ( NK14 )
NK15 SU 248 101 mit deutscher Übersetzung ( NK16 )
NK17 Auszug aus: Lueger, Lexikon der Technik, hrsg. v. Ehrhardt, A. und Franke, H., 4. Auflage, Stuttgart 1961, Impressum und Seiten 764, 765
NK21 Auszug aus: Fachkunde Elektrotechnik, 20. Auflage, Haan, 1993, Impressum und Seiten 78-80
NK23 DD 40 363
NK25 Auszug aus: Induktive Erwärmung, hrsg. von RWE AG, 4. Aufl., 1991
NK26 Ruffini, R. S. und Madeira, R. J.; „Production and Concentration of Magnetic Flux for More Efficient Induction Heating Applications“, in: Industrial Heating, Februar 1989, Seiten 14-16
NB4 Auszug aus: Tooling Innovations: Thermal Contraction Toolholding System, 12/96, Seiten 2 bis 5
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 165 284 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2 bis 24 der erteilten Fassung anschließen:
„Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft (14) aufweisenden Werkzeugen (16) in einer Werkzeugaufnahme (10), die eine an ihrem freien Ende (24) offene Hülsenpartie (12) aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts (14) aufweist, mit einer die Hülsenpartie (12) der Werkzeugaufnahme (10) umfassenden, mit einem vorzugsweise hochfrequenten Wechselstrom beaufschlagbaren, als Ring- oder Zylinderspule ausgebildeten Induktionsspule (26) zum Erwärmen der Hülsenpartie (12), dadurch gekennzeichnet , dass die Induktionsspule (26) an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie (12) benachbarten Stirnseite durch einen eine zentrale Durchtrittsöffnung (36) für das Werkzeug (16) aufweisenden Polschuh (34) aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff abgeschlossen ist, wobei diese Maßnahme dazu bestimmt und geeignet ist, den über die Werkzeugaufnahme überstehenden Teil des Werkzeugs im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie gegenüber elektromagnetischen Streufeldern der Induktionsspule wirksam abzuschirmen.“
weiter hilfsweise, die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents gehe nicht über den Inhalt der Anmeldeunterlagen hinaus und sei ohne weiteres in der verteidigten Form patentfähig.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Durch die gemäß Antrag der Beklagten vorgenommene Beschränkung wird der Gegenstand des Streitpatents nicht i. S. v. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ in unzulässiger Weise erweitert. Dieser Gegenstand ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit, denn keines der in das Verfahren eingeführten Dokumente nimmt die streitpatentgemäße Erfindung vorweg oder legt sie, allein oder in Kombination mit anderen, nahe (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54, 56 EPÜ).
Die unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 24 haben mit jenem Bestand.
1. Das Streitpatent beschreibt eine Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Aufnahme, die eine an ihrem freien Ende offene Hülsenpartie aus einem elektrisch leitenden Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Schafts aufweist, wobei die Hülsenpartie der Werkzeugaufnahme von einer, vorzugsweise mit hochfrequentem Wechselstrom beaufschlagbaren, ring- oder zylinderförmigen Induktionsspule umfasst ist. Derartige Vorrichtungen seien im Stand der Technik prinzipiell bekannt, etwa aus der Offenlegungsschrift US 5 311 654 A [0001]. Derartige Vorrichtungen dienten dazu, etwa als Fräser oder Bohrer ausgebildete Werkzeuge in die Aufnahme einzuspannen oder aus dieser auszuspannen. Dabei werde die Werkzeugaufnahme durch die Induktionsspule erwärmt, um die Bohrung zu vergrößern, das Werkzeug einzuführen und durch die anschließende Abkühlung das Werkzeug reibschlüssig zu halten. Das Ausspannen sei nur deshalb möglich, weil die Erwärmung sich von außen nach innen ausbreitet, so dass bei erwärmter und gedehnter Hülsenpartie das noch kältere Werkzeug entfernt werden könne. Daher funktioniere dies nur, wenn Werkzeuge mit geringer thermischer Ausdehnung und/oder niedriger elektrischer Leitfähigkeit, z. B. aus Hartmetall oder Keramik verwendet würden, wohingegen es bei Werkzeugen aus Werkzeugstahl immer wieder zu Problemen komme [0002].
2. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Patentschrift als Aufgabe der Erfindung, eine bekannte Vorrichtung der beschriebenen Art so weiter zu entwickeln, dass auch Werkzeuge mit größerer thermischer Ausdehnung und/oder aus elektrisch leitfähigem Material mit Hilfe der Induktionsheizung zuverlässig ein- bzw. auszuspannen sind [0003].
