Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.10.2018


BPatG 11.10.2018 - 10 W (pat) 23/17

Patentbeschwerdeverfahren – "Freilaufkupplung" – Zurückweisung der Anmeldung - zum Erfordernis der Beglaubigung einer Übersetzung einer fremdsprachigen Patentanmeldung durch einen Rechts- oder Patentanwalt - unverhältnismäßige Maßnahme – keine Grundlage für die Zurückweisung einer Anmeldung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
11.10.2018
Aktenzeichen:
10 W (pat) 23/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:111018B10Wpat23.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 20 GG

Leitsätze

Freilaufkupplung

Das in § 14 Abs. 1 PatV geregelte Erfordernis, wonach eine nach § 35a PatG einzureichende Übersetzung einer fremdsprachigen Patentanmeldung durch einen Rechts- oder Patentanwalt zu beglaubigen ist, stellt eine unverhältnismäßige Maßnahme dar. § 14 Abs. 1 PatV ist insoweit nichtig und kann nicht die Grundlage für die Zurückweisung einer Anmeldung bilden. ff.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2016 219 298

(hier: Zurückweisung der Anmeldung)

hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Univ. Richter

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Juli 2017 aufgehoben, und die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der deutschen Patentanmeldung 10 2016 219 298, deren Gegenstand in der deutschen Übersetzung als „Druckstück mit reduziertem Volumen für eine Kipphebel-Freilaufkupplung“ angegeben ist. Die Anmeldung war von der Beschwerdeführerin (im Folgenden: „Anmelderin“) beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) am 5. Oktober 2016 - der Prioritätsvoranmeldung entsprechend - in englischer Sprache eingereicht worden und nimmt eine US-amerikanische Priorität vom 8. Oktober 2015 in Anspruch. Am 23. Dezember 2016 hatte die Anmelderin fristgerecht eine deutsche Übersetzung der Anmeldeunterlagen nachgereicht, die aber weder von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt beglaubigt noch von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt worden war.

2

Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 hat die zuständige Prüfungsstelle des DPMA die Anmelderin auf die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV hingewiesen, wonach die Übersetzung von Anmeldeunterlagen von einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt zu beglaubigen sei. Falls die Übersetzung von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt worden sein sollte, so sei dessen Unterschrift nachzuholen und von einem Notar beglaubigen zu lassen. Nachdem die Anmelderin dieser und einer nachfolgenden Aufforderung vom 2. Mai 2017 nicht nachgekommen war, hat die Prüfungsstelle schließlich mit Beschluss vom 24. Juli 2017, der der Anmelderin am 29. Juli 2017 zugestellt worden war, die Patentanmeldung zurückgewiesen.

3

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17. August 2017 von der Anmelderin rechtzeitig und auch sonst wirksam eingelegte Beschwerde. Die zuständige Prüfungsstelle hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese am 12. September 2017 dem Bundespatentgericht (BPatG) vorgelegt.

4

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Mai 2018 gemäß § 77 Satz 1 PatG der Präsidentin des DPMA anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Die Präsidentin des DPMA hat von dieser Möglichkeit mit einer am 27. Juli 2018 dem BPatG zugegangenen Beitrittserklärung Gebrauch gemacht.

5

Die Anmelderin ist der Auffassung, die Zurückweisung ihrer Anmeldung hätte nicht auf § 14 Abs. 1 PatV gestützt werden dürfen. Diese Regelung sei nichtig, da sie ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage geschaffen worden sei. Die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 PatG, wonach das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und das DPMA ermächtigt seien, „Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung“ zu erlassen, sei aber bezogen auf Inhalt, Zweck und Ausmaß zu unbestimmt. Daher werde das in Art. 20 GG festgeschriebene Rechtsstaatsprinzip verletzt. Darüber hinaus sei die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV von der Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 PatG auch inhaltlich nicht gedeckt. Die Übersetzung der Anmeldung sei kein Teil der Anmeldung, wie sich aus dem als abschließend anzusehenden Katalog des § 34 Abs. 3 PatG ergebe.

6

Die Bestimmung des § 14 Abs. 1 PatV regele zudem einen Eingriff in ein nach Art. 14 GG geschütztes Eigentum, wobei allerdings dieser Eingriff weder nach Zweck noch nach Ausmaß gerechtfertigt sei. Die Beglaubigung einer Übersetzung durch einen Anwalt sei mit erheblichen Kosten und Aufwand verbunden. Für die anwaltliche Beglaubigung einer durchschnittlich umfangreichen Übersetzung seien im Schnitt 700 € zu zahlen. Falls die Übersetzung vom Anwalt selbst angefertigt oder von ihm eingehend und genau geprüft werden müsse, könne sich dieser Betrag je nach Arbeitsaufwand entsprechend vervielfachen. Es sei unverständlich, weshalb ein Anmelder, der sein Anmeldeverfahren vor dem DPMA selbst betreibe, nicht auch seine Übersetzung selbst anfertigen und allein für die Qualität seiner Übersetzung verantwortlich sein könne. Aus einer mangelhaften Übersetzung entstünde schließlich vor allem dem späteren Patentinhaber selbst ein Nachteil. Außerdem könnten aus unzulässigen Erweiterungen nach § 38 Satz 2 PatG keine Rechte hergeleitet werden. Ein Patent, das aufgrund einer mangelhaften Übersetzung z. B. eine unzulässige Erweiterung enthalte, sei mit dem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage erfolgreich angreifbar. Falls im Prüfungsverfahren eine mangelhafte Übersetzung auffallen sollte, könnte diese unter Androhung, die Anmeldung zurückzuweisen, beanstandet und durch eine korrigierte Übersetzung ersetzt werden.

