Entscheidungsdatum: 21.01.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 11 2006 002 906.1
(wegen Wiedereinsetzung)
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bun-despatentgerichts am 21. Januar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richterin Püschel und des Richters Eisenrauch
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin war die Anmelderin der aus der internationalen Anmeldung PCT/US2006/043346 mit dem Anmeldetag 6. November 2006 hervorgegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Akkumulatorbatterie-Elektroden mit integralen Leitern", die beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) das Aktenzeichen 11 2006 002 906.1 erhalten hat und deren deutsche Übersetzung am 25. September 2008 veröffentlicht wurde.
Nachdem die 4. Jahresgebühr am 30. November 2009 fällig geworden und diese Gebühr nicht innerhalb des "zuschlagfreien" Zeitraums von zwei Monaten entrichtet worden war, hat das DPMA mit Bescheid ("Wichtige Mitteilung!") vom 16. April 2010 versucht, die Antragstellerin darüber zu informieren, dass die Aufrechterhaltung ihrer Patentanmeldung von der Zahlung einer Gebühr in Höhe von 70,-- € zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 50,-- € (insgesamt 120,-- €) bis zum 31. Mai 2010 abhänge. Die Mitteilung wurde an die dem DPMA bekannte Kanzleiadresse des damaligen anwaltlichen Vertreters der Antragstellerin verschickt, hat diesen aber nicht mehr vor Ablauf der Zahlungsfrist, sondern erst am 15. Juni 2010 erreicht. Da zwischenzeitlich keine Gebührenzahlung erfolgte, wird die Anmeldung beim DPMA als zurückgenommen geführt.
Mit einer am 3. August 2010 beim DPMA eingegangenen Eingabe hat die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in die versäumte Zahlungsfrist beantragt und am gleichen Tag die in Rede stehende Jahresgebühr einschließlich Verspätungszuschlag nachentrichtet. Der damalige anwaltliche Vertreter der Antragstellerin hat hierzu ausgeführt, seine Kanzlei habe seinerzeit ihren langjährigen Sitz in München aufgegeben und sei am 1. März 2010 unter Gründung einer Bürogemeinschaft ins benachbarte Puchheim umgezogen. Die Bürogemeinschaft sei aber bereits zum 1. April 2010 wieder aufgelöst worden mit der Folge, dass seine Kanzlei ab 27. April 2010 einen weiteren neuen Standort erhalten habe. Der anwaltliche Vertreter habe zwar bei den entsprechenden Postämtern jeweils einen Nachsendeauftrag gestellt; wegen des relativ komplexen Postlaufweges habe der Vertreter die "Wichtige Mitteilung!" des DPMA vom 16. April 2010 aber zu spät erhalten. Hieran werde ersichtlich, dass den anwaltlichen Vertreter am verspäteten Zugang der Mitteilung und damit auch an der verspäteten Zahlung kein Verschulden treffe.