Diese Aufgabe wird durch die im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst. In gegliederter Fassung lautet dieser Anspruch wie folgt:
1. Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen
1.1 von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen
2. in einer Werkzeugaufnahme;
2.1 die Werkzeugaufnahme weist eine Hülsenpartie auf;
2.1.1. die Hülsenpartie dient zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts;
2.1.2 die Hülsenpartie ist an ihrem freien Ende offen;
2.1.3. die Hülsenpartie besteht aus elektrisch leitendem Werkstoff;
3. die Vorrichtung weist eine Induktionsspule auf;
3.1. die Induktionsspule ist als Ring- oder Zylinderspule ausgebildet;
3.2. die Induktionsspule umfasst die Hülsenpartie der Werkzeugaufnahme;
3.3. die Induktionsspule dient zum Erwärmen der Hülsenpartie;
3.4. die Induktionsspule ist mit einem (vorzugsweise hochfrequenten) Wechselstrom beaufschlagbar;
- Oberbegriff -
4. die Induktionsspule ist an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie benachbarten Stirnseite durch einen Polschuh abgeschlossen;
4.1. der Polschuh weist eine zentrale Durchtrittsöffnung für das Werkzeug auf;
4.2. der Polschuh ist aus magnetisch leitendem und elektrisch nicht leitendem Werkstoff;
5. diese Maßnahme ist dazu bestimmt und geeignet, den über die Werkzeugaufnahme überstehenden Teil des Werkzeugs im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie gegenüber elektromagnetischen Streufeldern der Induktionsspule wirksam abzuschirmen.
- Kennzeichen -
3. Der Senat legt dem erteilten Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen mit Hilfe einer Induktionsheizung. Jedoch ist die streitpatentgemäße Vorrichtung gemäß dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 nicht auf die in der streitpatentgemäßen Aufgabenstellung genannten Werkzeuge mit größerer thermischer Ausdehnung und/oder aus elektrisch leitfähigem Material beschränkt, sondern vielmehr für alle einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeuge grundsätzlich geeignet, wenngleich sie nur bei den bevorzugten Werkzeugmaterialien ihre vorteilhafte Wirkung entfalten kann.
Während die Merkmale 1 bis 3 des Patentanspruchs 1 weitgehend selbsterklärend sind und daher keiner weiteren Auslegung bedürfen, ist insbesondere das Merkmal 4 als wesentlich anzusehen. Demnach ist die Induktionsspule an ihrer dem freien Ende der Hülsenpartie benachbarten Stirnseite durch einen Polschuh abgeschlossen. Bereits diese Formulierung, insbesondere der Bezug auf die Induktionsspule stellt klar, dass die Patentschrift hierunter eine räumliche Abgeschlossenheit der Induktionsspule durch den Polschuh versteht. Auch die zwar nur im Rahmen des einzigen Ausführungsbeispiels beschriebenen, aber als allgemeingültige Lehre erkennbaren Ausführungen im Absatz [0017], Zeilen 37 bis 43, lassen klar erkennen, dass nach der streitpatentgemäße Lehre die von der Spulenwicklung kommenden Feldlinien im Polschuh konzentriert und unmittelbar über die Ringfläche in die Hülsenpartie eingeleitet werden sollen. Gerade das Wort „unmittelbar“ verdeutlicht, dass hier nur eine räumliche Abgeschlossenheit in Frage kommt, weil sonst keine unmittelbare Einleitung der Feldlinien über die Ringfläche in die Hülsenpartie möglich ist. Diese, nach Auffassung des Senats einzig mögliche Auslegung des Merkmals, wonach die Induktionsspule (räumlich) abgeschlossen ist, lassen auch alle diesbezüglichen Textstellen in der Beschreibung sowie die einzige Figur mit dem scheibenförmigen, die Induktionsspule räumlich abschließenden Polschuh mit den eingezeichneten Feldlinien klar erkennen. Auch das Merkmal 4.1 des Patentanspruchs 1 in Verbindung mit den erläuternden Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents leitet den Fachmann in diese Richtung. Denn weil der Polschuh (nur) eine den Durchtritt des Werkzeugs ermöglichende Bohrung aufweist, vermittelt dies, dass der übrige Bereich derart ausgebildet sein muss, dass er die Induktionsspule räumlich abschließt.
