Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 04.10.2012


BPatG 04.10.2012 - 10 Ni 36/10 (EU)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „Kalt verarbeitbares Fugenband“ (europäisches Patent) – zur Nichtangriffsabrede im Nichtigkeitsverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
04.10.2012
Aktenzeichen:
10 Ni 36/10 (EU)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 27. Oktober 2015, Az: X ZR 11/13, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 792 973

(DE 597 00 061)

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch sowie der Richter Dipl. Ing. Hildebrandt, Eisenrauch, Dipl. Ing. Küest und Dipl. Ing. Univ. Richter

für Recht erkannt:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist die eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 792 973, das am 25. Januar 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 196 03 896.0 vom 3. Februar 1996 angemeldet worden ist und beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter der Nummer 597 00 061.1 geführt wird. Das in deutscher Sprache erteilte Streitpatent betrifft ein „Kalt verarbeitbares Fugenband“, wobei es sieben Patentansprüche umfasst. Die aktuelle Fassung hat das Streitpatent im Rahmen eines europäischen Einspruchsverfahrens erhalten, in dem es beschränkt aufrechterhalten wurde. Der Hinweis auf die Entscheidung über den Einspruch ist am 3. Juli 2002 veröffentlicht worden.

2

Die mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche 1, 2 und 7 lauten in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt:

3

"1. Kaltverlegbares Fugenband zur Verwendung im Straßenbau, bestehend aus polymervergütetem Straßenbaubitumen, das auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist.

4

2. Fugenband nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Kleberschicht eine Dicke zwischen 0,2 und 4 mm aufweist.

5

7. Fugenband nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Kleberbeschichtung so eingestellt ist, dass die Klebeigenschaften durch Anlösung erst dann entwickelt werden, wenn der Kleber mit einem Primer in Berührung kommt, der höher siedende Lösungsmittel enthält."

6

Wegen des Wortlauts der übrigen, nicht angegriffenen Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift EP 0 792 973 B2 verwiesen.

7

Die Klägerinnen haben unabhängig voneinander gegen das Streitpatent Klage erhoben und jeweils die teilweise Nichtigerklärung des Streitpatents begehrt. Der Senat hat hierauf mit Beschluss vom 20. März 2012 die Klage 10 Ni 36/10 (EU) der Klägerin zu 1.) und die Klage 10 Ni 1/12 (EP) der Klägerin zu 2.) gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 147 ZPO zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

8

Die Klägerinnen machen mit ihren Nichtigkeitsklagen jeweils geltend, der Gegenstand von Anspruchs 1 des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Es liege daher eine unzulässig Erweiterung im Sinne von Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG vor. Wie die ursprünglich erteilte Fassung von den Klägerinnen jeweils als Anlage K4 in Form der europäischen Patentschrift EP 0 792 973 B1 vorgelegt zeige, seien die Merkmale der „Kaltverlegbarkeit“ des Fugenbandes, die „Gesondertheit der Kleberschicht des Fugenbandes“ sowie das Merkmal des „Verbindens“ des Fugenbandes mit der Kleberschicht in die geltende Anspruchsfassung eingefügt worden. Ursprünglich sei dagegen nur offenbart, dass das Fugenband mit einer Kleberschicht „versehen“ sei und dass der Kleber auf einer Flächenseite des Fugenbandes heiß oder kalt aufgebracht werden könne. Ein „Aufbringen“ einer Kleberschicht müsse aber nicht dazu führen, dass zwischen den beiden Schichten eine „Verbindung“ entstehe. Unerfindlich sei auch, wie sich aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen eine „gesonderte“ Kleberschicht ergeben solle.

9

Mit Anspruch 7, der auf die Ansprüche 1 bis 6 rückbezogen sei, werde zudem ein Gegenstand beansprucht, der nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Insoweit sei daher der in Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG bestimmte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit gegeben. Anspruch 7 definiere ein Fugenband, bei dem die Klebeeigenschaft sich erst durch ein Anlösen mit einem Primer entwickle, der höhersiedende Lösungsmittel enthalte. Das Streitpatent offenbare jedoch weder einen speziellen Primer noch gebe es einen Referenzwert in Bezug auf den Siedepunkt des Lösungsmittels. Der Fachmann wisse somit nicht, welches Lösungsmittel tatsächlich einzusetzen sei, um die Erfindung nachzuarbeiten.