7

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ferner darauf hingewiesen, dass Übersetzungen von englischsprachigen, internationalen Anmeldungen, die sie nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT) beim DPMA als Bestimmungsamt nationalisiere, vom DPMA auch ohne anwaltliche Beglaubigung akzeptiert werden würden. Nur bei Anmeldungen, die beim DPMA - wie im vorliegenden Fall - als „normale“ fremdsprachige Patentanmeldungen eingereicht würden, bestehe das Amt strikt auf die Beglaubigung durch einen Rechts- oder Patentanwalt. Diese unterschiedliche Behandlung zeige, dass es für die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV keine Rechtfertigung gebe.

8

Die Anmelderin hat den Antrag gestellt,

9

den Beschluss der Prüfungsstelle 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Juli 2017 aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

10

Die Präsidentin des DPMA hat den Antrag gestellt,

11

die Beschwerde zurückzuweisen.

12

Ferner hat die Präsidentin des DPMA angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

13

Die Präsidentin des DPMA ist der Auffassung, dass die Wirksamkeit des § 14 Abs. 1 PatV, der für die Übersetzungen von Patentanmeldungen eine anwaltliche Beglaubigung vorschreibe, außer Frage stehe. Die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 PatG sei hinreichend bestimmt und auch im Übrigen geeignet, die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV zu tragen. Der Begriff der Anmeldung umfasse die Gesamtheit aller Anmeldeunterlagen, wozu auch die Übersetzung einer Anmeldung zähle. Die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV sei auch im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, erforderlich und angemessen.

14

Mit der Regelung werde ein legitimer Zweck verfolgt. Es sei Aufgabe des DPMA, bereits im Zusammenhang mit der Offenlegung von Patentanmeldungen dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit zuverlässig über künftige Patente informiert werde. Auch eine Förderung des technischen Fortschritts, dem die Herausgabe von Offenlegungsschriften ebenfalls diene, sei nur erreichbar, wenn diese Schriften auf der Grundlage qualitativ hochwertiger Übersetzungen gefertigt würden. Die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV solle insbesondere maschinelle Übersetzungen verhindern, die in aller Regel von besonders schlechter Qualität seien. Im Übrigen sei § 14 Abs. 1 PatV auch in besonderer Weise geeignet, Patente zu verhindern, die aufgrund einer mangelhaften Übersetzung z. B. unzulässig erweitert und damit angreifbar seien. Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren böten dagegen keine wirksame Abhilfe, da diese (wenn überhaupt) erst mit einem großen zeitlichen Versatz nachfolgten. Ohne die hier in Rede stehende Regelung müsste das DPMA in vielen Fällen selbst in eine Prüfung eintreten, ob eine ordnungsgemäße Übersetzung vorliege, wozu das Amt aber nicht in der Lage sei.

15

Nur Übersetzungen, die von einem Rechts- oder Patentanwalt (oder einem öffentlich bestellten Übersetzer) beglaubigt bzw. angefertigt worden seien, böten die Gewähr für den geforderten Qualitätsstandard. Zugelassene Rechts- und Patentanwälte hätten als unabhängige Organe der Rechtspflege besondere standesrechtliche Verpflichtungen und würden daher bei einer qualitativ zweifelhaften Übersetzung keine Beglaubigung vornehmen. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) habe in seiner Entscheidung „Polierendpunktbestimmung“ (GRUR 2012, 91 ff.) insoweit die besondere Bedeutung von § 14 Abs. 1 PatV herausgestellt. Im Zusammenhang mit der Angemessenheitsprüfung sei ferner zu beachten, dass § 14 Abs. 1 PatV nicht isoliert, sondern nur in Zusammenschau mit dem vom Gesetzgeber zeitgleich geschaffenen § 35 PatG a. F. gesehen werden dürfe. Durch die Möglichkeit, eine Patentanmeldung beim DPMA in einer fremden Sprache einreichen zu können, sei insbesondere für ausländische Anmelder ein nicht unerheblicher Vorteil geschaffen worden. Der im Zuge dieser grundsätzlich vorteilhaften Neuerung mitgestaltete § 14 Abs. 1 PatV nehme nur eine geringfügige Einschränkung vor.