Gerade durch diese räumliche Abgeschlossenheit der Induktionsspule, wodurch die unmittelbare Einleitung der im Polschuh konzentrierten magnetischen Feldlinien über die Ringfläche in die Hülsenpartie erst möglich wird, kann die im Merkmal 5 des Patentanspruchs 1 aufgeführte Wirkungsweise der streitpatentgemäßen Vorrichtung erreicht werden, wonach der über die Werkzeugaufnahme überstehende Teil des Werkzeugs im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie gegenüber elektromagnetischen Streufeldern der Induktionsspule wirksam abgeschirmt wird. Dem Streitpatent liegt somit die im Absatz [0005] beschriebene Erkenntnis zugrunde, dass nicht nur die sich von der Hülsenpartie von außen nach innen zum Werkzeug ausbreitende Erwärmung, sondern vor allem (zusätzlich) die durch elektromagnetische Streufelder verursachte Aufheizung des Werkzeugs in dessen über die Werkzeugaufnahme überstehenden Bereich die Ausspannung des Werkzeugs erschwert und deshalb verringert werden muss.
4. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die dem Streitpatent zugrunde liegenden Patentansprüche in der verteidigten Fassung unzulässig erweitert sind.
Die Merkmale 1 bis 3 und 4.1 und 4.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sind wörtlich im ursprünglichen Anspruch 1 nach der Prioritätsanmeldung DE 199 15 412 A1 (NK2) sowie in der diesbezüglich identischen PCT-Anmeldung WO/00/59676 (NK3) offenbart. Im Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 wurde im Laufe des Prüfungsverfahrens das Wort „übergriffen“ durch das Wort „abgeschlossen“ ersetzt. Offenbart ist dieses Merkmal in Spalte 3, Zeilen 51 bis 54 der Anlage NK2 sowie auf Seite 6, Zeilen 11 bis 16 der NK3 wo es wörtlich heißt: „Die Induktionsspule 26 ist an ihrem dem freien Enden der Hülsenpartie 12 benachbarten Ende durch einen auf den Spulenkörper 32 aufgelegten Polschuh 34 abgeschlossen,….. ".
Gemäß gefestigter Rechtssprechung sind die ursprünglichen Ansprüche lediglich als Formulierungsversuche anzusehen, so dass die Patentinhaberin im Erteilungsverfahren bei der Formulierung der Patentansprüche auf die gesamte ursprüngliche Offenbarung zurückgreifen konnte. Alles was der Durchschnittsfachmann den ursprünglichen Unterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann, ist dem Inhalt der Anmeldung zuzurechnen und kann im Laufe des Patenterteilungsverfahrens daher in die Patentansprüche aufgenommen werden.
Wie die vorstehenden Ausführungen zur Auslegung des Streitpatentgegenstandes unter II.3 erkennen lassen, ist das Merkmal 4 zweifelsfrei in der Streitpatentschrift und deshalb auch aus den weitgehend wortgleichen Ausführungen in den ursprünglichen Unterlagen nach der NK2 bzw. NK3 als zur Erfindung gehörend offenbart.
Auch das Streichen des, nach Auffassung der Klägerin, nur im Satzzusammenhang offenbarten Zusatzes, wonach der Polschuh auf den Spulenkörper aufgelegt ist, führt nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Streitpatents. Denn bereits die weit gefasste Formulierung des ursprünglichen Anspruchs 1 sowie die ergänzenden Beschreibungsunterlagen stellen klar, dass es beim Streitpatent zur Abschirmung des über die Werkzeugaufnahme überstehenden Teils des Werkzeugs im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie nicht auf das Auflegen des Polschuhs auf den Spulenkörper ankommt, sondern vielmehr auf das Übergreifen der Induktionsspule durch den Polschuh derart, dass dieser die Induktionsspule räumlich abschließt, um auf diese Weise die im Polschuh konzentrierten magnetischen Feldlinien unmittelbar über die Ringfläche in die Hülsenpartie einleiten zu können.
Die Änderung des Terminus „übergriffen“ in den Ausdruck „abgeschlossen“ ist somit eine klarstellende Änderung, die im Einklang mit dem Gesamtoffenbarungsgehalt der übrigen Beschreibungsunterlagen steht.