10

Darüber hinaus machen die Klägerinnen auch den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG und Art. 54 und 56 EPÜ geltend; die Gegenstände von Anspruch 1 und Anspruch 2 seien gegenüber dem Stand der Technik nicht neu, jedenfalls beruhten diese nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

11

Die Klägerinnen berufen sich hierzu im Wesentlichen auf folgende Druckschriften (wobei die in den nachfolgenden Klammern an erster Stelle stehende Bezeichnung als K2, K3 usw. jene von der Klägerin zu 1.) und die an zweiter Stelle stehende Bezeichnung jene von der Klägerin zu 2.) gewählte ist):

12

(K2/K2) DE 93 13 030 U1

13

(K3/K3) Aufsatz „Vibrationsabsorbierende bitumenhaltige Auskleidung mit Klebstoffschicht“ von A. D. Shulyak, V. M. Kirsanova et al., aus: Heft 7, Automobilindustrie 1987

14

(K5/K5) DIN 1995 Bitumen und Steinkohleteerpech Anforderungen an die Bindemittel, Straßenbaubitumen, Oktober 1989

15

(K6/K6) DE 2 225 358 A

16

(K7/K7) DE 1 965 092 A

17

(---/K10) DD 258 259 A1

18

(K11/K12) „Technische Lieferbedingungen für polymermodifizierte Bitumen in Asphaltschichten im Heißeinbau“, Teil 1: Gebrauchsfertige polymermodifizierte Bitumen TL PmB Teil 1, Ausgabe 1991

19

(K12/K11) DE 41 26 090 C1

20

(K13/K13) DE 91 11 146 U1

21

(K16/---) Straßenbau-Vorschrift ZTV Fug-StB 01

22

(K17/---) Sika® STRASSENBAU, Prospekt IGAS® Profilé R, Ausgabe März 1995

23

(K20/---) DENSO, Produktinformation, Prospekt TOK®-Band SK

24

(K21/---) Prospekt HEMATECT®, Hermsdorfer Asphaltprodukte GmbH, Fugenband W

25

(K22a/---) Aufsatz: „Ein neues Fugenband, ein Abdeckband und neue Stopfen zum Verschließen von Bohrlöchern“, A. E. Zeller, aus: Neue DELIWA Zeitschrift, Heft 12/94

26

(K22b/---) Zeitschrift Neue Thüringer Illustrierte, Ausgabe 6/95, Produktinformation der HEMATECT® GmbH, Hermsdorfer Asphaltprodukte

27

(K22c/---) Zeitschrift der IHK Ostthürigen REGION + WIRTSCHAFT, Ausgabe 1995, S. 25 ff., Firmenporträt HEMATECT®.

28

Den Klägerinnen zufolge ist die Lehre von Anspruch 1 des Streitpatents durch die Druckschrift K6 neuheitsschädlich vorweggenommen, jedenfalls aber durch die K6 in Verbindung mit der bereits in der Beschreibung des Streitpatents genannten Druckschrift K2 oder in Verbindung mit der Offenlegungsschrift K7 nahegelegt. Ferner halten die Klägerinnen den Gegenstand nach Anspruch 1 wegen der Druckschrift K12 nicht für neu bzw. in Verbindung mit der K2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Zum gleichen Ergebnis komme man auch bei Zusammenschau der Druckschrift K22a mit der Druckschrift K12, wie die Klägerin zu 1.) meint, oder durch eine Kombination der Druckschrift K22a mit der Druckschrift K10, wovon die Klägerin zu 2.) ausgeht. Hinsichtlich des Gegenstands nach Anspruch 2 sehen die Klägerinnen in der dort festgelegten Bereichsangabe für die Kleberschicht keinen eigenständigen Erfindungsgehalt. Sie verweisen hierzu auf das übliche fachmännische Vorgehen, das in der Druckschrift K13 zum Ausdruck komme.

29

Die Klägerinnen beantragen jeweils,

30

das europäische Patent 0 792 973 im Umfang der Patentansprüche 1, 2 und 7 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Klage insgesamt, hilfsweise nach Maßgabe der in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 bis 9 gemäß Schriftsatz vom 16. August 2012 (Bl. 288 d. A.), abzuweisen.

33

Hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen verteidigten Anspruchsfassungen wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

34

Die Beklagte ist der Auffassung, dass beide Nichtigkeitsklagen unzulässig seien. Beide Klägerinnen verstießen mit ihren Klagen jeweils gegen eine wirksame Nichtangriffsabrede.

35

Zu Lasten der Klägerin zu 1.) ergebe sich hinsichtlich der Klage 10 Ni 36/10 eine Nichtangriffsabrede aus Ziffer 5 einer zwischen ihr und der DENSO GmbH, einem Tochterunternehmen der Beklagten, am 22. Juli 1997 geschlossenen „Vereinbarung“, die die Belieferung der Klägerin zu 1.) mit dem Gegenstand des Streitpatents betreffe. Die Beklagte hat hierzu ihrer Klageerwiderung die „Vereinbarung“ vom 22. Juli 1997 in Kopie als Anlage MLP 1 beigefügt. Die Regelungen nach Ziffern 4 und 5 der „Vereinbarung“   die hinsichtlich ihres Zustandekommens und Wortlauts zwischen den Parteien unstreitig ist lauten wie folgt:

36

„4. Für den Fall der Belieferung gemäß Punkt 3 ist ein gesonderter Liefervertrag (jährlicher Rahmenvertrag über Menge und Preise) abzuschließen.