Das DPMA – Prüfungsstelle 45 - hat nach Zwischenbescheid mit Beschluss vom 2. Januar 2012 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung damit begründet, die Antragstellerin könne sich nicht darauf berufen, dass ihr anwaltlicher Vertreter die "Wichtige Mitteilung!" des DPMA vom 16. April 2010 erst nach Ablauf der Zahlungsfrist erhalten habe. Diese Mitteilung stelle nur eine Serviceleistung des DPMA dar, weshalb aus deren Verspätung keine Rechte hergeleitet werden könnten. Es gehöre zu den Sorgfaltspflichten eines Anwalts, Fristen zu kennen, zu überwachen und die Zahlung einer fälligen Jahresgebühr rechtzeitig zu veranlassen. Dadurch, dass der anwaltliche Vertreter im vorliegenden Fall keine eigenen Vorkehrungen für eine rechtzeitige Zahlung getroffen habe, habe er seine Sorgfaltspflichten verletzt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie hat ergänzend vorgetragen, die Kontrolle für die rechtzeitige Zahlung der Jahresgebühren sei im Büro des damaligen anwaltlichen Vertreters der erfahrenen, gut ausgebildeten und stets ohne Beanstandung arbeitenden Patentanwaltsgehilfin E… übertragen gewesen. Frau E… habe die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr überwacht und im September 2009 bei der Anmelderin auch nachgefragt, ob diese Gebühr entrichtet werden solle. Ab Mitte Januar 2010 sei jedoch Frau E… nicht mehr in der Kanzlei tätig gewesen. Der damalige Vertreter selbst sei in dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund eines familiären Unglücks nicht in der Lage gewesen den Büroablauf ordnungsgemäß aufrecht zu erhalten. Hinzu seien noch die bereits im Wiedereinsetzungsantrag beschriebenen Verlegungen des Kanzleistandortes gekommen. Mit Rücksicht auf die genannten Umstände sei wohl die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr unverschuldet in Vergessenheit geraten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts Prüfungsstelle 45 vom 2. Januar 2012 aufzuheben und der Anmelderin Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 4. Jahresgebühr einschließlich Verspätungszuschlag zu gewähren.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Antragstellerin wird auf die Akte des Beschwerdeverfahrens verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
1. Die Antragstellerin hat die Frist zur Zahlung der nach § 17 Abs. 1 PatG zu entrichtenden 4. Jahresgebühr versäumt. Diese war gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 PatKostG am 30. November 2009 fällig geworden und konnte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG bis zum 1. Februar 2010 (der 31. Januar 2010 war ein Sonntag; vgl. § 222 Abs. 2 ZPO) zuschlagfrei und noch bis zum 31. Mai 2010 mit Verspätungszuschlag gezahlt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG). Da im vorliegenden Fall keine Zahlung erfolgt war, gilt die Patentanmeldung nach § 58 Abs. 3 PatG mit Wirkung zum 1. Juni 2010 als zurückgenommen. Aufgrund der versäumten Zahlungsfrist hat die Antragstellerin ihre Patentanmeldung verloren, was einen Rechtsnachteil im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG darstellt.
2. a) Der am 3. August 2010 gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Die zweimonatige Antragsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG ist gewahrt worden. Gemäß dieser Regelung beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit "Wegfall des Hindernisses" zu laufen, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn der Säumige oder sein Vertreter (§ 166 Abs. 1 BGB) positive Kenntnis von der Fristversäumung erhalten haben (vgl. Schulte, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 123 Rn. 28). Zu Gunsten der Antragstellerin kann hier davon ausgegangen werden, dass ihr damaliger Vertreter Kenntnis von der versäumten Zahlungsfrist erst durch den Bescheid des DPMA vom 16. April 2010 ("Wichtige Mitteilung!") erhalten hatte, welcher ihm am 15. Juni 2010 zugegangen war und mit dem er über das Ende der Zahlungsfrist für die 4. Jahresgebühr einschließlich des Verspätungszuschlags zum 31. Mai 2010 informiert worden war. Der von der Antragstellerin am 3. August 2010 beim DPMA gestellte Wiedereinsetzungsantrag war daher noch rechtzeitig.
Die parallel mit der Antragstellung erfolgte Zahlung der 4. Jahresgebühr (mit dem Verspätungszuschlag) ist ebenfalls fristgerecht nachgeholt worden.
b) Die sachlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind hier allerdings nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG darf eine Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn der Antragsteller glaubhaft darlegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Hierbei muss sich ein Antragsteller ein etwaiges Verschulden seines anwaltlichen Vertreters zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Diese Regelung kommt hier zur Anwendung.