In der geltenden Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents wurde weiter das Merkmal 5 ergänzt, das die Wirkungsweise bzw. den Zweck der streitpatentgemäßen Vorrichtung beschreibt. Offenbart ist dieses Merkmal beispielsweise im Absatz [0005] der Streitpatentschrift sowie auf Seite 2, Zeile 30 bis Seite 3, Zeile 3 der NK3 bzw. Spalte 2, Zeilen 1 bis 6 der NK2, wobei der Terminus „bestimmt und geeignet“ gleichbedeutend zu dem Ausdruck „wird erreicht“ ist. Die Aufnahme dieses Merkmals beschränkt den durch das Patent geschützten Gegenstand dahingehend, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllt, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch 1 angegebenen Zweck verwendbar ist (BGH, GRUR 2009, 837 - Bauschalungsstütze m. w. N.). Im vorliegenden Streitfall bedeutet dies, dass diese Maßnahme dazu bestimmt und geeignet sein muss, den über die Werkzeugaufnahme überstehenden Teil des Werkzeugs im Bereich des freien Endes der Hülsenpartie gegenüber elektromagnetischen Streufeldern der Induktionsspule wirksam abzuschirmen, was ausweislich den vorstehenden Ausführungen unter Punkt II.3 zweifellos der Fall ist.
5. Der Senat konnte nicht feststellen, dass die unstrittig gewerblich anwendbare streitpatentgemäße Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme nach den geltenden Patentansprüchen 1 bis 24 gemäß Hauptantrag - die Neuheit liegt unbestritten vor - gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.
Die bereits in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents genannte US 5 311 654 (Anlage NK11) zeigt eine Vorrichtung zum Einspannen von einen Werkzeugschaft (tool shank 32) aufweisenden Werkzeugen (cutting tools 34) in einer Werkzeugaufnahme (mounting aperture 30; tool holder 44, siehe Figuren 2 und 6). Die Werkzeugaufnahme (30) weist eine an ihrem freien Ende offene, durch eine stirnseitige Ringfläche begrenzte Hülsenpartie (sleeve member 24) aus elektrisch leitendem Werkstoff zur reibschlüssigen Aufnahme des Werkzeugschafts auf (Figur 2). Weiterhin ist nach Spalte 4, Zeilen 59 bis 68, eine als zylindrisch aufgewickelte Leiterschleife dargestellte Induktionsspule (induction heater 26, Figuren 4a, 4b) vorgesehen, welche die Hülsenpartie der Werkzeugaufnahme umfasst und die mit einem Wechselstrom beaufschlagt wird, um die Hülsenpartie derart zu erwärmen, dass das Werkzeug in die Werkzeugaufnahme eingespannt und dort sicher gehalten werden kann (Spalte 1, Zeilen 9 bis 15). Die aus der US 5 311 654 (Anlage NK11) bekannte Vorrichtung weist somit unstrittig die Merkmale 1 bis 3.4 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf. Jedoch hat diese bekannte Ein- und Ausspannvorrichtung weder einen Polschuh gemäß Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents noch erfüllt sie die diesen weiter ausbildende Merkmale 4.1, 4.2 und 5. Die NK11 befasst sich vielmehr mit der direkten Kühlmittelzuführung über das Werkzeug und insbesondere mit der Eliminierung einer dadurch bedingten Exzentrizität beim Einspannen des Werkzeugs in der Werkzeugaufnahme (vgl. Spalte 2, Zeilen 19 bis 25).
Auch die Ein- und Ausspannvorrichtungen nach der NK9 sowie die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufgegriffene Vorrichtung nach der Anlage NB4 gehen nicht über das hinaus, was bereits aus der bekannten Vorrichtung nach der NK11 dem Fachmann geläufig ist. Denn beide induktiven Ein- und Ausspannvorrichtungen weisen unstrittig nur die Merkmale 1 bis 3.4 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auf. Insbesondere hat auch keine dieser bekannten Ein- und Ausspannvorrichtungen einen Polschuh an der Stirnseite der Induktionsspule, der diese (räumlich) abschließt.
Weil keine der vorstehend aufgeführten Druckschriften nach der NK9, NK11 oder der NB4 Hinweise auf die Anordnung eines Polschuhs mit der Wirkung eines Konzentrators gibt, kann daher keine dieser Druckschriften, weder alleine noch in Kombination untereinander, den Fachmann dazu anleiten, einen Konzentrator entsprechend den Merkmalen 4 bis 4.2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents auszubilden, um die dort im Merkmal 5 beschriebene Wirkungsweise zu erreichen.