37

5. KEBU verpflichtet sich, das DENSO-Patent während der Vertragslaufzeit nicht anzugreifen und alle Informationen über eventuelle Patentangriffe und  -verletzungen von Dritten unverzüglich an DENSO weiterzugeben.“

38

Nach Auffassung der Beklagten sei die „Vereinbarung“ vom 22. Juli 1997 nie wirksam gekündigt worden, weshalb die Regelung nach Ziffer 5 nach wie vor Wirksamkeit entfalte. Eine fortdauernde Geschäftsbeziehung zwischen ihr und der Klägerin zu 1.) werde durch weitere Unterlagen belegt. Bei diesen Unterlagen handelt es sich um das von der Beklagten vorgelegte Anlagenkonvolut „MLP 14“.

39

Auch zu Lasten der Klägerin zu 2.) bestehe eine wirksame Nichtangriffsverpflichtung, die die Nichtigkeitsklage 10 Ni 2/12 unzulässig mache. Die Nichtangriffsabrede folge hierbei aus einem Vergleichsvertrag, der zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 2.) am 17. Januar 2007 zustande gekommen sei, und einen Lizenzvertrag nach Anlage I in Bezug nehme. Die Klägerin zu 2.) habe sich nach Ziffer 7.3 des Lizenzvertrages dazu verpflichtet, das Streitpatent während der Laufzeit des Lizenzvertrages nicht anzugreifen. Der Lizenzvertrag sei zwar von ihr (der Beklagten) mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 ordentlich gekündigt worden; die Nichtangriffsabrede wirke aber gemäß des Grundsatzes von Treu und Glauben nach. In Ziffer 9.6 des Lizenzvertrages   vgl. Anlagen K14/K18 der Klägerin zu 2.)   sei nämlich folgendes Abverkaufsrecht geregelt:

40

„Der Lizenznehmer bleibt auch nach Vertragsende berechtigt, das bis zum Vertragsende hergestellte Material im Sinne der Vorbemerkung zu gebrauchen und zu vertreiben, sowie weiteres Material in dem Umfang herzustellen, wie dieses zu Erfüllung von vertraglichen Pflichten, die vor Vertragsende begründet wurden, erforderlich sind.“

41

Aus dieser Regelung folge, dass die Klägerin zu 2.) jedenfalls noch so lange an ihre Nichtangriffspflicht nach Ziffer 7.3 des Lizenzvertrages gebunden sei, wie sie von ihren Abverkaufsrecht nach Ziffer 9.6 des Lizenzvertrages was sie gegenwärtig auch noch tue   Gebrauch mache. Im Übrigen werde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wie sie sich insbesondere aus der Entscheidung „Vanal-Patent“ ergebe (GRUR 1965, 135 ff.), in solchen Fällen von der Nachwirkung einer Nichtangriffsabrede ausgegangen, in denen ein Treueverhältnis über die Beendigung des Lizenzvertrages hinaus fortwirke, was hier der Fall sei.

42

In der Sache hält die Beklagte die angegriffenen Patentansprüche 1, 2 und 7 des Streitpatents in der geltenden Fassung für rechtsbeständig und die Klagen daher für unbegründet. Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents weder unzulässig erweitert worden sei noch eine mangelnde Ausführbarkeit vorliege. Darüber hinaus sei der Gegenstand nach Patentanspruch 1 vor dem Hintergrund der von der Klägerin genannten Druckschriften neu. Es stehe auch außer Frage, dass die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

43

Das Erscheinungsdatum der Druckschrift K22a werde im Übrigen bestritten und die sich hierauf beziehende, vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Herrn Dipl. Ing. (FH) Franz Hegemann (= K23) sei als verspätet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

44

Die auf Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a), b) und c) sowie Art. 54 und 56 EPÜ gestützten Nichtigkeitsklagen sind zulässig, aber nicht begründet.

45

1. Gemäß der Beschreibung des Streitpatents (Seite 2, Absätze [0001] ff.) betrifft die streitgegenständliche Erfindung ein Fugenband, das insbesondere im Straßenbau zum Verbund von nebeneinander liegenden Einbaubahnen aus Mischgut verwendet wird. Sofern das Mischgut beider Bahnen gleiche Eigenschaften aufweise, werde der Verbund durch Nähte hergestellt, ansonsten durch Anschlüsse. Weil Nähte und Anschlüsse starken Beanspruchungen durch Klima und Verkehr ausgesetzt seien, müssten die Anforderungen an derartige Verbindungen, die wasserdicht sein sollten, sehr hoch sein. Vor allem bei Anschlüssen müsse es das Ziel sein, an der Anbindungsflanke ein weiches Gelenk einzubauen, also eine Höchstmenge an Bitumen zum Dichten, Bewegen und Haften zu platzieren.