16

Die Präsidentin des DPMA hat auf den entsprechenden Vortrag der Anmelderin eingeräumt, dass das DPMA im Falle der Nationalisierung von Anmeldungen nach dem PCT, bei denen das Amt als sogenanntes Bestimmungsamt tätig werde, keine Beglaubigung zu den hierbei ggf. einzureichenden Übersetzungen fordere. Sie hat in diesem Zusammenhang vortragen lassen, dass diese Fälle rechtlich völlig anders gelagert seien. Im Rahmen des PCT werde das DPMA aufgrund supranationaler, ausländischer Rechtsnormen tätig. Die Regelungen des PCT und seiner Ausführungsordnung könnten zur Beurteilung der vorliegenden Rechtsfragen, die ausschließlich nationales, deutsches Recht beträfen, nichts beitragen.

17

Wegen des sonstigen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

18

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

19

Der angefochtene Beschluss ist zwar in formaler Hinsicht ordnungsgemäß ergangen, in inhaltlicher Hinsicht erweist er sich jedoch als fehlerhaft und ist daher aufzuheben.

20

1. Der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Zurückweisungsbeschluss ist in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.

21

Die Nichtbeglaubigung der hier in Rede stehenden Übersetzung stellt nach der Systematik der patentgesetzlichen Regelungen einen einfachen, formalen Mangel der Anmeldung dar, der im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung nach §§ 34 Abs. 6, 42 Abs. 1 und 3 PatG die Grundlage für die Zurückweisung einer Anmeldung - die Wirksamkeit von § 14 Abs. 1 PatV hier noch unterstellt - bilden konnte. Der Senat hat in seinem Bescheid vom 6. Februar 2018 bereits darauf hingewiesen, dass die gesetzlich in § 35a Abs. 1 und 2 PatG geregelten Einreichungsfristen nur für die Übersetzung als solche gelten, während eine ggf. vorzunehmende Beglaubigung keiner Befristung unterliegt und deren Nachholung ohne Rechtsverlust möglich ist (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 35a Rn. 13; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 35a Rn. 10; Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl., § 35a Rn. 19). Aus der BGH-Entscheidung „Polierendpunktbestimmung“ folgt nur vordergründig und scheinbar etwas anderes (vgl. GRUR 2012, 91, 92, dort insb. Rz. 23, letzter Satz).

22

Die Prüfungsstelle ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der von ihr bei der Übersetzung gemäß § 14 Abs. 1 PatV angenommene Beglaubigungsmangel nicht bereits zum Eintritt der Rücknahmefiktion, wie sie in § 35a Abs. 1 Satz 2 PatG geregelt ist, geführt haben konnte, somit (noch) eine anhängige Patentanmeldung vorlag und diese - wie im vorliegenden Fall geschehen - durch Zurückweisungsbeschluss zu erledigen war.

23

2. Die Anmelderin geht insoweit fehl, als sie meint, der von ihr angefochtene Zurückweisungsbeschluss sei deshalb rechtswidrig, weil die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV, auf die der Beschluss sich stützt, keine in rechtsstaatlicher Hinsicht hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage habe und/oder die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV von ihrer mutmaßlichen Ermächtigungsgrundlage überhaupt nicht gedeckt sei.

24

2.1. Der Einwand der Anmelderin, dass bereits die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 6 PatG wegen ihrer Weite und Unbestimmtheit das in Art. 20 GG festgeschriebene Rechtsstaatprinzip verletze, ist zwar statthaft, hier aber nicht einschlägig. Die Ermächtigungsnorm des § 34 Abs. 6 PatG, wonach BMJV und DPMA ermächtigt werden, „Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung“ zu erlassen, ist hinreichend bestimmt.

25

Aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt sich, dass ein Gesetz, das zum Erlass einer Verordnung ermächtigt, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung hinreichend klar bestimmen muss. Eine Verordnungsregelung, die auf der Grundlage einer nicht hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen wird, ist nichtig (vgl. BVerwGE 137, 30, 36). Durch Art. 80 GG wird der Gesetzgeber somit gezwungen, die für die Ordnung eines Rechtsbereichs wesentlichen Normen selbst zu setzen (vgl. Klaus Stern, Staatsrecht der BRD, Bd. I, 2. Aufl., S. 817). Es reicht allerdings hierbei aus, dass sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung durch Auslegung eindeutig ermitteln lassen (vgl. Klaus Stern, a. a. O., S. 818). Eine solche Auslegung ergibt hier, dass sich der Gesetzgeber mit § 34 Abs. 6 PatG die Regelung aller inhaltlichen Erfordernisse der Anmeldung, einschließlich der materiellen Patenterteilungsvoraussetzungen, vorbehalten hat. Dies genügt nach Auffassung des Senats sowohl dem Bestimmtheitserfordernis als auch dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. zum „Vorbehalt des Gesetzes“: Jarass in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 15. Aufl., Art. 20 Rn. 69 ff.).