In der NK12 werden mögliche Anwendungsfelder (Seite 767) und die Wirkungsweise der induktiven Erwärmung sowie die Verläufe der elektromagnetischen Feldlinien mit und ohne Anwendung eines Konzentrators beschrieben (z. B. Seite 857, zweiter Absatz). Auf Seite 860, zweiter Absatz, wird erläutert, dass durch geeignete Anordnungen von Konzentratoren, insbesondere deren Positionierung, Geometrie, Werkstoffeigenschaften und die angewandten Frequenzen, es möglich sei, eine unerwünschte Erwärmung des Werkstücks zu vermeiden. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Faktoren wie beispielsweise die Geometrie des Systems zu beachten sei. Somit handelt es sich hier um eine Veröffentlichung, in der allgemein die Vorteile eines Konzentrators bei der induktiven Erwärmung beschrieben sind, die jedoch dem Fachmann die Lehre vermittelt, dass die richtige Auswahl, Gestaltung und Anordnung des Konzentrators für dessen erfolgreiche Anwendung bei jedem Anwendungsfall neu zu ermitteln sei. Insbesondere gibt diese Druckschrift dem Fachmann keinerlei Hinweise auf die Ausgestaltung einer Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme und daher auch nicht auf die Ausgestaltung des Konzentrators bei einer derartigen Vorrichtung entsprechend den Merkmalen 1 bis 2.1.3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
Die NK25 beschreibt die physikalischen Grundlagen sowie technische Anwendungen der induktiven Erwärmung. In Kapitel 3.1 wird ein Werkzeug einer Induktionserwärmungsanlage, der sogenannte Induktor, näher beschrieben. Demnach besteht der Induktor aus einem wassergekühlten Kupferleiter, der in seiner Form an das Werkstück und die Erwärmungsaufgabe angepasst ist. Es wird darauf hingewiesen, dass insbesondere auch der Abstand zwischen Werkstück und Induktor für den Wirkungsgrad, den Leistungsfaktor sowie die Genauigkeit des Erwärmungsbildes maßgeblich verantwortlich ist. Zur Führung des vom Induktor erzeugten Magnetfeldes und zur Konzentration auf den Werkstückbereich werden Anordnungen aus geblechtem Eisen, beispielsweise Trafoblechpakete verwendet, die den wasserführenden Kupferleiter C-förmig umgeben. Gemäß den Ausführungen auf Seite 28, Absatz 1 können dadurch auch Streufelder reduziert werden, was die Erwärmung benachbarter Metallteile verringert sowie den Wirkungsgrad und den Leistungsfaktor verbessert.
Als Einsatzgebiete für das Fügen und Lösen geschrumpfter Pressverbände mittels Induktions-Anwärmgeräte werden gemäß Kapitel 3.3.3 beispielsweise mittlere und große Kugellager von 20 bis 150 kg Gewicht beschrieben. Auch die weiteren Ausführungsbeispiele in diesem Kapitel belegen, dass die induktive Erwärmung aufgrund ihrer hohen Leistungsdichte besonders für sehr große Werkstücke empfohlen wird. Diese Druckschrift gibt jedoch, ähnlich wie die NK12, keinerlei Hinweise auf die Ausgestaltung einer Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme und daher auch nicht auf die Ausgestaltung des Konzentrators bei einer derartigen Vorrichtung entsprechend den Merkmalen 1 bis 2.1.3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
Auch die NK26 befasst sich mit den physikalischen Grundlagen der induktiven Erwärmung, insbesondere den Feldlinienverläufen bei Induktionsspulen. In Figur 2 wird am Beispiel eines Werkstücks der Feldlinienverlauf ohne und mit einem Konzentrator aufgezeigt. Hierbei hat der Konzentrator einen C-förmigen Querschnitt und umgibt die Induktionsspule mit Ausnahme der Werkstückseite weitgehend vollständig. Auch diese Druckschrift gibt somit, ähnlich wie die NK12 oder die NK25, dem Fachmann keinerlei Hinweise auf die Ausgestaltung einer Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von, einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme und daher auch nicht auf die Ausgestaltung des Konzentrators bei einer derartigen Vorrichtung entsprechend den Merkmalen 1 bis 2.1.3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
Weil keine der vorstehend aufgeführten Druckschriften nach der NK12, NK25 oder NK26 Hinweise auf die Verwendung eines Konzentrators bei einer Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme gibt, kann daher keine dieser Druckschriften, weder alleine noch in Kombination untereinander, den Fachmann dazu anleiten, wie eine derartige Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von, einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme im Einzelnen sowie gemeinsam mit einem geeigneten Konzentrator auszubilden sei.