46

Bislang sei dieses Problem dadurch gelöst worden, dass man vor dem Einbringen der neuen Asphaltdeckschicht die Flanke der bestehenden alten Asphaltdeckschicht mit einer bitumenhaltigen Grundierung gestrichen und anschließend ein vorgefertigtes Bitumenfugenband an die Flanke gelegt habe, wobei dessen Haftung durch Anwärmen mit einer Propangasflamme und Andrücken an die Flanke bewirkt worden sei. Diese Arbeiten müssten sehr sorgfältig durchgeführt werden; die Temperatur des Mischgutes der neu einzubringenden Deckschicht reiche hierbei nicht aus.

47

Aus dem Stand der Technik nennt die Beschreibung des Streitpatents (Abschnitt [0004]) die deutsche Gebrauchsmusterschrift 93 13 030 (= K2). Das hieraus bekannte Material zur Herstellung von Fugenbändern sei aus einer offensichtlich nicht klebefähigen Bitumenmasse hergestellt. Ferner wird im Abschnitt [0005] ein Veröffentlichungshinweis von A. D. Shulyak et al. (= K3) zitiert. Dort werde eine vibrationsdämpfende Verkleidung für die Verwendung im Automobilbau beschrieben. Das hieraus bekannte Bitumenmaterial sei offensichtlich nicht selbstklebend, sondern müsse eher plastisch elastische Eigenschaften aufweisen.

48

Aufgabe des Streitpatents sei es, ein Fugenband und ein Verfahren zu schaffen, das eine kalte Verlegung, d. h. ohne Zuhilfenahme einer Flamme, ermögliche (Abschnitt [0006] der Beschreibung). Diese Aufgabe werde durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelöst. Ein derartig ausgebildetes Fugenband habe den Vorteil, dass beim Verlegen an der Nahtflanke auf die Anwendung einer Propangasflamme verzichtet werden könne, da bereits durch ein Andrücken des Fugenbandes an die Nahtflanke die erforderliche Haftung erzielt werde. Bei entsprechender Einstellung des Klebers sei es hierbei möglich, auch bei Temperaturen etwas oberhalb des Gefrierpunktes eine Haftung zwischen Fugenband und Nahtflanke zu erreichen, die die gestellten Anforderungen an die Haftung und Dichtigkeit erfüllt (Abschnitt [0007]).

49

2. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 lauten in Anlehnung an die von der Klägerin zu 1.) als Anlage K1a vorgelegten Gliederung wie folgt:

50

1a ein Fugenband

51

1b zur Verwendung im Straßenbau

52

2 Das Fugenband ist kalt verlegbar.

53

3 Das Fugenband besteht aus polymervergütetem Straßenbaubitumen.

54

4 Das Fugenband ist wenigstens auf einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden.

55

3. Als hier einschlägiger Fachmann ist ein Diplom Bauingenieur der Fachrichtung Straßenbau mit Spezialkenntnissen in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Fugenbändern sowie mit den hierfür notwendigen chemischen Fachkenntnissen anzusehen. Für diesen Fachmann weist das Fugenband gemäß Streitpatent neben der zum Ausfüllen der Fuge notwendigen Schicht aus polymervergütetem Straßenbitumen eine weitere Schicht aus Klebermaterial auf. Dieses Fugenband hat somit eindeutig einen Aufbau, der zweischichtig ist.

II.

56

1. Zulässigkeit der Nichtigkeitsklagen

57

a) Zulässigkeit der Klage 10 Ni 36/10

58

Der Beklagten ist insoweit zu folgen, als sie zu Recht darauf hinweist, dass der Einwand, es liege eine wirksame Nichtangriffsabrede vor, grundsätzlich erheblich ist. Eine wirksame Nichtangriffsabrede kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage führen (vgl. z. B. BGH GRUR-RR 2010, 136, 137 (Nr. 17)   „sealing lamina“   m. w. N.; vgl. auch Schulte/Kühnen, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 81 Rn. 49ff.). Was die Zulässigkeit der Klage der Klägerin zu 1.) angeht, ist allerdings zu beachten, dass die „Vereinbarung“ vom 22. Juli 1997 lediglich eine bedingte Nichtangriffsabrede enthält. Sie ist nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) so auszulegen, dass die nach Ziffer 5 vorgesehene Nichtangriffsverpflichtung nur für die Dauer einer gemäß Ziffer 4 der „Vereinbarung“ zu verabredenden Belieferung gewollt war.