26

2.2. Die Ermächtigungsnorm des § 34 Abs. 6 PatG, wonach BMJV und DPMA ermächtigt werden, „Bestimmungen über die Form und die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung“ zu erlassen, ermächtigt auch zur Rechtssetzung bezogen auf Übersetzungen, die nach § 35a PatG einzureichen sind.

27

Die Präsidentin des DPMA hat hierzu überzeugend dargelegt, dass der Katalog des § 34 Abs. 3 PatG, der die Bestandteile einer Anmeldung (ohne die Übersetzung zu nennen) auflistet, im vorliegenden Zusammenhang nicht als abschließend angesehen werden kann. Im europäischen Patentrecht wird durch Regel 49 Abs. 1 AusfOEPÜ ausdrücklich bestimmt, dass die nach Art. 14 Abs. 2 EPÜ einzureichenden Übersetzungen als Unterlagen der europäischen Patentanmeldung gelten. Für Übersetzungen nach § 35a PatG gilt nichts anderes. Eine offensichtlich fehler- oder lückenhafte Übersetzung kann, analog zu Anmeldeunterlagen, die beim DPMA von Anfang an in deutscher Sprache eingereicht worden sind, im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung beanstandet werden, wobei die Beanstandung hier auf § 42 Abs. 1 PatG i. V. m. § 34 Abs. 3 PatG und § 126 PatG („Die Sprache vor dem Patentamt … ist Deutsch, …“) gestützt wird (vgl. BPatGE 53, 169, 172 f. - „Virtuelle Arbeitspunktbestimmung“). Auch nach deutschem Recht bildet die Übersetzung der Anmeldeunterlagen die Fassung der Anmeldung, die der späteren Patenterteilung maßgeblich zugrunde gelegt wird (vgl. Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl., § 35a Rn. 22). Der Umstand, dass das deutsche Patentrecht eine klarstellende Bestimmung wie Regel 49 Abs. 1 AusfOEPÜ nicht kennt, lässt - entgegen dem Vortrag der Anmelderin - nicht den Schluss zu, dass die Übersetzung kein Bestandteil der Anmeldung wäre. Die Schwäche eines Umkehrschlusses („argumentum e contrario“) liegt stets darin, dass er nur dann stichhaltig ist, wenn von einer durch den Gesetzgeber gewollten Lücke ausgegangen werden kann, was hier aber offensichtlich nicht der Fall ist.

28

3. Die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV ist aber deshalb nicht mit dem sich aus Art. 20 GG ergebenden Rechtsstaatsprinzip vereinbar, weil das Beglaubigungserfordernis in der Art und Weise, wie es dort geregelt ist, für die Einreicher von fremdsprachigen Patentanmeldungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellt.

29

3.1. Eine Rechtsverordnung hat sich nicht nur inhaltlich im Rahmen, der durch ihre Ermächtigungsnorm vorgegeben ist, zu halten, sie darf auch nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht verstoßen (Remmert in: Maunz/Dürig, GG, Stand September 2017, Art. 80 Rn. 119). Um dem Rechtsstaatsprinzip zu genügen, müssen Eingriffe in grundrechtsrelevante Rechtspositionen auch im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen, wobei sich diese Forderung auch an einen Gesetz- oder einen Verordnungsgeber richtet (vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 15. Aufl., Art. 20 Rn. 113 ff.). Erweist sich hiernach die Regelung einer Rechtsverordnung als unverhältnismäßig, so ist diese Regelung nichtig und darf nicht angewandt werden (vgl. z. B.: BVerwG NVwZ 2018, 978, 979, Rz. 13).

30

3.1.1. Eine Norm genügt nur dann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der Eingriff in eine grundgesetzlich geschützte Rechtsposition im Hinblick auf den mit ihr verfolgten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 15. Aufl., Art. 20 Rn. 116 ff.).

31

3.1.1.1. Kein Zweifel besteht daran, dass mit dem Beglaubigungserfordernis nach § 14 Abs. 1 PatV ein legitimer Zweck verfolgt wird. Als Ziel des dort geregelten Beglaubigungserfordernisses wird angestrebt, bei deutschen Übersetzungen, die nach § 35a PatG zu fremdsprachigen Patentanmeldungen nachzureichen sind, für eine gute Qualität zu sorgen. Nach dem umfangreichen Vortrag der Präsidentin des DPMA ist uneingeschränkt zu bejahen, dass eine möglichst hochwertige Qualität dieser Übersetzungen in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung ist und hieran auch ein öffentliches Interesse besteht.