Auch eine Kombination der Druckschriften nach der NK11, der NK9 oder der NB4 mit einer der Druckschriften nach der NK12, NK25 oder NK26 führt den Fachmann nicht zur streitpatentgemäßen Vorrichtung.
Bei der bekannten Vorrichtung nach der NK11 ist an keiner Stelle der Ausspannvorgang des Werkzeugs erwähnt. Insbesondere gibt der Inhalt der NK11 dem Fachmann auch keinerlei Hinweise darauf, dass das Ausspannen von Werkzeugen bei bestimmten Materialbeschaffenheiten möglicherweise problematisch sei. Folglich kann die NK11 dem Fachmann keine Anregungen geben, sich überhaupt mit Streufeldern und deren Beseitigung zu befassen.
Das gleiche gilt sinngemäß auch für die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung herangezogene NB4. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen. Darüber hinaus ist bei der Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen nach der NB4 in dem Stirnbereich der Werkzeugaufnahme ein Infrarotsensor angeordnet, der dort bestimmungsgemäß die Temperatur der Werkstückaufnahme messen soll. Aus diesem Grund wird der Fachmann bei der aus der NB4 bekannten Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen gerade nicht den Einsatz eines aus der NK12, NK25 oder NK26 bekannten C-förmigen Konzentrators in Betracht ziehen, der notwendigerweise die Induktionsspule an drei Seiten vollständig umschließt und somit auch den Stirnbereich der Werkzeugaufnahme weitgehend abdecken würde.
Als einzige der im Verfahren befindlichen Druckschriften, die eine Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von, einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen in einer Werkzeugaufnahme zum Inhalt haben, kann allenfalls die NK9 dem Fachmann Hinweise darauf geben, dass das Ausspannen des Werkzeugs möglicherweise problematisch sein könnte. Denn dort wird, ähnlich wie beim Streitpatent, darauf verwiesen (Spalte 5, Zeilen 10 bis 15), dass bei Verwendung einer Induktionsheizung die Wärme von der äußeren Oberfläche nach innen gelangt, so dass zunächst die durch den Abschnitt (16) gebildete Hülse erwärmt wird, ehe das Werkzeug (12) mit seinem Schaft ebenfalls erwärmt wird und sich weitet. Nach den Ausführungen in Spalte 5, Zeilen 15 bis 20, vermittelt die NK9 dem Fachmann, dass bereits der Übergang zwischen Werkzeug (12) und Abschnitt (16) ausreicht, um einen so großen Wärmeübergangswiderstand darzustellen, dass eine unzulässige Erwärmung und damit eine Aufweitung des Werkzeugs (12) nicht befürchtet werden muss, so dass letztendlich das Ausspannen des Werkzeugs ausdrücklich als unproblematisch bewertet wird (Spalte 5, Zeile 7). Der Fachmann hat somit ausgehend von der NK9 keinerlei Veranlassung, überhaupt nach Wegen und Mitteln zu suchen, eine Erwärmung des Werkzeugs, insbesondere in dessen über die Werkzeugaufnahme überstehenden Bereich zu verringern. Vielmehr wird er durch die technische Lehre der NK9 auf einen anderen Lösungsansatz geführt, weil diese Druckschrift allenfalls dazu anregen kann, den Wärmeübergangswiderstand zwischen Werkzeug und Werkzeugaufnahme zu beeinflussen.
Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinausgehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen. Insbesondere kann auch der von der Klägerin herangezogene allgemeine Optimierungsgedanke nicht überzeugen, weil Induktionsheizungen bekanntlich ohnehin eine hohe Leistungsdichte haben (vgl. Seite 42, letzte Zeile der NK25), so dass der Fachmann nicht nach weiteren Leistungsverbesserungen suchen wird.
Die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften liegen weiter ab vom Streitpatentgegenstand und sind in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen worden. Sie stehen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegen, wie der Senat überprüft hat.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher Bestand.
Dies gilt auch für die auf diesen Anspruch unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 24. Denn diese Patentansprüche bilden die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 vorteilhaft weiter aus. Sie werden daher von diesem auf Grund ihrer Rückbeziehungen getragen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO. Für eine Quotelung der Kosten besteht kein Anlass, da sich die Beklagten gegenüber der erteilten Fassung nur geringfügig eingeschränkt haben, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.