59

Der Senat geht nach dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien, insbesondere auch nach den von der Beklagten selbst vorgelegten Anlagen MLP 14.5 bis 14.7, davon aus, dass ein Rahmenvertrag im Sinne von Ziffer 4 der „Vereinbarung“ vom 22. Juli 1997 nie zustande gekommen ist. Eine Lieferung von Fugenbändern erfolgte vielmehr auf der Grundlage von Einzelbestellungen der Klägerin zu 1.), wobei die Preise jeweils einseitig von der Beklagten angepasst wurden. Auch dann, wenn man solche Einzelverträge hinsichtlich ihrer vertraglichen Wirkungen den Rahmenverträgen im Sinne von Ziffern 4 und 5 der „Vereinbarung“ gleichstellen könnte, würde sich nichts daran ändern, dass eine wirksame Nichtangriffsabrede nicht mehr besteht: Unstreitig ist, dass zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf die hier abzustellen ist (vgl. BGH Mitt. 1975, 117   „Rotationseinmalentwickler“), die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien endgültig beendet waren. Dies kommt nicht zuletzt auch in der Kündigung der „Vereinbarung“ vom 22. Juli 1997 durch die Klägerin zu 1.) zum Ausdruck, wie sie sich aus ihrer Erklärung vom 22. August 2012 (vgl. Anlage K18) ergibt. Nach diesem Zeitpunkt sind von den Parteien unstreitig keine weiteren Bestellungen oder Lieferungen von Fugenbändern mehr getätigt worden oder beabsichtigt gewesen. Gemäß der oben genannten Auslegung von Ziffer 5 hat dies zur Folge, dass deshalb bereits eine wirksame Nichtangriffsverpflichtung auf der Grundlage der „Vereinbarung“ vom 22. Juli 1997 zu verneinen ist.

60

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist die Klage 10 Ni 36/10 zulässig, ohne dass es noch auf die gegen die Vereinbarung vom 22. Juli 1997 gerichteten kartellrechtlichen oder sonstigen Einwände der Klägerin zu 1.) ankäme.

61

b) Zulässigkeit der Klage 10 Ni 1/12

62

Auch die Klage der Klägerin zu 2.) erweist sich als zulässig. Eine wirksame Nichtangriffsabrede kann auch hier nicht festgestellt werden. Der zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 2.) als Anlage I zum Vergleichsvertrag vom 17. Januar 2007 geschlossene Lizenzvertrag, der eine Nichtangriffspflicht in Ziffer 7.3 enthielt, ist von der Beklagten unstreitig mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 ordentlich gekündigt worden. Damit endete auch die Verpflichtung der Klägerin zu 2.), das vorliegende Streitpatent nicht anzugreifen.

63

Nicht überzeugen kann die Auffassung der Beklagten, die in Ziffer 7.3 des Lizenzvertrages geregelte Nichtangriffsabrede müsse noch solange zu Lasten der Klägerin zu 2.) als fortbestehend fingiert werden, wie diese noch von dem ihr nach Ziffer 9.6 gewährten Abverkaufsrecht Gebrauch mache. Diese Auffassung entspricht nicht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Nachwirken einer vertraglichen Nichtangriffsabrede grundsätzlich zwar möglich, jedoch an sehr enge Voraussetzungen gebunden ist. Nur dann, wenn ein durch einen Vertrag begründetes besonderes Treueverhältnis über dessen Beendigung hinaus fortwirkt, kann es ausnahmsweise geboten sein, auch vom Weiterbestehen einer Nichtangriffspflicht auszugehen (BGH GRUR 1989, 39, 40   „Flächenentlüftung“). Ein solches Treueverhältnis setzt jedoch voraus, dass zwischen den Parteien vertragliche Bindungen bestanden haben, die wegen ihrer individuellen Ausgestaltung, insbesondere wegen Bestehens eines besonderen Vertrauensverhältnisses, oder wegen gesellschaftsähnlicher Züge nach Inhalt, Sinn und Zweck der vertraglichen Beziehung die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Verstoß gegen Treu- und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 1971, 135, 137   „Gewindeschneidvorrichtung“). Gleiches und nicht etwa   wie die Beklagte fälschlich meint   Gegenteiliges ergibt sich auch aus der von der Beklagten zitierten BGH-Entscheidung „Vanal-Patent“ (vgl. GRUR 1965, 135, 137).

64

Im vorliegenden Fall ist dagegen nicht erkennbar, dass zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 2.) vertragliche Beziehungen bestanden hätten, die durch ein besonderes Vertrauensverhältnis oder gesellschaftsähnliche Züge gekennzeichnet gewesen wären. Demnach endete die Nichtangriffspflicht der Klägerin zu 2.) mit Ablauf des 31. Dezember 2011, nämlich des Tages, an dem der am 17. Januar 2007 zwischen den Parteien geschlossene Vergleichsvertrag und der damit in Bezug genommene Lizenzvertrag nach Anlage I unstreitig ihr Ende gefunden hatten.