Bei der Beurteilung, ob ein Verschulden vorliegt, dürfen - was sich aus § 123 Abs. 2 Satz 2 PatG ergibt - nur Tatsachen zu Grunde gelegt werden, die innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist vorgetragen worden sind. Vorliegend kann daher grundsätzlich nur der Vortrag der Antragstellerin berücksichtigt werden, dass ihr damaliger anwaltlicher Vertreter zwischen dem 1. März 2010 und 27. April 2010 zweimal den Sitz seiner Kanzlei verlegt habe und infolgedessen die "Wichtige Mitteilung!" des DPMA vom 16. April 2010, anhand deren er den drohenden Verlust der vorliegenden Patentanmeldung hätte erkennen können, nicht mehr rechtzeitig vor dem Ende der Zahlungsfrist erhalten habe. Entgegen der Meinung der Antragstellerin führt dieser Vortrag aber nicht dazu, dass die von ihrem damaligen anwaltlichen Vertreter verursachte Fristversäumung entschuldigt werden könnte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu dieser Frage bereits Gelegenheit gehabt, Stellung zu nehmen, und hierbei klargestellt, dass sich ein Patentanmelder oder -inhaber nicht auf den Zugang der patentamtlichen Mitteilung, mit deren Versendung das DPMA normalerweise auf einen drohenden Rechtsverlust hinweist, verlassen darf. Selbst im Falle eines völlig unterbliebenen Zugangs dieser - im Weg einer freiwilligen Serviceleistung - versandten Mitteilung kann sich ein Adressat nicht mit Erfolg auf die Unkenntnis von noch nicht gezahlten Jahresgebühren berufen (vgl. BGH GRUR 2008, 551, 552 [Rn. 11] "Sägeblatt").
Damit stellt sich im vorliegenden Fall die unterbliebene Zahlung der 4. Jahresgebühr (mit Verspätungszuschlag) nicht als die unabwendbare Folge eines komplexen Postlaufweges oder eines von der Post mangelhaft durchgeführten Nachsendeauftrags dar. Vielmehr ist nach dem berücksichtigungsfähigen Sachverhalt, der innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist vorgetragen worden ist, davon auszugehen, dass die Versäumung der Zahlungsfrist auf einem schuldhaften Verhalten des damaligen anwaltlichen Vertreters der Antragstellerin beruht. Gerade von einem Patentanwalt, dem die Verwaltung von Schutzrechten übertragen worden ist, muss erwartet werden, dass dieser die Fälligkeit von Jahres-, Verlängerungs- oder Aufrechterhaltungsgebühren durch ein eigenes Kontrollsystem überwacht und gewünschte Zahlungen gegebenenfalls selbständig vornimmt. Hinzuzufügen ist, dass sich die Sorgfaltspflicht eines Anwalts durch das Eintreten besonderer Umstände, die eine Gefahr für den reibungslosen Kanzleibetrieb darstellen wie hier z. B. der zweifache Umzug des Kanzleibetriebs , nicht etwa verringert, sondern sich vielmehr erhöht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23, Stichwort: "Büroorganisation" a. E.).
c) Im Übrigen könnte der Antragstellerin auch dann nicht die begehrte Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn man zu ihren Gunsten jene Umstände berücksichtigen dürfte, die diese erst im Beschwerdeverfahren geschildert hat. Ein Antragsteller, der sich auf eine unverschuldete Säumnis beruft, muss im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags die tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen Umständen die Fristversäumung beruht, verständlich und geschlossen schildern; kann ein Antragsteller eine solche Darstellung nicht liefern, geht dies zu seinen Lasten (vgl. BGH NJW 2008, 3501, 3502). Dies trifft insbesondere auf den erst im Beschwerdeverfahren gemachten Vortrag der Antragstellerin zu, wonach für die Versäumung der Antragsfrist auch gesundheitliche Gründen des damaligen anwaltlichen Vertreters und ein ihn betreffendes familiäres Unglück ursächlich gewesen seien. Diese Umstände werden aber nur angedeutet, jedoch nicht weiter ausgeführt. Insgesamt bleibt daher offen, ob die Einhaltung eines üblichen Sorgfaltsmaßstabes für den damaligen anwaltlichen Vertreter ausnahmsweise überobligatorisch gewesen sein könnte.
3. Da der vorgetragene Sachverhalt in der Sache keine Wiedereinsetzung rechtfertigt, kam es auf eine Glaubhaftmachung (§ 123 Abs. 2 Satz 2 PatG) nicht an.