32

3.1.1.2. Diesem öffentlichen Interesse steht allerdings das in § 6 Abs. 1 PatG zugunsten eines Erfinders oder seines Rechtsnachfolgers festgeschriebene Recht auf das Patent entgegen. Bei dieser Rechtsposition handelt es sich zweifellos um eine solche, die dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterfällt (vgl. BVerfGE 36, 281, 290 f; zuletzt auch: BGH GRUR 2018, 605, 606, Rz. 27 ff. - „Feldmausbekämpfung“). Hiernach stellt das in § 14 Abs. 1 PatV geregelte Beglaubigungserfordernis durch einen Rechts- oder Patentanwalt eine das Eigentum beschränkende Norm dar, weil sie dem Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger erhebliche Kosten verursacht und er sich die Verwirklichung seines Anspruchs auf das Patent durch diese zusätzlichen Aufwendungen erkaufen muss. Im Falle eines Verstoßes kann ihm das Beglaubigungserfordernis - wie der vorliegende Fall zeigt - auch die Patentanmeldung bzw. sein Recht auf das Patent nehmen.

33

3.1.1.3. Erhebliche Zweifel bestehen bereits daran, ob es sich bei dem in § 14 Abs. 1 PatV festgeschriebenen Gebot, die Übersetzung einer Patentanmeldung durch einen Rechts- oder Patentanwalt beglaubigen zu lassen, überhaupt um eine zur die Qualitätssicherung bei Übersetzungen geeignete Maßnahme handelt.

34

Die Präsidentin des DPMA hat hierzu die Auffassung vertreten, dass nur Übersetzungen, die von einem Patent- oder Rechtsanwalt beglaubigt worden seien, die Gewähr für eine hohen Qualitätsstandard böten und dies sinngemäß damit begründet, dass es sich bei diesen Berufsgruppen um unabhängige Organe der Rechtspflege handele, bei denen eine grundlegende Lauterkeit vorausgesetzt werden könne. Die gleiche Erwartung findet sich auch in der oben zitierten Entscheidung des BGH „Polierendpunktbestimmung“ (GRUR 2012, 91, 92, Rz. 18), wonach der Anwalt mit seiner Beglaubigung erkläre, dass die Übersetzung nach seinem besten Wissen eine richtige und vollständige Übertragung der fremdsprachigen Unterlagen in die deutsche Sprache darstelle. Tatsächlich lässt sich jedoch nicht belegen, dass die Regelung § 14 Abs. 1 PatV in nennenswerter Weise zur Qualitätssicherung bei Übersetzungen der vorliegenden Art beiträgt.

35

3.1.1.3.1. Die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 1 PatV (vormals § 10 PatV) zeigt bereits einen systematischen „Geburtsfehler“, der darin besteht, dass im Jahr 1998 mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. PatGÄndG) die vereinfachte Beglaubigung einer Übersetzung durch einen Rechts- oder Patentanwalt nach § 69 MarkenV a. F., die dort nur für einfache, fremdsprachige Urkunden vorgesehen war, unreflektiert in das neu geschaffene System von fremdsprachigen Patentanmeldungen übernommen wurde (vgl. BlPMZ 1998, 382, 391, 413). Eine nähere Begründung für diese Maßnahme sucht man in den Gesetzesmaterialien vergebens. Bereits damals musste klar gewesen sein, dass mit der Übertragung dieser vereinfachten Form einer Beglaubigung auf die Übersetzung einer Patentanmeldung, also letztlich auf das Ergebnis einer anspruchsvollen, geistigen Leistung, kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden kann. Je komplexer die zu beglaubigende Information ist, umso weniger macht eine Beglaubigung als „Bescheinigung der Richtigkeit“, was ja ihre Funktion sein soll, Sinn. Mit der Komplexität der Information wächst die Unsicherheit, was überhaupt „richtig“ ist. Handelt es sich bei der zu übersetzenden Information, wie bei der einer Patentanmeldung, um eine technische Lehre, können bei der Frage, wie eine Übersetzung ins Deutsche richtigerweise vorzunehmen ist, naturgemäß große Unsicherheiten bleiben (vgl. Czarnowski / Dale Sidwell / Tatai, Mitt. 2013, 307 ff.).