65

2. Begründetheit der Nichtigkeitsklagen

66

Die Klagen sind nicht begründet.

67

a) Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung (Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG)

68

Nach Auffassung der Klägerinnen ist das Merkmal 4, wonach das Fugenband auf wenigstens einer Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden ist, unzulässig, weil das Wort „gesondert“ in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbart sei.

69

Der Begriff „gesondert“ ist wörtlich den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen. Im ursprünglichen Anspruch 1 ist jedoch ein Fugenband beschrieben, das auf wenigstens einer Seite mit einer Kleberschicht versehen ist, und in der Beschreibung auf Seite 3, Z. 35 ff. und Z. 47 ff. der Offenlegungsschrift EP 0 792 973 A1, ist eine gesonderte Kleberschicht implizit offenbart. Denn dort ist u. a. von „einer werksseitig bereits aufgebrachten Kleberschicht“ die Rede. Mit dem Vorhandensein einer Kleberschicht auf dem Fugenband wird zum Ausdruck gebracht, dass das Fugenband und die Kleberschicht eine Einheit bilden. Die Kleberschicht wird im geltenden Patentanspruch 1 nun als gesonderte Schicht herausgestellt, die selbstverständlich mit dem Fugenband verbunden sein muss, damit das Fugenband über die Kleberschicht bestimmungsgemäß an der Nahtflanke befestigt werden kann.

70

b.) Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit (Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG) hinsichtlich des Gegenstandes nach Patentanspruch 7

71

Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in den Patentunterlagen enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen (vgl. BGH GRUR 2010, 916, 918 „Klammernahtgerät“). Das ist hier der Fall.

72

Gemäß Anspruch 7 ist die Kleberbeschichtung so eingestellt, dass die Klebeeigenschaften durch Anlösung erst dann entwickelt werden, wenn der Kleber mit einem Primer in Berührung kommt, der höher siedende Lösungsmittel enthält. Mit den Erläuterungen aus der Beschreibung ist diese Lehre für den Fachmann unter zu Hilfenahme von geeigneten, entweder bekannten oder aus Versuchen ermittelten Ergebnissen durchaus nacharbeitbar. Nach Abschnitt [0015] der EP 0 792 973 B2 wird die Einstellung des Klebers so vorgenommen, dass er bei Temperaturen bis hin zu etwa Raumtemperaturen, also bis in Bereiche von max. 30°C, noch keine oder nur geringe Klebeigenschaften aufweist. Erst wenn das mit der Kleberschicht versehene Fugenband durch Andrücken an die Nahtflanke mit dem Primer in Berührung kommt, so dass die im Primer enthaltenen höher siedenden Lösemittel auf die Kleberschicht einwirken, tritt die Klebefähigkeit und damit die Haftung ein.

73

c) Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ i. V. m. Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG und Art. 54 und 56 EPÜ)

74

aa) Neuheit des Gegenstandes nach Patentanspruch 1

75

Die zur Neuheit in der mündlichen Verhandlung erörterte K6 (DE 2 225 358 A) bezieht sich auf ein vorgefertigtes bogen- oder bahnförmiges Material, das mindestens eine Schicht aus einer polymervergüteten, bituminösen Masse hat (vgl. Anspruch 1), wobei die Schicht 1 auf der einen Seite eine im Wesentlichen nicht klebende Eigenschaft aufweist, während die auf der anderen Seite selbstklebend ist. Die selbstklebende Eigenschaft wird dadurch erreicht, dass die betreffende bituminöse Schicht aus einer selbstklebenden Bitumenmasse besteht. Das vorgefertigte bogen- oder bahnförmige Material wird in der Beschreibungseinleitung als besonders geeignet zur Aufbringung auf Betonflächen angesehen, aber es lässt sich auch unter entsprechender Abwandlung zur Abdichtung anderer Flächen einsetzen. So wird dieses bahnförmige Material zum Abdichten auf Betonflächen, u. a. auf Brücken, verlegt, wo anschließend eine heiße Asphaltschicht aufgebracht wird (vgl. S. 7, Abs. 2). Das vorgefertigte, bogen- oder bahnförmige Material nach der K6 betrifft somit ausschließlich Abdichtbahnen und kein Fugenband.

76

Das Fugenband mit den Merkmalen nach geltendem Patentanspruch 1 ist damit gegenüber dem Stand der Technik nach der K6 neu.

77

Das Fugenband nach der K12 (DE 41 26 090 C1) ist gemäß Anspruch 1 dieser Schrift reißfest und besteht gemäß Anspruch 5 aus einem elastischen Polymerkunststoff. Somit ist das Merkmal 3 des geltenden Patentanspruchs 1, wonach das Fugenband aus polymervergütetem Straßenbaubitumen besteht, aus der K12 nicht bekannt. Gegenüber diesem Stand der Technik ist die Neuheit des Fugenbandes gemäß dem Streitpatent ebenfalls gegeben.

78

In der mündlichen Verhandlung wurde gegenüber den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften die Neuheit des Streitpatentgegenstandes nicht mehr bestritten.

79

bb) Erfinderische Tätigkeit beim Gegenstand nach Patentanspruch 1

80

Durch die K2 (DE 93 13 030 U1) ist ein bitumenhaltiges Dichtungsmaterial bekannt, das wie der Streitpatentgegenstand als Fugenband im Straßenbau verwendet wird. Die dort gestellte Aufgabe besteht darin (Seite 2, Abs. 3), ein selbstklebendes, geformtes, trägerloses bitumenhaltiges Dichtungsmaterial, vorzugsweise in Form von Fugenbändern, Platten oder Bandagen herzustellen, das es gestattet, den Arbeits- und Materialaufwand für Arbeitsgänge des Anstrichs bzw. der Erwärmung einzusparen. Dieses Fugenband mit seiner im Anspruch 1 offenbarten Zusammensetzung wird durch leichte Erwärmung (Seite 3, letzter Satz) zu einem Fugenband verpresst, ist selbstklebend, und zum Einbau ist keine Erwärmung mehr nötig. Die Zusammensetzung des Fugenbandmaterials bewirkt offensichtlich die selbstklebende Eigenschaft (vgl. Anspruch 1 und Aufgabe). Die gesamte Schicht ist selbstklebend. Damit sind die im geltenden Patentanspruch 1 enthaltenen Merkmale, wonach das kaltverlegbare Fugenband im Straßenbau verwendet wird und aus polymervergütetem Straßenbaubitumen besteht, das auf wenigstens einer Seite mit einer Kleberschicht verbunden ist, bekannt.

81

Das aus polymervergüteten Straßenbaubitumen bestehende Fugenband nach der K2 ist aber weder auf der einen Seite noch auf der anderen Seite mit einer gesonderten Kleberschicht verbunden. Dies wird offensichtlich auch nicht als erforderlich angesehen, weil ein Verkleben bzw. Anhaften des Bandes bereits mit einem einschichtigen Fugenband erreicht wird.

82

Da der Lösungsansatz in der K2 nur auf ein einschichtiges Fugenband gerichtet ist, gibt die K2 dem Fachmann auch wegen der dort in sich abgeschlossenen technischen Lehre weder Anlass noch Hinweise dazu, die bekannte klebrige Schicht zwecks besserer Haftung einseitig mit einer weiteren klebrigen Schicht zu versehen.

83

Dies trifft auch auf die K22a (Aufsatz: „Ein neues Fugenband, ein Abdeckband und neue Stopfen zum Verschließen von Bohrlöchern“, A. E. Zeller, aus: Neue DELIWA Zeitschrift, Heft 12/94) zu, die im Grunde das in der K2 offenbarte Fugenband in seiner Verwendung beschreibt und in Bild 1 zeigt. Für den Einbau dieses Fugenbands an kühlen Tagen wird als Lösung nicht ausreichender Anhaftung ein Vorwärmen der Schnitt- und Fräskanten vorgeschlagen, was den Fachmann nicht zu der patentgemäßen Lösung hinführt.

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Auch das Band nach der K7 (DE 1 965 092 A) zeigt nichts, was über das Bekannte nach der K2 bzw. nach der K22a hinausgeht. Dieses Band ist einschichtig und gemäß Seite 3, Abs. 5 der Beschreibung stark klebend und plastisch   elastisch wie das Fugenband nach der K2, so dass das zur K2 Ausgeführte auch für diesen Stand der Technik gilt.

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Auch wenn der Fachmann, obwohl der Anlass in Richtung Bandverbesserung in der K2 bzw. K22a oder K7 fehlt, auf die K6 (DE 2 225 358 A) stoßen sollte, erkennt er in der K6 vorrangig Abdichtungsbahnen in unterschiedlichen Breiten. Dort ist ein Verkleben der Bahnen mit dem Betonuntergrund mittels einer Klebeschicht, die auf die Bahnen aufgebracht ist, beschrieben. Bei dem zweischichtigen Aufbau geht es allerdings nicht um eine Verbesserung der Haftung der flach aufliegenden Abdichtungsbahnen auf dem Betonuntergrund, sondern um die Schaffung einer nichtklebenden Seite, die nach außen freiliegen kann (vgl. S. 2, vorletzter Satz) und zudem an spezielle Randbedingungen angepasst werden kann (vgl. S. 6, 2. Abs.); des Weiteren bietet dieser Aufbau auch noch die Möglichkeit des Einbringens eines Verstärkungsmaterials als Zwischenlage (vgl. S. 4, Z. 6 ff.).