36

3.1.1.3.2. Eine weitere Schwäche des gegenwärtigen, aus § 35a PatG i. V. m. § 14 Abs. 1 PatV gebildeten Systems ist, dass ein Rechts- oder Patentanwalt im Falle einer vorsätzlichen „Falschbeglaubigung“ einer Übersetzung, faktisch keine Sanktion befürchten muss. Damit soll an dieser Stelle nicht der Einführung einer besonderen Sanktionsregelung das Wort geredet werden, sondern lediglich darauf hingewiesen werden, dass der deutsche Gesetzgeber allgemein wohl zu Recht davon ausgeht, dass mit speziell und gezielt ausgerichteten Sanktionsregelungen rechtstreues Verhalten durchaus gefördert werden kann (vgl. z. B. den Straftatbestand des § 348 StGB einer „Falschbeurkundung im Amt“). Das hier in Rede stehende System würde dagegen selbst dann keine Sanktion für eine vorsätzliche „Falschbeglaubigung“ bereithalten, wenn man eine nach § 14 Abs. 1 PatV vorgenommene, anwaltliche Beglaubigung einer Übersetzung in Richtung des Glaubhaftmachungsmittels einer „anwaltlichen Versicherung“ auslegen könnte. Denn auch die vorsätzlich falsche anwaltliche Versicherung löst, im Gegensatz zur falschen eidesstattlichen Versicherung nach § 156 StGB, keine strafrechtlichen Sanktionen aus (vgl. OLG Celle, Urteil vom 25.10.2012, Az. 13 U 156/12, nachzuschlagen unter JURIS®, vgl. dort unter Rz. 20). Ein Anwalt, der eine fehlerhafte Übersetzung wider besseres Wissen vorsätzlich „falschbeglaubigt“, wird realistischerweise auch keine Bestrafung nach allgemeinen strafrechtlichen Tatbeständen (Beihilfe zum Betrug o. dgl.) oder, wie die Präsidentin des DPMA meint, standesrechtliche Sanktionen fürchten müssen. Letztlich führt das gegenwärtige System, das ohne gezielte Sanktionsandrohung auskommt, dazu, dass ein Rechts- oder Patentanwalt der Regelung des § 14 Abs. 1 PatV nur einen schwachen, an seine Standesehre gerichteten Appell entnimmt.

37

3.1.1.3.3. Die vorstehend beschriebenen, strukturellen Mängel wirken sich in negativer Weise prägend darauf aus, wie Anmelderschaft und anwaltliche Vertreter in der Praxis mit dem Beglaubigungserfordernis des § 14 Abs. 1 PatV umgehen. Der Senat ist aufgrund des unstreitig gebliebenen Vortrags der Anmelderin zur Überzeugung gelangt, dass insbesondere größere Unternehmen, die über eine eigene Patentabteilung verfügen, externe Patentanwälte regelmäßig nur mit der Beglaubigung der Übersetzung, nicht aber mit der Prüfung und Bearbeitung der Übersetzung beauftragen. Dies dient naturgemäß zum einen dazu, Kosten zu sparen; zum anderen ist dies aber auch dem Umstand geschuldet, dass externe Patentanwälte auf den in Frage stehenden, technischen Gebieten oft nicht über hinreichend spezielle Fach- und Sprachkenntnisse verfügen, um die Übersetzung einer Anmeldung hinreichend gut beurteilen zu können. Vor dem Hintergrund dieser „Praxis der eingeschränkten Beauftragung“ wird verständlich, weshalb in der Kommentarliteratur durchaus die Auffassung vertreten wird, dass ein Anwalt auch dann die Beglaubigung einer Übersetzung vornehmen dürfe, wenn er selbst der Sprache des Originaldokuments gar nicht mächtig sei (vgl. Stortnik in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, 4. Aufl., PatG § 35 Rn. 39; wohl zustimmend auch: Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 35a Rn. 10). Faktisch kann daher in der anwaltlichen Beglaubigung einer Übersetzung überhaupt keine belastbare Aussage zur Qualität einer Übersetzung gesehen werden (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 35a; vgl. dort e) unter Rn. 12).

38

3.1.1.3.4. Wie diese offenbar weitverbreitete Praxis einer quasi anwaltlichen „Blindbeglaubigung“ aus allgemein-rechtlicher und/oder standesrechtlicher Sicht zu bewerten wäre, ist für die hier vorzunehmende Beurteilung der Geeignetheit ohne Belang. Aus den vorstehenden Feststellungen ergibt sich jedenfalls, dass die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV, die bei den entsprechenden Übersetzungen eine Qualitätssicherung bewirken soll, tatsächlich eine Maßnahme darstellt, die (bereits) an der äußersten der Grenze zur Ungeeignetheit angesiedelt ist.

39

3.1.1.4. Die Anmelderin dringt aber mit ihrer Beschwerde deshalb durch, weil es sich bei der von § 14 Abs. 1 PatV angeordneten, anwaltlichen Beglaubigung einer Übersetzung um eine Maßnahme handelt, die nicht erforderlich ist.

40

Um erforderlich zu sein, müsste es sich bei dem Beglaubigungserfordernis um eine Maßnahme handeln, die nicht durch ein anderes, gleichwirksames, milderes Mittel ersetzt werden könnte. Dies ist aber hier der Fall, wie sich anhand vergleichbarer Regelungen des Patentzusammenarbeitsvertrags (PCT) und des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) und der jeweiligen Ausführungsordnungen belegen lässt.