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Die Zweischichtigkeit der Abdichtungsbahnen in der K6 dient damit ganz anderen Zielen als beim Streitpatent, was eine gesonderte Klebeschicht gemäß Merkmal 4 nach dem geltenden Patentanspruch 1 nicht nahelegen kann, da beim Streitpatent die (Steigerung der) Klebeeigenschaft bei stehend angebrachten Fugenbändern im Vordergrund steht. Ein Übertragen der aus der K6 bekannten Zweischichtigkeit  bei Abdichtungsbahnen auf ein Fugenband nach der K2 bzw. K22a oder K7 könnte somit nur in Kenntnis der Erfindung erfolgen, was für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine unzulässige ex post Betrachtung wäre.

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Die weiteren Druckschriften, K12 (DE 41 26 090 C1) und K10 (DD 258 259 A1), die in der mündlichen Verhandlung von den Klägerinnen herangezogen wurden und zusammen ausgehend von der K2 bzw. K22a oder der K7 zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 führen sollen, zeigen wie die K6 zwar einen zweischichtigen Aufbau, betreffen aber Bänder, die mit der Straßenfertigung aus Bitumen   gebundenen Asphaltschichten nichts Übereinstimmendes haben.

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So zeigt die K12 eine Fugenabdichtung in Verkehrsflächen aus Beton, die durch Anordnen von Fugen in Einzelflächen aufgeteilt werden. Der übliche Fugenabstand liegt zwischen 3,5 und 7,5 m. Die Fugenteilung ist zur Kompensation von Schwingspannungen sowie von temperaturbedingten Längenänderungen erforderlich. Der Fugenspalt muss abgedichtet werden, da sonst Oberflächenwasser eindringen kann und zu Schäden an der Tragschicht führt. Zur Abdichtung wird der Fugenspalt üblicherweise an der Oberfläche zu einer Fugenkammer aufgeweitet. Das Fugenband besteht aus einer unteren Schicht und zumindest einer weiteren Schicht, welche als obere Abdichtungsschicht ausgebildet ist, und ist derart gefaltet, dass seine zu den Fugenkammerwänden gerichteten Außenflächen von der unteren Schicht gebildet sind. Die untere Schicht des Fugenbandes aus einem elastischen Polymerkunststoff ist zumindest in den an den Fugenkammerwänden anliegenden Bereichen mit dem Klebstoff versehen und in diesen Bereiche mit den Fugenkammerwänden verklebt (vgl. Sp. 1 Z. 3 bis 19 und A1).

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Die Bänder nach der K12 füllen nicht wie beim Streitpatentgegenstand die Fuge aus, sondern überbrücken die Fugen und können somit mangels technischer Übereinstimmung auf die in der Streitpatentschrift geschilderten Probleme keinen Lösungsansatz geben. Vielmehr ist das Heranziehen der K12 wie bei der K6 erst in Kenntnis der Erfindung möglich, weil zum einen sich aus der K2 bzw. K22a oder der K7 kein Anlass für eine eigens aufgebrachte Klebeschicht ergibt und zum anderen das Fugenband nach der K12 bis auf die Kleberschicht anders aufgebaut und verwendet wird, wie zuvor erläutert.

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Das Fugenband nach der K10 besteht aus einem flachen, flexiblen und elastischen Dichtmaterial, beide Randbereiche haben in der Terminologie des Streitpatents Klebeschichten, die das Fugenband mit den angrenzenden Bauteilen beidseits der Fuge durch Erwärmung verkleben. Dieses Band ist wie das nach der K12 ausgebildet, nur in der Verwendung deckt das Band nach der K10 die Fuge ab, bildet die optische Sichtfläche des Fugenverschlusses, ist aber nicht in der Fuge angeordnet. Damit gilt für die K10 das gleiche, was oben bereits zur K12 ausgeführt ist.

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Somit kann der abgehandelte Stand der Technik keinen Weg aufzeigen, der zum Gegenstand nach dem geltenden Patenanspruch 1 führt. Hinsichtlich der Druckschrift K22a kann damit auch das Veröffentlichungsdatum dahinstehen.

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Die übrigen im Verfahren angeführten Druckschriften sind in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen worden. Sie liegen auch weiter ab und können den Bestand des Patents im beantragten Umfang nicht in Frage stellen.

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Der Patentanspruch 1 des Streitpatents hat daher Bestand.

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cc) Unteransprüche

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Die ebenfalls angegriffenen, auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 und 7 werden von dem bestandsfähigen Patentanspruch 1 mitgetragen und sind damit ebenfalls bestandsfähig.

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d) Hilfsanträge

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Im Hinblick darauf, dass sich das Patent bereits in der geltenden Fassung als rechtsbeständig erweist, erübrigt sich ein Eingehen auf die von der Beklagten gestellten Hilfsanträge.

III.

98

Als unterlegene Parteien haben die Klägerinnen die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dies folgt aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.