41

3.1.1.4.1. Die Anmelderin hat vorliegend zu Recht darauf hingewiesen, dass das DPMA in seiner Funktion als PCT-Bestimmungsamt zu Übersetzungen von fremdsprachigen, internationalen Anmeldungen, die bei ihm nach Art. 22 Abs. 1 PCT nationalisiert werden, keine Beglaubigung durch einen Rechts- und Patentanwalt verlangt. Grund für diese Zurückhaltung des DPMA ist die Regelung des Art. 27 Abs. 1 PCT, wonach die Bestimmungsämter bei PCT-Anmeldungen nur solche Erfordernisse verlangen dürfen, die im PCT oder seiner Ausführungsordnung vorgesehen sind. Im vorliegenden Zusammenhang ist Regel 51bis.1(d) AusfOPCT zu beachten, wonach das nationale Recht zwar eine Bestätigungserklärung dahingehend vorsehen darf, dass die Übersetzung nach bestem Wissen vollständig und richtig ist; diese Bestätigung darf aber nur formlos und nur vom Anmelder selbst oder vom Übersetzer, der kein öffentlich Bestellter sein muss, verlangt werden. Nur für den Fall, dass berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung bestehen, darf das nationale Recht es dem Bestimmungsamt gestatten, eine von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigte Übersetzung einzufordern.

42

Die Europäische Patentorganisation ist diesen Vorgaben vollumfänglich gefolgt - und zwar auch hinsichtlich solcher Anmeldungen, bei denen das EPA nicht als PCT-Bestimmungsamt tätig wird. Nach Regel 7 AusfOEPÜ gilt die Vermutung, dass die Übersetzung zu einer nach Art. 14 Abs. 2 EPÜ eingereichten europäischen Patentanmeldung keine unzulässige Erweiterung enthält, sondern inhaltlich mit dem ursprünglichen, nichtamtssprachigen Text der eingereichten Fassung übereinstimmt. Hieraus folgt konsequenterweise, dass das EPA keine Beglaubigung einer Übersetzung z. B. durch einen bei ihm zugelassenen Vertreter verlangt, sondern nach Regel 5 AusfOEPÜ (in Anlehnung an Regel 51bis.1(d) AusfOPCT) eine Beglaubigung durch einen öffentlich bestellten Übersetzer nur dann einfordert, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung bestehen (vgl. Stauder in: Singer/Stauder, EPÜ, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 32; Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 35a Rn. 12 a. E.).

43

3.1.1.4.2. Die vorstehend genannten Regelungen nach PCT und EPÜ sowie nach den entsprechenden Ausführungsordnungen sind offensichtlich Ausdruck der Überzeugung, dass eine hinreichende Qualitätssicherung bei Übersetzungen von Patentanmeldungen auch ohne ein allgemeines Beglaubigungserfordernis erreicht wird. Dieser durchaus auch von Teilen der einschlägigen Kommentarliteratur geteilten Überzeugung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine hinreichende Qualitätssicherung bei Übersetzungen bereits dadurch eintritt, dass jeder anwaltlich gut beratene Anmelder weiß, dass die Einreichung einer mangelhaften Übersetzung ein großes Risiko bedeutet und die hierdurch ggf. entstehenden Nachteile in erster Linie ihn selbst treffen werden (vgl. z. B. Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl., § 35a Rn. 19 a. E.). Zudem kann davon ausgegangen werden, dass Patentanmelder, die fremdsprachige Anmeldungen beim DPMA tätigen, meist Auswärtige sind und dies nicht ohne anwaltliche Beratung tun. Jedes auf der Grundlage einer Übersetzung erteilte Patent, das sich als gut verwertbar erweist, wird von den betroffenen Mitbewerbern in besonderer Weise argwöhnisch betrachtet, wobei diese nicht zögern werden, als „Angriffsmittel erster Wahl“ den Widerrufs- bzw. Nichtigkeitsgrund einer unzulässigen Erweiterung zu prüfen. Hierauf hat die Anmelderin nochmals zu Recht hingewiesen. Es bleibt somit dabei, dass jeder Patentanmelder, um einem späteren Rechtsverlust vorzubeugen und einen etwaigen Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG nicht zu gefährden, stets bemüht sein wird, bei seiner Übersetzung für eine möglichst gute Qualität zu sorgen.

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3.1.1.4.3. Die Bevollmächtigten der Präsidentin des DPMA haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Auffassung vertreten, dass die Regelungen des PCT und seiner Ausführungsordnung supranationales, ausländisches Recht seien und daher bei der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfragen außen vor bleiben müssten. Die Ansicht, dass keine relevanten Vergleichsnomen auffindbar seien, könnte in Bezug auf die Regelungen des EPÜ als gerade noch vertretbar durchgehen; bezogen auf die Normen des PCT und seiner Ausführungsordnung, die ein System beschreiben, das eng mit den nationalen Anmeldeverfahren der Bestimmungsämter verwoben ist, kann eine solche Ansicht jedoch nicht mehr ernsthaft vertreten werden. Nach Überzeugung des Senats stellt Regel 51bis.1(d) AusfOPCT, die die Beglaubigung einer Übersetzung nur für den Fall vorsieht, dass berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung entstanden sind, eine relevante Vergleichsnorm dar, an der die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV zwingend zu messen ist.

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Der PCT ist am 24. Januar 1979 für die Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Kraft getreten und bereits deshalb ein Teil der nationalen Rechtsordnung der BRD. Beim Erteilungsverfahren wird zwar begrifflich zwischen einer internationalen und einer nationalen Phase unterschieden, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass eine PCT-Anmeldung, in der die BRD für ein Patent bestimmt worden ist, gemäß Art. 11 Abs. 3 PCT von Anfang an die gleichen Wirkungen wie eine beim DPMA eingereichte, deutsche Patentanmeldung hat. Wird beispielsweise in einer PCT-Anmeldung die Priorität einer deutschen Voranmeldung beansprucht, so handelt es sich hierbei um eine innere Priorität nach § 40 Abs. 1 PatG. Um hier zu verhindern, dass die in § 40 Abs. 5 PatG geregelte Rücknahmefiktion zur Voranmeldung nicht bereits bei Beginn der internationalen Phase eintritt, musste die Sonderregelung des Art. III § 4 Abs. 4 IntPatÜG geschaffen werden. Hervorzuheben ist ferner Art. III § 1 Abs. 3 IntPatÜG, der klarstellt, dass auf alle internationalen Anmeldungen, die beim DPMA als Anmeldeamt im Sinne von Art. 10 PCT eingereicht werden, ergänzend zu den Bestimmungen des PCT die deutschen Verfahrensvorschriften anwendbar sind.

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3.1.1.4.4. Wie sich letztlich zeigt, liefert Regel 51bis.1(d) AusfOPCT einen entscheidenden Beleg dafür, dass es zur Qualitätssicherung bei Übersetzungen von fremdsprachigen Patentanmeldungen ausreicht, wenn die Beglaubigung einer Übersetzung nur im Falle von berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit der Übersetzung eingefordert wird. Diese Maßnahme stellt im Verhältnis zu den Maßnahmen, die § 14 Abs. 1 PatV vorschreibt, zweifellos ein gleichwirksames, milderes Mittel dar. Die Präsidentin des DPMA hat nicht vorgetragen, dass die Qualität von Übersetzungen, die beim DPMA in seiner Funktion als Bestimmungsamt nach dem PCT eingereicht werden, allgemein von schlechterer Qualität seien als solche, die beim DPMA nach § 35a PatG zu „normalen“ fremdsprachigen Anmeldungen eingereicht werden. Die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV, die Anmelder verpflichtet, nachzureichende Übersetzungen stets von einem Rechts- oder Patentanwalt beglaubigen (oder einem öffentlich bestellten Übersetzer anfertigen) zu lassen, fordert somit eine Maßnahme, die nicht erforderlich ist.

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Im Übrigen steht die Änderungsbedürftigkeit von § 14 Abs. 1 PatV seit dem Jahr 2000 im Raum. Bereits damals war anlässlich der Neufassung von Regel 51bis.1(d) AusfOPCT von berufener Stelle aus den eigenen Reihen des DPMA über den nunmehr bei § 14 Abs. 1 PatV entstandenen Handlungsbedarf berichtet worden (vgl. Hübenett, GRUR Int. 2000, 745, 746). Die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV erweist sich somit auch als eine dem DPMA hinlänglich bekannte „Altlast“. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erscheint die nach wie vor unverdrossene Anwendung des § 14 Abs. 1 PatV durch das DPMA als ein Handeln nach der Maxime „fiat justitia et pereat mundus“, bei der es sich offensichtlich weder um einen anerkannten Rechtssatz noch um den Ausdruck besonderer Anmelderfreundlichkeit handelt.

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Die Regelung des § 14 Abs. 1 PatV ist somit bereits wegen offensichtlich fehlender Erforderlichkeit unverhältnismäßig, rechtsstaatswidrig und damit nichtig.

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3.1.1.5. Da § 14 Abs. 1 PatV bereits keine erforderliche Maßnahme regelt, konnte auf Ausführungen zur Angemessenheit des hier in Rede stehenden Beglaubigungserfordernisses verzichtet werden.

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4. Hiernach war der Beschluss der Prüfungsstelle 12 des DPMA aufzuheben und, damit die Prüfungsstelle das Anmeldeverfahren wieder fortsetzen kann, die Sache gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG an das DPMA zurückzuverweisen.

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Der Senat macht in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG aufmerksam, wonach die Prüfungsstelle die vorliegende Patentanmeldung nicht mehr auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 PatV wegen einer fehlenden anwaltlichen Beglaubigung der Übersetzung beanstanden und zurückweisen darf. Eine durch einen öffentlich bestellten Übersetzer angefertigte Übersetzung kann grundsätzlich nach wie vor verlangt werden, jedoch in Abweichung von § 14 Abs. 1 PatV nur dann, wenn die Prüfungsstelle, in Anlehnung an Regel 51bis.1 (d) ii) AusfOPCT, berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung hat.

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5. Die Frage nach der Vereinbarkeit von § 14 Abs. 1 PatV mit höherrangigem Recht erfordert zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, weshalb gemäß § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG die Rechtsbeschwerde zuzulassen war.